LG Hamburg, Urteil vom 22.05.2019 - 318 S 90/18
Fundstelle
openJur 2020, 8819
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.08.2018, Az. 11 C 170/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 33.628,86 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft B. ... in ... H.. Sie streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin (Mietminderung) gegen die Beklagten. Die Klägerin ist Eigentümerin einer Souterrainwohnung, in deren Bereich Feuchtigkeitsprobleme aufgetreten sind.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.08.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch eines Wohnungseigentümers wegen Untätigkeit der übrigen Wohnungseigentümer bei Sanierungsbedarf des Gemeinschaftseigentums mit negativer Folgeausstrahlung ins Sondereigentum setze nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine bestimmte Vorgehensweise voraus. Der betroffene Sondereigentümer müsse mittels Antrags auf einer Eigentümerversammlung tätig werden. Es müsse eine Beschlussfassung herbeigeführt werden, notfalls im Wege einer Beschlussersetzungsklage. Im Fall eines bestandskräftigen Negativbeschlusses müsse der Wohnungseigentumseigentümer eine Änderung der Beschlusslage herbeiführen. Die Klägerin hätte mithin die übrigen Eigentümer mit einem entsprechenden Beschlussantrag befassen müssen, sei es durch die Forderung gegenüber der Verwaltung, einen substantiierten Antrag auf die Tagesordnung zu nehmen, sei es im Rahmen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung. Dies sei insbesondere dann erforderlich gewesen, wenn die Klägerin die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens zur Umsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber der Firma- E. A. GmbH nicht für ausreichend gehalten habe. Entsprechende (Sanierungs-)Anträge seien jedoch nicht gestellt worden. Lediglich ein nicht in Antragsform geäußertes unsubstantiiertes Begehren sei auf der Eigentümerversammlung vom 22.11.2005 geltend gemacht worden. Auch auf der Versammlung vom 11.12.2014 sei kein Sanierungsantrag gestellt worden. Die Klägerin habe zudem nicht dargetan, aus welchem Grund sie gerade die beiden beklagten Wohnungseigentümer aus den übrigen Wohnungseigentümern herausgegriffen habe. Im Übrigen bestehe grundsätzlich keine Verpflichtung, an einer Eigentümerversammlung teilzunehmen. Die Klägerin habe insoweit auch nicht vorgetragen, dass die Beklagten auf allen Eigentümerversammlungen anwesend gewesen seien. Die Beschlüsse bzgl. des Vorgehens gegen die Handwerksfirma habe die Klägerin nicht angefochten.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 17.08.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 17.09.2018 über E-Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.11.2018 mit einem an diesem Tag über E-Fax eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin trägt vor, es genüge für einen Schadensersatzanspruch, dass die übrigen Eigentümer untätig geblieben seien. Eine Verpflichtung, die Durchführung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zu beantragen und dort einen entsprechenden Sanierungsantrag zu stellen, bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Dies sei lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens gemäß § 254 BGB von Bedeutung. Eine Handlungspflicht ergebe sich vielmehr ohne Weiteres aus dem Gesetz, wenn Wohnungseigentümer von einem Sanierungsbedarf des Gemeinschaftseigentums mit negativen Folgen für das Sondereigentum Kenntnis erlangten. Im vorliegenden Fall seien alle Eigentümer aufgrund der Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens (im Jahr 2007) über die Sanierungsbedürftigkeit des Gemeinschaftseigentums informiert gewesen. Die Beklagten seien zudem durch mehrere Einwürfe und Anschreiben (Anlage K 2) über ihre Schädigung in Kenntnis gesetzt worden. Auch aus den Protokollen der Eigentümerversammlungen, die sämtliche Miteigentümer erhalten hätten, sei die Sanierungsbedürftigkeit der Außenmauer und der Abdichtung hervorgegangen. Bereits im Jahr 2005 und erneut am 11.09.2008 seien Feuchtigkeitsschäden der Verwaltung gemeldet worden, am 02.02.2009 sei trotz einer Besichtigung kein Auftrag zur Beseitigung der Schäden erteilt worden. Am 03.11.2010 hätten die Mieter eine Mietminderung angekündigt, am 21.06.2011 sei eine zuvor erteilte schriftliche Sanierungszusage durch den Beklagten zu 1) zurückgezogen worden. 2012 seien Feuchtigkeitsschäden aufgrund einer falsch eingebauten Horizontalsperre in der Nachbarwohnung beseitigt und die Eigentümerin für Mietausfälle entschädigt worden. Auch die Eigentümer der anderen Souterrainwohnung machten zwischenzeitlich Schadensersatz geltend (Anlage BK 1). Der Beklagte zu 1) sei Verwaltungsbeirat, habe aber eine Beseitigung der Schäden behindert. Im Übrigen hafteten alle Eigentümer als Gesamtschuldner. Schließlich ergebe sich eine Schadensersatzpflicht der Beklagten auch aus deliktischen Gesichtspunkten gemäß § 823 BGB.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.08.2018, Az. 11 C 170/18, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 33.628,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die amtsgerichtliche Entscheidung, erheben die Verjährungseinrede und tragen vor, es fehle an einem Beschlussantrag der Klägerin, die Feuchtigkeitsschäden und deren Ursache an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Wand zu beseitigen. Sie, die Beklagten, seien nicht schon aufgrund bloßer Kenntnis von einem Feuchtigkeitsschaden im Gemeinschaftseigentum zu dessen Beseitigung verpflichtet. Nach September 2015 habe die Klägerin ihre Wohnung jedenfalls vermietet, möglich sei ihr dies schon vorher gewesen.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlungen einen Schriftsatz vom 07.05.2019 eingereicht, der ihr nicht nachgelassen war. Die Kammer hat diesen berücksichtigt, soweit darin rechtliche Ausführungen enthalten sind.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch wegen Mietausfalls für den Zeitraum 01.07.2013 bis zum 30.09.2015 zusteht.

1.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Erleidet ein einzelner Wohnungseigentümer Schäden an seinem Sondereigentum, weil eine Beschlussfassung über eine erforderliche Sanierung des Gemeinschaftseigentums unterbleibt oder abgelehnt wird, sind zwar die übrigen Wohnungseigentümer und nicht der Verband passiv legitimiert (BGH Urteil vom 16.11.2018 - V ZR 171/17, zitiert nach juris). Voraussetzung einer Haftung ist jedoch eine Pflichtverletzung. Daran fehlt es.

Schadensersatzansprüche eines Sondereigentümers gegen die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 280 Abs. 1 BGB können wegen eines pflichtwidrigen Abstimmungsverhaltens betreffend notwendiger Maßnahmen der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums bestehen. Zwar sind die Wohnungseigentümer im Grundsatz weder zur Teilnahme an einer Eigentümerversammlung noch zur Mitwirkung an der Willensbildung verpflichtet. Anders liegt dies jedoch dann, wenn nur die sofortige Vornahme einer bestimmten Maßnahme ordnungsgemäß ist und dies von einem Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangt wird, der andernfalls Schäden an seinem Sondereigentum erleidet. In diesem Fall besteht ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht der übrigen Wohnungseigentümer aufgrund der gegenseitigen Treuepflicht. Es handelt sich nicht um eine leistungsbezogene Pflicht gemäß § 280 Abs. 2 BGB, weil die Wohnungseigentümer nicht selbst zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums verpflichtet sind. Geschuldet wird jedoch ein bestimmtes Abstimmungsverhalten, das die Grundlage für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums schafft. Es besteht eine Mitwirkungspflicht als Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB dahingehend, das Stimmrecht in einer konkreten Weise auszuüben (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 23.02.2018 – V ZR 101/16, Rn. 21 ff., 36; BGH – Urteil vom 17.10.2014 - V ZR 9/14, Rn. 24; zitiert nach juris).

Dies zu Grunde gelegt, hat die Klägerin eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht dargetan. Die Annahme, ein bestimmtes Abstimmungsverhalten sei pflichtwidrig, setzt voraus, dass eine Maßnahme zur Abstimmung gestellt wird. Bloße „Kenntnisse“ der Wohnungseigentümer oder „Hinweise“ an diese genügen hier nicht, denn es besteht auch keine Pflicht der übrigen Wohnungseigentümer, ihrerseits Beschlussanträge zu stellen oder auf die Aufnahme bestimmter Tagesordnungspunkte durch die Verwaltung hinzuwirken (BGH, Urteil vom 23.2.2018 - V ZR 101/16, Rn. 62f.). Dies ist vielmehr Aufgabe des Verwalters, gegen den jeder Wohnungseigentümer - mithin auch die Klägerin - einen Anspruch darauf hat, dass bestimmte Fragen auf einer ordentlichen oder außerordentlichen Eigentümerversammlung behandelt werden (Vandenhouten in: Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 49).

Wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, fehlt es jedoch an einem entsprechenden Beschlussantrag der Klägerin, mit dem die Beklagten und die übrigen Wohnungseigentümer befasst wurden und den diese (pflichtwidrig) abgelehnt haben. Über welchen konkreten Beschlussantrag auf welcher Eigentümerversammlung in welcher Weise von den Beklagten hätte abgestimmt werden müssen, um die Grundlage für Sanierungsmaßnahmen zu schaffen, die den Mietausfallschaden vermieden hätten, ist unklar. Auf die Frage, ob – wie vom Amtsgericht angenommen - im Fall eines bestandskräftigen Negativbeschlusses der Wohnungseigentumseigentümer eine Änderung der Beschlusslage herbeiführen muss, kommt es nicht an, weil es bereits an einem derartigen Negativbeschluss fehlt. Selbst wenn ein Negativbeschluss gefasst worden wäre, hätte die Klägerin, die lediglich zwei der übrigen Wohnungseigentümer in Anspruch nimmt, im Übrigen näher darlegen müssen, dass gerade deren Abstimmungsverhalten für das Beschlussergebnis kausal geworden ist.

Da die Klägerin Mietausfälle für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 30.09.2015 geltend macht, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie die übrigen Wohnungseigentümer zuvor mit bestimmten, auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen gerichteten Beschlussanträgen befasst hat. Dies ist nicht ersichtlich. Unerheblich ist, dass bereits im Jahr 2008 Feuchtigkeitsschäden der Verwaltung (!) gemeldet und im Jahr 2009 nach einer Besichtigung kein Auftrag erteilt wurde. Dies begründet aus den oben dargelegten Gründen keine Handlungspflicht der übrigen Wohnungseigentümer. Soweit die Klägerin geltend macht, spätestens 2011 hätte man eine andere Firma als die Firma E.- A. GmbH beauftragen müssen, statt eine Gewährleistungsklage gegen letztere einzureichen, fehlt es auch hier an einem entsprechenden Beschlussantrag. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Eigentümerversammlung vom 11.12.2014 (Anlage K 5). Auch dort wurde zu TOP 13 ausdrücklich gerade kein Beschluss zur Abstimmung gestellt, sondern nur allgemein die Thematik, die bisherigen Erkenntnisse und das weitere Vorgehen erörtert.

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. So ist schon fraglich, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt, weil das Sondereigentum der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs mangelhaft war (Palandt-Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn. 10).

Jedenfalls fehlt es an einer zurechenbaren Verletzungshandlung. Welche konkrete Verletzungshandlung der Beklagte zu 2) vorgenommen hat, trägt die Klägerin schon nicht vor. Soweit sie behauptet, der Beklagte zu 1) habe jede Diskussion, eine Sanierung und Beseitigung der Schäden „behindert“ bzw. am 21.06.2011 eine Sanierungszusage „zurückgezogen“, ist dies nicht hinreichend substantiiert. In welcher Weise dies geschehen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Kern macht die Klägerin den Beklagten zudem gerade den Vorwurf, untätig geblieben zu sein.

Voraussetzung einer Haftung im Fall des Unterlassens ist jedoch, dass eine Handlungspflicht besteht. Es muss eine Pflicht zum Handeln zwecks Verhütung der Rechtsgutverletzung bestehen, deren Beachtung die Rechtsgutverletzung verhindert hätte (Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 2). Dies ist aus den oben unter II. 1. genannten Gründen nicht der Fall. Einen Grundsatz - wie von der Klägerin postuliert - dass das Eigentum anderer durch aktives Verhalten zu schützen sei, gibt es in dieser Allgemeinheit auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nicht.

3.

Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 BGB (analog) zu. Die Voraussetzungen eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs liegen auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme (§ 241 BGB), dass auch im Schuldverhältnis der Wohnungseigentümer gilt (Niedenführ/Vandenhouten, WEG, a.a.O., § 21 Rn. 122), nicht vor. Eine Verletzung durch die Beklagten ist nicht dargetan.

4.

Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Mietausfällen im Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 30.09.2015 bereits verjährt sind, kommt es nach allem nicht an.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff. 10 ZPO

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 49a GKG.