OLG Hamburg, Urteil vom 19.12.2019 - 3 U 191/18
Fundstelle
openJur 2020, 8783
  • Rkr:

1. Es kann nicht festgestellt werden, dass es in der Modebranche eine Gewöhnung daran gibt, dass Fantasiebezeichnungen oder sonstige Zeichen, die nicht als Vornamen erkennbar sind, als bloße Modellbezeichnungen Verwendung finden.

2. In dem für Bekleidung benutzten Zeichen „MYMMO“ bzw. „Mymmo“ erkennen die angesprochenen Verkehrskreise keinen Vornamen. Wird jenes Zeichen im Rahmen einer Internetwerbung für Bekleidung neben einem für den Verkehr erkennbaren Unternehmenskennzeichen deutlich herausgestellt, wie der Verkehr dies von der Verwendung von (auch Zweit-) Marken gewöhnt ist, dann versteht der Verkehr dies als Herkunftshinweis und liegt darin eine markenmäßige Verwendung.

3. Zwischen der Marke „myMO“ und dem Zeichen „MYMMO MINI“ besteht im Warenbereich „Bekleidung“ Verwechslungsgefahr.

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18.10.2018 (327 O 131/18) wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Klage nicht zurückgenommen hat.

2. In Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung haben die Klägerin von den Kosten der ersten Instanz 1/8 und die Beklagte 7/8 zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6 zu tragen.

3. Dieses Urteil ist hinsichtlich Ziffer 2 und das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Ziffern 1 (Auskunft) und 4 (Abmahnkosten) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung zu Ziffer 2 dieses Urteils sowie zu Ziffer 4 des Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insoweit jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung zu Ziffer 1 des Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über markenrechtliche Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der klägerischen Marke „myMO“ durch das von der Beklagten verwendete Zeichen „MYMMO MINI“.

Die Klägerin ist Inhaberin u. a. der deutschen Wortmarke „myMO“ sowie der Unionsmarke „myMO“, die mit Priorität vom 29.06.2007 bzw. vom 23.09.2011 jeweils Schutz u. a. für „Bekleidungsstücke“ beanspruchen und beide in Kraft stehen. Wegen der Einzelheiten der Markeneintragungen wird auf die als Anlagenkonvolut K1 zur Akte gereichten Registerauszüge Bezug genommen.

Die Klägerin verwendete das Zeichen „myMO“ für Bekleidungsstücke, die über Online-Verkaufsplätze, wie Zalando, amazon, eBay, otto.de sowie motion-fashion.de vertrieben wurden, wobei der Umfang der Benutzungshandlungen zwischen den Parteien streitig ist. Hinsichtlich der Einzelheiten der Benutzungshandlungen wird auf die als Anlagenkonvolute K2 und K10 zur Akte gereichten Screenshots aus den Jahren 2013, 2016 und 2017 sowie die Einblendungen in der Klageschrift Bezug genommen.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das mit Sitz in Buchholz in der Nordheide Bekleidung anbietet und vertreibt. Im dritten Quartal 2017 bewarb die Beklagte unter dem Zeichen „MYMMO MINI“ über ihre Internetseite Kinder-Skihosen und vertrieb diese u. a. an gewerbliche Abnehmer. Auf der Internetseite war die Abbildung der Hose mit „MYMMO MINI“ und darunter mit „FUNKTIONSHOSE MIT TRÄGERN UND SCHNEEFANG ART.-NR 31097“ überschrieben. Bei Bestellung der Hose wurde diese in einer transparenten Tüte mit dem Aufdruck „S.“ sowie mehreren Aufklebern, auf denen es u. a. heißt „Mymmo Mini“, versendet. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagenkonvolut K3 gereichten Screenshots aus dem Internetangebot der Beklagten mit entsprechenden Rechnungen bzgl. seitens der Klägerin vorgenommener Testkäufe und sowie ein von der Klägerin eingereichtes Exemplar einer verpackten Hose Bezug genommen. Auch gewerbliche Abnehmer der Beklagten boten eine entsprechend gekennzeichnete Hose im Internet an. Insoweit wird auf das Anlagenkonvolut K9 verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab (Anlage K4), woraufhin diese mit Schreiben vom 24.11.2017 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage K5) abgab. In der Folgezeit erteilte die Beklagte Auskunft darüber, dass sie mit dem Vertrieb von insgesamt 10.955 solcher Hosen einen Gesamtumsatz in Höhe von € 193.761,22 erzielt habe (Anlage K7). Den erzielten Gewinn teilte die Beklagte der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Klägerin nicht mit.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Marke seit über zehn Jahren umfassend für die geschützten Waren benutzt und damit in den letzten fünf Jahren vor der Abmahnung jährliche Umsätze von nie unter einer Million Euro erzielt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung ihrer Rechte an der Marke „myMO“ zu. Der Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten stehe ihr in Höhe einer 1,3 Gebühr auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von € 150.000,00 zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer zu.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den in der Bundesrepublik Deutschland durch den Vertrieb von wie in der Anlage wiedergegebenen mit dem Zeichen „MYMMO“ gekennzeichneten Hosen erzielten Gewinn, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses, das die Verkäufe der vorgenannten Waren, sortiert nach dem Verkaufsdatum, der jeweiligen Menge, dem jeweiligen Verkaufspreis sowie den Einkaufspreis bzw. die Herstellungskosten, die Vertriebskosten und den Gesamtkostenanteil für die jeweils verkauften Produkte sowie den jeweils erzielten Gewinn enthält;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1 genannten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

3. der Klägerin zu gestatten, den Urteilskopf und den Urteilstenor, auch auszugsweise, innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft auf Kosten der Beklagten durch eine in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“, hilfsweise einer anderen branchenrelevanten Fachzeitschrift, erscheinenden halbseitigen Anzeige öffentlich bekanntzumachen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.743,43 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.01.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zustünden. Eine Markenverletzung scheide schon aus, weil die Beklagte das Zeichen „MYMMO MINI“ nicht markenmäßig verwendet habe. „Mymmo“ sei an den Vornamen „Mimmo“ angelehnt, der ein gängiger Name in Italien sei. Es sei in der Bekleidungsindustrie üblich, Vornamen als Modellnamen zu verwenden. Der angesprochene Verkehr sei deshalb daran gewöhnt, dass zur Benennung der Modelle innerhalb einer Kollektion eines Herstellers Vornamen verwendet würden. Er nehme nur die Herstellerangabe „S.“ als Herkunftshinweis wahr. Es liege auch keine Verwechslungsgefahr vor, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen „myMO“ und „MYMMO MINI“ nicht ähnlich seien.

Weitergehende Auskunft bezüglich des erzielten Gewinns könne schon deshalb nicht erteilt werden, weil der Gewinn ggf. durch den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits geschmälert werde, da ggf. die Rechtsverteidigungskosten in Abzug zu bringen seien. Der dem Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zugrunde gelegte Gegenstandswert von € 150.000,00 sei überhöht.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung des Urteils sowie der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 18.10.2018 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlich gehaltenen Vortrag. Die Bezeichnung der streitgegenständlichen Hose „MYMMO MINI“ verletze nicht die Herkunftsfunktion der Klagmarke. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass Artikel mit Vornamen bezeichnet würden. Bei „Mymmo“ handele es sich um einen Vornamen, der auch in Deutschland in dieser und anderen Schreibweisen geläufig sei, wie sich dem als Anlage BK 1 zur Akte gereichten Gutachten der Namenberatungsstelle Leipzig entnehmen lasse. Die angesprochenen Verkehrskreise erkennten das Zeichen auch als Vornamen und sähen in ihm keinen Herkunftshinweis, sondern ein (übliches) Mittel zur Unterscheidung der Produkte innerhalb der Produktpalette desselben Herstellers. Als Modellnamen würden sowohl übliche oder bekannte Vornamen als auch Abwandlungen davon oder Fantasienamen verwendet. Dass die Verwendung von Namen als Modellbezeichnung üblich sei, lasse sich den als Anlage BK 4 zur Akte gereichten Screenshots entnehmen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidungen zu den Zeichen „MO“ und „SAM“. Für ein solches Verständnis des Zeichens als bloße Modellbezeichnung spreche auch, dass in der Hose ein Label eingenäht sei, auf dem es heiße „S., Breathable, Waterproof“. In der Gesamtschau scheide eine Bewertung der Verwendung des Zeichens „MYMMO“ als Zweitmarke aus. Die sich gegenüberstehenden Zeichen seien einander in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht unähnlich. Die Anlagenkonvolute K2 und K10 reichten als Nutzungsnachweis nicht aus, weil sich daraus nicht entnehmen lasse, ob und wieviele Waren mit der Bezeichnung „myMO“ tatsächlich verkauft worden seien. Die Bekanntheit der Marke „myMO“ werde bestritten.

Auch die Annexansprüche bestünden nicht. Der Auskunftsanspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht. Jedenfalls sei er unverhältnismäßig. Nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Abmahntätigkeit der Klägerin auch gegenüber Kunden der Beklagten, sei abzusehen, dass kein Gewinn bei der Beklagten verbleiben werde. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf sei der Beklagten aufgrund der Branchenübung und des Umstands, dass es sich bei „Mymmo“ um einen Vornamen handele, nicht zu machen.

Die Beklagte beantragt,

das am 18.10.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Hamburg, dortiges Az. 327 O 131/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Nach Rücknahme des Klagantrags zu 3 (Urteilsveröffentlichung) beantragt die Klägerin im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin vertieft und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, das erstinstanzliche Urteil sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2019 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung ist – soweit darüber nach Rücknahme des Klagantrags zu 3 noch zu entscheiden ist – unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht den Schadensersatzanspruch der Klägerin festgestellt und die Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskunft und zur Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatzfeststellung nach § 14 Abs. 6 MarkenG zu.

1. Durch die ohne die Zustimmung der Klägerin erfolgte Verwendung des Zeichens „MYMMO MINI“ im geschäftlichen Verkehr hat die Beklagte die Rechte der Klägerin an der deutschen Wortmarke „myMO“ (Registernummer DE 30742763) verletzt.

a. Die Klagmarke steht in Kraft. Die Beklagte kann ihr auch nicht mit Erfolg die Einrede mangelnder Benutzung nach § 25 MarkenG entgegen halten. Dass die Klägerin die Marke ausweislich der Anlagenkonvolute K2 und K9 zur Kennzeichnung diverser Kleidungsstücke nicht nur auf ihrer eigenen Website, sondern auch auf Online-Verkaufsplätzen wie Zalando, amazon, eBay, otto.de sowie motion-fashion.de benutzt hat, ist unstreitig. Die auf diese Weise nachgewiesenen Markennutzungen in den Jahren 2013, 2016 und 2017 genügen, um von ernsthaften Nutzungshandlungen im Sinne der §§ 25, 26 MarkenG auszugehen. Der Einwand der Beklagten, dass dadurch strenggenommen jeweils nur die Nutzung an einzelnen Tagen (zu denen die Screenshots gefertigt wurden) belegt werde, kann angesichts der Vielzahl der mit „myMO“ gekennzeichneten Kleidungsstücke und der Bedeutung der Online-Verkaufsplätze, auf denen diese angeboten wurden, nicht verfangen. Da schon die auf diese Weise dargestellten Nutzungshandlungen genügen, um eine ernsthafte Markennutzung zu belegen, kommt es auf den genauen Umfang der Nutzungshandlungen insoweit nicht an.

b. Die Beklagte hat das Zeichen „MYMMO MINI“ für die von ihr angebotene Kinderhose markenmäßig verwendet.

Eine markenmäßige Benutzung setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (BGH, GRUR-RR 2010, 359, Rn. 16 ff. – CCCP – unter Hinweis auf EuGH, GRUR 2003, 55 Rn. 51 ff. – Arsenal Football Club; BGH, GRUR 2008, 793, Rn. 15 – Rillenkoffer) und folglich die Herkunftshinweisfunktion der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (BGH a.a.O. – CCCP – unter Hinweis auf EuGH, GRUR 2008, 698, Rn. 57 – O2/Hutchison; EuGH GRUR 2009, 756, Rn. 59 – L'Oréal; BGHZ 171, 89, Rn. 22 – Pralinenform; BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 60 – METROBUS). Ein Verständnis als betrieblicher Herkunftshinweis muss ausgeschlossen sein, um eine rechtsverletzende (markenmäßige) Benutzung verneinen zu können (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 17 – Hölterhoff).

Die objektive nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annehme, reicht aus (EuGH, GRUR 2003, 55, Rn. 57 – Arsenal Football Club). Bei der dem Tatrichter obliegenden Beurteilung, ob eine Bezeichnung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen (BGH, GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2019, 1289, Rn. 22 – Damen Hose MO).

Im Modebereich wird der angesprochene Verkehr häufig in der Herstellerangabe den Herkunftshinweis sehen (BGH, GRUR 1996, 406, 407 – JUWEL; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellerangabe vorangestellt ist (BGH, GRUR 1996, 774, 775 – falke-run/LE RUN). Wird neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird (BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 35 – Damen Hose MO). Die Annahme, dass der Verkehr ein Zeichen als bloße Modellbezeichnung und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis versteht, liegt nahe bei der Verwendung besonders häufig vorkommender Vornamen (vgl. BGH, GRUR 1970, 552, 553 – Felina-Britta; BGH, GRUR 1988, 307 – Gaby). Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass weniger gebräuchliche Vornamen unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls stets als Herkunftshinweis verstanden werden (BGH, GRUR 2019, 522, Rn. 48 – SAM).

Die Verkehrsauffassung dazu, ob das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb verstanden wird, wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH, GRUR 2008, 698, Rn. 64 – O2/Hutchison; BGH, GRUR 2002, 809, 811 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; GRUR 2010, 838, Rn. 20 – DDR-Logo; GRUR 2012, 1040, Rn. 19 – pjur/pure; GRUR 2017, 520, Rn. 26 – MICRO COTTON; GRUR 2019, 1289, Rn. 25 – Damen Hose MO).Wird ein Zeichen etwa auf der Verpackung oder in der Werbung für Bekleidungsstücke verwendet, kann seine blickfangmäßige Herausstellung für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 – pjur/pure; GRUR 2017, 520, Rn. 26 – MICRO COTTON; GRUR 2019, 1289, Rn. 25 – Damen Hose MO). Der Aufdruck der Modellbezeichnung auf an Bekleidungsstücken befestigten Verkaufsetiketten kann je nach den Umständen ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden werden (BGH GRUR 2019, 522, Rn. 51 – SAM). Dies kann auch dann angenommen werden, wenn das Zeichen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke verwendet wird, während der angesprochene Verkehr in der Verwendung einer nicht als Marke bekannten Modellbezeichnung an einer unauffälligen Stelle in der Angebotsbeschreibung regelmäßig keine markenmäßige Verwendung sehen wird (BGH, GRUR 2019, 522, Rn. 54 – SAM; GRUR 2019, 1289, Rn. 35 – Damen Hose MO).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte das Zeichen „MYMMO MINI“ markenmäßig verwendet hat. Der angesprochene Verkehr wird in dem angegriffenen Zeichen jedenfalls eine Zweitmarke neben der Dachmarke oder dem Unternehmenskennzeichen „S.“ und damit einen Herkunftshinweis erkennen. Er wird dagegen darin nicht eine reine Modellbezeichnung ohne eigenständigen Herkunftshinweis erkennen.

Zunächst kann nicht festgestellt werden, dass es in der Modebranche eine Gewöhnung daran gibt, dass Fantasiebezeichnungen oder sonstige Zeichen, die nicht als Vornamen erkennbar sind, als bloße Modellbezeichnungen Verwendung finden würden. Sämtliche Entscheidungen, bei denen der Bundesgerichtshof die Verwendung als bloße Modellbezeichnung bejaht hat, sind zu bekannten oder zumindest gebräuchlichen Vornamen ergangen (vgl. BGH, GRUR 1970, 552, 553 – Felina-Britta; BGH, GRUR 1988, 307 – Gaby). Entgegen dem Vortrag der Beklagten vermag der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen, nicht festzustellen, dass es eine Gewöhnung des Verkehrs daran gäbe, dass auch ungebräuchliche oder gar Fantasienamen als bloße Modellbezeichnung ohne Herkunftshinweisfunktion Verwendung fänden. Auch die seitens der Beklagten als Anlage BK4 vorgelegten Screenshots zeigen mit den Modellen „Linda“, „Heidi“ und „Martina“ ausschließlich bekannte Vornamen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten werden die angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen „MYMMO“ bzw. „Mymmo“ vorliegend keinen Vornamen erkennen. Diese Feststellung wird nicht widerlegt, sondern eher gestützt durch das von der Beklagten als Anlage BK 1 zur Akte gereichte Schreiben des namenkundlichen Zentrums der Universität Leipzig. Diesem lässt sich zwar entnehmen, dass es sich bei „Mymmo“ um einen ursprünglich friesischen Vornamen handelt. Die darin enthaltene vorsichtige Feststellung, dass dieser „zu den weniger häufigen männlichen Vornamen“ zähle, er aber „noch eingetragen“ werde, so sei die abweichende Schreibweise „Mimmo“ 2015 in Köln sowie 2017 in Fulda eingetragen worden, weist darauf hin, dass die aktuelle Verbreitung des Namens in der Bundesrepublik Deutschland – und zwar in der Schreibweise mit „i“ – tatsächlich extrem gering ist. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass kein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise in „Mymmo“ einen Namen erkennen wird. Das Zeichen wird vielmehr als Fantasiebegriff wahrgenommen.

Auch die übrigen Umstände der Internetwerbung, der Verwendung des Zeichens in der Rechnung sowie die Verpackungsgestaltung (vgl. jeweils Anlage K3) sprechen dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise in „MYMMO MINI“ die Verwendung als herkunftshinweisende (Zweit-) Marke sehen werden.

Dieses Zeichen ist auf der Internetseite in Fettdruck hervorgehoben und fungiert blickfangmäßig als Überschrift der streitgegenständlichen Skihose, während die nachfolgende Angabe („FUNKTIONSHOSE MIT TRÄGERN UND SCHNEEFANG“) rein beschreibend ist. Es befindet sich mithin nicht an lediglich untergeordneter Stelle, sondern wird deutlich herausgestellt, wie der Verkehr dies von der Verwendung von Marken gewöhnt ist. Das „S.“-Logo findet sich auf der Angebotsseite lediglich als Logo in der Bildecke und fungiert auf diese Weise erkennbar als Unternehmenskennzeichen oder Dachmarke, welche unabhängig von den weiteren Seiteninhalten eingeblendet wird. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass neben einer solchen Dachmarke warenbezogene (Zweit-) Marken verwendet werden. Der Einnäher in der Hose, auf dem sich das „S.“-Zeichen befindet, ist ohne starke Vergrößerung der Seite nicht zu erkennen und wird deshalb von den angesprochenen Verkehrskreisen im Rahmen der Internetwerbung nicht zur Kenntnis genommen. Er ist deshalb nicht geeignet, dem Eindruck entgegen zu wirken, dass das herausgestellt verwendete Zeichen „MYMMO MINI“ als Marke verwendet wird.

Eine entsprechende Bewertung gilt für die Rechnung (Anlage K3, Seite 3), auf welcher das Zeichen „S. Sport und Freizeit“ als Firmenbriefkopf und damit als Unternehmenskennzeichen verwendet wird. Die in der Rechnung aufgeführten Artikel werden dagegen lediglich als „Mymmo Mini“ ohne Zusatz von „S.“ bezeichnet. Auch darin wird der Verkehr eine übliche markenmäßige Verwendung erkennen.

Auch die in transparenter Verpackung versendete Hose selbst (Anlage K3) rechtfertigt keine andere Sichtweise: Zwar ist das Zeichen „S.“ auf die transparente Plastiktüte gedruckt, in welche die Hose eingeschweißt ist. Dieses Zeichen lässt sich aber ebenso wie das Logo auf der Website als Unternehmenskennzeichen oder als Dachmarke deuten, welches für sämtliche Lieferungen „aus dem Hause S.“ verwendet wird. Das an der Hose befestigte Verkaufsetikett sowie die Aufkleber auf der Tüte tragen wieder prominent das Zeichen „Mymmo Mini“ ohne dass dieses hinter dem Zeichen „S.“ zurückträte. Nur eines der drei Schilder (das mit der kleinsten Schriftgröße) enthält dieses Zeichen („S. Kinder Mymmo Mini ...“). Angesichts der weiteren Kennzeichnungen wird der Verkehr dem allerdings keine besondere Beachtung schenken und auch insoweit das Zeichen „Mymmo Mini“ als Herkunftshinweis verstehen.

c. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht auch Verwechslungsgefahr zwischen der Marke „myMO“ und dem Zeichen „MYMMO MINI“ im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH, GRUR 1998, 387, 389f., Rn. 22 f. – Sabél/Puma; GRUR 1998, 922, 923, Rn. 16 f. – Canon; BGH, GRUR 2007, 780, Rn. 33 – Pralinenform I; GRUR 2008, 258 Rn. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 766, Rn. 26 – Stofffähnchen I; GRUR 2014, 382, Rn. 14 – REAL-Chips).

Die Marke „myMO“ weist durchschnittliche Kennzeichnungkraft auf. Es kann zunächst nicht von einer aufgrund hoher Bekanntheit der Klagmarke gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Der Vortrag der Klägerin zu Umsatzzahlen und einzelnen Benutzungshandlungen lässt keine hinreichenden Rückschlüsse darauf zu, inwieweit die Klagmarke innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise Bekanntheit erlangt hat. Auch für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Da die Klagmarke Schutz u. a. für Bekleidungsstücke beansprucht und die Beklagte das angegriffene Zeichen für Kinderhosen verwendet hat, ist von Warenidentität auszugehen.

Schließlich liegt eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit zwischen der Marke „myMO“ und dem Zeichen „MYMMO“ vor. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Zeichen „MINI“ innerhalb des Gesamtzeichens „MYMMO MINI“ aufgrund des stark beschreibenden Gehalts hinter dem Zeichen „MYMMO“ zurücktritt, weil letzteres als Fantasiebegriff wahrgenommen wird und als solcher aufgrund seiner Originalität das Gesamtzeichen prägt.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Zeichen klanglich und begrifflich verschieden seien, weil der Verkehr „my“ in „myMO“ englisch ausspreche (“mein MO“), ist darauf hinzuweisen, dass davon auszugehen ist, dass relevante Teile des Verkehrs „myMO“ nicht englisch aussprechen werden, weil durch die Kombination mit dem zweiten Wortbestandteil „MO“ sich kein englisches Wort ergibt, sondern – wie die Beklagte in der Berufungsbegründung richtig anmerkt – eine „Kunstbezeichnung“. Sie werden diese dann ggf. „Miemo“ oder „Mümo“ aussprechen. Für diese Teile des angesprochenen Verkehrs besteht zudem eine hohe klangliche Ähnlichkeit zu dem von der Beklagten verwendeten Zeichen, das der Verkehr als „Mimmo“ oder „Mümmo“ aussprechen wird. Auch schriftbildlich sind die Zeichen einander ähnlich, da im angegriffenen Zeichen lediglich ein zusätzliches „m“ enthalten ist und sich die klägerische Marke im Übrigen lediglich dadurch von „Mymmo“ unterscheidet, dass darin die ersten beiden Buchstaben klein und die letzten groß geschrieben sind.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagmarke, der Warenidentität sowie der überdurchschnittlichen Zeichenähnlichkeit ist in der Gesamtschau davon auszugehen, dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen dem Zeichen „MYMMO MINI“ und der Klagmarke besteht.

2. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Bei der Verletzung der klägerischen Marke „myMO“ durch das Zeichen „MYMMO MINI“ hat die Beklagte fahrlässig gehandelt, weil sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.

II.

Der Klägerin steht zur Vorbereitung ihres Schadensersatzanspruchs auch ein Anspruch auf Auskunftserteilung in dem streitgegenständlichen Umfang aus § 14 Abs. 6 MarkenG i. V. m. § 242 BGB zu. Da der Schadensersatzanspruch u. a. auch auf die Abschöpfung des Verletzergewinns gerichtet sein kann, ist die Klägerin für die Berechnung eines solchen Schadensersatzanspruchs auf die Mitteilung des Gewinns, der mit der unter dem Zeichen „MYMMO MINI“ vertriebenen Hose erzielt worden ist, angewiesen.

Soweit die Beklagte den Auskunftsanspruch für unverhältnismäßig hält, weil abzusehen sei, dass angesichts des mit der Hose erzielten Gesamtumsatzes von € 193.761,22 angesichts der von der Klägerin verursachten Verfahrenskosten keinerlei Gewinn verbleiben werde, ist dies schon deshalb ohne Belang, weil die durch eine Verletzungshandlung verursachten Rechtsverteidigungskosten nicht von dem mit der Ware erzielten Verletzergewinn in Abzug zu bringen sind. Dass die Klägerin zudem nicht nur gegen die Beklagte, sondern auch gegen Verletzungshandlungen ihrer Abnehmer vorgegangen ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden.

III.

Auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Abmahnkosten steht der Klägerin zu. Insoweit kann vollständig auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden. Insbesondere ist der zugrunde gelegte Streitwert von € 150.000,00 angesichts der Verletzungsintensität, die sich u. a. durch einen Vertrieb der streitgegenständlichen Hosen an eine Vielzahl gewerblicher Abnehmer auszeichnet, nicht zu beanstanden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die unterschiedlichen Kostenquoten für die erste und zweite Instanz rühren daher, dass der Streitwert des geltend gemachten Auskunftsanspruchs unter Berücksichtigung des klägerischen Interesses mit € 10.000,00 bewertet worden ist, während er sich für das Berufungsverfahren nach der Beschwer, d. h. dem mit der Auskunftserteilung für die Beklagte verbundenen Aufwand zu richten hat und vorliegend mit € 1.000,00 bewertet worden ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

V.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die vorliegende Sache erschöpft sich in der Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.

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