Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17.05.2018 - 4 K 47/17
Fundstelle
openJur 2020, 8778
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG zu erteilen, dass die Klägerin im Jahr 2017 kein Unternehmer i. S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG ist.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine ausländische Personengesellschaft, die im Inland eine Windkraftanlage betreibt, als im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen ist.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft dänischen Rechts, die im Windpark A in C eine Windkraftanlage betreibt. An der Klägerin ist neben Investoren als Kommanditisten die E als Komplementärin beteiligt. Der Sitz der Klägerin befindet sich in G/Dänemark. Die kaufmännische Führung, die Buchführung und der Zahlungsverkehr der Klägerin werden durch die I-A/S als Projektinitiatorin von G/Dänemark aus erledigt. Die Klägerin selbst verfügt weder über ein Büro noch über eigene Mitarbeiter. Die kaufmännischen Entscheidungen der Klägerin werden durch den Direktor der Komplementärin getroffen, der Angestellter bei der Investmentgesellschaft I-A/S ist und von deren Büroräumen aus handelt. Durch den Direktor der Komplementärin wurden zudem die von der Klägerin abgeschlossenen Verträge unterzeichnet.

Die Windkraftanlage wird von der K-GmbH auf der Grundlage des Wartungsvertrags vom 22. Februar 2012 regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf repariert. Die Mitarbeiter der K-GmbH erhalten durch Mitarbeiter der M-GmbH Zugang zur Windkraftanlage. Die M-GmbH wurde von der Klägerin durch Vertrag vom 10. Oktober 2014 mit der Betriebsführung der Windkraftanlage beauftragt, die neben der Windkraftanlage selbst auch den Betrieb der Transformatoren zur Umspannung in das Leitungsnetz umfasst. Die Mitarbeiter der M-GmbH überwachen die technische Funktionsfähigkeit der Anlage und entscheiden bei einem Ausfall der Anlage, ob Reparaturarbeiten durch die K-GmbH erfolgen. Von den Mitarbeitern der M-GmbH wird auch eine Abschaltung der Windkraftanlage vorgenommen, wenn diese aus technischen Gründen erforderlich ist.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2017 steuerpflichtige Umsätze aus der Lieferung von Strom an die O-A/S aus Q, mit der die Klägerin am 23. November 2011 einen Direktmarketingvertrag abgeschlossen hatte. Nach diesem Vertrag wird der von der Windkraftanlage produzierte Strom von der O-A/S angekauft und auf Rechnung der Klägerin auf dem freien Markt weiterverkauft.

Für die Jahre 2010 und 2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Festsetzung der Umsatzsteuer, der vom Beklagten unter Verweis auf das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte abgelehnt wurde. Die hiergegen gerichtete Sprungklage, die beim Finanzgericht unter dem Az. 4 K 69/15 geführt wurde, erklärten die Beteiligten Anfang 2016 in der Hauptsache für erledigt.

Am 10. Februar 2016 beantragte die Klägerin beim Finanzamt S die Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), dass die Klägerin seit 2010 inländischer Unternehmer sei. Das Finanzamt S gab den Antrag unter Verweis auf die Zuständigkeitsregelung in § 21 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung an den Beklagten ab.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG mit Bescheid vom 8. September 2016 ab. Eine Bescheinigung könne nach  § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG nur erteilt werden, wenn zweifelhaft sei, ob der Unternehmer die Voraussetzungen des § 13b Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStG erfülle. Bei der Klägerin handele es sich um eine im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin, da sich deren Sitz und die Geschäftsleitung unstreitig in Dänemark befänden und die Klägerin nicht über eine Betriebsstätte im Inland verfüge. Die Windkraftanlage stelle keine Betriebsstätte im umsatzsteuerlichen Sinne dar, da sie weder über einen Personalbestand verfüge, noch von dort aus Rechnungslegung bzw. Aufzeichnungen und Entscheidungen erfolgten. Die in Abschn. 3a.1 Abs. 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) geregelten Voraussetzungen für eine Betriebsstätte im umsatzsteuerlichen Sinne seien damit nicht erfüllt.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 8. September 2016 legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2017 als unbegründet zurückwies. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG seien im Streitfall nicht erfüllt, da es für den Leistungsempfänger der Stromlieferungen nicht ungewiss sei, ob die Klägerin als leistende Unternehmerin im Inland ansässig sei. Bei der Klägerin handele es sich um eine im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin. Die Klägerin verfüge über keine Betriebsstätte im Inland, da die Windkraftanlage nicht als eine solche Betriebsstätte anzusehen sei. Betriebstätte i.S. des Umsatzsteuerrechts sei jede feste Einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmers diene. Eine solche Einrichtung oder Anlage könne aber nur dann als Betriebsstätte angesehen werden, wenn sie über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfüge, der für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich sei. Außerdem müsse die Einrichtung oder Anlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweisen, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen ermögliche. Eine solche beständige Struktur liege z.B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfüge, von hier aus Verträge abgeschlossen werden könnten, Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgten und Entscheidungen z.B. über den Wareneinkauf getroffen würden (vgl. Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE). Der Begriff der Betriebsstätte sei richtlinienkonform als feste Niederlassung i.S. des Art. 53 Abs. 1 und des Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 vom 15. März 2011 (MwSt-DVO) zu verstehen.

Die Voraussetzungen einer festen Niederlassung seien bei einer Windkraftanlage nicht erfüllt, da es bereits an der personellen Ausstattung fehle. Die personelle Ausstattung stelle grundsätzlich eines der wesentlichen Elemente einer festen Einrichtung oder Anlage dar, da ohne die erforderliche Personalausstattung die für eine Betriebsstätte typischen Funktionen und Leistungen nicht erbracht werden könnten. Im Streitfall verfüge die Windkraftanlage unstreitig nicht über die erforderlichen Räume und Mitarbeiter, so dass von dort keine Vertragsabschlüsse erfolgen und auch nicht die maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden könnten. Ohne Personal sei es zudem nicht möglich gewesen, Rechnungen zu erstellen und den erforderlichen Schriftverkehr mit Kunden und Lieferanten zu führen. Da räumliche Kapazitäten nicht zur Verfügung gestanden hätten, hätte die Klägerin ferner die gesetzlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten in der Windkraftanlage nicht erfüllen können. Aufgrund des Fehlens der genannten Faktoren mangele es an der für die Annahme einer Betriebsstätte erforderlichen beständigen Struktur. Da der Strom in ein Verteilungsnetz eingespeist werde, erhalte der Erwerber lediglich den aus dem Netz entnommenen "anonymen" Strom. Der Windkraftanlage könne daher keine konkrete Stromlieferung zugerechnet werden, so dass die Anlage nicht gemäß § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG am Umsatz beteiligt sei.

Die vom Finanzgericht (FG) Münster im Urteil vom 5. September 2013 5 K 1768/10 U (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2013, 1890) vertretene Auffassung, dass eine fehlende personelle Ausstattung durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert werden könne, überzeuge nicht, da die Personalausstattung ein Kernelement der Betriebsstätte i.S. des Umsatzsteuerrechts darstelle und ein Fehlen dieses Kernelements nicht durch andere Merkmale ersetzt werden könne. Die Auslegung durch das FG Münster führe zu einem nicht hinnehmbaren fiktiven Ergebnis, das den Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts nicht gerecht werde. Ohne einen ausreichenden Mindestbestand an Personal sei eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen bei objektiver Betrachtung nicht möglich, da die mit dem Betrieb einer Windkraftanlage verbundenen vielfältigen Aufgaben nicht erfüllt werden könnten. Die Klägerin habe schließlich keine Umsatzsteuer gemäß § 14c UStG zu Unrecht ausgewiesen, so dass das allgemeine Besteuerungsverfahren auch insoweit nicht zur Anwendung komme (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19. November 2014 V R 41/13, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2015, 634).

Hiergegen richtet sich die am 16. März 2017 beim Finanzgericht eingegangene Klage. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass eine im Inland gelegene Windkraftanlage eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte begründe. Die Rechtsprechung müsse im Rahmen einer Grundsatzentscheidung dahin fortentwickelt werden, dass ein Unternehmen, dass im Inland eine Windkraftanlage betreibe und sämtliche technischen Arbeiten von im Inland ansässigen Fremdfirmen ausführen lasse, auch dann eine feste Niederlassung im Inland begründe, von der aus die Ausgangsleistungen erbracht werden, wenn die das Unternehmen beherrschenden Personen ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hätten.

Nach der Legaldefinition des § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG handele es sich nicht um einen ausländischen Unternehmer, wenn dieser im Inland eine Betriebsstätte habe. Der Begriff der Betriebsstätte komme in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) nicht vor. Die Regelung in Art. 44 MwStSystRL zum Ort der Dienstleistung knüpfe stattdessen - neben dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit - an die feste Niederlassung an, von der aus die Dienstleistung erbracht werde. Als feste Niederlassung gelte nach Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO jede Niederlassung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweise, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaube, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich nicht, dass eine feste Niederlassung eine personelle und technische Ausstattung haben müsse, sondern lediglich, dass auf die personelle und technische Struktur abzustellen sei.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe in mehreren Entscheidungen zum Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit Stellung genommen, denen jedoch keine mit dem Streitfall vergleichbare Fallgestaltung zugrunde gelegen habe. In den Entscheidungen des EuGH habe es an den drei Besonderheiten für den Betrieb einer Windkraftanlage gefehlt, nämlich dem Erfordernis eines sehr hohen Kapitaleinsatzes für eine stationäre Anlage, dem Fehlen eines eingerichteten Betriebes mit Räumen und Mitarbeitern am Sitz des Betreibers und dem Vorliegen einer besonders hochentwickelten Arbeitsteilung. Die Entscheidungen des EuGH stellten auf die herkömmlichen Kriterien für das Vorliegen betrieblicher Einrichtungen wie eigenes Personal und einer "Struktur" von hinreichender Beständigkeit ab. Der Betrieb einer Windkraftanlage, mit dem ohne Büro und Mitarbeiter 300.000 € Umsatz generiert werde, falle hierbei durch das Raster, was zu kaum mehr handhabbaren, extrem unpraktischen Verwaltungsabläufen führe.

Im Urteil vom 4. Juli 1985 168/84 "Berkholz" (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes -Slg.- 1985, 2251) habe der EuGH entschieden, dass die an Bord von zwei Fähren installierten Spielautomaten, die von einem Unternehmen mit Sitz in Hamburg betrieben worden seien, keine feste Niederlassung i.S. des Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 77/388/EWG seien und die Umsätze dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Hamburg zuzurechnen seien. Der Streitfall weiche hiervon insoweit ab, als der Kapitaleinsatz für eine Windkraftanlage mit 2 Mio. € wesentlich höher sei als für einen Geldspielautomaten; die Klägerin verfüge zudem anders als die Fa. Berkholz als damalige Klägerin nicht über ein eigenes Büro, eine eigene Werkstatt und eigene Mitarbeiter, sondern habe alle zum Betrieb des Unternehmens erforderlichen Arbeiten an Fremdfirmen übergeben. Im Gegensatz zum Sachverhalt des EuGH-Urteils fehle es im Streitfall damit an dem vom EuGH geforderten steuerlich brauchbaren Anknüpfungspunkt für die Zurechnung zum Sitz der Klägerin in Dänemark.

Im Urteil vom 2. Mai 1996 C-231/94 "Faaborg-Gelting" (Slg. 1996, I-2395) habe der EuGH zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei Restaurationsumsätzen auf Fährschiffen entschieden, dass der Ort der Leistung am Sitz der Reederei in Dänemark liege, da die vorrangige Anknüpfung an den Sitz zu einer steuerlich sinnvollen Lösung ohne Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten führe und die Bordrestaurants nicht über einen Mindestbeststand an personellen Mitteln und Sachmitteln verfügten, der für die Erbringung der Dienstleistung erforderlich sei. Das letzte Kriterium werde von der Verwaltung als maßgebliches Kriterium für die Annahme einer Betriebsstätte behandelt (vgl. Abschn. 3a.1 Abs. 3 Satz 2-4 UStAE). Es stelle sich jedoch die Frage, ob angesichts der Tatsache, dass die Wertschöpfung aufgrund des Betriebs der Windkraftanlage nahezu ausschließlich in Deutschland erfolge, nicht auch eine technische Anlage, die automatisch laufe, im Anschluss an die ertragsteuerliche Behandlung als Betriebsstätte angesehen werden könne.

Im Urteil vom 20. Februar 1997 C-260/95 "DFDS" (Slg. 1997, I-1005) habe der EuGH für die Zurechnung von Umsätzen zwar ebenfalls auf den für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln abgestellt. Die Entscheidung betreffe jedoch den Sonderfall der Margenbesteuerung von Reiseleistungen und helfe daher im Streitfall nicht weiter.

Im Urteil vom 17. Juli 1997 C-190/95 "ARO Lease" (Slg. 1997, I-4383) habe der EuGH entschieden, dass ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen allein durch Leasinggeschäfte gegenüber belgischen Kunden, die von dortigen Autohändlern vermittelt worden seien, keine feste Niederlassung in Belgien begründe. Das EuGH-Urteil betreffe zwar in gleicher Weise wie der Streitfall die Investitionen von Kapital im Ausland; die Leasingfahrzeuge seien jedoch anders als eine Windkraftanlage nicht fest mit einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche verbunden. Zudem habe das Leasingunternehmen anders als die Klägerin laufend die erforderlichen Handlungen zur Abwicklung der Leasingverträge vom Sitz in den Niederlanden ausgeführt.

Das EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer" (Slg. 2007, I-5655) sei zum Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 3 Buchst. b der Achten Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1979 79/1072/EWG zum Vorsteuervergütungsverfahren ergangen. Der EuGH habe hierzu entschieden, dass es auf die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leistung und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung ankomme, die im entschiedenen Fall vom Sitz der Muttergesellschaft in der Schweiz, die das operative Geschäft betrieben habe, und nicht von der Tochtergesellschaft in Luxemburg, die dieser lediglich LKW zur Verfügung gestellt habe, erfolgt seien. Der Streitfall weise insoweit Unterschiede auf, als das in die Windkraftanlage investierte Kapital nicht mobil sei, eine weit entwickelte Arbeitsteilung vorliege und es am Sitz der Klägerin in Dänemark an einem lebenden Unternehmen mit Büro, Mitarbeitern und Kundenbeziehungen fehle.

Im EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2014 C-605/12 "Welmory" (Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 2169), das die Leistungsbeziehungen zwischen einer polnischen und einer zypriotischen Gesellschaft im Hinblick auf eine Online-Auktionsplattform betreffe, gehe es schließlich ebenfalls um die Anforderungen an eine feste Niederlassung. Aus der Entscheidung ergebe sich, dass es nach dem Wortlaut des Art. 44 MwStSystRL überhaupt nicht darauf ankomme, ob die Klägerin für die von ihr erbrachten Leistungen die Anforderungen an eine feste Niederlassung erfülle. Vielmehr gehe es in der Vorschrift um die Beurteilung der empfangenen Leistungen. Nach dem Tenor des EuGH-Urteils sei für die Annahme einer festen Niederlassung im Inland entscheidend, ob die Windkraftanlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweise, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermögliche, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu empfangen und zu verwenden. Diese Anforderungen deckten sich mit den in Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO genannten Anforderungen. Im Hinblick auf Wartungsarbeiten und Reparaturen an der Windkraftanlage springe der hinreichende Grad an Beständigkeit ins Auge; die technische Ausstattung für den Empfang dieser Leistungen sei ebenfalls vorhanden. Es fehle allein an der personellen Ausstattung. Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO sei dahin zu verstehen, dass es auf den Erfolg ankomme und nicht auf die Mittel. Wenn in einer betrieblichen Einrichtung Leistungen erbracht und empfangen werden könnten, ohne dass Menschen daran beteiligt seien, dann sei mit einem hinreichenden Grad an Beständigkeit eine Struktur vorhanden, um eine Betriebsstätte zu bejahen. Gleiches gelte für eine Einrichtung, die ausschließlich menschliche Arbeit einsetzen würde, aber keinerlei technische Mittel. Die Aufzählung der Mittel der personellen und technischen Ausstattung sei nicht abschließend und auch nicht zwingend für jedes der beiden genannten Mittel. Es sei daher sachgerecht, als Ort der Leistung nicht die ausländische Wohnung des Eigentümers, sondern den Ort der Windkraftanlage anzunehmen, der den technischen und wirtschaftlichen Kern des Geschehens bilde.

Im Ertragsteuerrecht sei anerkannt, dass eine Windkraftanlage eine Betriebsstätte darstelle. Ein konkreter Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Windkraftanlage im Umsatzsteuerrecht sei nicht ersichtlich. Im Streitfall gehe es an der Realität vorbei, den Wohnsitz des Beiratsvorsitzenden oder den Arbeitsort des Geschäftsführers, der ein Angestellter der I-A/S sei, als Unternehmenssitz zu bezeichnen, da es keine zentrale Stelle gebe, die einem herkömmlichen Unternehmenssitz entspreche. Es gebe stattdessen die Zusammenarbeit von technischen und kaufmännischen Fachleuten, die über Deutschland und Dänemark verstreut die Windkraftanlage betreuten, die im Großen und Ganzen automatisch laufe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, eine Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG zu erteilen, dass die Klägerin im Jahr 2017 kein Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2017. Ergänzend trägt er vor, dass für die Annahme einer festen Niederlassung i.S. des Art. 53 Abs. 1 und Art. 11 MwSt-DVO zwingend eine personelle Ausstattung erforderlich sei. Aus dem EuGH-Urteil vom 20. Februar 1997 C-260/95 "DFDS" (Slg. 1997, I-1005) werde ersichtlich, dass für eine feste Niederlassung auf das Vorhandensein der Personal- und Sachmittel abzustellen sei. Das Element der Personalausstattung könne nicht durch andere Umstände kompensiert werden. Die von der Klägerin angeführten EuGH-Urteile beträfen andere Sachverhalte, so dass diese Urteile im Streitfall nicht einschlägig seien. Im Übrigen habe der EuGH im Urteil vom 4. Juli 1985 168/84 "Berkholz" (Slg. 1985, 2251) entschieden, dass die an Bord der Fähren installierten Spielautomaten keine feste Niederlassung darstellten. In gleicher Weise habe der EuGH im Urteil vom 2. Mai 1996 C-231/94 "Faaborg-Gelting" (Slg. 1996, I-2395) entschieden, dass als Ort der sonstigen Leistung nicht das Restaurant auf dem Fährschiff angesehen werden könne. Die Klägerin verfüge in der Windkraftanlage über kein Büro, keine Werkstatt und keine Mitarbeiter, so dass es an der für die Annahme einer Betriebsstätte erforderlichen beständigen Struktur fehle. Der Beklagte regt an, den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen, um die für den Rechtsstreit maßgebende Rechtsfrage zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Windkraftanlage eine feste Niederlassung darstellen könne.

Die Begriffe der ertragsteuerlichen Betriebsstätte und der festen Niederlassung i.S. des Umsatzsteuerrechts seien nicht deckungsgleich, da sie unterschiedliche Funktionen erfüllten. Die ertragsteuerliche Betriebsstätte diene der Feststellung einer ausreichend intensiven wirtschaftlichen Einbindung in das Wirtschaftsleben eines Staates, um eine Besteuerung der Betriebsstätte in diesem Staat zu rechtfertigen. Die feste Niederlassung diene dagegen der besseren Umsetzung des umsatzsteuerlichen Bestimmungsland- oder des Verbrauchsortprinzips. Im Mittelpunkt stehe der Leistungsaustausch zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger, während bei der ertragsteuerlichen Betriebsstätte die wirtschaftliche Tätigkeit an einem bestimmten Ort bzw. die Wertschöpfung der Betriebsstätte im Mittelpunkt stünden. Die ertragsteuerlichen Fiktionen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO für Bauausführungen und Montagen seien im Umsatzsteuerrecht nicht anzuwenden. Eine Windkraftanlage könne daher ertragsteuerlich als Betriebsstätte qualifiziert werden, aber umsatzsteuerlich keine feste Niederlassung darstellen. An den notwendigen personellen Ressourcen fehle es immer dann, wenn externe Dienstleistungsunternehmen mit den erforderlichen Dienstleistungen wie im Streitfall den Kontroll-, Wartungs- und Reparaturarbeiten beauftragt würden. Im Streitfall befinde sich im Inland lediglich eine technische Anlage, die in jedweder Hinsicht auf Hilfe von außen angewiesen sei und daher nicht als feste Niederlassung qualifiziert werden könne.

Mangels Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte könnten die Vorsteuerbeträge von der Klägerin nur im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltend gemacht werden. Bei der Klägerin handele es sich um eine vergütungsberechtigte Unternehmerin, da diese nur Umsätze ausgeführt habe, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schulde. Im Streitfall sei weiterhin materiell-rechtlich von Bedeutung, dass die Anerkennung des Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte zu einer Verböserung führen würde, da in diesem Fall aufgrund des Wegfalls der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 5 UStG auch die steuerpflichtigen Umsätze aus den Stromlieferungen in die Berechnung der Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 1 UStG einzubeziehen wären und damit zu einer höheren steuerlichen Belastung der Klägerin führen würden.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die von der Klägerin erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft, da es sich bei der von der Klägerin begehrten Erteilung einer Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG um einen Verwaltungsakt handelt (Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG Kommentar, § 13b Rz. 81).

II. Der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin eine Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG darüber zu erteilen, dass die Klägerin im Jahre 2017 kein Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG ist.

1. Die Klägerin konnte ihren Klageantrag auf die Erteilung einer Bescheinigung für das Streitjahr 2017 begrenzen, da dieser Zeitraum ebenfalls Gegenstand der angefochtenen Ablehnung des Beklagten war. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG durch den Beklagten erstreckt sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2017. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10. Februar 2016 die Erteilung einer Bescheinigung für den Zeitraum ab 2010 ohne zeitliche Begrenzung beantragt. Dies ergibt sich aus der Formulierung, dass die Erteilung einer Bescheinigung darüber beantragt werde, dass die Klägerin seit 2010 inländischer Unternehmer sei. Weder der Ablehnungsbescheid vom 8. September 2016 noch die Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2017 enthalten eine zeitliche Begrenzung der Ablehnung. Mit der Einspruchsentscheidung hat der Beklagte eine (erneute) sachliche Prüfung des Antrags vorgenommen, so dass auch das Streitjahr 2017 von der Ablehnung des Antrags erfasst ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 56/13, BFH/NV 2015, 206 Rz. 11 zum zeitlichen Umfang der Ablehnung eines Kindergeldantrags). Die Beschränkung des Klageantrags auf die Erteilung der Bescheinigung für ein Jahr entspricht der Regelung in Abschn. 13b.11 Abs. 4 Satz 1 UStAE, nach der die Gültigkeitsdauer der Bescheinigung auf ein Jahr beschränkt ist. Der Senat kann daher offenlassen, ob diese Beschränkung durch § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG gedeckt ist.

2. Die Rechtsgrundlage für die Erteilung der von der Klägerin begehrten Bescheinigung ergibt sich aus § 13b Abs. 7 UStG. Nach § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 1 und 5 UStG ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Nach § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG ist ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach § 13b Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 oder 5 UStG aus, gilt er nach § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist nach § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG ist.

Im Streitfall ist es i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG zweifelhaft, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG erfüllt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die im Inland belegene Windkraftanlage der Klägerin die Voraussetzungen an eine inländische Betriebsstätte und eine feste Niederlassung erfüllt und die Klägerin damit als im Inland ansässiger Unternehmer anzusehen ist. Zu dieser Streitfrage werden vom FG Münster (Urteil vom 5. September 2013 5 K 1768/10 U, EFG 2013, 1890) vom FG Köln (Gerichtsbescheid vom 14. März 2017 2 K 920/14, MwStR 2017, 889) einerseits und der Finanzverwaltung andererseits divergierenden Rechtsaufassungen vertreten.

Die Ansässigkeit der Klägerin ist für die streitigen Umsätze aus den Stromlieferungen der Klägerin von Bedeutung, bei denen es sich um Umsätze i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG handelt. § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG erfasst Lieferungen der in § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g UStG. Nach § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG gilt u.a. bei einer Lieferung von Elektrizität an einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit - wie bei der O-A/S als Leistungsempfängerin - in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist, als Ort dieser Lieferung der Ort, an dem der Abnehmer sein Unternehmen betreibt. Fehlt es an einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin, so schuldet nicht die Klägerin, sondern die O-A/S als Leistungsempfängerin der Stromlieferungen gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG die Steuer.

3. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG, da sie weder ein im Ausland ansässiger Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG noch ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG ist. Denn bei der von der Klägerin im Inland betriebenen Windkraftanlage handelt es sich um eine inländische Betriebsstätte, die im Streitjahr 2017 an den streitigen Stromlieferungen beteiligt war.

a) Der Begriff der (inländischen) Betriebsstätte richtet sich nicht nach der Legaldefinition des § 12 AO, sondern nach den Vorgaben des Unionsrechts. Das Unionsrecht differenziert für die Ansässigkeit eines Unternehmers zwischen dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und dem Vorliegen einer festen Niederlassung (vgl. Art. 44 f. MwStSystRL zum Ort der Dienstleistung). Eine Betriebsstätte entspricht bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 13b Abs. 7 UStG einer festen Niederlassung.

aa) Eine feste Niederlassung, von der aus Umsätze bewirkt werden, verlangt einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand (EuGH-Urteile vom 4. Juli 1985 168/84 "Berkholz", Slg. 1985, 2251, Rz. 18; vom 2. Mai 1996 C-231/94 "Faaborg-Gelting", Slg. 1996, I-2395 Rz. 17; vom 20. Februar 1997 C-260/95 "DFDS", Slg. 1997, I-1005 Rz. 20; vom 17. Juli 1997 C-195/95 "ARO Lease", Slg. 1997, I-4383, Rz. 15; vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 54). Das Vorliegen einer festen Niederlassung setzt daher einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (EuGH-Urteile vom 17. Juli 1997 C-195/95 "ARO Lease", Slg. 1997, I-4383, Rz. 15; vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 54).

Der Begriff der festen Niederlassung hat eine vom Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit unabhängige Bedeutung (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 58). Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit bezieht sich auf den Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der - gewöhnlich mit diesem übereinstimmende - Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 60 f.).

bb) Die vorstehend dargestellte Rechtsprechung des EuGH ist ab 2011 in Art. 10 und Art. 11 MwSt-DVO übernommen worden:

Art. 10 MwSt-DVO:

(1) Für die Anwendung der Artikel 44 und 45 der Richtlinie 2006/112/EG gilt als Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.

(2) Zur Bestimmung des Ortes nach Absatz 1 werden der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen.

Kann anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.

(3) Allein aus dem Vorliegen einer Postanschrift kann nicht geschlossen werden, dass sich dort der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens befindet.

Art. 11 MwSt-DVO:

(1) Für die Anwendung des Artikels 44 der Richtlinie 2006/112/EG gilt als "feste Niederlassung" jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

(2) Für die Anwendung der folgenden Artikel gilt als "feste Niederlassung" jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen:

a) Artikel 45 der Richtlinie 2006/112/EG;

b) ab 1. Januar 2013 Artikel 56 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/112/EG;

c) bis 31. Dezember 2014 Artikel 58 der Richtlinie 2006/112/EG;

d) Artikel 192a der Richtlinie 2006/112/EG.

(3) Allein aus der Tatsache, dass eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt wurde, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ein Steuerpflichtiger eine "feste Niederlassung" hat.

b) Die von der Klägerin betriebene Windkraftanlage ist als inländische Betriebsstätte i.S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG bzw. als feste Niederlassung i.S. des Art. 11 MwSt-DVO anzusehen.

aa) Bei der Windkraftanlage handelt es sich um eine ortsfeste Einrichtung, die einen hohen Grad an Beständigkeit besitzt. Die Windkraftanlage weist zudem aufgrund ihrer personellen und technischen Ausstattung eine für die Erbringung von Stromlieferungen erforderliche Struktur auf. Die technische Ausstattung der Windkraftanlage ermöglicht die autonome Produktion von Strom und dessen Lieferung über das vorhandene Leitungsnetz an die O-A/S. Im Hinblick auf die personelle Ausstattung der Windkraftanlage ist es nach Auffassung des Senats nicht erforderlich, dass in der Windkraftanlage eigenes Personal der Klägerin in Form von angestellten Mitarbeitern tätig ist. Die personelle Ausstattung der Windkraftanlage ergibt sich im Streitfall vielmehr daraus, dass die Betriebsführung der Windkraftanlage von Mitarbeitern der M-GmbH vorgenommen wurde. Die Betriebsführung umfasste die Überwachung der technischen Funktionsfähigkeit der Windkraftanlage, eine aus technischen Gründen erforderliche Abschaltung sowie die Entscheidung über die Vornahme von Reparaturarbeiten durch die K-GmbH bei einem Ausfall der Anlage. Die Betriebsführung durch die M-GmbH beruht auf dem mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag vom 10. Oktober 2014. Die Mitarbeiter der M-GmbH sind im Hinblick auf die Betriebsführung der Windkraftanlage zuzurechnen und für die Beurteilung der personellen Ausstattung als eigenes Personal der Klägerin anzusehen. Die Zurechnung der Mitarbeiter von Fremdfirmen dient der Rechtssicherheit, da sie dem Leistungsempfänger bei der Prüfung des Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin Nachforschungen erspart, ob es sich bei den mit der Betriebsführung der Windkraftanlage befassten Personen um eigene Mitarbeiter der Klägerin oder Mitarbeiter von Fremdfirmen handelt (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 2011 C-421/10 "Stoppelkamp", Slg. 2011, I-9309 Rz. 34 f.). Der Senat kann es damit offen lassen, ob er sich der Auffassung des FG Münster im Urteil vom 5. September 2013 5 K 1768/10 U (EFG 2013, 1890) und des FG Köln im Gerichtsbescheid vom 14. März 2017 2 K 920/14 (MwStR 2017, 889) anschließt, dass bei einer Windkraftanlage das Fehlen eigenen Personals durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert wird. Die Auslagerung von Wartungs- und Reparaturarbeiten an der Windkraftanlage an die K-GmbH sowie von Verwaltungsarbeiten wie Buchführung und Zahlungsverkehr an die (externe) Projektinitiatorin ist für die Annahme einer inländischen Betriebsstätte unschädlich, da sie lediglich Hilfstätigkeiten betrifft (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 56; FG Münster, Urteil vom 5. September 2013 5 K 1768/10 U, EFG 2013, 1890).

Der Annahme der für die Stromlieferungen erforderlichen personellen Ausstattung der Windkraftanlage steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Windkraftanlage über kein Büro verfügte, in dem Verträge über die Stromlieferung durch Mitarbeiter der Klägerin abgeschlossen wurden. Denn die Stromlieferungen erfolgten ausschließlich an die O-A/S auf der Grundlage des langfristigen Direktmarketingvertrags vom 23. November 2011. Für die Stromlieferungen im Streitjahr 2017 war es damit nicht erforderlich, laufend neue Lieferverträge mit verschiedenen Energieversorgungsunternehmen und Zwischenhändlern abzuschließen, die eine entsprechende Struktur (Büro, Mitarbeiter) voraussetzen (vgl. hierzu EuGH-Urteile vom 28. Juni 2007 C-73/06 "Pflanzer", Slg. 2007, I-5655 Rz. 55; vom 17. Juli 1997 C-195/95 "ARO Lease", Slg. 1997, I-4383, Rz. 19).

bb) Die Einstufung der Windkraftanlage als inländische Betriebsstätte bzw. als feste Niederlassung erscheint auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass im Streitfall die Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin nicht sachgerecht ist. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit bildet gegenüber der festen Niederlassung den vorrangigen Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Ansässigkeit im Rahmen der Regelungen zum Ort der Dienstleistung in Art. 44 und 45 MwStSystRL, solange er zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt. Beim Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit handelt es sich um ein objektives, einfaches und praktisches Kriterium, das aufgrund seiner leichten Überprüfbarkeit eine große Rechtssicherheit bietet und für die Mitgliedstaaten und den Dienstleistungserbringer komplizierte Nachforschungen zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts vermeidet (EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2014 C-605/12 "Welmory", DStR 2014, 2169 Rz. 55).

Im Streitfall liegt zwar der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin i.S. des Art. 10 MwSt-DVO in G/Dänemark. Dies ergibt sich daraus, dass sich dort der statuarische Sitz der Klägerin befindet und die kaufmännischen Entscheidungen durch den Direktor der Komplementärin für die Klägerin von den Büroräumen der I-A/S aus getroffen werden. Im Hinblick auf die Besteuerung der streitigen Umsätze aus den Stromlieferungen der Klägerin stellt der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit aber kein sachgerechtes Anknüpfungskriterium für die Bestimmung der Ansässigkeit der Klägerin dar, da es dem Sitz in G/Dänemark mangels dortigen Büros und eigenen Personals der Klägerin an einer hinreichenden Beständigkeit fehlt (vgl. (Stadie, UStG Kommentar, 3. Aufl., § 13b Rz. 54). Bei der Beurteilung des sachgerechten Anknüpfungskriteriums für die Ansässigkeit der Klägerin ist ferner die wirtschaftlichen Realität zu berücksichtigen, nach der die Stromlieferungen als maßgebliche Leistungen ausschließlich durch die im Inland belegene Windkraftanlage erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Februar 1997 C-260/95 "DFDS", Slg. 1997, I-1005 Rz. 23).

c) Die Ansässigkeit der Klägerin im Inland wird nicht durch die Fiktion des § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG ausgeschlossen. Denn die Windkraftanlage ist an den streitigen Stromlieferungen beteiligt, da die Klägerin die Stromlieferungen durch die Nutzung der technischen Ausstattung der Windkraftanlage erbracht hat und der Windkraftanlage aufgrund der unmittelbaren Belieferung der O-A/S konkrete Stromlieferungen zugerechnet werden können (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG Kommentar, § 13b Rz. 129; a.A. Stadie, UStG, 3. Aufl., § 13b Rz. 58: keine Zurechnung bei Einspeisung in Verteilungsnetz).

d) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es für die im vorliegenden Verfahren streitige Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG  nicht darauf an, ob die Einbeziehung der steuerpflichtigen Umsätze aus den Stromlieferungen der Klägerin in die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr 2017 zu einer Verböserung gegenüber der bisherigen Festsetzung führen würde. Denn der Streitfall betrifft allein die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG, durch deren Vorlage die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für die Umsätze aus den Stromlieferungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG ausgeschlossen wird. Die Einbeziehung der Umsätze aus den Stromlieferungen in die gegenüber der Klägerin vorzunehmende Festsetzung der Umsatzsteuer ist dagegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Klägerin steht im Hinblick auf die Erteilung der Bescheinigung auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu, da durch die Bescheinigung die in § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG vorausgesetzten Zweifel hinsichtlich der Anwendung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG beseitigt werden.

4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung der Frage, ob es sich bei einer Windkraftanlage um eine feste Niederlassung i.S. des Art. 11 MwSt-DVO handelt, hält der Senat nicht für erforderlich, da die Prüfung der für die Annahme einer festen Niederlassung erforderlichen personellen und technischen Ausstattung Aufgabe des nationalen Richters ist (EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2014 C-605/12 "Welmory", DStR 2014, 2169 Rz. 62).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage, ob eine Windkraftanlage eine inländische Betriebsstätte bzw. eine feste Niederlassung begründet, fehlt es an einer höchstrichterlichen Entscheidung.