Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 05.11.2019 - 2 LA 56/19
Fundstelle
openJur 2020, 8654
  • Rkr:
Tenor

Auf Antrag der Kläger wird die Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 10. Kammer - Einzelrichter - vom 20. September 2018 zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

Die Berufung ist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO zuzulassen, da die erstinstanzliche Entscheidung an dem mit der Zulassung - zumindest der Sache nach - geltend gemachten Verfahrensmangel fehlender Urteilsgründe leidet.

Unerheblich ist insoweit, dass die Kläger expressis verbis lediglich die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m § 138 Nr. 3 VwGO) rügen. Bei der Prüfung der Zulassungsgründe, ist der Vortrag des jeweiligen Zulassungsantragstellers - auch im Wege der Auslegung - angemessen zu würdigen und ihm bei berufungswürdigen Sachen den Zugang zur zweiten Instanz nicht nur deswegen zu versagen, weil dieser sich nicht auf den zutreffenden Zulassungsgrund bezogen hat (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2005 - 1 BvR 2615/04, Juris Rn. 24). Der Sache nach ist danach von einer Geltendmachung des Verfahrensmangels fehlender Urteilsgründe auszugehen, da die Kläger mit der Zulassung auch rügen, dass dem Verwaltungsgericht die schriftliche Begründung seines Urteils mehrere Monate nachdem der Tenor niedergelegt worden ist, nicht mehr möglich gewesen sei.

Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel in der Regel in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Ein bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach der Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Ist dies nicht möglich, so ist innerhalb dieser zwei Wochen der von den Richtern unterschriebene Urteilstenor der Geschäftsstelle zu übergeben. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln (§ 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO).

Eine alsbaldige Niederlegung von Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn dies binnen fünf Monaten nach Verkündung geschieht. Diese Fünf-Monats-Frist stützt sich auf die in §§ 516, 552 ZPO zum Ausdruck kommende Wertung und stellt zur Vermeidung von Fehlerinnerungen und zur Sicherung der Beurkundungsfunktion des Urteils die äußerste zeitliche Grenze für die Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle dar. Bei ihrer Überschreitung greift die Kausalitätsvermutung des § 138 Nr. 6 VwGO ein (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367 <375 f.> = NJW 1993, 2603; BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98, Juris Rn. 23; Beschlüsse vom 13. Oktober 2015 - 4 BN 33.15 -, Juris Rn. 8; vom 30. Juni 2015 - 3 B 47.14 -, Juris Rn. 23; vom 27. August 2014 - 3 B 2.14 -, Juris Rn. 10; vom 3. Mai 2004 - 7 B 60.04; OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteile vom 6. Januar 1995 - 3 L 681/94, Juris Rn. 20 und vom 23. November 1994 - 1 L 137/92, Juris Rn. 32).

Dies ist auch in den Fällen anzunehmen, in denen das Urteil gem. § 116 Abs. 2 VwGO anstelle der Verkündung zugestellt wird (BVerwG, Beschlüsse vom 3. Mai 2004 - 7 B 60.04 - Juris Rn. 4; vom 11. Juni 2001 - 8 B 17.01 -, Juris Rn. 4; vom 20. September 1993 - 6 B 18.93 - Juris Rn. 5).

Das Verwaltungsgericht hat die Streitsache am 20. September 2018 mündlich verhandelt und den Beschluss gefasst, dass eine Entscheidung an Verkündungs statt zugestellt wird. Am 25. September 2018 wurde der Tenor des Urteils schriftlich abgefasst und laut Vermerk der Urkundsbeamtin am selben Tage bei der Geschäftsstelle niedergelegt (Bl. 68 d. Akte). Laut weiterem Vermerk der Urkundsbeamtin wurde das vollständig abgefasste Urteil (Bl. 73 d. Akte) der Geschäftsstelle erst am 1. Juli 2019 - mithin über neun Monaten später - übergeben und den Beteiligten unter dem 4. Juli 2019 zugestellt, sodass nicht mehr davon auszugehen ist, dass dieses "auf Grund" der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2018 getroffen worden ist.

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