Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 02.07.2019 - 6 B 23/19
Fundstelle
openJur 2020, 8551
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 17.01.2019 auf Unterlassung rechtswidriger Geräuschimmissionen durch Großveranstaltungen auf dem Südstrand in A-Stadt zu verpflichten, von Großveranstaltungen auf dem Südstrand in A-Stadt ausgehende Geräuschimmissionen zu unterlassen, deren Beurteilungspegel nach Maßgabe der Freizeitlärm-Richtlinie (Erlass des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vom 21. Januar 2016 - V 623 - 572.712.600 - Gl.-Nr.: 2129.24 - Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2016 S. 101 -) die in Ziffer 4.1 e) hilfsweise d) der Freizeitlärm-Richtlinie genannten Immissionsrichtwerte - jeweils gemessen vor den Wohn- und Schlafräumen des Antragstellers im Gebäude A-Straße, A-Stadt - überschreiten,

ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, d. h. ein materiell rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO).

Das Antragsbegehren ist nach Erlass der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Juni 2019 nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dergestalt auszulegen, dass nunmehr die Änderung des Bescheides für das am 6. Juli 2019 durch die Beigeladene am Südstrand veranstaltete Open-Air-Konzert begehrt wird. Der so verstandene Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet, da der Antragsteller insoweit jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte (hierzu unter 1.).

Soweit der Antragsteller einstweilen die Unterlassung rechtswidriger Geräuschimmissionen bzw. generell die Einhaltung bestimmter Lärmwerte bezogen auf die am Südstrand stattfindenden Veranstaltungen begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig (hierzu unter 2.).

(1.) Rechtsgrundlage für das vom Antragsteller begehrte Einschreiten der Antragsgegnerin wegen unzumutbaren Lärms in Bezug auf das am 06. Juli 2019 durch die Beigeladene veranstaltete Konzert am Südstrand in A-Stadt ist §§ 24 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und § 3 BImSchG bzw. §§ 174, 176 LVwG und § 3 BImSchG jeweils i.V.m. den Hinweisen zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche ((Freizeitlärm-Richtlinie), Erlass des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vom 21. Januar 2016 - V 623 - 572.712.600 - (Amtsbl. Schl.-H. 2016 Nr. 6, S. 101)).

Danach ist die Antragsgegnerin nicht zum Erlass der vom Antragsteller beanspruchten Anordnungen zur Reduzierung der Lärmwerte verpflichtet, weil mit Blick auf die streitgegenständliche Veranstaltung vom 06. Juli 2019 zulasten des Antragstellers nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG auszugehen ist. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Hinblick auf die von der Beigeladenen veranstaltete Open-Air-Veranstaltung vom 06. Juli 2019 ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass diese das Maß dessen, was dem Antragsteller an Lärm zuzumuten ist, überschreiten wird.

Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der auf das Wohnhaus des Antragstellers einwirkenden Immissionen durch die geplante Konzertveranstaltung vom 6. Juli 2019 ist die dem antragstellerischen Begehren zugrunde gelegte Freizeitlärm-Richtlinie als Orientierung heranzuziehen, deren Anwendungsbereich vorliegend eröffnet ist. Denn bei dem Südstrand A-Stadt, hier in der Nutzung als Konzert- und Veranstaltungsgelände, handelt es sich um eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage i.S.d. § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG i.V.m. Ziffer 1 Abs. 1 UAbs. 2 sowie Abs. 2, 8. Spiegelstrich der Freizeitlärm-Richtlinie. Ebenso ist der Antragsteller als im Einwirkungsbereich des Konzerts betroffener Anwohner bzw. Bewohner einer dem Veranstaltungsgelände gegenüberliegenden Wohnanlage als Nachbar i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG anzusehen.

Die Freizeitlärm-Richtlinie sieht unter Ziffer 4 Immissionsrichtwerte vor, welche die Schwelle markieren, oberhalb der in der Regel mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu rechnen ist. Bezogen auf das Wohnhaus des Antragstellers ist jedoch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht von der geltend gemachten Schutzbedürftigkeit eines reinen bzw. hilfsweise allgemeinen Wohngebiets (Ziffer 4.1 e) bzw. hilfsweise d) der Richtlinie) auszugehen. Bei der Zuordnung der für die Beurteilung der Geräusche von Freizeitanlagen maßgebenden Immissionsrichtwerte ist grundsätzlich von der jeweiligen bauplanungsrechtlichen Einordnung des im Einwirkungsbereich der Anlage befindlichen Gebietes - gegebenenfalls in Verbindung mit der tatsächlichen baulichen Nutzung − auszugehen (vgl. Ziffer 2 Abs. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie).

Nach der Antragsschrift liegt das betreffende Wohnhaus im Außenbereich der Stadt Eckernförde, für den es keinen Bebauungsplan gibt. Entgegen der Darstellung des Antragstellers kann vorliegend nach Auffassung der Kammer jedoch nicht von der geltend gemachten Schutzbedürftigkeit eines reinen oder allgemeinen Wohngebiets aufgrund der tatsächlichen baulichen Nutzung ausgegangen werden, da eine Prägung des betreffenden Gebiets durch Wohnbebauung nicht ersichtlich ist. Die seitens des Antragstellers in der Antragsschrift erwähnten - laut Bebauungsplan als solche qualifizierten − Wohngebiete liegen ausweislich der eingereichten Unterlagen im deutlich entfernteren rückwärtigen Bereich des Wohnparks xxx und vermögen dem hier betroffenen Gebiet keine bauliche Prägung zu verleihen. Vielmehr ist die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befindlichen Wohnanlage des Antragstellers als Kern-, Dorf- oder Mischgebiet anzusetzen (vgl. auch OVG Schleswig, Urteil vom 09.11.2017 - 2 LB 22/13 -).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründen naturschutzrechtliche Schutzgebietsausweisungen der das Wohnhaus umgebenden Flächen keinen erhöhten Schutzanspruch bezogen auf Geräuscheinwirkungen. Ebenso wenig vermag die vom Antragsteller aufgezeigte historische Entwicklung dem Gebiet eine anderweitige bauliche Prägung und damit verbundene Sensibilität zu verleihen.

Die vom Antragsteller hervorgehobenen Darstellungen im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin entfalten aus sich heraus grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber Dritten. Bei einem Flächennutzungsplan handelt sich vielmehr um ein nach außen hin unverbindliches Planwerk (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang BauGB § 5 Rn. 45), dessen Darstellungen auch in der vorliegenden Konstellation nicht die seitens des Antragstellers beanspruchte erhöhte Schutzbedürftigkeit des im Einwirkungsbereich der Veranstaltung belegenen Wohnhauses des Antragstellers zu begründen vermag.

Das vom Antragsteller zur Begründung seines Anspruchs auf Absenken der Immissionswerte herangezogene Urteil des OVG Schleswig vom 11. Oktober 2006 - 1 LB 28/04 - bzw. das der Entscheidung vorausgegangene Urteil des VG Schleswig vom 22. Mai 2002 - 12 A 4/02 - ist weder von der Art der streitgegenständlichen Veranstaltung noch den betroffenen Örtlichkeiten - ein von einem 17 Tage andauenden Volksfest betroffenes Mischgebiet − vergleichbar mit der vorliegenden Konstellation, so dass die dort gezogenen Schlüsse zur (Un-)Zulässigkeit der Geräuschimmissionen nicht auf das vorliegenden Verfahren übertragbar sind.

Entgegen dem Verständnis des Antragstellers ist die Annahme der Schutzbedürftigkeit eines Kern-, Dorf- oder Mischgebiets im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuscheinwirkungen nicht gleichzusetzen mit dem Vorliegen eines Mischgebiets aufgrund einer entsprechenden Ausweisung in einem Bebauungsplan. Vielmehr ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass der bauplanungsrechtliche Außenbereich im Hinblick auf Lärmimmissionen nicht schutzlos gestellt ist, sondern dort die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für Mischgebiete verlangt werden kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 3. September 1999- 10 B 1283/99 - NVwZ 1999, 1360 sowie Urteil vom 6. August 2003- 7a D 100/01.NE -, NVwZ-RR 04, 644, 645; OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. März 2005 - 7 LA 275/04 -, NVwZ-RR 05, 401, 402). Der Außenbereich ist daher von der Schutzbedürftigkeit grundsätzlich wie ein Mischgebiet zu behandeln. Dass vorliegend aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten eine andere Beurteilung geboten wäre, ist nicht ersichtlich.

Ist in Bezug auf die Wohnanlage des Antragstellers mithin von der lärmbezogenen Schutzbedürftigkeit eines Kern-, Dorf- oder Mischgebiets nach Ziffer 4.1 c) der Freizeitlärm-Richtlinie auszugehen, sind erhebliche Lärmbelästigungen zulasten des Antragstellers in Bezug auf das Konzert vom 6. Juli 2019 nicht auszumachen, da die unter Ziffer 4.1 c) der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehenen Werte eines Mischgebietes ausweislich der Ordnungsverfügung vom 27. Juni 2019, Ziffer 39., für die Veranstaltung zum Tragen kommen werden. Insoweit ist daher nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG auszugehen. Angesichts der der Beigeladenen von der Antragsgegnerin mit der Ordnungsverfügung vom 27. Juni 2019 unter Ziffer 36. ff. aufgegebenen Lärmminderungsmaßnahmen sowie der von der Antragsgegnerin verfügten begleitenden Messung und Dokumentation der Einmessungen können Überschreitungen der auferlegten Immissionsrichtwerte durch die Beigeladene nicht ohne weiteres unterstellt werden. Hinsichtlich der nach Ziffer 4.3 der Freizeitlärm-Richtlinie zulässigen Maximalpegel hat eine gutachterliche Stellungnahme entgegen der Forderung des Antragstellers nicht vorzuliegen. Eine drohende Gefährdung oder Verletzung der körperlichen Integrität des Antragstellers bei Einhaltung der in der Ordnungsverfügung vom 27. Juni 2019 vorgeschriebenen Immissionsrichtwerte ist indessen nicht glaubhaft gemacht worden.

Ob und auf welcher tatsächlichen Grundlage die Antragsgegnerin Veranstaltungen am Südstrand im Hinblick auf zulässige Geräuschimmissionen in der Vergangenheit beurteilt hat, ist für das vorliegende Verfahren entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht relevant.

Soweit der Antragsteller zudem die Verletzung naturschutzrechtlicher Vorschriften durch die seitens der Antragsgegnerin bei Veranstaltungen am Südstrand in der Vergangenheit zugrunde gelegten Immissionsrichtwerte geltend macht, begründet dies ebenfalls keinen Anspruch auf Einschreiten der Antragsgegnerin, da die Vorschiften dem Einzelnen kein subjektives, einklagbares Recht vermitteln. Entsprechendes gilt für die im Zusammenhang mit der Kurgebietsausweisung stehenden Normen bzw. den aus der Kursatzung der Antragsgegnerin geltend gemachten Rechten des Antragstellers. Soweit der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Strandkorbnutzer bzw. Strandbesucher des Südstrandes unzumutbare Lärmbelästigungen durch die bevorstehende Veranstaltung geltend macht, ist festzustellen, dass dieser sich den Einwirkungen der Veranstaltung durch Aufsuchen eines anderen, weniger lärmintensiven Strandabschnittes bzw. durch den Verzicht auf die Strandkorbnutzung für die Dauer der Veranstaltung ohne weiteres entziehen kann.

(2.) Soweit der Antragsteller einstweilen das Einschreiten der Antragsgegnerin bezogen auf alle im Sommer 2019 am Südstrand stattfindenden Veranstaltungen bzw. eine generelle Klärung im Hinblick auf zukünftige Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin beansprucht, ist der Antrag bereits unzulässig.

Bei der begehrten vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin, hinsichtlich aller künftig bzw. diesen Sommer am Südstrand durchgeführten Veranstaltungen Anordnungen zur Gewährleistung einer Schutzbedürftigkeit der Wohnanlage nach Ziffer 4.1 e) hilfsweise d) der Freizeitlärm-Richtlinie zu erlassen, handelt es sich um vorbeugenden Rechtsschutz. Eine einstweilige Anordnung, die auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtet ist, verlangt indessen ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse. Ein solcher Eilantrag ist daher nur zulässig, wenn dem Antragsteller ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann, die drohend bevorstehende Rechtsverletzung abzuwarten, um dann dagegen - vorläufigen oder endgültigen - nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 71 m.w.N.). Vorliegend sind entsprechende Umstände, die eine Unzumutbarkeit begründen könnten, weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht worden. Die bloße Geltendmachung des Entstehens von Geräuschimmissionen ist insoweit nicht ausreichend. Die seitens des Antragstellers insoweit vorgetragenen massiven Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit sind nicht glaubhaft gemacht worden. Ein Bedürfnis zu einer einstweiligen Regelung des Zwischenzeitraums ist daher nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich.

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass die in Bezug auf die Veranstaltung vom 6. Juli 2019 vorgenommene immissionsschutzrechtliche Bewertung der Schutzbedürftigkeit des Wohnhauses des Antragstellers auch bei künftigen Veranstaltungen am Südstrand maßgeblich sein dürfte, so dass auch insoweit erhebliche Zweifel am Vorliegen des geltend gemachten Anspruches auf Einschreiten der Antragsgegnerin und Absenken der Immissionswerte bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren für nicht erstattungsfähig zu erklären, da diese sich mangels eines Sachantrages nicht am Prozessrisiko beteiligt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG sowie Ziffer 19.2 i.V.m. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i.d.F. der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen), wobei dem nach Auslegung ermittelten Antrag zu 2) im Verhältnis zum Antrag zu 1) keine eigene (wirtschaftliche) Bedeutung beigemessen und insofern ein Wert von 15.000 € festgesetzt wird.