OLG Schleswig, Beschluss vom 28.02.2020 - 9 W 97/19
Fundstelle
openJur 2020, 6835
  • Rkr:
Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 17. Mai 2019 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 9. Mai 2019 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 19. Juni 2019 aufgehoben. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 11. April 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 27. März 2019 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Gläubiger betrieb die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen einer Zahlungsforderung. Er erteilte dem Gerichtsvollzieher unter Verwendung eines der Anlage zu § 1 Abs. 1 GVFV entsprechenden Formulars einen Pfändungsauftrag. Nach dem angekreuzten Modul K3 des Formulars sollte eine Pfändung nach Abnahme der Vermögensauskunft durchgeführt werden, soweit sich aus dem Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergäben. Der Gerichtsvollzieher überprüfte, nachdem er zuvor erfolglos Pfändungstermine anberaumt hatte, das Schuldnerverzeichnis und stellte fest, dass der Schuldner bereits eineinhalb Jahre zuvor vor einem anderen Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft geleistet hatte. Durch Einsichtnahme in das damals abgegebene Vermögensverzeichnis stellte der Gerichtsvollzieher fest, dass pfändbare Gegenstände nicht vorhanden waren. Er stellte deshalb die Pfändung ein.

Der Gerichtsvollzieher berechnete dem Gläubiger - neben einer Gebühr für eine nicht erledigte Pfändung vor Prüfung der Vermögensauskunft und einer Gebühr für die Übersendung des Vermögensverzeichnisses an den Gläubiger sowie Wegegeld und Auslagenpauschale - für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einsichtnahme in das Vermögensverzeichnis eine weitere Gebühr für eine nicht erledigte Pfändung nach Nr. 205, 604 der Anlage zu § 9 GvKostG (KV GvKostG). Diese Gebühr hat das Amtsgericht auf die Erinnerung des Gläubigers abgesetzt.

Auf die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das Landgericht die angefochtene Entscheidung abgeändert und die Gebühr nach Nr. 205, 604 KV GvKostG wieder hinzugesetzt. Wenn der Gläubiger den Gerichtsvollzieher zur Abnahme der Vermögensauskunft beauftrage und zugleich beantrage, die Pfändung durchzuführen, soweit sich aus der Vermögensauskunft pfändbare Gegenstände ergäben, falle die Gebühr nach Nr. 205, 604 KV GvKostG auch dann an, wenn eine Prüfung durch den Gerichtsvollzieher ergebe, dass keine pfändbaren Gegenstände vorhanden seien. Für den Fall, dass der Schuldner die Vermögensauskunft bereits zuvor abgegeben habe, könne nichts anderes gelten. Anderenfalls müsse ein Gerichtsvollzieher, der die Vermögensauskunft nicht selbst abgenommen habe, den ihm erteilten Auftrag zur Prüfung des Vermögensverzeichnisses auf pfändbare Gegenstände ignorieren. Das sei dem Wortlaut des ihm erteilten Auftrags nicht zu entnehmen und im Sinne des Vollstreckungsrechts nicht gewollt. Gläubiger sollten die Erfolgsaussichten möglicher Vollstreckungsmaßnahmen anhand der Vermögensauskunft innerhalb der zweijährigen Gültigkeitsdauer der Auskunft prüfen können. Danach müsse sich auch der auf einen Gerichtsvollzieher übertragene Prüfungsauftrag auf den Gültigkeitszeitraum von zwei Jahren beziehen.

Dagegen wendet sich die Bezirksrevisorin mit ihrer zugelassenen weiteren Beschwerde. Der Pfändungsauftrag an den Gerichtsvollzieher sei nach Sinn und Zweck dadurch bedingt, dass gerade der beauftragte Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft abgenommen habe. Liege dagegen eine anderweitige Vermögensauskunft vor, habe der Gläubiger die Möglichkeit, sich zunächst selbst Informationen über die Vermögenslage des Schuldners zu verschaffen. Auch verspreche ein Pfändungsauftrag aufgrund der im Verfahren abgenommenen Vermögensauskunft mehr Erfolg als ein auf ein zurückliegendes Vermögensverzeichnis gestützter Auftrag.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin hat Erfolg.

1. Sie ist nach Zulassung durch das Landgericht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG und § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist die Bezirksrevisorin beschwerdeberechtigt, obwohl das Landgericht ihrer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegten Beschwerde in dem Umfang entsprochen hat, in dem sie nunmehr weitere Beschwerde eingelegt hat. Die für die Beschwerdeberechtigung der Bezirksrevisorin genügende materielle Beschwer liegt bereits vor, wenn sie geltend macht, der angefochtene Kostenansatz sei falsch. Zweck des der Bezirksrevisorin für die Landeskasse zustehenden Beschwerderechts ist die Prüfung der abstrakten Richtigkeit der angefochtenen Kostenrechnung (Volpert, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Kostenrecht 2. Aufl., § 66 GKG Rn. 33). An eine in einer vorangegangenen Instanz vertretene, abweichende Auffassung ist die Bezirksrevisorin im Verfahren über die weitere Beschwerde nicht gebunden (vgl. BeckOK Kostenrecht/Laube, 28. Ed., § 66 GKG Rn. 217).

2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet.

a) Nach Nr. 205 KV GvKostG fällt die dortige Gebühr für die Bewirkung einer Pfändung an. Nach Nr. 604 KV GvKostG ermäßigt sich die Gebühr, wenn eine Amtshandlung der in Nr. 205 KV GvKostG genannten Art unerledigt bleibt. Die ermäßigte Gebühr wird nach Vorbemerkung 6 Satz 1 KV GvKostG erhoben, wenn eine Amtshandlung, mit deren Erledigung der Gerichtsvollzieher beauftragt worden ist, aus Rechtsgründen oder infolge von Umständen, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen, noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt wird.

b) Danach liegen hier die Voraussetzungen für den Anfall einer Gebühr nach Nr. 205, 604 KV GvKostG nicht vor.

aa) Der erteilte Vollstreckungsauftrag ist dahingehend auszulegen, dass eine Pfändung etwa vorhandener pfändbarer Gegenstände nur vorgenommen werden soll, wenn der beauftragte Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Vermögensauskunft unmittelbar selbst abgenommen hat.

An die davon abweichende Auslegung des Landgerichts ist der Senat nicht gebunden. Zwar ist die Auslegung von Willenserklärungen dem Tatrichter vorbehalten. Im Rahmen der weiteren Beschwerde kann sie grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln eingehalten sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2010 - I-10 W 143/09, WuM 2011, S. 123), der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind. Vorliegend hat der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher aber den Vollstreckungsauftrag durch das in § 1 Abs. 1 GVFV für Vollstreckungsaufträge wegen Geldforderungen vorgesehene Formular erteilt. Die Auslegung des vom Verordnungsgeber in der Anlage zu § 1 Abs. 1 GVFV vorgegebenen Formulartextes unterliegt im Verfahren über die weitere Beschwerde in vollem Umfang dem Beschwerdegericht (im Ergebnis ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 - 4 W 13/19, DGVZ 2019, S. 189, 190 Rn. 17; OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - I-17 W 120/18, JurBüro 2019, S. 437, 439; OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2018 - I-25 - 370/17, DGVZ 2018, S. 121 Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2018 - I-10 W 10/18, DGVZ 2018, S. 121, 122 Rn. 5).

Die danach vom Senat vorzunehmende Auslegung ergibt, dass der vom Gläubiger durch Ankreuzen des Moduls K3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 GVFV erteilte Vollstreckungsauftrag dahingehend zu verstehen ist, dass der Gerichtsvollzieher das Vorhandensein pfändbarer Gegenstände nur prüfen soll, wenn er selbst aufgrund des vorliegenden Zwangsvollstreckungsauftrags die Vermögensauskunft abgenommen hat (OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 - 4 W 13/19, DGVZ 2019, S. 189, 190 Rn. 17; OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - I-17 W 120/18, JurBüro 2019, S. 437, 439; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2018 - I-10 W 10/18, DGVZ 2018, S. 121, 122 Rn. 5; BeckOK Kostenrecht/Herrfurth, 28. Ed., § 3 GvKostG Rn. 40; anders OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2018 - I-25 W 370/17, DGVZ 2018, S. 121 Rn. 4). Schon nach dem Wortlaut des Vollstreckungsauftrags setzt die anschließende Prüfung des Vorliegens pfändbarer Gegenstände voraus, dass es überhaupt zu einer Abnahme der Vermögensauskunft kommt (OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - a.a.O.). Voraussetzung dafür ist zwar nicht notwendigerweise, dass die Vermögensauskunft gerade in demselben Vollstreckungsverfahren von dem beauftragten Gerichtsvollzieher abgenommen worden sein muss. Dies folgt aber aus dem Sinn und Zweck des Vollstreckungsauftrags. Der Gerichtsvollzieher soll auf pfändbare Gegenstände, die ihm im Rahmen der Vermögensauskunft offenbart werden, unmittelbar Zugriff nehmen. Diese Zugriffsmöglichkeit ist aber nur bei einer aktuell abgegebenen Vermögensauskunft gesichert. Vermögensgegenstände, die in einer zurückliegenden Vermögensauskunft aufgeführt sind, können zwischenzeitlich nicht mehr vorhanden oder von anderen Gläubigern des Schuldners gepfändet worden sein (OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 - a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2018 - a.a.O.).

bb) Der so verstandene Auftrag an den Gerichtsvollzieher lässt für den Fall, dass der Schuldner die Vermögensauskunft bereits zuvor abgegeben hat, keine die Gebühr nach Nr. 205, 604 KV GvKostG auslösende Tätigkeit des Gerichtsvollziehers zu.

Die Gebühr für eine nicht erledigte Pfändung entsteht grundsätzlich, wenn der Pfändungsauftrag endet, bevor eine erfolgreiche Pfändung vorgenommen worden ist (BeckOK Kostenrecht/Herrfurth, 28. Ed., Nr. 600-604 KV GvKostG Rn. 19). So liegt es hier bereits deswegen nicht, weil der Gerichtsvollzieher nicht beauftragt gewesen ist, eine Pfändung zu bewirken. Es kommt danach nicht darauf an, inwieweit seine Amtshandlung aus Rechtsgründen oder infolge von Umständen, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt worden ist.

Die Festsetzung einer Gebühr ist auch nicht ausnahmsweise nach Sinn und Zweck der Nr. 205, 604 KV GvKostG geboten. Die dem Gerichtsvollzieher trotz unerledigt gebliebenen Vollstreckungsauftrags zustehende Gebühr rechtfertigt sich daraus, dass er trotz unterbliebener Erledigung in der Regel bereits einen Aufwand erbracht oder noch zu erbringen hat. Dementsprechend ist die Höhe der Gebühr nach dem in diesem Fall typischerweise anfallenden Aufwand des Gerichtsvollziehers bemessen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherkostenrechts vom 18. Mai 2000, BT-Drucks. 14/3432, S. 32). Zwar ist danach das Entstehen der Gebühr nicht notwendigerweise vom Fortbestehen eines Vollstreckungsauftrags abhängig. So genügt es etwa, dass ein zunächst erteilter Vollstreckungsauftrag vor seiner Durchführung zurückgenommen worden ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung a.a.O.). Dementsprechend steht der Nichterledigung aus Rechtsgründen im Sinne der Vorbemerkung 6 Satz 1 GvKostG der Fall gleich, dass ein Pfändungsauftrag unter der aufschiebenden Bedingung eines bestimmten Prüfergebnisses des Gerichtsvollziehers erteilt wird und diese Bedingung nicht eintritt (Senatsbeschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15, SchlHA 2015, S. 449, 450). Erforderlich ist aber, dass dem Gerichtsvollzieher trotz Nichteintritts der Bedingung in der Regel ein Aufwand entstanden ist oder noch entstehen wird, der dem bedingten Pfändungsauftrag zuzuordnen ist. Scheidet dagegen ein Mehraufwand generell aus, ist das Nichtentstehen der Gebühr nach Nr. 205, 604 KV GvKostG sachgerecht (Senatsbeschluss vom 11. September 2015 - a.a.O.). So liegt es hier.

Anders als im Fall der Vermögensauskunft, die der vom Gläubiger beauftragte Gerichtsvollzieher selbst abgenommen hat (dazu Senatsbeschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15, SchlHA 2015, S. 449, 450), gibt es vorliegend bereits kein vom Gerichtsvollzieher aufgenommenes Vermögensverzeichnis, dessen Prüfung nach dem erteilten Vollstreckungsauftrag als Teil des Pfändungsverfahrens anzusehen ist und einen Mehraufwand für den Gerichtsvollzieher auslösen kann (OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Mai 2019 - 4 W 13/19, DGVZ 2019, S. 189, 190 Rn. 20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2018 - I-10 W 10/18, DGVZ 2018, S. 121, 122 Rn. 7). Von der rechtlichen oder wirtschaftlichen Bewertung der Erfolgsaussichten einer Pfändung auf der Grundlage des von einem anderen Gerichtsvollzieher erstellten Vermögensverzeichnisses ist der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers seinem Inhalt nach nicht abhängig. Danach ist auch eine Prüfung, ob im Vermögensverzeichnis etwa aufgeführte Gegenstände ausnahmsweise nach den §§ 811, 811c oder 812 ZPO von der Pfändung ausgenommen sind oder ob ein zu geringer Verwertungserlös nach § 803 Abs. 2 ZPO einer Pfändung entgegen steht, in Fällen wie dem vorliegenden nach dem Inhalt des Vollstreckungsauftrags entbehrlich (OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - I-17 W 120/18, JurBüro 2019, S. 437, 439).

Zwar hat der Gerichtsvollzieher gemäß § 882 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis anzuordnen, wenn eine Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht geeignet wäre, zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers zu führen, dem die erteilte Vermögensauskunft zugeleitet worden ist. Durch die dazu erforderliche Prüfung der Befriedigungsmöglichkeiten des Gläubigers entsteht aber kein dem Pfändungsverfahren zuzuordnender Mehraufwand (OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - a.a.O.). Der Gerichtsvollzieher hat diese Prüfung vielmehr ungeachtet des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags von Amts wegen vorzunehmen.

Schließlich entsteht dem Gerichtsvollzieher auch für die Ermittlung, ob der Schuldner bereits eine Vermögensauskunft erteilt hat, regelmäßig kein gebührenrechtlich dem Pfändungsauftrag zuzuordnender Aufwand. Die entsprechende Abfrage des Gerichtsvollziehers bei den zentralen Vollstreckungsgerichten nach § 802k Abs. 1 Satz 2 ZPO ist Voraussetzung für die Zuleitung eines bereits abgegebenen Vermögensverzeichnisses an den Gläubiger nach § 802d Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 ZPO, die gebührenrechtlich durch Nr. 261 KV GvKostG abgegolten ist.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Nach den §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG sind die Verfahren gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet.

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