LG Bielefeld, Beschluss vom 28.01.2020 - 23 T 38/20
Fundstelle
openJur 2020, 6767
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt abgeändert:

Gem. §§ 36 Abs. 1 InsO, 850f Abs. 1 lit. a ZPO wird der dem Schuldner aus seinem Arbeitseinkommen pfandfrei zu belassene Betrag für November und Dezember 2019 auf monatlich 1.372 Euro und ab Januar 2020 auf monatlich 1.386 Euro festgesetzt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Bei den derzeitigen Arbeitseinkünften des Schuldners von monatlich ca. 1.390 Euro ergibt sich nach der Tabelle zu § 850c ZPO ein pfändbarer Betrag von 147,99 Euro. Der dem Schuldner verbleibende Betrag reicht zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts nicht aus.

Der notwendige Lebensunterhalt des Schuldners für sich und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, ist nach §§ 36 Abs. 1 InsO, 850 f Abs. 1 lit. a ZPO nach dem Dritten und Elften Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berechnen.

Ob bei der Berechnung auch eine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an mit dem Schuldner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Personen zu erfolgen hat, ist streitig und in der vom Amtsgericht angeführten Entscheidung des BGH ausdrücklich offen gelassen worden (vgl. BGH, NJW 2018, 954, Rdnr. 8 - zitiert nach juris).

Der Schuldner lebt seit längerem mit seiner Lebenspartnerin zusammen und bildet mit dieser eine sozialrechtlich anerkannte Bedarfsgemeinschaft.

Nach Auffassung der Kammer hat eine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an die Lebensgefährtin zu erfolgen (so auch OLG Frankfurt, ZVI 2008, 384; LG Hamburg, ZVI 2018, 161; LG Essen, ZInsO 2014, 2278). Denn durch die o. a. Vorschrift soll im öffentlichen Interesse vermieden werden, dass dem Schuldner durch die Vollstreckung das Existenzminimum genommen wird mit der Folge, dass das Fehlende durch Sozialhilfe ersetzt und die Forderung letztlich von der Allgemeinheit aus Steuermitteln bedient werden müsste (vgl. BGH, NJW 2013, 1370).

Wenn aufgrund der Bedarfsgemeinschaft Sozialleistungen für die Lebensgefährtin des Schuldners versagt werden, könnte sich der Schuldner der daraus resultierenden finanziellen Belastung nur durch Beendigung der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin entziehen. Dies kann ihm jedoch auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen nicht zugemutet werden (LG Hamburg, Beschluss vom 22. Dezember 2017 - 330 T 71/17 -, Rn. 5 - zitiert nach juris).

Als Regelsatz ergibt sich für den Schuldner und seine Lebensgefährtin nach § 28 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit § 1 der aktuellen Rechtsverordnung der Landesregierung über die Regelsätze der Sozialhilfe jeweils ein Betrag von 382,00 Euro (im Jahr 2019) und ab dem Jahr 2020 ein Betrag von jeweils 389,00 Euro.

Die nachgewiesenen Miet- und Nebenkosten der Wohnung sind mit 500 Euro anzusetzen und für einen 2-Personenhaushalt angemessen. Die ferner gesondert zu berücksichtigenden und nachgewiesenen Heizkosten belaufen sich auf monatlich 153 Euro.

Die Fahrtkosten des Schuldners zur Arbeitsstelle sind zusätzlich mit derzeit 0,20 Euro pro gefahrenen Kilometer anzusetzen, da der Schuldner nach den Berichten des Insolvenzverwalters seine Arbeitsstelle in I. nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann und auf die Nutzung eines PKW angewiesen ist. Bei einer Fahrstrecke von 30 Kilometern (Hin- und Rückfahrt) ergibt sich ein monatlicher Betrag von 115,00 Euro (30 Km x 230 Tage x 0,20 Euro : 12 Monate). Eine 0,20 Euro übersteigende Kilometerpauschale, die über die laufenden Betriebskosten hinaus auch die vollen Kosten der Anschaffung, Versicherung und Kfz-Steuer des PKW abdecken würde, ist nicht sachgerecht, da ein Fahrzeug nur in - hier nicht geltend gemachten - seltenen Ausnahmefällen allein für den Arbeitsweg angeschafft wird, die Anschaffungs-, Versicherungs- und Steuerkosten aber auch bei einer privaten Nutzung voll entstehen würden. Notwendige außergewöhnliche Aufwendungen (Reparatur, Reifenkauf) können nur berücksichtigt werden, wenn sie angefallen und nachgewiesen sind.

Sonstige berufsbedingte Aufwendungen des Schuldners oder der Lebensgefährtin sind nicht dargelegt und nachgewiesen. Ein pauschaler Mehrbedarfszuschlag aufgrund der Erwerbstätigkeit ist nicht in Ansatz zu bringen.

Somit ergibt sich ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von monatlich 1.532,00 Euro (Jahr 2019) bzw. 1.546,00 Euro (Jahr 2020). Hiervon sind 160,00 Euro durch die Arbeitseinkünfte der Lebensgefährtin gedeckt.

Insgesamt ergibt sich somit ein pfandfrei zu belassener Betrag von monatlich 1.372,00 Euro (Jahr 2019) und 1.386,00 Euro (ab dem Jahr 2020), der entsprechend festzusetzen war.

Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren fallen an, soweit die sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Weil das Rechtsmittel jedoch teilweise Erfolg hat, ist die Festgebühr nach Ziff. 2381 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nicht zu erheben.

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