LG Hamburg, Urteil vom 18.10.2018 - 327 O 131/18
Fundstelle
openJur 2020, 6723
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, über den in der Bundesrepublik Deutschland durch den Vertrieb von wie in der Anlage wiedergegebenen mit dem Zeichen „MYMMO“ gekennzeichneten Hosen erzielten Gewinn, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses, das die Verkäufe der vorgenannten Waren, sortiert nach dem Verkaufsdatum, der jeweiligen Menge, dem jeweiligen Verkaufspreis sowie den Einkaufspreis bzw. die Herstellungskosten, die Vertriebskosten und den Gemeinkostenanteil für die jeweils verkauften Produkte sowie den jeweils erzielten Gewinn enthält.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1. genannten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

3. Der Klägerin wird gestattet, den Urteilskopf und den Urteilstenor, auch auszugsweise, innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft auf Kosten der Beklagten durch eine in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“, hilfsweise einer anderen branchenrelevanten Fachzeitschrift, erscheinende halbseitige Anzeige öffentlich bekanntzumachen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.743,43 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2018 zu zahlen.

5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

6. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € und hinsichtlich Ziff. 4. und 5. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

7. Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Auskunft über den erzielten Gewinn, Schadensersatzfeststellung, Urteilsveröffentlichung sowie Kostenerstattung für eine markenrechtliche Abmahnung.

Die Klägerin ist Inhaberin verschiedener Marken, u. a. der deutschen Wortmarke „myMO“, die mit einer Priorität vom 29.06.2007 Schutz für Bekleidungsstücke in Klasse 25 beansprucht. Darüber hinaus ist die Klägerin Inhaberin der Unionsmarke „myMO“, die mit einer Priorität vom 23.09.2011 ebenfalls Schutz für Bekleidungsstücke in Klasse 25 beansprucht (Anlagenkonvolut K 1). Die Marken stehen in Kraft.

Zur Benutzung der Klagemarken legt die Klägerin die Anlagenkonvolute K 2 und K 10 vor und verweist auf die in der Klagschrift wiedergegebenen Screenshots von den Webseiten www.m.-f..de sowie www.o..de.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das in B. sitzt und Bekleidung anbietet und vertreibt. Im dritten Quartal 2017 vertrieb die Beklagte unter dem Zeichen „MYMMO MINI“ Kinderhosen (vgl. Anlage K 3), u. a. an gewerbliche Abnehmer.

Weitere Verletzungsformen durch gewerbliche Abnehmer der Beklagten im Internet legt die Klägerin in Anlagenkonvolut K 9 vor.

Auf die Abmahnung vom 14.11.2017 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, wobei die Klägerin ihr eine Abverkaufsfrist für die Kataloge Herbst/Winter 2017 gewährte. Wegen der Abmahnung verlangt die Klägerin Kostenerstattung auf der Grundlage einer 1,3-Gebühr nach einem Gegenstandswert i. H. v. 150.000 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (vgl. Anlage K 8).

Die Beklagte erteilte der Klägerin auch teilweise Auskunft nämlich, dass sie mit einem Vertrieb von knapp 11.000 Produkten einen Gesamtumsatz von 193.761,22 € erzielt habe (vgl. Anlage K 7). Trotz mehrfacher Aufforderung teilte sie nicht den konkret erzielten Gewinn mit.

Die Klägerin behauptet, sie benutze die Marke seit über 10 Jahren umfassend für die geschützten Waren und erziele damit in den letzten fünf Jahren vor der Abmahnung jährliche Umsätze von nie unter einer Million. Schon wegen des Umfangs der Verletzungen sei es nach Auffassung der Klägerin gerechtfertigt, eine Richtigstellung im Branchenblatt zu verlangen.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, sie könne den Gewinn noch gar nicht mitteilen, da die Sache noch nicht abgeschlossen sei, denn die Klägerin habe etliche Abnehmer der Beklagten in Anspruch genommen. Außerdem benötige die Klägerin die Auskunft nicht, da sie die Margen kenne. Im Übrigen sei der Auskunftsanspruch erfüllt. Eine Markenverletzung scheitere zudem an der fehlenden Ähnlichkeit der Zeichen. Die Abmahnkosten seien zu hoch, denn der Wert der Angelegenheit sei allenfalls mit 75.000 € zu beziffern. Eine Veröffentlichung wäre unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2018 verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV) liegen vor. Danach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang).

Durch das Bewerben, Anbieten und Veräußern von Hosen unter der angegriffenen Verwendung des Zeichens „MYMMO" bzw. „MYMMO MINI“ im Internetauftritt, in den Rechnungen und auf den Verpackungen ohne Zustimmung der Klägerin hat die Beklagte die älteren Markenrechte der Klägerin verletzt. Bei Warenidentität, einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagezeichen und einer hochgradigen schriftbildlichen und klanglichen Ähnlichkeit zwischen den Zeichen „MYMMO“ „bzw. „MYMMO MINI“ und „myMO“ liegt ohne weiteres Verwechslungsgefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor.

Die Klagemarken stehen in Kraft und werden rechtserhaltend benutzt. Dies hat die Klägerin durch Vorlage diverser Screenshots und Anlagen ausreichend belegt. Letztlich bestreitet die Beklagte auch nicht die Benutzung der Klagemarken, insbesondere ist sie den vorlegten Benutzungsnachweisen inhaltlich nicht weiter entgegengetreten, sondern sie bestreitet den behaupteten erheblichen Umfang der Benutzung. Für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung sind die vorgelegten Belege jedoch ausreichend, auf die Höhe der Umsätze kommt es insoweit nicht an.

2. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG i. V. m. § 242 BGB. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden, § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG. Inwieweit dieser Gewinn durch Rückabwicklungen und Regressforderungen der Abnehmer geschmälert ist (vgl. zu § 97 Abs. 1 UrhG: BGH, GRUR 2002, 532 (535) - Vertrieb von Kunstdrucken in bemalten Rahmen), ist nicht Frage der Auskunft sondern stellt sich bei der Bemessung Schadens.

3. Der Schadensersatzanspruch folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte handelte jedenfalls fahrlässig, indem sie vor der Aufnahme der Benutzung des Zeichens „MYMMO“ bzw. „MYMMO MINI“ keine Markenrecherche vorgenommen hat.

4. Der Veröffentlichungsanspruch folgt aus § 19c MarkenG. Anders als der Wortlaut der Richtlinie verlangt § 19c MarkenG ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Veröffentlichung. Darin ist in richtlinienkonformer Auslegung jedoch nur eine Ermessensentscheidung des erkennenden Gerichts über die Frage zu sehen, ob die Veröffentlichung im konkreten Fall zweckmäßig und in der Zweck-Mittel-Relation auch angemessen ist (BeckOK MarkenR/Eckhartt, 14. Ed. 1.7.2018, MarkenG § 19c Rn. 5). Darüber hinaus muss das Ziel berücksichtigt werden, mit einer etwaigen Veröffentlichung potenzielle Verletzer abzuschrecken und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und damit der Generalprävention zu dienen (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2018, 339, 344). Das Gericht hat dabei die widerstreitenden Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Gerade in dem Fall, dass ein Verletzer rechtskräftig verurteilt wurde, ist davon auszugehen, dass das Interesse des Verletzten auf Veröffentlichung das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers überwiegt (BeckOK MarkenR, a. a. O., § 19c Rn. 5).

Wie zuvor ausgeführt, hat die Beklagte durch die Verwendung des Zeichens „MYMMO“ bzw. „MYMMO MINI“ in dem Angebot ihrer Waren in die Markenrechte der Klägerin in erheblichem Umfang eingegriffen. Sie hat knapp 11.000 kennzeichenverletzende Produkte u.a. an gewerbliche Abnehmer vertrieben, die ihrerseits Verletzungshandlungen vorgenommen haben. Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Parteien ist die Veröffentlichung im konkreten Fall zweckmäßig und in der Zweck-Mittel-Relation auch angemessen, zumal die Verletzungshandlungen auch zeitlich noch nicht lange zurückliegen.

4. Der Klagantrag zu 4. ist gem. § 14 Abs. 6 MarkenG, §§ 683, 670, 677 BGB ebenfalls gerechtfertigt. Bei einem angemessenen, die vorliegenden Umstände bereits berücksichtigenden Gegenstandswert von € 150.000,00, betragen die zu erstattenden Kosten € 2.285,40. Hinzu kommt die Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV-RVG i.H.v. € 20,00 sowie die zu erstattende Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV i.H.v. € 438,03, so dass sich insgesamt ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. € 2.743,43 ergibt. Zinsen sind gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ist gemäß § 51 Abs. 1 GKG erfolgt.