FG Hamburg, Urteil vom 21.02.2020 - 3 K 20/19
Fundstelle
openJur 2020, 6690
  • Rkr:

Ein Folgebescheid kann gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO neu erlassen werden, wenn ein Grundlagenbescheid bewusst aufgehoben wurde und der neue Grundlagenbescheid dem aufgehobenen Grundlagenbescheid entspricht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch der aufgehobene Grundlagenbescheid bereits in einem Folgebescheid umgesetzt worden war.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1979, 1980 und 1982 dadurch zu Lasten der Kläger ändern durfte, dass zunächst berücksichtigte Verluste, die die Kläger aus ihren Beteiligungen an der ehemaligen stillen Gesellschaft (im Folgenden: stille Gesellschaft) in der ehem. A KG (im Folgenden: KG) geltend machten, nicht mehr berücksichtigt werden.

I. 1. Bevor ein Feststellungsbescheid des für die KG und die stillen Gesellschaften zuständige Finanzamt für Körperschaften C (im Folgenden: Betriebsfinanzamt) vorlag, hatten die Kläger mit ihren Steuererklärungen Verluste aus ihren Beteiligungen erklärt. Ihnen war durch die KG mitgeteilt worden, welche (negativen) Anteile an den von der KG gegenüber dem Betriebsfinanzamt erklärten Ergebnissen auf sie entfielen.

2. Der Beklagte veranlagte die Kläger erklärungsgemäß zusammen mit Einkommensteuerbescheiden vom 8. April 1981 für 1979 (Einkommensteuerakte - EStA - Bd. IV, Bl. 71), vom 8. August 1983 für 1980 (EStA Bd. IV, Bl. 214), und vom 10. Juli 1984 für 1982 (EStA 1982, Bl. 60), jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diese Bescheide sind in der Folgezeit mehrfach aus hier irrelevanten Gründen geändert worden.

3. 1988 kam eine Betriebsprüfung bei der KG zu dem Ergebnis, dass für die stillen Gesellschaften die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft nicht erfüllt seien und insgesamt eine Gewinnerzielungsabsicht fehle.

Das Betriebsfinanzamt erließ daraufhin am 22. Juni 1990 einen Bescheid, mit dem es die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die stillen Gesellschaften ablehnte. Das Betriebsfinanzamt teilte dies dem Beklagten mit und dass die bisher angesetzten Verlustanteile nicht unter die Einkünfte im Sinne des § 2 EStG fielen.

Am 27. Juni 1990 erließ das Betriebsfinanzamt außerdem einen an die KG adressierten Feststellungsbescheid, in dem es der Komplementärin und den zwei Kommanditisten der KG positive Einkünfte zuwies. Für die stillen Gesellschafter wies der Bescheid vom 27. Juni 1990 einen Anteil von Null aus.

4. Am 30. Oktober 1990 änderte der Beklagte daraufhin die Einkommensteuerbescheide unter Nennung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) als Änderungsgrundlage dahingehend, dass die erklärten Verluste nicht mehr berücksichtigt wurden. Die Kläger legten gegen die Änderungsbescheide am 3. Dezember 1990 Einspruch ein.

5. a) Das Betriebsfinanzamt hob am 16. August 1991 die Feststellungsbescheide vom 22. und vom 27. Juni 1990 auf und erließ einen Feststellungsbescheid für die KG für die Jahre 1979 bis 1982 (...).

In dem für die Aufhebung und Neufestsetzung verwendeten Formularvordruck strich das Betriebsfinanzamt aus der Überschrift "Geänderter Feststellungsbescheid" das Wort "Geänderter" und ersetzte unter B den Satzanfang "Die Änderungen erfolgen ..." durch "Die Bescheide ergehen". Den als Feststellungsbeteiligten zu 1 bis 3 benannten Komplementärin und Kommanditisten wurden in der "Anlage ESt 2 BM (85) zur geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte" (im Folgenden: Anlage ESt 2 BM) positive Einkünfte zurechnet. In den für die einzelnen Jahre verwendeten Vordrucken wurde jeweils das Wort "geänderten" gestrichen. Die Liste der Feststellungsbeteiligten nennt unter der laufenden Nr. 4 "stille Gesellschafter gemäß Anlage". In einer Anlage ist eine Vielzahl von Namen, darunter die der Kläger, aufgelistet. In der Anlage ESt2 BM wird den Beteiligten zur Nr. 4 ein Anteil an den laufenden Einkünften/Einnahmen in Höhe von Null zugewiesen. In einer weiteren Anlage zum Bescheid heißt es, die Bescheide ergingen erstmalig. Außerdem hob das Finanzamt dort die Feststellungsbescheide für die KG vom 27. Juni 1990 und der Nichtfeststellungsbescheid für die stille Gesellschaft vom 22. Juni 1990 auf. Weiter heißt es dort, damit erledigten sich die eingelegten Rechtsbehelfe. Die stillen Gesellschafter, denen kein Anteil am Gewinn/Verlust zugerechnet worden sei, seien auf einer weiteren Anlage aufgeführt.

b) Dem Beklagten teilte das Betriebsfinanzamt durch Schreiben ebenfalls vom 16. August 1991 (...) mit, dass der Bescheid vom 22. Juni 1990 aufgehoben worden sei, am 16. August 1991 ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei und auf die Kläger ein Anteil von Null entfalle. Die erneute Bescheiderteilung sei notwendig geworden, weil das Finanzgericht (FG) Berlin in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich einer Schwestergesellschaft der KG ernstliche rechtliche Zweifel gehabt habe, weil das Betriebsfinanzamt ein zweistufiges Feststellungsverfahren gemäß § 179 Abs. 3 AO durchgeführt habe. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass sich Änderungen auf der Ebene der Einkommensbesteuerung gegenüber dem aufgrund der vorherigen Mitteilung vom 22. Juni 1990 geänderten Einkommensteuerbescheid nicht ergeben würden.

c) Der Bescheid vom 16. August 1991 ist bestandkräftig geworden. Über die Einsprüche der KG und der Gesellschafter gegen den Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 entschied das Betriebsfinanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2004 (...) mit dem Tenor, dass die Einsprüche der stillen Gesellschafter als unbegründet zurückgewiesen und für die übrigen Beteiligten keine gewerblichen Einkünfte festgestellt werden. In der Einspruchsentscheidung heißt es, den stillen Gesellschaftern sei im Bescheid vom 16. August 1991 wegen mangelnder Gewinnerzielungsabsicht kein Anteil am Verlust zugerechnet worden. Die Einspruchsführer machten Feststellungsverjährung, ein Verwertungsverbot und das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht der KG geltend. Das Betriebsfinanzamt führte aus, bei sogenannten Verlustzuweisungsgesellschaften wie der KG sei zu vermuten, dass sie keine Gewinnerzielungsabsicht hätten, sondern lediglich die Möglichkeit einer späteren Gewinnerzielung in Kauf nehmen würden. Diese Vermutung sei nicht entkräftet worden. Die Begründung der Einspruchsentscheidung endet mit den Sätzen: "Gewerbliche Einkünfte liegen daher insgesamt nicht vor. Der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 wird daher zugunsten der Kommanditisten geändert, soweit darin gewerbliche Einkünfte festgestellt werden. Auch für diese Beteiligten werden keine gewerblichen Einkünfte festgestellt."

Die hiergegen erhobene Klage wies das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 5. Oktober 2010 (...) ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 (...) zurück.

Das Betriebsfinanzamt teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 16. März 2012 mit, dass der "Nichtfeststellungsbescheid" vom 16. August 1991 bestandskräftig geworden sei.

6. a) Auf die Mitteilung des Betriebsfinanzamtes über den Bescheid vom 16. August 1991 hob der Beklagte am 7. November 1991 die Änderungsbescheide vom 30. Oktober 1990 auf. Er teilte den Klägern zugleich mit, dass sich der Einspruch damit erledigt habe, und kündigte den Erlass erneut geänderter Einkommensteuerbescheide an.

b) Vier Tage später, am 11. November 1991, erließ der Beklagte dann Änderungsbescheide für die Streitjahre. Einkünfte aus den stillen Beteiligungen an der KG sind in der Berechnung des zu versteuernden Einkommens betragsmäßig nicht enthalten. Die Änderungsbescheide weisen in ihren Anlagen die gewerblichen Einkünfte der Kläger aus, für die Beteiligungen an der KG jeweils den Betrag von Null.

7. Die Kläger legten am 13. Dezember 1991 Einspruch ein (...), den sie nach Eintritt der Bestandskraft für den Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 näher begründeten. Mit dem Aufhebungsbescheid vom 7. November 1991 seien die früheren Einkommensteuerbescheide, in denen die Verluste aus der stillen Beteiligung berücksichtigt worden seien, wieder gültig geworden. Der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 könne keine erneute Änderung der Einkommensteuerbescheide rechtfertigen, weil er im Hinblick auf die Kläger mit dem Nichtfeststellungsbescheid vom 22. Juni 1990 inhaltsgleich sei. Der Tenor des Bescheids vom 16. August 1991 sei unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheids, es fehle die Gewinnerzielungsabsicht, dahin auszulegen, dass auf die Beteiligten keine steuerbaren Einkünfte entfallen. Im Übrigen seien die Änderungen auch deshalb unzulässig, weil die Änderung nicht gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen betreffe, sondern die in der ursprünglichen Veranlagung im Schätzwege angesetzten Verluste. Die Änderung dieser Schätzung sei jedoch wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist unzulässig.

Der Beklagte änderte am 5. Juli 2007 die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen hier nicht streitiger Fragen.

8. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2018 als unbegründet zurück.

Die Feststellungsbescheide vom 22. Juni 1990 und vom 16. August 1991 seien nicht inhaltsgleich, sondern unterschieden sich in systematischer Hinsicht wesentlich, auch wenn im Ergebnis in beiden Fällen keine Einkünfte aus der KG anzusetzen seien. Im ersten Bescheid sei festgestellt worden, dass die stillen Gesellschafter keine steuerbaren Einkünfte erzielt hätten, im zweiten Bescheid, dass sie Einkünfte erzielt hätten und zwar in Höhe von Null. Eine anderweitige Auslegung des zweiten Bescheids sei wegen seines eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Mit Bekanntgabe des zweiten Bescheids habe die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO erneut zu laufen begonnen.

Außerdem habe der Beklagte auf die Aufhebung des Nichtfeststellungsbescheids vom 22. Juni 1990 durch das Betriebsfinanzamt seine daraufhin ergangenen Änderungsbescheide vom 30. Oktober 1990 ebenfalls aufgehoben. Die deswegen wieder wirksam gewordenen Einkommensteuerbescheide vom 2. August 1984 und 20. November 1987 und 26. Januar 1990 seien wegen des neuen Grundlagenbescheids vom 16. August 1991 zu ändern gewesen. Unter Berücksichtigung von § 171 Abs. 3a und 10 AO sei keine Ablaufhemmung eingetreten.

II. Die Kläger haben am 15. Februar 2018 Klage erhoben.

Die Kläger sind der Meinung, die Änderung der Bescheide vom 11. November 1991 sei unzulässig, weil sie nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt sei.

Die ursprünglichen Bescheide seien im Hinblick auf die Besteuerungsgrundlage in Bestandskraft erwachsen. Dies gelte auch für die Verluste aus der KG. Die Kläger hätten nicht eindeutig erkennen können, dass insoweit eine Abhängigkeit von anderen Grundlagenbescheiden bestanden habe und es an diesen noch gefehlt habe. Zwar hätten die Kläger die Verluste ohne derartige Bescheide erklärt. Doch hätten diese ja noch vor dem Erlass der Einkommensteuerbescheide ergangen sein können.

Die Änderung sei nicht durch § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gerechtfertigt. Zwar habe das Betriebsfinanzamt am 16. August 1991 einen neuen Feststellungsbescheid erlassen, dessen Inhalt jedoch im Hinblick auf die Kläger dem vorherigen Bescheid vom 22. Juni 1990 inhaltsgleich sei.

Die Konsequenz aus der negativen Feststellung vom 22. Juni 1990 sei vom Beklagten bereits mit den Änderungsbescheiden vom 30. Oktober 1990 gezogen worden. Werde ein Feststellungsbescheid geändert, so könne der Folgebescheid nicht hinsichtlich derjenigen Besteuerungsgrundlagen geändert werden, die im ursprünglichen Feststellungsbescheid bereits enthalten gewesen und vollständig in den Folgebescheid übernommen worden seien. Eine bloß wiederholende Feststellung ermögliche keine Änderung.

Die Kläger tragen unter Hinweis auf ein BFH-Urteil vom 11. November 2014 (VIII R 37/11) vor, wenn sich aus der Begründung eines Feststellungsbescheids ergebe, für das erlassende Finanzamt sei die fehlende Gewinnerzielungsabsicht maßgeblich gewesen, sei die Feststellung von Einkünften von Null als negativer Feststellungsbescheid auszulegen. So auch im vorliegenden Fall. Eine Auslegungsbedürftigkeit des Bescheids vom 16. August 1991 ergebe sich schon daraus, dass es in der Anlage heiße: "Die stillen Gesellschafter, denen kein Anteil am Gewinn/Verlust zugerechnet wurde, sind in einer weiteren Anlage aufgeführt."

Es folge auch aus der Begründung der Einspruchsentscheidung des Betriebsfinanzamtes vom 8. Dezember 2004, mangels Gewinnerzielungsabsicht hätten insgesamt keine gewerblichen Einkünfte vorgelegen, dass der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 als negativer Feststellungsbescheid auszulegen sei. Denn das Betriebsfinanzamt habe dort ausgeführt, dass den stillen Gesellschaftern mangels Gewinnerzielungsabsicht keine Einkünfte zuzurechnen seien. Das bedeute nach Ansicht der Kläger, dass die stillen Gesellschafter nicht etwa Einkünfte in Höhe von Null, sondern gar keine Einkünfte erzielt hätten.

Die Kläger beantragen,die Einkommensteuerbescheide 1979, 1980 und 1982 vom 11. November 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2018 dahingehend zu ändern, dass aus der Beteiligung an der "A KG" Verluste wie folgt berücksichtigt werden:1979 Kläger: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx),Klägerin: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx),1980 Kläger: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx), -... DM (XXX),Klägerin: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx), ... DM (XXX),1982 Kläger: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx), ... DM (XXX),Klägerin: Inland - ... DM, Ausland - ... DM (xxx), ... DM (XXX).

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und seine Schreiben vom 3. April 2012 und vom 14. September 2012.

Der Beklagte meint, die Bescheide des Betriebsfinanzamtes vom 22. Juni 1990 und vom 16. August 1991 seien nicht inhaltsgleich. Das Betriebsfinanzamt habe mit dem Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 die Einkünfte der Kläger auf Null festgestellt. Der Tenor des Bescheids sei eindeutig. Eine anderweitige Auslegung sei mit seinem Wortlaut nicht vereinbar und widerspräche dem Umstand, dass das Betriebsfinanzamt keine neuen Nichtfeststellungsbescheide erlassen, sondern den Nichtfeststellungsbescheid vom 22. Juni 1990 bewusst aufgehoben habe.

Der somit erstmalig ergangene Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 sei in den Einkommensteuerbescheiden der Kläger umzusetzen.

III. Dem Gericht lagen neben den Protokollen des Erörterungstermins am 21. November 2019 und der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2020 die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und folgende Steuerakten vor: Rechtsbehelfsakte "ESt 78-82", Beteiligungsakte "1978-1981", Einkommensteuerakten "Band IV", "bis 1980", "1981", "1982", "1986".

...

Dem Gericht lagen außerdem die Entscheidungen des FG Berlin-Brandenburg vom 5. Oktober 2010 und des BFH vom 26. Oktober 2011 sowie vom Finanzamt für Körperschaften C übersandte Unterlagen vor (...).

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die angefochtenen Bescheide sind zunächst insoweit rechtmäßig, als sie die Einkommensteuer zutreffend ohne Berücksichtigung von negativen Einkünften der Kläger aus ihren stillen Beteiligungen an der KG festsetzen. Weder die KG noch die stille Gesellschaft handelten in Gewinnerzielungsabsicht. Dies ergibt sich aus dem Feststellungsbescheid des Betriebsfinanzamtes vom 16. August 1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2004. Die Kläger sind dem nicht entgegengetreten. Mangels Gewinnerzielungsabsicht sind die geltend gemachten Verluste bei den Klägern auch nicht anderweitig einkommensteuerlich berücksichtigungsfähig.

II. Die angefochtenen Bescheide sind auch im Übrigen rechtmäßig, insbesondere durften durch sie die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide, in denen gemäß § 155 Abs. 2 AO die von den Klägern erklärten Verluste aus ihren stillen Beteiligungen zunächst berücksichtigt worden waren, gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden.

1. Voraussetzung für eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist, dass ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den Folgebescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

a) Der Beklagte hat mit den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden vom 11. November 1991 den maßgeblichen Grundlagenbescheid des Betriebsfinanzamtes vom 16. August 1991 zutreffend umgesetzt, indem er die Einkommensteuer der Kläger ohne Berücksichtigung von Verlusten aus der Beteiligung an der KG festgesetzt hat.

Der Bescheid vom 16. August 1991 wies für die Gesellschafter zunächst - bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung - in der Anlage ESt2 BM positive Einkünfte aus. Den stillen Gesellschaftern wurde in dem Bescheid durch diese Anlage ein Anteil am Ergebnis in Höhe von Null zugewiesen bzw., wie es in einer anderen Anlage des Bescheids heißt, kein Anteil zugerechnet.  

b) Dem Erlass der Änderungsbescheide vom 11. November 1991 steht nicht entgegen, dass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO als Änderungsvorschrift nur eingreift, "soweit" der Grundlagenbescheid geändert ist.

Eine Änderung des Folgebescheides kann nur bewirkt werden, wenn es entweder zu einer erstmaligen Regelung oder zu einer inhaltlichen Veränderung des bisherigen Regelungszustandes kommt (BFH, Urteil vom 10. Mai 2016, IX R 4/15, BFH/NV 2016, 1425), nicht jedoch durch einen zweiten Grundlagenbescheid, soweit dieser nur als reine "Wiederholung" des ersten Grundlagenbescheids zu werten ist (vgl. auch BFH-Urteile vom 7. Mai 2008, X R 21/05, BFH/NV 2008, 1436; vom 13. Dezember 2000, X R 42/96, BStBl. II 2001, 471).

aa) Der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 ist keine bloße Wiederholung des vorherigen Grundlagenbescheids.

Aufgrund der Aufhebung der Feststellungsbescheide vom 22. und 27. Juni 1990, die das Betriebsfinanzamt im selben Bescheid vom 16. August 1991 verfügte und die dem erneuten Feststellungsbescheid sachlogisch vorgeht, fehlte es ab bzw. in diesem Moment an einem Feststellungsbescheid, in dessen Wiederholung sich der neue Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 hätte erschöpfen können.

bb) Die Aufhebung der Feststellungsbescheide vom 22. und 27. Juni 1990 kann nicht in einer Zusammenschau mit der (Neu-) Festsetzung als Teil eines - wiederholenden - Änderungsbescheids umgedeutet werden. Das Betriebsfinanzamt hatte die isolierte Aufhebung deswegen bewusst vorgenommen, weil es sich von der Zweistufigkeit des Feststellungsverfahrens lösen wollte, die das FG Berlin in einem Parallelfall für zweifelhaft gehalten hatte (vgl. wegen der willentlichen Aufhebung in einem gleichgelagerten Fall FG Köln, Urteil vom 26. Februar 2008, 8 K 4007/06, EFG 2008, 752; bestätigt durch BFH, Urteil vom 19. August 2009, I R 23/08, BFH/NV 2009, 1961).

(1) Sofern man - wie die Kläger - davon ausgeht, dass der neue Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 im Ergebnis im Wesentlichen der vorherigen zweistufigen Feststellung entspricht, weil er unter Bezugnahme auf denselben Betriebsprüfungsbericht den Gesellschaftern dieselben positiven Beträge wie zuvor und den stillen Gesellschaftern wiederum im Hinblick auf ihre fehlende Gewinnerzielungsabsicht nichts zurechnet, wäre es im Übrigen auch in Ermangelung einer Änderung ausgeschlossen, Aufhebungs- und (Neu-) Feststellungsbescheid insgesamt als einen Änderungsbescheid zu betrachten und dem Aufhebungsbescheid eine eigene Regelungswirkung abzusprechen. Vielmehr ergibt bei dieser Betrachtung der Erlass des Feststellungsbescheids am 16. August 1991 allein vor dem Hintergrund der anderweitig veranlassten Aufhebung der vorherigen Bescheide einen Sinn und wäre damit als (Erst-) Erlass eines Grundlagenbescheids zu werten, der gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in einem Folgebescheid umzusetzen wäre.

(2) Andernfalls, wenn also die Feststellung vom 16. August 1991 die vorherige, für die Einkommensbesteuerung der Kläger relevante Feststellung geändert haben sollte, läge ohnehin kein wiederholender Bescheid vor und die geänderte Feststellung wäre gegenüber den Klägern nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen.

Eine Änderung könnte allenfalls im Hinblick auf die stillen Gesellschafter erwogen werden. Denn im Hinblick auf die KG und ihre Gesellschafter - Komplementärin und Kommanditisten - ist der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 in jeder Hinsicht identisch mit dem Feststellungsbescheid vom 27. Juni 1990. Für die stillen Gesellschafter stellt der Feststellungsbescheid vom 16. August 1991 indes Einkünfte in Höhe von Null fest, während im aufgehobenen Bescheid vom 22. Juni 1990 eine Feststellung für die stille Gesellschaft noch abgelehnt worden war wegen Fehlens von Gewinnerzielungsabsicht und Mitunternehmerschaft der stillen Gesellschafter.

cc) Soweit die Kläger den Bescheid vom 16. August 1991 im Hinblick auf ihre Einkommensbesteuerung insgesamt als irrelevant betrachten, weil sich durch ihn für die ihnen gegenüber festzusetzende Steuer nichts geändert habe, folgt der erkennende Senat den Klägern nicht.

(1) Ausgangspunkt ist insoweit zunächst, dass sowohl der Aufhebungs- als auch der Feststellungsbescheid tatsächlich erlassen worden sind und diese Bescheide - wie oben dargestellt - Regelungswirkungen entfaltet haben. Deutlich wird dies insbesondere, wenn die Grundlagenbescheide vom 16. August 1991 - wie vom Beklagten - in ihrer sachlogischen Reihenfolge umgesetzt worden sind. Dann folgte auf die Aufhebung des Grundlagenbescheids vom 22. Juni 1990 die Aufhebung der Einkommensteuer-Folgebescheide vom 30. Oktober 1990. Die dann anschließende Neufeststellung machte den Erlass neuer Einkommensteuerbescheide erforderlich.

(2) Jedenfalls ist außerdem am 16. August 1991 an die Stelle der im zweistufigen Verfahren - neben der Feststellung für die KG - ergangenen und dann aufgehobenen Nichtfeststellung für die stille Gesellschaft eine (einstufige) Feststellung für alle Beteiligten der KG getreten, die auch den Ausweis eines Ergebnisanteils - in Höhe von Null - für die stillen Gesellschafter enthielt. Selbst wenn die Feststellungen in den beiden Grundlagenbescheiden vom 22. Juni 1990 und vom 16. August 1991 ihrem Inhalt nach letztlich identisch sein sollten, unterscheiden sie sich damit jedenfalls in ihrem Verfügungsteil. Es ist nicht zu beanstanden und überdehnt den Änderungsbefehl des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht, wenn der Beklagte diese zumindest formale Änderung auf der Ebene der Grundlagenbescheide mit entsprechenden Folgebescheiden nachvollzogen hat. Dabei darf auch berücksichtigt werden, dass sich die Situation für die Kläger letztlich nicht verschlechtert hat: Auf den Nichtfeststellungsbescheid vom 22. Juni 1990 hatte der Beklagte bereits am 30. Oktober 1990 die Einkommensteuerbescheide der Kläger - gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO - dahingehend geändert, dass Verluste aus ihrer stillen Beteiligung an der KG nicht mehr berücksichtigt wurden. Die angefochtenen Änderungsbescheide vom 11.  November 1991 weichen davon nicht ab und setzen die Einkommensteuer in gleicher Höhe fest wie die Bescheide vom 30. Oktober 1990.

(3) Der Beklagte hatte sich auch nicht mit der zwischenzeitlich am 7. November 1991 verfügten Aufhebung der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 30. Oktober 1990 der Möglichkeit begeben, noch einmal gleichlautend ändernde Einkommensteuerbescheide zu erlassen. Vielmehr bestand gerade infolge der Aufhebung, mit der der Beklagte die Aufhebung des früheren Grundlagenbescheids vom 22. Juni 1990 durch das Betriebsfinanzamt nachvollzogen hat und die im Übrigen bestandskräftig geworden ist, die Verpflichtung des Beklagten, den Grundlagenbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für den Folgebescheid beinhaltet, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt verpflichtet ist, die zutreffenden Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Diese Anpassungspflicht wird durch unterlassene, unrichtige oder unvollständige Auswertung der Grundlagenentscheidung im Folgebescheid nicht beseitigt oder "verbraucht". Vielmehr geht sie in diesen Fällen in eine Pflicht zur Richtigstellung durch nachträglichen Erlass eines geänderten Folgebescheids über. Die Berichtigungspflicht bleibt solange bestehen, wie der Grundlagenbescheid in dem Folgebescheid noch nicht zutreffend berücksichtigt worden ist, Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung noch nicht eingetreten ist und der Steueranspruch noch nicht verwirkt ist (BFH, Urteil vom 29. August 2007, XI R 5/07, BFH/NV 2008, 12, m.w.N.).

Durch die isolierte Aufhebung der vorherigen Änderungsbescheide vom 30. Oktober 1990 am 7. November 1991 hatte der Beklagte keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der Kläger geschaffen, denn den Erlass des Aufhebungsbescheids hatte er mit der Ankündigung der Neufestsetzung verbunden.

2. Die Festsetzungsfrist war am 11. November 1991 noch nicht abgelaufen.

Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Zwar war die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) für die Einkommensteuer 1979 bis 1982 beim Ergehen der angefochtenen Änderungsbescheide im Jahr 1991 abgelaufen. Nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO in der seinerzeit geltenden Fassung endete die Frist in Fällen, in denen für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid bindend ist, jedoch nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids. Die Umsetzung des maßgeblichen Feststellungsbescheids vom 16. August 1991 durch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide erfolgte am 11. November 1991 und damit innerhalb der Jahresfrist.

III. Die Kosten des Verfahrens fallen den Klägern zur Last, § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte