OLG Schleswig, Urteil vom 25.10.2019 - 1 U 74/18
Fundstelle
openJur 2020, 7492
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 05.11.2018, Az. 4 O 134/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 8.227,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 5.360,00 € seit dem 16.05.2014, auf weitere 1.787,00 € seit dem 28.05.2015 und auf weitere 1.079,98 € seit dem 19.12.2015 sowie weitere 277,03 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.07.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern sämtlichen weiteren Schaden im Zusammenhang mit dem nicht fachgerecht geplanten und nicht vorhandenen zweiten Rettungsweg im Dachgeschoss des Gebäudes W-weg, J zu ersetzen, insbesondere die Kosten für die Umplanung.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

III. Die Revision gegen dieses Urteil wird zur Frage der Nichtanwendbarkeit der Mindestsätze aus § 7 HOAI zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um Entschädigung für Nutzungsausfall und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aufgrund eines Planungsfehlers der Beklagten.

Nachdem bereits im Jahr 1997 für das im Jahr 2010 erworbene Gebäude der Kläger eine Baugenehmigung zur Errichtung von Wohnraum im Dachgeschoss erteilt worden war, beauftragten diese die Beklagten im Jahr 2010 mit der Planung eines entsprechenden Umbaus. Im Zusammenhang mit der Beantragung einer Baugenehmigung (Anlage B4, Bl. 86 d. A.) erstellten die Beklagten Pläne, in denen die beabsichtigten Umbauten farblich gekennzeichnet eingezeichnet wurden (Blatt 97 f. d. A.). Für die im Giebel befindlichen Fenster waren hier keine Maße eingezeichnet. Die Fenster waren auch als nicht zu ändern gekennzeichnet. Eine Baugenehmigung wurde im vereinfachten Verfahren erteilt (Anlage B5, Bl. 101 d. A.). Die Beklagten rechneten gegenüber den Klägern mit Rechnung vom 10.03.2011 pauschal 1.487,50 EUR ab (Anlage K1, Bl. 12 d. A.).

Die Kläger bauten die Immobilie in der Folgezeit ohne weitere Beteiligung der Beklagten um. Auch die Baugenehmigung war nicht an die Beklagten übersandt worden. Beim Umbau wurde unter anderem ein Dachflächenfenster eingebaut, das die Maße für einen Notausstieg als zweitem Rettungsweg nicht aufweist. Anlässlich einer Kontrollfahrt stellte der Kreis S im August 2012 fest, dass im Dachgeschoss ein solcher zweiter Rettungsweg nicht vorhanden war. Die Kläger nahmen sodann mit den Beklagten Kontakt auf, übersandten Ihnen die erteilte Baugenehmigung und versuchten auf Empfehlung der Beklagten einen Abweichungsantrag bei der Baubehörde zu stellen. Diese teilte im Oktober 2012 mit, dass sie beabsichtige, den Antrag abzulehnen und kündigte den Erlass einer Nutzungsuntersagung für das Dachgeschoss zu Aufenthaltszwecken an (Anlage K5, Bl. 51 d. A.). Die Kläger nahmen daraufhin ihren Abweichungsantrag zurück und erklärten zur Vermeidung einer Nutzungsuntersagung mit Schreiben vom 31.10.2012, auf die Nutzung des Dachgeschosses zu Aufenthaltszwecken zu verzichten (Anlage K6, Bl. 54 d. A.).

Die Parteien stritten vorprozessual über den günstigsten Weg, einen zweiten Rettungsweg herzustellen. Nachdem eine Einigung nicht erzielt werden konnte und die Beklagten bereits mit Schreiben vom 27.12.2012 (Anlage K7, Bl. 56 d. A.) mitgeteilt hatten, dass bei Nichtannahme ihres Vergleichsangebotes eine gerichtliche Klärung erfolgen müsse, leiteten die Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren ein, das beim Amtsgericht Flensburg unter dem Aktenzeichen 65 H 5/13 geführt wurde. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die im Dachgeschoss vorhandenen Fenster nicht die Mindestanforderungen an Rettungswege erfüllten und somit ein erforderlicher zweiter Rettungsweg fehle. Nach seiner Ansicht hätten die Beklagten dies im Rahmen der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens berücksichtigen müssen. Für die Herstellung eines zweiten Rettungsweges kam er zu Kosten von 3.700,00 € brutto, wovon 1.700,00 € auf Sowiesokosten entfielen, sofern der Ausstieg in der Dachfläche hergestellt werde. Für den Fall einer Herstellung eines ausreichend großen Fensters im Giebel bezifferte er die Kosten mit 3.630,00 € brutto, wobei hier Sowiesokosten in Höhe von 2.600,00 € anfielen. Die Kläger forderten die Beklagten sodann im Mai 2014 zur Zahlung von 2.493,95 € und Nutzungsausfall in Höhe von 3.360,00 € für insgesamt 600 Tage auf (Anlage K8, Bl. 57 d. A.). Eine weitere Zahlungsaufforderung, insbesondere zu weiterer Zahlung von Nutzungsausfall erfolgte am 15. Dezember 2014 (Anlage K9, Bl. 59 d. A.). Die Kläger beauftragten nach Klageerhebung die Herstellung eines zweiten Rettungsweges in Form eines Dachflächenfensters und wandten hierfür 3.689,00 € auf. Sie nahmen die Nutzung des Dachgeschosses zu Aufenthaltszwecken am 20.11.2015 auf.

Die Beklagten erklärten mit Schriftsatz vom 16.03.2018 (Bl. 394 d. A.) hilfsweise die Aufrechnung mit Resthonoraransprüchen in Höhe von 973,89 €, da nach ihrer Auffassung das bisher in Rechnung gestellte Honorar die Mindestsätze der HOAI unterschreiten würde.

Die Kläger haben erstinstanzlich Kosten der Mangelbeseitigung in Höhe von 1.989,00 €, nutzlose Aufwendungen für ein zu klein erworbenes Veluxfenster von 493,95 € und Nutzungsausfall von 5,60 € pro Tag für die Zeit vom 01. November 2012 bis 19. November 2015 in Höhe von 6.238,40 € verlangt, mithin insgesamt 8.721,35 € geltend gemacht.

Das Landgericht hat in der Hauptsache der Klage in Höhe von 1.430,66 € stattgegeben. Den Klägern habe ursprünglich ein Anspruch in Höhe von 1.989,00 € zugestanden. Die seitens der Beklagten erbrachte Planungsleistung sei mangelhaft gewesen. Auch wenn den Klägern zunächst eine Baugenehmigung erteilt wurde, sei sie offensichtlich nicht dauerhaft genehmigungsfähig gewesen. Den unstreitigen Kosten des Umbaus eines Dachflächenfensters stünden Sowiesokosten von 1.700,00 € entgegen. Die Kläger seien nicht auf die kostengünstigere Herstellung des zweiten Rettungsweges durch ein entsprechend großes Giebelfenster zu verweisen, da sie nachvollziehbar geschildert hätten, dass bei ordnungsgemäßer Beratung von vorneherein die Variante eines vergrößerten Dachflächenfensters gewählt hätten.

Die Kläger hätten jedoch keinen Anspruch auf Nutzungsausfall, da nicht das gesamte Haus nicht nutzbar gewesen sei. Die Immobilie sei auch ohne das Dachgeschoss hinreichend nutzbar gewesen. Das Dachgeschoss hätte zudem als Ankleideraum und zum Lagern von Kleidung genutzt werden können. Auch sei die Nutzung des Badezimmers nicht von der Nutzungsuntersagung zu Aufenthaltszwecken umfasst gewesen. Die Kläger hätten insgesamt nicht dargelegt, dass der ihnen zur Verfügung stehende Wohnraum eine deutlich geringere Qualität aufgewiesen habe, als dies bei Mitnutzung des Dachgeschosses der Fall gewesen wäre, oder ihren Bedarf nicht gedeckt habe. Der Hinweis, die Räume im Erdgeschoss seien kleiner und die Kläger hätten Nachwuchs erwartet, habe nicht ausgereicht. Im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeit des Dachgeschosses sei nur ausschlaggebend, dass diese gegeben sei, nicht, dass die Kläger diese Bereiche tatsächlich nicht genutzt hätten. Ansprüche wegen des nicht nutzbaren Veluxfensters bestünden nicht.

Die Hilfsaufrechnung sei erfolgreich, den Beklagten stehe weiteres Honorar in Höhe von 558,34 € zu. Das Mindesthonorar habe 2.045,82 € betragen, es sei hierbei von einer Bausumme von 130.000,00 € auszugehen, die die Beklagten durch Schätzung hätten ermitteln können, da eine Kostenberechnung nicht vorgelegen habe. Die Kläger hätten die geschätzten Baukosten nicht ausreichend bestritten bzw. die tatsächlichen Kosten nicht ausreichend dargelegt. Die Forderung sei fällig, da eine prüffähige Schlussrechnung erstellt worden sei; hierfür sei die Darlegung im gerichtlichen Schriftsatz im Zusammenspiel mit den eingereichten Anlagen ausreichend. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, da der hier maßgebliche Teil erst mit der Erstellung der (weiteren) Schlussrechnung fällig geworden sei, zudem hätten sich die Forderungen in unverjährter Zeit gegenübergestanden. Die Geltendmachung des weiteren Honorars sei auch nicht treuwidrig, es sei nicht erkennbar, dass die Kläger schutzwürdig seien, insbesondere nicht, dass sie sich auf die abschließende Rechnung aus dem Jahr 2011 eingerichtet hätten. Die vorgetragenen finanziellen Schwierigkeiten änderten hieran nichts, sie gingen zu Lasten der Kläger.

Nach dem unter Berücksichtigung der Hauptforderung zutreffenden Streitwert seien vorgerichtliche Anwaltskosten lediglich in Höhe von 229,55 € zuzubilligen.

Die Kläger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie über die erfolgte Verurteilung hinaus die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung weiterverfolgen und sich weiter gegen den Honoraranspruch der Beklagten wenden. Das Landgericht habe das Beweisangebot der Kläger übergangen, mit dem sie hätten belegen können, dass die von der Baubehörde angedrohte Nutzungsuntersagung das gesamte Dachgeschoss betroffen habe, also auch das Bad und das Ankleidezimmer umfasst habe. Das Bad werde nicht nur kurz, sondern zu Aufenthaltszwecken genutzt, wenn auch nicht den gesamten Tag über. Sofern das Landgericht den diesbezüglichen Vortrag nicht für ausreichend gehalten habe, hätte es eines entsprechenden Hinweises bedurft.

Im Hinblick auf die Nutzungsentschädigung sei mit dem Ausbau des Dachgeschosses nicht nur eine Erweiterung des Wohnraumes erfolgt, vielmehr sei dieser Raum bei der Konzeptionierung des gesamten Wohnraumes einbezogen worden. Die fehlende Nutzung sei auch nicht durch zumutbare Umdispositionen aufzufangen gewesen. Bei der Einschätzung, der nutzbare Wohnraum sei ausreichend und in vergleichbarer Qualität gegeben gewesen, habe das Landgericht Vortrag der Kläger übergangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei zudem eine spürbare Gebrauchsbeeinträchtigung ausreichend.

Im Hinblick auf den weiteren Honoraranspruch der Beklagten sei bereits der Ansatz von 130.000,00 € als anrechenbare Kosten fehlerhaft. Die hierzu herangezogene sog. Bausumme sei hiermit nicht gleichzusetzen. Das Landgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass die Baukosten substantiierter bestritten werden müssten. Die Kläger hätten zudem bereits erstinstanzlich zu den weiteren Parametern der Honorarbestimmung vorgetragen. Weiterhin sei die Darstellung im Schriftsatz der Beklagten nicht geeignet, die Fälligkeit eines etwaigen Honoraranspruches zu begründen. Die Beklagten verhielten sich mit der Nachforderung widersprüchlich zu ihrer ersten Honorarberechnung. Die Kläger seien nicht gehalten gewesen, sich auf weitere Ansprüche einzustellen. Zudem wäre eine Nachforderung nur dann gerechtfertigt, wenn alle Teilleistungen der Leistungsphasen 1-4 erbracht worden wären. Bei der Berechnung der Rechtsanwaltskosten habe das Landgericht zudem die 0,3 Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber übersehen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 11.09.2019 weiter zu den Voraussetzungen eines Nutzungsausfallschadens vorgetragen und dargelegt, dass der restliche Honoraranspruch nicht bestehe, da nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 04.07.2019 die Regelungen über die Höchst- und Mindestsätze nach der HOAI europarechtswidrig und damit nicht mehr anwendbar seien.

II. Die Berufung hat bis auf einen Teil der Zinsforderung Erfolg.

1. Gegenstand der Berufung sind lediglich die Verpflichtung der Beklagten, für den Nutzungsausfall des Dachgeschosses Ersatz zu leisten, sowie die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit weiteren Honoraransprüchen. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht aufgrund des beschränkten Berufungsangriffes ebenso fest wie der Umstand, dass die Kläger keinen Schadensersatz wegen eines zu klein erworbenen Dachflächenfensters verlangen können.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB.

a) Tatsächlich waren, wie auch das Landgericht festgestellt hat, die im Dachgeschoss belegenen Räume Bad, Ankleidezimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer für die Kläger aufgrund der mangelhaften Planungsleistung der Beklagten nicht nutzbar. Hierzu bedurfte es keiner Verfügung der Bauordnungsbehörde, die Kläger haben sich vielmehr schadensmindernd verhalten, indem sie die Nutzung dieser Räume freiwillig unterlassen und dies gegenüber der Baubehörde angezeigt haben, da ansonsten eine kostenpflichtige Nutzungsuntersagung ausgesprochen worden wäre. Die angedrohte Nutzungsuntersagung stand zu diesem Zeitpunkt nicht lediglich abstrakt im Raume, sondern war von der Bauordnungsbehörde konkret angekündigt und berücksichtigte bereits den von den Klägern gestellten Abweichungsantrag. Diese fehlende Nutzbarkeit umfasste auch alle im Dachgeschoss vorhandenen Räume. Zwar ist zutreffend, dass die Androhung der Behörde, die Nutzung zu Aufenthaltszwecken zu untersagen, nicht die übliche Nutzung des Bades und des Ankleidezimmers ausgeschlossen hätte. Denn nach dem Bauordnungsrecht sind Aufenthaltsräume nur solche Räume, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt genutzt werden. Hierzu gehören nicht Bäder, Abstellräume und solche Räume, die nur für den Aufenthalt zu kürzeren Tätigkeiten genutzt werden, wie Waschraum oder Bügelzimmer (Möller/Bebensee, Bauordnungsrecht in Schleswig-Holstein, § 2 LBO, Rn. 96; Becker/Kalscheuer/Möller, Landesbauordnung Schleswig-Holstein, S. 10). Allerdings von den Klägern nicht erwartet werden, diese Unterscheidung zu erkennen. Es ist vielmehr ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Kläger aufgrund der Androhung der Nutzungsuntersagung davon ausgingen, dass ihnen jegliche Nutzung des Obergeschosses untersagt werden sollte. Es kann von juristischen Laien in einer derartigen Situation nicht verlangt werden, zwischen Aufenthaltsräumen und solchen, die es nicht sind, zu unterscheiden und ihre Nutzung zu Aufenthaltszwecken in diesem Sinne zu differenzieren.

b) Aufgrund des konkreten Umfanges des Nutzungsausfalls besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Dass ein solcher Anspruch auch bei Entzug von Wohnraum in Betracht kommt, hat das Landgericht zutreffend und ausführlich dargestellt. Nach Auffassung des Senates sind hierbei lediglich die Anforderungen, unter denen eine den Anspruch auslösende Gebrauchsbeeinträchtigung angenommen werden kann, überspannt worden.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwar, wenn die Nutzung eines Gegenstandes vorenthalten wird, nur dann ein Schaden gegeben, wenn sich dies signifikant auf die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung auswirkt. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013, III ZR 98/12, BGHZ 196, 101, Rn. 10 nach juris). Der Nutzungsausfall muss zu einer fühlbaren Gebrauchsbeeinträchtigung geführt haben (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014, VII ZR 172/13, Rn. 17 m. w. N., nach juris). Eine Entschädigung kann nicht versagt werden, wenn lediglich Wohnraum zur Verfügung stand, der mit dem eigentlich erworbenen Wohnraum nicht vergleichbar ist, sondern eine deutlich geringere Qualität aufweist. Der konkreten Ausgestaltung der Wohnung misst die Verkehrsanschauung nämlich eine derartige Bedeutung zu, dass es nicht gerechtfertigt wäre, eine Nutzungsentschädigung bereits deshalb zu versagen, weil dem Geschädigten während der Zeit des Entzuges ein anderer Wohnraum zur Verfügung steht, wenn dieser nicht in etwa gleichwertig ist. Der Geschädigte ist vielmehr bereits dann in seiner Lebensführung spürbar beeinträchtigt, wenn er z. B. eine deutlich kleinere Wohnung zur Verfügung hat (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 18, nach juris). Maßstab für die Beeinträchtigung ist nicht, ob es den Klägern allgemein zumutbar war, in einer Wohnung in der Größe und Ausstattung wie sie mit dem Erdgeschoss noch vorhanden war, zu wohnen. Die Bewertung hat sich vielmehr am Vertrag und damit nach der auch im Rahmen der Planung der Beklagten eigentlich vorgegebenen Nutzung zu orientieren, die nicht im Nachhinein durch das Gericht zu korrigieren ist (vgl. BGH, a. a. O.).

Gemessen an diesen Maßstäben war die Beeinträchtigung der Kläger eine signifikante Einschränkung ihrer Lebensführung. Sie konnten das als Hauptbad vorgesehene und deutlich größere Badezimmer nicht nutzen, ebenso das Schlafzimmer und hatten einen deutlich kleineren Wohnraum zur Verfügung, der somit in der eigentlich vorgesehenen Art nicht genutzt werden konnte. Insbesondere war die aus der Planung der Beklagten sichtbare Kombination aus Schlaf- und Kinderzimmer nebst großem Bad, die aufgrund der anstehenden Geburt des ersten Kindes der Kläger von besonderer Bedeutung war, nicht in dieser Form umsetzbar. Schließlich handelte es sich bei der nicht nutzbaren Fläche um ein Drittel der gesamten geplanten Wohnfläche.

c) Der Anspruch auf Entschädigung für den Nutzungsausfall besteht für den gesamten geltend gemachten Zeitraum. Zwar erscheint die Spanne von über drei Jahren Nichtnutzung sehr lang. Die Beklagten haben hierbei aber nicht gegen ihre Verpflichtung zur Schadensminderung verstoßen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Kläger zunächst außergerichtlich mit den Beklagten über eine Lösung verhandelten und sodann ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und dessen Ergebnis abgewartet haben. Es kann den Klägern nicht zum Nachteil gereichen, dass sie den für die Sicherung der Beweise vorgesehenen gerichtlichen Weg beschritten haben und solange die zu begutachtende Situation nicht verändert haben. Die Dauer des Verfahrens von zwei Jahren ist ihnen nicht anzulasten. Den sichersten gerichtlichen Weg einzuschlagen, war zudem angezeigt, da die Beklagten bereits vorgerichtlich angekündigt hatten, es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen zu wollen.

d) Die Höhe des angesetzten Schadens ist angemessen. Die Kläger haben den Nutzwert ihres Hauses mit 153 m² im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen mit 26,60 € pro Tag, mithin monatlich 795,00 € bemessen (S. 21-23 des Gutachtens des Sachverständigen R vom 20.04.2014, Bl. 139ff. BA 65 H 5/13). Dies erscheint auch bei der Lage von H angemessen. Der festgestellte Unterschied im Nutzwert zu 627,00 € monatlich bei einer Wohnung, die nur noch aus Wohnraum, Diele, Gästezimmer, WC-Raum und Küche besteht, ist nachvollziehbar und überzeugend.

Somit steht den Klägern über den ausgeurteilten Betrag eine Entschädigung von weiteren 6.238,40 € zu.

2. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten in Höhe von 558,34 ist nicht erfolgreich. Den Beklagten stehen keine weiteren Honoraransprüche gegen die Kläger zu.

a) Es kann unentschieden bleiben, ob die Kläger auf die Einhaltung der Pauschalpreisvereinbarung mit den Beklagten vertrauen durften, sodass eine Nachforderung der Beklagten gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Denn diese Nachforderung resultiert aus einer behaupteten Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI und der daraus folgenden Verpflichtung zur Vereinbarung im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze gem. § 7 Abs. 1, 3 und 4 HOAI einschließlich der Mindestsatzfiktion gem. § 7 Abs. 5 HOAI. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019, C-377/17) hat festgestellt, dass die Beibehaltung verbindlicher Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) verstößt. Hieraus resultiert die Verpflichtung für sämtliche staatlichen Stellen des verurteilten Mitgliedsstaates, mithin auch die Gerichte, den Verstoß zu beenden und die für unionsrechtwidrig erkannte Norm nicht mehr anzuwenden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.2019, 23 U 155/18, IBRRS 2019, 2957 m. w. N.; OLG Celle, Urteil vom 23. Juli 2019, 14 U 182/19, Rn. 20, nach juris). Die somit für die nationalen Gerichte bindende Auslegung wirkt sich auch auf bestehende Vertragsverhältnisse aus, wenn dort in Abweichung zu einem vereinbarten Honorar ein Mindestsatz der HOAI durchgesetzt werden soll. Das führt dazu, dass Honorarvereinbarungen nicht deshalb unwirksam sind und der Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI unterfallen, weil das Mindesthonorar unterschritten wurde, wenn ansonsten eine wirksame Honorarvereinbarung vorliegt (vgl. OLG Celle, a. a. O., Rn. 22).

b) Soweit das OLG Hamm (Urteil vom 23.07.2019, 21 U 24/18, IBR 2019, 503) und das Kammergericht (Beschluss vom 19.08.2019, 21 U 20/19, IBR 2019, 564) abweichend entschieden haben, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Denn die betroffene Richtlinie dient im Unterschied zu privatrechtsgestaltenden Richtlinien nicht der Harmonisierung von bestimmten Rechtsgebieten des Privatrechts in den Mitgliedsstaaten, sondern dient zudem der Beseitigung von Hindernissen für die Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern (Schwenker in jurisPR-PrivBauR 10/2019, Anm. 1 m. w. N.). Die effektive Durchsetzung dieses Zweckes kann jedoch nur durch eine Nichtanwendung der europarechtswidrigen Norm auch bei bestehenden Verträgen erreicht werden, nicht erst durch eine entsprechende Normänderung durch den Gesetz- und Verordnungsgeber.

c) Da ansonsten keine Zweifel an der Wirksamkeit des vereinbarten Pauschalhonorars vorgetragen oder ersichtlich sind, sind die Beklagten hieran gebunden.

3. Abzuweisen war die Klage lediglich im Hinblick auf einen Teil des Zinsanspruches. Mit ihrem Schreiben vom 09.05.2014 haben die Kläger die Beklagten lediglich in Höhe des dort geltend gemachten Betrages in Verzug setzen können. Abzüglich des nicht begründeten Anspruchs wegen eines Dachflächenfensters, war dies die Summe von 5.360,00 €, die nach Ablauf der Zahlungsfrist seit dem 16.05.2014 zu verzinsen ist. Nach Klageerhebung trat wegen des Differenzbetrages zur Klageforderung in Höhe von 1.787,00 € gem. § 286 Abs. 1 S. 2 BGB Verzug ein. Der Restbetrag wurde nach Zustellung der Klageerhöhung am 18.12.2015 rechtshängig, so dass die Verzinsung gem. § 187 Abs. 1 BGB die Verzinsung mit dem Folgetag beginnt.

4. Begründet ist die Berufung damit auch insoweit, als die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 277,03 € unter Verzugsgesichtspunkten beanspruchen. Der Gegenstandswert ist insoweit nicht durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten zu korrigieren.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Im Hinblick auf die unterschiedliche Beurteilung der Oberlandesgerichte, die Mindestsätze der HOAI nicht mehr anwenden zu können, ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung i. S. d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zuzulassen.