VG Düsseldorf, vom 08.05.2020 - 21 K 2123/18.A
Fundstelle
openJur 2020, 6383
  • Rkr:

Asylrecht (Afghanistan)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

- abgekürzt nach § 77 Abs. 2 AsylG -

Aufgrund erteilten Einverständnisses der Beteiligten (Kläger mit Schriftsatz vom 04.04.2018; Beklagte mit Schriftsatz vom 28.03.2018) konnte der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO.

Das Gericht konnte gemäß § 84 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zur Frage der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden sind.

Die am 02.03.2018 erhobene Klage mit dem schriftsätzlich gestellten Antrag,

die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen,

ist nicht begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder die Feststellung, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.

1.Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheitert bereits an der in Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 AsylG getroffenen Regelung. Danach kann sich auf das durch Art. 16a Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Asyl nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Der Kläger ist seinen Angaben zufolge auf dem Landweg in das Bundesgebiet gelangt und somit aus einem der vorbezeichneten Staaten eingereist. Ausnahmetatbestände des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Er kann daher nicht als Asylberechtigter anerkannt werden.

2.Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a)) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (b)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3 a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Die nach Nr. 2 zu berücksichtigenden Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen; die einzelnen Eingriffshandlungen müssen für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1 entspricht.

BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, juris, Rdnr. 34.

Dabei muss zwischen den in § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).

Die Verfolgung kann dabei gemäß § 3 c AsylG von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat (oder die vorgenannten Parteien und Organisationen) einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der voraussetzt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.

BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 -, juris, Rdnr. 14.

Dessen ungeachtet ist es Sache des Antragstellers, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie). Der Antragsteller hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Antragsteller zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

BVerwG, Urteil vom 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, juris, Rdnr. 5 und Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, juris, Rdnr. 8 = NVwZ-RR 1990, 379 (380).

Kann der Antragsteller darlegen, dass er vorverfolgt ausgereist ist, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zugute. Nach dieser Vorschrift ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist. Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal einer ernsthaften Schädigung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden.

BVerwG, Urteil vom 17.04.2010 - 10 C 5.09 -, juris, Rdnr. 21.

Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften.

BVerwG, Urteil vom 17.04.2010 - 10 C 5.09 -, juris, Rdnr. 23.

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den §§ 3 ff. AsylG nicht. Übergriffe von afghanischen staatlichen Stellen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er von nichtstaatlichen Akteuren aus flüchtlingsrelevanten Gründen verfolgt wurde. Jedenfalls bestehen schon nach dem Vorbringen des Klägers etwaige Gründe heute nicht mehr.

a)Anlässlich der Bundesamtsanhörung hat der Kläger nach intensiver Befragung zuletzt seine ursprünglichen Angaben nicht mehr aufrechterhalten und ausdrücklich eingeräumt:

"Ich bin hierhergekommen, um zu studieren und eine Tätigkeit auszuüben, um dadurch meine Familie in Afghanistan zu unterstützen. Die Möglichkeit bestand nicht in Afghanistan an der Universität zu studieren oder eine feste Arbeitsstelle zu bekommen. Ich konnte nicht in Afghanistan leben, diese Umgebung und die Situation waren für mich unerträglich. Weil ich keine Zukunft in Afghanistan hat. D.h. ich habe keine Perspektive in Afghanistan. Ich hatte weder studieren können, noch hatte ich eine feste Arbeitsstelle gehabt, wie konnte ich überhaupt."

Insoweit scheidet die Annahme einer politischen Verfolgung aus, da der Kläger sich offenbar aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen im Bundesgebiet befindet (vgl. § 30 Abs. 2 AsylG). Dass der Kläger sich nicht (mehr) als verfolgt ansieht, zeigt auch seine vor Asylantragstellung am 10.08.2016 abgegebene, übersetzte und von ihm eigenhändig unterzeichnete Erklärung vom 05.04.2016 vor der Ausländerbehörde (vgl. Verwaltungsvorgang, Bl. 34):

"Ich möchte schnellstmöglich freiwillig nach Afghanistan zurückreisen. Ich fühle mich nicht mehr politisch verfolgt. Hiermit erkläre ich, dass ich keinen Asylantrag mehr stellen möchte."

b)Unterstellt das Vorbringen des Klägers

- Verfolgung seines Vaters wegen langjähriger Tätigkeit bei einem ausländischen Unternehmen; Verfolgung der Eltern, der Geschwister des Klägers und seiner selbst durch einen Onkel mütterlicherseits aufgrund familiärer Streitigkeiten (verweigerte Zustimmung der Eheschließung zwischen einer Schwester des Klägers mit einem Cousin mütterlicherseits) -

trifft zu, hat der Kläger ebenfalls anlässlich der Anhörung durch das Bundesamt eingeräumt, dass derartige Bedrohungen zum Zeitpunkt der Anhörung nicht mehr bestanden.

Der Kläger hat angegeben, sein Vater sei wegen seiner Tätigkeit als Fahrer bei einem ausländischen Unternehmen (D. J. ) ständig von den Taliban bedroht worden, deshalb habe er, der Kläger, sich entschlossen, das Land zu verlassen (vgl. Bundesamtsprotokoll, Bl. 3, 5). Auf mehrfache intensive Nachfrage, warum denn bei einer Bedrohung des Vaters er, der Kläger, das Land verlassen habe, räumte der Kläger dann schließlich ein, das die Arbeitsstelle seines Vaters nicht mehr existiere und "man tut ihm überhaupt nichts mehr" (Bundesamtsprotokoll, Bl. 6).

Darüber hinaus hat der Kläger eine Familienstreitigkeit erwähnt, die dazu geführt habe, dass ein Onkel mütterlicherseits die Familie, also seine Eltern, Geschwister und ihn, bedrohe: "Aufgrund eines Familienkonflikts, das heißt, mein Onkel hatte einen Sohn, der vorhatte, meine Schwester zu heiraten, aber wir haben diesen Heiratsantrag abgelehnt. Deswegen wurde ein Attentat auf uns verübt." (Bundesamtsprotokoll, Bl. 4). Auf intensives Nachfragen zu den Einzelheiten, die der Kläger nicht genau beschrieben hat, sondern stattdessen Vermutungen aufgestellt hat, räumte er schließlich ein, dass der sie bedrohende Onkel einen Monat vor der Anhörung in den USA verstorben sei.

c)Nebenbei bemerkt - ohne dass die Angaben im Einzelnen weiter auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft werden müssten - stellt sich das Vorbringen des Klägers als konstruiert dar. Er trägt wirr vor. Zunächst erwähnt der Kläger, sein Vater sei "ständig bedroht" worden wegen seiner Tätigkeit für ein ausländisches Unternehmen. Wegen der Bedrohungen habe er, der Kläger, an der Universität nach zwei Monaten aufgehört. Entweder sei er wegen seines Vaters bedroht worden oder wegen der Familienstreitigkeiten durch den Onkel. Auf Aufforderung zur Beschreibung der Bedrohungen gegen seinen Vater und gegen ihn gab der Kläger nur allgemein an, "Ja, ich habe auch Ärger bekommen auch an der Universität und auch in der Schule. Mehrere Male wurde ich auch dort angegriffen." Genaueres gab er dazu aber nicht an, wie, wo, von wem und auf welche Weise er angegriffen wurde. Auf erneute Nachfrage trug er dann vor, die Wohnung sei beschädigt worden und das Auto durch eine Granate demoliert worden und weiter: "Es wurden sehr oft auch telefonische Bedrohungen an uns gerichtet, danach wurde ein Attentat in unserer Garage verübt." Auch hier sind keine genaueren Angaben protokolliert, insbesondere nicht, wer die telefonischen Bedrohungen ausgesprochen hat und was genau passiert ist. Auf intensive Nachfrage zu den Bedrohungen des Vaters gab der Kläger dann unerklärt an, durch die Bedrohungen des Vaters sei auch er bedroht worden. Wie er zu diesem Schluss gekommen ist, hat er nicht angegeben, dann aber angepasst erklärt, er sei "von Mitgliedern meines Onkels" an der Universität bedroht und misshandelt worden. Auf Nachfrage zu einer Anzeige bei der Polizei und abgegebener Täterbeschreibung hat er erklärt, die Täter seien geflüchtet und hätten sich versteckt. Wie er zu der Annahme kommt, dass es sich um "Mitglieder meines Onkels" - was auch immer er damit meint - handelt, erläutert er nicht.

3.Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.

a)Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2). Dies setzt eine individuell konkrete Gefahr und ein geplantes vorsätzliches auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38/96 -, NVwZ 1997, 1127; OVG NRW, Urteil vom 16.02.1996 - 23 A 5339/94.A -, Bl. 6 ff. m. n. N.

Allerdings benötigt ein Antragsteller nach § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 3e AsylG keinen internationalen Schutz, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 3e Abs. 2 AsylG sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241 und vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 -, a.a.O.

Gemessen daran ist die Annahme subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG für die Kläger nicht gerechtfertigt.

Derartige stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, hat er nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Von derartigen Gefahren bei Rückkehr - sollten sie jemals bestanden haben - ist nicht mehr auszugehen; es wird auf die vorgenannten Ausführungen verwiesen.

b)Die Gewährung subsidiären Schutzes aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist nicht zuzuerkennen.

Ungeachtet der Frage, ob für das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem derartigen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen ist,

vgl. zu diesem Begriff ausführlich EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 -, in: juris (Rn. 28f).

kann das Vorliegen einer solchen individuellen Bedrohung nur ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

OVG NRW, Beschluss vom 10.07.2017 - 13 A 1385/17.A -, in: juris (Rn. 7); OVG NRW, Beschluss vom 20.06.2017 - 13 A 903/17.A -, in: juris (Rn. 10).

Zur Annahme dessen ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich,

BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, in: juris (Rn. 19); BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 -, in: juris (Rn. 15), OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, in: juris (Rn. 62); OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, in: juris (Rn. 13); EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 -, in: juris (Rn. 37, 43),

wobei bei nicht landesweiten bewaffneten Konflikten auf die Herkunftsregion des jeweiligen Klägers abzustellen ist, in die er typischerweise zurückkehren wird.

BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, in: juris (Rn. 13).

Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt.

BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 -, in: juris (Rn. 17) unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C 465/07 -, in: juris (Rn. 40).

Zur Bestimmung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und andererseits der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, erforderlich.

OVG NRW, Beschluss vom 14.07.2017 - 13 A 1555/17.A -, in: juris (Rn. 14); BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, in: juris (Rn. 24); BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, in: juris (Rn. 33).

Nähert sich das auf dieser Grundlage festgestellte Risiko eines drohenden Schadens der Schwelle einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit, so ist darauf aufbauend eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, zu der etwa die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet gehört.

vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, in: juris (Rn. 23); BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, in: juris (Rn. 26); OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, in: juris (Rn. 74).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit allein aufgrund der Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden jedenfalls bei einem Risiko von 1 : 800 (0,125 %) bzw. 1 : 1.000 (0,1 %) - bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - noch weit entfernt.

BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, in: juris (Rn. 22); BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 11/10 -, in: juris (Rn. 20); VGH B-W, Urteil vom 5. Dezember 2017 - A 11 S 1144/17 -, in: juris (Rn. 216).

Vermag der Schutzsuchende zu belegen, dass er aufgrund individueller gefahrerhöhender Umstände spezifisch betroffen ist, so sind an den erforderlichen Grad willkürlicher Gewalt geringe Anforderungen zu stellen.

EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 -, in: juris (Rn. 31); EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 -, in: juris (Rn. 39); VGH B-W, Urteil vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, in: juris (Rn. 209).

Individuell gefahrerhöhende Umstände in diesem Sinne sind in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z. B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist.

BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, in: juris (Rn. 18); BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, in: juris (Rn. 33); vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, in: juris (Rn. 50).

Gemessen daran ist die Annahme subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für den Kläger nicht gerechtfertigt.

Dem Kläger droht die Gefahr einer Schädigung in Kabul - dem Ort, in dem er acht Jahre vor seiner Ausreise gelebt hat - nicht mit hinreichender Intensität. Es kann dahinstehen, ob etwa für die Provinz Kabul ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG anzunehmen ist. Die in Kabul als möglichem Zufluchtsort anzutreffende Situation ist jedenfalls trotz der insgesamt angespannten Sicherheitslage nicht so einzuschätzen, dass jeder Zivilist, der dort lebt, sich einer konkreten, massiven Bedrohung für Leib und Leben durch militante Gewalt gegenübersähe.

Dort hat sich die Sicherheitslage trotz der zunehmenden Anzahl von Anschlägen nicht derart verschärft, dass jede Zivilperson, unabhängig von besonderen gefahrerhöhenden Umständen, allein aufgrund ihrer Anwesenheit im betroffenen Gebiet konkret und individuell gefährdet ist, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. In der Stadt Kabul leben nach einer konservativen Schätzung 3.500.000 Menschen.

EASO, Afghanistan Security Situation, Stand: Dezember 2017, S. 69.

Im Jahr 2019 kam es in der Stadt Kabul zu 1.563 zivilen Opfern, von denen 261 getötet und 1.302 verletzt wurden.

UNAMA, Afghanistan, Protection Of Civilians In Armed Conflict 2019, Februar 2020, S. 93 f., https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2019_-_22_february.pdf

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, allein aufgrund der Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, liegt in der Stadt Kabul gleichwohl (noch) nicht vor. Bei 1.563 zivilen Opfern im Jahr 2019 und einer Gesamtbevölkerung von 3.500.000 Menschen liegt das Risiko, Opfer von willkürlicher Gewalt zu werden, bei 0,045% (1:2.239) und damit noch deutlich von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfernt.

Liegt das festgestellte Risiko - selbst bei Berücksichtigung einer Dunkelziffer - noch weit von dieser Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, so bedarf es hier keiner weiteren, wertenden Gesamtbetrachtung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris (Rn. 22); BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 11/10 -, juris Rn. 20.

Im Ergebnis ergibt sich auch nichts anderes aus den Erkenntnissen zu den Vorjahreszahlen. Danach gilt,

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, juris,

folgendes:

Auch für den Abschiebungszielort Kabul ist die Gefahrenschwelle in quantitativer Hinsicht nicht erreicht. Allerdings verzeichnete UNAMA für die Provinz Kabul im Jahr 2018 die landesweit höchste Zahl ziviler Opfer (1.866, davon 596 Tote und 1.270 Verletzte) und im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Opferzahlen um 2%. Der ganz überwiegende Teil der zivilen Opfer (1.686, davon 554 Tote und 1.132 Verletzte) ging auf Selbstmord- und komplexe Anschläge in der Stadt Kabul zurück, die weiterhin einer erheblichen Anschlagsdichte ausgesetzt ist. Von landesweit 65 Selbstmordattentaten und komplexen Anschlägen ereigneten sich dort 28. Die in Kabul verübten Angriffe richteten sich hauptsächlich gegen Zivilisten, einschließlich der zivilen Regierungsverwaltung, religiöse Stätten, Bildungseinrichtungen und Orte, die mit den Wahlen im Oktober in Verbindung standen.

vgl. UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2018, Februar 2019, S. 2, 23. 68.

Diese Entwicklung setzt sich fort. Auch im ersten Quartal 2019 verzeichnete UNAMA in Kabul die landesweit größte Zahl ziviler Opfer. So werden bisher etwa folgende Vorfälle berichtet: Am 14. Januar 2019 tötete eine Autobombe im Osten der Stadt sechs Zivilisten und verletzte 140. Bei einem Mörserangriff des IS im westlichen Teil Kabuls starben am 7. März 2019 elf Zivilisten, 140 wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich in der Nähe einer Zeremonie zur Ehrung eines bekannten, von den Taliban ermordeten Hazara- und Schiitenführers. Bei mehreren Explosionen, die sich am 21. März 2019 während der Feierlichkeiten zum persischen Neujahrsfest in der Nähe eines schiitischen Schreins ereigneten und die ebenfalls dem IS zugerechnet werden, starben mindestens sechs Menschen, 23 wurden verletzt. Am 20. April 2019 griffen Unbekannte das Ministerium für Kommunikation an, wobei mindestens sieben Zivilisten getötet und drei verletzt wurden. Über 2.000 Mitarbeiter, die sich in dem Gebäude befanden, konnten in Sicherheit gebracht werden. Auf das Angebot eines Waffenstillstands während des Fastenmonats Ramadan gingen die Taliban nicht ein. Am 8. Mai 2019 griffen sie den Sitz der Nichtregierungsorganisation "Counterpart International" an, wobei drei Zivilisten verletzt und 20 getötet wurden. Für den 11. und 12. Mai 2019 wird jeweils eine Bombenexplosion berichtet. Während bei der ersten niemand zu Schaden kam, wurde bei dem zweiten Anschlag eine Person verletzt und ein Polizeifahrzeug zerstört. Bei einem Bombenanschlag vor dem Freitagsgebet am 24. Mai 2019 auf eine Moschee im Osten Kabuls wurden drei Menschen getötet, darunter der Imam. Am 30. Mai 2019 wurden durch ein Selbstmordattentat, für das der IS die Verantwortung übernommen hat, sechs Personen getötet und 16 weitere verletzt. Einen Tag darauf wurden bei einem Anschlag in der Nähe der Pädagogischen Hochschule mindestens sieben Zivilisten verletzt oder getötet. Im gleichen Zeitraum konnte ein weiterer Anschlag im 12. Polizeidistrikt der Stadt verhindert werden.

Vgl. BAMF, Briefing Notes, vom 3. Juni 2019, S. 1, vom 27. Mai 2019, S. 1, vom 13. Mai 2019, S. 1, vom 29. April 2019, S. 1, vom 25. März 2019, S. 1, und vom 18. März 2019, S. 1; UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, vom 24. April 2019, S. 2, 3 f.; ACCORD, Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, vom 25. März 2019, S. 25 f.

Den Opferzahlen stehen bei ebenfalls konservativer Schätzung rund 4 Millionen Einwohner der Stadt Kabul gegenüber.

Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. Mai 2018, S. 19; außerdem EASO, Key socioeconomic indicators, focus on Kabul City, Mazare-Sharif and Herat City, April 2019, S. 12 (zwischen 3,5 und 5,5 Millionen); Islamische Republik Afghanistan, Central Statistics Organization (4,8 Millionen Einwohner für die Jahre 2018/2019), abrufbar unter http://cso.gov.af/en/page/demographyandsocilestatistics/demographstatistics/3897111; weit höher dagegen etwa von Amnesty International angeführte Schätzungen von zwischen 7 und 8 Millionen, Amnesty International, Auskunft vom 5. Februar 2018 an das VG Wiesbaden, S. 55.

Damit ergibt sich ausgehend von der für die Stadt Kabul im Jahr 2018 ermittelten Zahl ziviler Opfer von Selbstmord- und komplexen Anschlägen (1.686) eine Gefährdungswahrscheinlichkeit von rund 1:2.370 (0,042%). Legt man die für alle Anschlagsarten lediglich für die gesamte Provinz Kabul mitgeteilte Opferzahl von 1.866 im Jahr 2018 zugrunde, liegt die Gefährdungswahrscheinlichkeit bei etwa 1:2.150 (0,047%). Damit ist eine Situation extremer allgemeiner Gewalt, in der eine abgeschobene Person bereits allein aufgrund ihrer Anwesenheit in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gefährdet wäre, i. S. d. Art. 3 EMRK in quantitativer Hinsicht nicht erreicht.

Das Bestehen individueller, gefahrerhöhender Umstände, die eine Gefährdung im oben genannten Sinne dennoch begründen könnten, ergibt sich für den Kläger nach seinem Vorbringen nicht in einem rechtlich relevanten Maße. Der Kläger gehört keiner Berufsgruppe an, wie z.B. der Ärzte oder Journalisten, die in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen zu werden. Er erfüllt auch sonst kein persönliches Merkmal, das ihn in erhöhtem Maße der Gefahr, Opfer von Anschlägen zu werden, aussetzen würde.

S. OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A. -, juris Rn. 17.

Danach ist - im Hinblick auf den subsidiären Schutz - an der bisherigen, oben zusammengefassten Einschätzung festzuhalten, wie sie schon Ausdruck gefunden hat in der bisherigen Rechtsprechung des OVG NRW;

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.01.2018 - 13 A 3299/17.A -, juris Rn. 15, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris, Rn. 16, unter Bezugnahme auf BayVGH, Beschluss vom 25.01.2017 - 13a ZB 16.30374 -, juris,; VG Lüneburg, Urteil vom 06.02.2017 - 3 A 140/16 -, juris, Rn. 28 ff. Siehe auch OVG NRW, Urteil vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A -, juris, Rdn. 73 (das Ausführungen nicht nur zur Versorgungs- sondern auch zur Sicherheitslage enthält) sowie Beschluss vom 20.07.2015 - 13 A 1531/15.A -, juris. Siehe dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 A 1801/16.A -; vgl. ferner unter Berücksichtigung der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes: OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 01.09. 2017 - 8 A 11005/17 -, juris.

4.Der Kläger hat in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht kommt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK droht, ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zurückzugreifen.

Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 40).

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist Art. 3 EMRK die Verpflichtung zu entnehmen, den Betroffenen nicht in ein bestimmtes Land abzuschieben, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass er im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Hierbei sind die vorhersehbaren Folgen einer Rückkehr unter Berücksichtigung sowohl der allgemeine Lage im Abschiebungszielstaat als auch die persönlichen Umstände des Ausländers zu prüfen.

Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 41) m. w. N.

Wegen des absoluten Charakters des garantierten Rechts ist Art. 3 EMRK nicht nur auf eine von staatlichen Behörden ausgehende Gefahr anwendbar, sondern auch dann, wenn die Gefahr von Personen oder Gruppen herrührt, die keine staatlichen Organisationen sind. Allerdings muss gezeigt werden, dass die Gefahr real ist und die Behörden des Empfangsstaates nicht in der Lage sind, der Bedrohung durch Gewährung angemessenen Schutzes vorzubeugen.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 49); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 48); Nds. OVG, Urteil vom 29. Januar 2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 41), jeweils m. w. N.

Bei der Beurteilung der Frage, ob Art. 3 EMRK Abschiebung entgegensteht, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und besonders zu prüfen, ob Art. 3 EMRK widersprechende Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 47); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 46).

Erforderlich ist hierbei, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass der Betroffene im Zielstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Gefahr läuft ("real risk"), eine Art. 3 EMRK widersprechenden unmenschlichen oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu sein.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 45); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 42); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 43), jeweils m.w.N.

Eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht dem Kläger aufgrund der humanitären Verhältnisse in Afghanistan und insbesondere in der Stadt Kabul.

Schlechte humanitäre Verhältnisse können nur in ganz besonderen Ausnahmefällen eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 99); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 60); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 45) m. w. N.

Grundsätzlich dient die Europäische Menschenrechtskonvention vorrangig dem Schutz bürgerlicher und politischer Rechte. Die sozio-ökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebungszielstaat haben keinen notwendigen oder ausschlaggebenden Einfluss darauf, ob der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, dort einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 100); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 61); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 46), jeweils m.w.N.

Lediglich wenn die schlechten humanitären Bedingungen nicht nur oder nicht überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkten und indirekten Aktionen der Konfliktparteien beruhen, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob der von der Abschiebung Bedrohte bei seiner Rückkehr die Fähigkeit besitzt, seine elementaren Bedürfnisse nach Nahrung, Hygiene sowie Unterkunft zu befriedigen und ob eine besondere Verletzlichkeit für Misshandlungen und Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit besteht.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 102 ff.); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 63 ff.); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 48), jeweils m. w. N.

Fehlt es an einer Verantwortlichkeit der Konfliktparteien, ist ein strengerer Maßstab anzulegen. Denn in den Fällen, in denen die schlechten humanitären Bedingungen ganz oder in erster Linie auf Armut oder auf fehlende staatliche Mittel, um mit auf natürlichen Umständen beruhenden Gegebenheiten umzugehen, zurückzuführen sind, liegt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur in krassen Ausnahmefällen vor, nämlich wenn ganz außerordentliche individuelle Gründe hinzutreten und humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 106); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 54 f.); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 50).

Solche außergewöhnlichen individuellen Umstände können auch solche sein, die der von der Abschiebung Bedrohte mit Personen teilt, die das gleiche Merkmal tragen oder die sich in einer wesentlich vergleichbaren Lage befinden. In einem solchen Fall ist eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausnahmsweise etwa dann zu bejahen, wenn die Abschiebung zwar nicht unmittelbar zum Tod des Betroffenen, jedoch zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 108); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 69), jeweils m.w.N.

Bezogen auf Afghanistan ist der strengere Maßstab anzulegen,

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 110); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 71); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 49), jeweils m.w.N.

da die dortigen humanitären Verhältnisse nicht einem Akteur zugeordnet werden können, sondern das Resultat einer Vielzahl von Faktoren sind, zu denen die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die

Sicherheitslage gehören.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 95 f.); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 54 f.); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 44), jeweils m.w.N.

Hierfür ist zwar nicht die in den Fällen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche Extremgefahr zu fordern, allerdings ist auch hier in Bezug auf die humanitären Verhältnisse ein drastisches Gefahrenniveau erforderlich, da nur dann ein ganz außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Ausweisung sprechen.

OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, in: nrwe (Rn. 113); OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3741/18.A -, in: nrwe (Rn. 74); Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 51).

Hierbei ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden. Es muss eine hinreichend reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen ohne hinreichende Tatsachengrundlage gegründete tatsächliche Gefahr bestehen. Diese tatsächliche Gefahr darf nicht nur hypothetisch, sondern muss hinreichend sicher sein, wobei der Einschätzung ein gewisser Grad an Mutmaßung im Hinblick auf den präventiven Charakter des Art. 3 EMRK immanent ist.

Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, in: juris (Rn. 52), jeweils m. w. N.

Gemessen an diesem Maßstab liegt in Anbetracht der individuellen Situation des Klägers in Afghanistan und insbesondere in Kabul eine extreme Gefahrenlage nicht vor, bei der sich die gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe als zwingend erweisen würden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte hat sich bislang aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan grundsätzlich nicht ergeben, dass ein alleinstehender, arbeitsfähiger, männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten wird, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen lässt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Versorgungslage in Afghanistan schlecht ist, jedoch im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen ist, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen wird oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten sind. Der Betroffene sei selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein

kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren.

OVG NRW, Urteile vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, www.nrwe.de, vom 20.02.2017 - 13 A 347/17.A (n. v.), vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A -, juris Rn. 73; Beschluss vom 24.03.2016 - 13 A 2588/15.A -, S. 4 des Beschlussabdrucks (n.v.); BayVGH, Urteil vom 12.02.2015 - 13a B 14.30309 -, juris Rn. 17; Beschlüsse vom 15.06.2016 - 13a ZB 16.30083 -, juris Rn. 7 und vom 30.09.2015 - 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 6; SächsOVG, Beschluss vom 21.10.2015 - 1 A 144/15.A -, juris; NdsOVG, Urteil vom 20.07.2015 - 9 LB 320/14 -, juris. Siehe auch VG Düsseldorf, Urteil vom 05.01.2017 - 18 K 2043/17.A -, juris Rn. 68.

Auch nach dem Bericht des European Asylum Support Office (EASO) vom Juni 2019 sind zumindest die Städte Kabul, Herat und Mazare Sharif für junge, gesunde, alleinstehenden und arbeitsfähige Männer mögliche interne Fluchtalternativen, auch wenn sie dort kein soziales oder familiäres Netzwerk haben, welches sie auffangen könnte.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 137.

Nach der Einschätzung des EASO drohen zwar auch in diesen Städten harte Lebensumstände, jedoch können junge, gesunde und arbeitsfähige Männer, die nicht auch noch für andere Personen sorgen müssen und bei denen auch keine sonstigen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, ihre Grundbedürfnisse an Unterkunft, Kleidung und Hygiene in diesen Städten decken.

Hierbei kann nach vorgenannter Rechtsprechung dahinstehen, ob der Einschätzung des UNHCR in seinem Bericht vom 30.08.2018, wonach Kabul grundsätzlich keine inländische Fluchtalternative sein soll,

UNHCR, Eligibility guidelines for assessing the international protection needs of asylum seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 114,

zutrifft, denn zum einen ist der anzulegende Maßstab bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG ein anderer als im Hinblick auf den internen Schutz nach § 3e AsylG,

VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 183, und vom 03.11.2017- A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180,

und zum anderen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich in Herat oder Mazare Sharif niederzulassen.

Auf dieser bisherigen Basis kann es dem Kläger gelingen, in einer dieser Städte zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums führen zu können auch auf der Grundlage der allgemein äußerst prekären wirtschaftlichen Situation, zumal davon auszugehen ist, dass er bei Rückkehr nach Kabul von seinem familiären Umfeld aufgenommen werden wird. Er hat dazu angegeben, dass in Kabul seine Eltern leben. Sein Bruder finanziere das Leben seiner Eltern und der Familie. Er habe noch zwei Brüder und vier Schwestern.

Die Kammer ist auch bislang von einer prekären wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ausgegangen. Im Jahr 2018 belegte Afghanistan lediglich Platz 168 von 189 des Human Development Indexes.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 27.

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt war Afghanistan im Jahr 1960 das sechstärmste Land der Welt und konnte seinen Rang bis zum Jahr 2016 nur um sechs Plätze verbessern.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 23.

Das Wirtschaftswachstum bewegt sich im unteren einstelligen Bereich und betrug im Jahr 2017 etwa 2,7 %. Im Jahr 2018 war infolge der Dürre ein Rückgang auf 1,5 % zu verzeichnen, wobei in diesem Jahr jedoch ein erneuter Anstieg auf 2,5 % erwartet wird, da es ergiebigere Niederschläge gegeben hat, welche dem Agrarsektor zu Gute gekommen sind.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 27.

Für das Jahr 2021 wurde - vor Ausbruch der allgemeinen Pandemielage (SARS-CoV-2) - mit einem Wirtschaftswachstum von 3,6 % gerechnet.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 24.

Dem steht indes ein rapides Bevölkerungswachstum sowie die Verbesserung der Lebenserwartung gegenüber, was es dem afghanischen Staat - neben der Sicherheitslage - nahezu unmöglich macht, alle Grundbedürfnisse der gesamten Bevölkerung angemessen zu befriedigen.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 27.

Die Grundversorgung ist für Rückkehrer in besonderem Maße eine Herausforderung. Insgesamt sind in Afghanistan 6,3 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Besondere Probleme bezüglich Unterkunft, Nahrung, sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung bestehen vor allem in den westlichen Provinzen sowie in Kunduz, Ghazni, Laghman und Kunar.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 28.

Die Nahrungsmittelsicherheit hat sich seit dem Jahr 2011 kontinuierlich verschlechtert. Während damals noch 30,1 % der afghanischen Bevölkerung unter moderater bis sehr schwerer Nahrungsmittelunsicherheit gelitten haben, stieg diese Zahl bis zum Jahr 2017 auf 44,6 %. In der Winterpflanzsaison 2017/2018 kam es in Afghanistan zu einer langen Dürrperiode, die mehr als zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung betroffen hat und zu Gesundheitsproblemen und Einkommensreduzierungen um die Hälfte geführt hat.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 132.

Demgegenüber kam es in der ersten Jahreshälfte 2019 zu erheblichen Überschwemmungen im Süden, Westen und Norden des Landes, was ebenfalls mit wirtschaftlichen Problemen und Ernteausfällen einherging.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 28.

Etwa 27 % der im Jahr 2017 nach Afghanistan Zurückgekehrten mussten ihre Nahrungsaufnahme einschränken. Insbesondere waren weibliche Rückkehrer und solche in den Städten betroffen. Rückkehrer, die dorthin gingen, wo sie familiäre Unterstützung erlangen konnten, waren hiervon weniger betroffen,

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 37.

Kabul ist nicht die Stadt mit der größten Nahrungsmittelunsicherheit, allerdings ist die Stadt darauf angewiesen, einen Großteil ihrer Lebensmittel aus dem Umland einzuführen und Schwankungen dieses Versorgungsflusses können zur Verknappung einzelner Lebensmittel führen. Der afghanische Staat hat nicht die Möglichkeit, große Mengen Getreide einzulagern und hat es bisher auch nicht geschafft, vulnerable Haushalte durch Höchstpreisverordnungen oder ein Lebensmittelmarkensystem zu schützen.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 37.

Die Versorgungslage mit Lebensmitteln wird für Kabul als angespannt angesehen. Dies bedeutet, dass auch mit humanitärer Hilfe ein Fünftel der Haushalte zwar ausreichend Nahrungsmittel hatten, im Gegenzug allerdings nicht mehr genug Geld für die Befriedigung anderer Grundbedürfnisse.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 132.

Insgesamt hängt der Zugang zu Nahrungsmitteln von den finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen ab.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 132.

Der Zugang zu sauberem Wasser und zu Sanitäranlagen hat sich erheblich verbessert, wobei der Zugang hierzu in den Städten besser ist als auf dem Land. Trotz dieser Verbesserungen bleibt der Zugang zu Trinkwasser ein Problem in Afghanistan. Gerade in Kabul haben nur 32 % der Bevölkerung Zugang zu fließendem Wasser und nur 10 % der Einwohner haben Zugang zu fließendem Trinkwasser. Jene, die es sich leisten können, bohren ihre eigenen Brunnen. Viele arme Bewohner sind auf öffentliche Zapfstellen angewiesen, die oftmals weit von ihrer Unterkunft entfernt liegen. Darüber hinaus ist die Hälfte der Brunnen und Zapfstellen durch Abwässer verschmutzt, die in den Fluss Kabul eingeleitet werden. Etwa 50 % der Afghanen hat Zugang zu Sanitäranlagen.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 133.

Obwohl der Großteil der afghanischen Bevölkerung noch auf dem Land lebt, hat Afghanistan eine der weltweit höchsten jährlichen Stadtbevölkerungswachstumsraten. Schätzungen schwanken zwischen 3,4 und 4,4 % jährlich. Diese hohe Wachstumsrate beruht neben dem natürlichen Bevölkerungswachstum auch auf einer hohen Anzahl von Binnenflüchtlingen und Rückkehrern.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 53.

Der Großteil der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums, worunter 86 % der städtischen Häuser in Afghanistan zu subsumieren sind.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 132; EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 53..

Etwa 70 % der Bevölkerung Kabuls lebt in illegalen Siedlungen, also Bereichen, in denen Gebäude auf Land errichtet wurden, welches den Bauherren nicht gehörte und / oder bei denen die Gebäude nicht den Bauvorschriften entsprechen. Diese illegalen Siedlungen bieten wichtige und preiswerte Unterkunft für den Großteil der Stadtbevölkerung. Die Bevölkerungsdichte ist dort bis zu doppelt so hoch wie in anderen Teilen der Stadt. Zwar haben diese illegalen Siedlungen dazu geführt, dass eine große Obdachlosenkrise ausblieb, das unkontrollierte Wachstum hat jedoch auch bestehende Probleme, wie das Fehlen der Kanalisation und die unzureichende Müllentsorgung, verschärft.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 56.

Eine andere Unterbringungsalternative sind Teehäuser, die zwischen 30 und 100 Afghani pro Nacht kosten und als vorübergehende Unterkunft von Reisenden, Tagelöhnern, Straßenverkäufern, jungen Leuten, alleinstehenden Männern und anderen Personen ohne dauerhafte Unterkunft in der Gegend genutzt werden.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 133.

Das afghanische Gesundheitssystem hat sich seit dem Jahr 2001 erheblich verbessert. So ist unter anderem die Anzahl funktionierender Gesundheitseinrichtungen von 496 im Jahr 2002 auf über 2.800 im Jahr 2018 gestiegen. Trotz dieser Verbesserungen steht das afghanische Gesundheitssystem jedoch weiterhin vor Herausforderungen, wie der zerstörten Infrastruktur, fehlendem Fachpersonal, unterfinanzierten Einrichtungen, fehlender Sicherheit und tiefgreifender Armut. Im Jahr 2017 bestanden in 53 % der im Rahmen einer Studie untersuchten Gesundheitseinrichtungen strukturelle und Instandhaltungsprobleme und in 45 % der Einrichtungen wurden schlechte hygienische Bedingungen vorgefunden. Auch fehlte in 20 % der Einrichtungen ein Anschluss an das Stromversorgungsnetz. Darüber hinaus wird das Gesundheitssystem durch die inländischen Fluchtbewegungen und die vielen Rückkehrer zusätzlich belastet. Viele örtliche Einrichtungen sind nicht in der Lage, die zusätzliche Belastung zu stemmen und den zusätzlichen Hilfebedarf zu bewältigen.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 25.

Der Großteil der afghanischen Bevölkerung hat Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung, auch wenn es gerade in ländlichen Bereichen noch Versorgungslücken gibt. 93 % der Bevölkerung wohnt in einem Radius von zwei Stunden von einer öffentlichen Praxis, 82,4 % leben weniger als zwei Stunden von einem Bezirks- oder Provinzkrankenhaus entfernt und 94,8 % wohnten in einer Entfernung von weniger als zwei Stunden zu einer Apotheke. Nach den Angaben des afghanischen Gesundheitsministeriums wohnten 60 % der Bevölkerung weniger als eine Gehstunde entfernt von der nächsten Praxis.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 45.

Nach der afghanischen Verfassung soll die medizinische Behandlung kostenlos sein. Dies ist jedoch selbst in vielen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen nicht der Fall. Auch dort müssen viele Patienten für Medikamente, Arzthonorare, Laboruntersuchungen und Krankenhausaufenthalte bezahlen. Die hierdurch entstehenden hohen Kosten sind der Grund dafür, dass viele Menschen nicht zum Arzt gehen oder nach einem Arztbesuch Schulden machen müssen. Die hohen Kosten gerade auch für Medikamente führen dazu, dass selbst Personen, die Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben, die dort verschriebenen Therapien nicht einhalten können, weil die Medikationskosten zu hoch sind.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 46 f.

Die Behandlung in einem afghanischen Krankenhaus ist oftmals nur darstellbar, wenn der Patient durch Verwandte oder Bekannte mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt wird.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 30.

Die afghanische Bevölkerung hegt ein großes Misstrauen gegen das staatliche finanzierte Gesundheitssystem. Die Qualität der Kliniken variiert stark und es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 30.

Die "guten" Krankenhäuser in Kabul können die erhöhte Nachfrage nicht bedienen, sodass viele Afghanen auf private Kliniken ausweichen, in denen noch höhere Kosten anfallen, oder ins benachbarte Ausland fahren, um schwerwiegende Erkrankungen behandeln zu lassen.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 47.

Gerade in Kabul ist der Zugang zur medizinischen Versorgung leichter als in anderen Städten. Dort gibt es 47 Gesundheitseinrichtungen. Eine spezielle Traumaversorgung wird zudem von der italienischen Nichtregierungsorganisation Emergency bereitgestellt. Die kostenfreie Behandlung psychischer Erkrankungen wird durch zwei öffentliche Gesundheitseinrichtungen gewährleistet, auch wenn für die Medikamente gegebenenfalls gesondert bezahlt werden muss und auch informelle Gebühren erhoben werden können. Daneben gibt es kostenpflichtige Angebote für die psychiatrische Behandlung durch privater Anbieter und Kliniken. Ebenfalls wird psychische Unterstützung durch eine ausländische Nichtregierungsorganisation bereitgestellt.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 51.

Der afghanische Arbeitsmarkt ist im Wesentlichen durch die Landwirtschaft dominiert und besteht darüber hinaus aus einem großen Anteil von Selbständigen oder Personen, die im Familienbetrieb arbeiten. Etwa 54% der afghanischen Bevölkerung befinden sich im arbeitsfähigen Alter. Aufgrund der vielen jungen Afghanen, 25 % sind zwischen 15 und 30 Jahren alt, streben Jahr für Jahr immer mehr Personen auf den Arbeitsmarkt, die Beschäftigungsmöglichkeiten können jedoch aufgrund unzureichender wirtschaftlicher Entwicklung und schlechter Sicherheitslage nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Etwa 23,9 % der afghanischen Bevölkerung sind arbeitslos, was heißt, dass sie keine Arbeit haben oder suchen oder weniger als 8 Stunden pro Woche arbeiten. Gerade bei den Personen unter 25 und über 50 Jahren ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch. So beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 31 %. Die Arbeitslosenquote unterliegt auch saisonalen Schwankungen und liegt im Frühjahr und Sommer bei etwa 20%, während sie im Winter auf bis zu 32,5 % ansteigen kann.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 27.

Etwa 80% der Arbeitsstellen sind als unsicher zu qualifizieren und werden als selbständige Tätigkeit, Tagelöhner oder unbezahlte Arbeit ausgeübt. Weder Bildung noch Arbeit sind zudem eine Garantie gegen Armut.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 28.

Die Stadt Kabul ist der Dreh- und Angelpunkt für Handel und Arbeit in Afghanistan. Sie besitzt eine wirtschaftlich aktive Bevölkerung, die in Berufen im Bereich des Handels, der Dienstleistungen und der Grundversorgung tätig ist. In der Stadt gibt es eine große Zahl von Festanstellungen, während Selbständigkeit weniger häufig ist, als in den ländlichen Bereichen. Insgesamt sind auch die Löhne in Kabul höher als in anderen Landesteilen, insbesondere für Personen, die für ausländische Organisationen arbeiten.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 28.

Für Rückkehrer aus dem Ausland ist das Finden einer Verdienstmöglichkeit eine große Herausforderung. Die Rückkehrer stellen neben den Binnenflüchtlingen eine zusätzliche Arbeitsmarktkonkurrenz für die einheimische Bevölkerung dar. Dies kann zu Konflikten zwischen diesen Gruppen führen. In den Jahren 2016 und 2017 waren ungelernte Hilfstätigkeiten die Haupteinkommensquelle für Rückkehrer und im Jahr 2017 beschrieben mehr als 24 % der Rückkehrer das Finden einer Verdienstmöglichkeit als überwältigende Herausforderung.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 29 f.

Eine besondere Rolle beim Finden einer Verdienstmöglichkeit spielt das Bestehen eines sozialen Netzwerks. Dies kann zum einen die Großfamilie sein, jedoch auch Netzwerke aufgrund eines gemeinsamen Hintergrunds, gemeinsamer Arbeit oder gleichen Bildungsstands können eine Rolle spielen. So wird berichtet, dass Siedlungen in Kabul oftmals aus Personen bestehen, die einen gemeinsamen räumlichen oder ethnischen Hintergrund haben und die sich ausschließlich aufeinander verlassen, um Unterkunft und Verdienstmöglichkeiten zu finden.

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 134.

In Kabul können Rückkehrer grundsätzlich nur als Tagelöhner arbeiten und die meisten von ihnen können nicht jeden Tag eine Verdienstmöglichkeit finden, sodass ihr Einkommen unsicher ist. Die meisten offiziellen Rückkehrer erhalten etwas finanzielle Unterstützung vom UNHCR.

EASO, Afghanistan, Key socioeconomic indicators, Focus on Kabul, Mazare Sharif and Herat City, April 2019, S. 31.

Unter anderem Deutschland arbeitet eng mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan zusammen, insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterbringung und Begleitung der Reintegration einschließlich der Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder der Gewährung eines Anstoßkredits.

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, S. 30."

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse, bestehen für den Kläger keine Anhaltspunkte, die nach dem strengen Maßstab des Art. 3 EMRK für eine extreme Gefahrenlage sprechen, bei der sich die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung als zwingend erweisen.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen 00-jährigen jungen Mann mit Abitur und ersten Erfahrungen an der Universität. Er verfügt über Familienangehörige in Kabul. Es ist davon auszugehen, dass er bei Rückkehr von seinem familiären Umfeld aufgenommen werden wird. Er hat dazu angegeben, dass in Kabul seine Eltern leben. Sein Bruder finanziere das Leben seiner Eltern und der Familie. Er habe noch zwei Brüder und vier Schwestern. Er hat damit einen Anlaufpunkt, um Obdach und jedenfalls in der ersten Zeit weitere Unterstützung zu erfahren, um eine existenzerhaltende Beschäftigung aufzunehmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit einer materiellen und immateriellen Hilfe seitens der Verwandtschaft nicht rechnen kann.

Anhaltspunkte dafür, dass dies im Rahmen der allgemeinen Pandemielage (SARS-CoV-2) anders zu betrachten wäre,

vgl. dazu: VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 05.05.2020 - 21 K 19075/17.A -,

hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Nach den der Kammer vorliegenden - im Internet allgemein zugänglichen - Erkenntnissen im Rahmen der allgemeinen Pandemielage wird erwartet, dass in Afghanistan die Todesfälle im Laufe des Mai 2020 rasch zunehmen, wenn die Übertragung durch die Gemeinschaft eskaliert und schwerwiegende Folgen und Auswirkungen auf die afghanische Wirtschaft und das Wohlergehen der Menschen haben. Kabul ist jetzt der am stärksten betroffene Teil des Landes gefolgt von Herat.Eine Reihe von Provinzen hat Maßnahmen ergriffen, um die Exposition der Bewohner gegenüber COVID-19 zu begrenzen. Diese "measured lockdowns" im ganzen Land haben zur Schließung von Abschnitten jeder Stadt und / oder zu Bewegungseinschränkungen geführt. Diese beinhalten eine Begrenzung der Anzahl miteinander reisender Personen und die Auferlegung von Ausgangssperren. Berichte zeigen, dass trotz Zusicherungen der Regierung die Durchführung von Programmen der NGO und den Vereinten Nationen nicht einzuschränken, sich die neu eingeführten Sperrungsmaßnahmen weiterhin auf die Mobilität von Angehöriger der NGO und der Vereinten Nationen auswirken. Humanitäre Organisationen reagieren weiterhin aktiv darauf, die afghanische Regierung bezüglich des Krisenmanagements im ganzen Land zu drängen, einen nationalen Ansatz in diesen Fragen zu verfolgen, so dass Einzelverhandlungen in Einzelfällen nicht erforderlich werden.Hilfsorganisationen sind besorgt über die Auswirkungen der erweiterten Sperrmaßnahmen auf die besonders anfälligen Gruppen, insbesondere Familien, die auf tägliche Arbeit angewiesen sind und keine alternativen Einkommensquellen haben. Humanitäre Organisationen stellen einen Anstieg der Schutzrisiken fest, da gefährdete Haushalte auf negative Bewältigungsmechanismen zurückgreifen, um den Grundbedarf an Lebensmitteln zu decken. Wegen der Angst der Öffentlichkeit vor COVID-19 sind Humanitäre Organisationen auch besorgt über eine mögliche Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, von denen vermutet wird, sie seien Träger von COVID-19, insbesondere diejenigen, die kürzlich aus den Nachbarländern zurückgekehrt sind.Humanitäre Organisationen sollen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Einzelpersonen und Familien vor Ausgrenzung und Missbrauch zu schützen.Zeitgleich zu den Umsetzungen der Aktivitäten zur Minderung der Verbreitung von COVID-19 reagieren die Humanitären Organisationen weiterhin auf andere laufende und aufkommende humanitäre Bedürfnisse. Konflikte und Naturkatastrophen im ganzen Land vertreiben weiterhin Tausende von Familien. Bereits bestehende Schwachstellen verschärfen die potenzielle Anfälligkeit für die Exposition gegenüber und Übertragung von COVID-19.

UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response. Operational Situation Report, 29 April 2020, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/covid_sitrep2_final.pdf

In dem neuesten einschlägigen Bericht,

UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Afghanistan. Brief: COVID-19 No. 41 (3 May 2020), https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/daily_brief_covid-19_03_may_2020.pdf,

heißt es:

Die "measured lockdowns" zielten darauf ab, die Exposition der Bewohner gegenüber COVID-19 zu begrenzen und im ganzen Land fortzusetzen, führten zu dem Ergebnis zu Schließungen von Abschnitten jeder Stadt und / oder zu Bewegungseinschränkungen. Am 2. Mai hat die afghanische Regierung ihre landesweite Sperrung bis zum 24. Mai erweitert, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Humanitäres Personal hat die Erlaubnis erhalten, seine Aufgaben auch während der Zeit der Bewegungseinschränkungen fortzusetzen. Die NGO berichten jedoch über zeitliche Verzögerungen und Komplikationen. Humanitäre Organisationen fordern die Regierung weiter nachdrücklich auf, in diesen Fragen einen nationalen Ansatz zu verfolgen, damit keine Einzelverhandlungen von Fall zu Fall erforderlich sind. Die Schließung von Regierungsinstitutionen aufgrund von Bewegungseinschränkungen schafft neue Herausforderungen für humanitäre Organisationen, ihre Arbeit zu koordinieren. Am 2. Mai kündigte die afghanische Regierung die Aussetzung aller kommerziellen Inlandsflüge bis zum Ende des Ramadan (24. Mai). Die Vereinten Nationen, Humanitarian Air Service (UNHAS), hat die Luftbrücke zwischen Kabul und Doha aufgenommen. Flüge nach Doha sind nur für Transitpassagiere zugelassen.

Dem Ziel der "measured lockdowns" dienen nicht nur die allgemeinen Ausgangssperren in einer Reihe von Provinzen, u.a. Kabul und Herat, sondern auch die Schließung von Sportanlagen, Hochzeitshallen, Gebetsstätten und öffentlichen Versammlungsplätzen sowie von Geschäften mit Ausnahme von Apotheken und Drogerien. Die afghanische Polizei erklärte, härter gegen Verstöße vorgehen zu wollen. Der Busverkehr in Kabul wurde eingestellt. Busse mit mehr als vier Passagieren dürfen nicht in die Stadt fahren. Inlandsflüge finden teilweise weiterhin statt.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes, 06.04.2020, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnoteskw15-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4;zur Ausgangssperre: UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Updates, https:// reliefweb.int/updates?search=%28primary_country.iso3%3A%22afg%22%29%20AND%20ocha_product%3A%22Flash%20update%22%20AND%20source%3A%22UN%20Office%20for%20the%20Coordination%20of%20Humanitarian%20Affairs%22"

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse spricht - auf absehbare Zeit - mehr dafür als dagegen, dass es dem Kläger gelingen könnte, in Kabul oder einem anderen Ort in Afghanistan sein Überleben zu sichern. Dadurch, dass er in seiner Familie eine Anlaufstelle hat, stellt sich die Frage nach einem (Übergangs-) Obdach nicht in dem Maße wie in Fällen von Rückkehrern, die auf besondere Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen sind. Mit der jedenfalls vorläufigen Sicherung der Unterkunft, kann es dem Kläger gelingen, auch eine Tätigkeit jedenfalls als Tagelöhner zu finden.

Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung zum Abschiebungsschutz zur Vermeidung humanitärer Verelendung. Danach treten auf der Grundlage der EMRK an die Stelle staatlicher Unterstützung oder der individuellen Fähigkeit eines Betroffenen, für seinen existentiellen Unterhalt zu sorgen, ersetzend Formen familiärer Solidarität ein, um den Mängeln des Sozialsystems zu begegnen. Die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit ist erreicht, wenn eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist.

EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris.

In derartigen Fällen einer völlig unzureichenden Versorgungslage im Herkunftsland und der hohen Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, in der es auf die besondere Unterstützung des sozialen bzw. familiären Umfeldes zur Ermöglichung der Integration ankommt, ist in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende extreme Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit anzunehmen, welche die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichtet.

Vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 25.03.2020 - W 10 K 19.50254 -, juris, und Urteil vom 21.02.2020 - W 10 K 19.32048 -, juris; VG Magdeburg, Urteil vom 03.06.2019 - 8 A 107/18 -, juris.

Derzeit ist nicht absehbar, ob im Bereich der NGO und Humanitären Organisationen, Rückkehrern in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft in Afghanistan bei der Integration in die afghanische Gesellschaft beizustehen, die durch die Pandemielage ausgelösten Schwierigkeiten hinreichend und nachhaltig beseitigt werden können. Ein Verweis der Rückkehrer ohne tragfähiges familiäres oder soziales Netzwerk auf die vor der Pandemielage regelmäßig erreichbaren Hilfsprogramme z.B. der IOM und des UNHCR erscheint insoweit unzumutbar, als die Rückkehrer nicht im Einzelfall über besondere finanzielle, technische oder intellektuelle Möglichkeiten der Hilfe oder Fähigkeiten im z.B. beruflichen Bereich verfügen. Bei der vertieften Betrachtung der humanitären Gefahren spielt dabei die Ansteckung mit dem Virus und gegebenenfalls eine mögliche Erkrankung eher eine untergeordnete Rolle, da nicht zwangsläufig und im Einzelfall mit gesundheitlich unterschiedlichen Folgen verbunden, sondern vielmehr die Frage der sozialen Ausgrenzung von Rückkehrern und die fehlende Möglichkeit, in notwendig kurzer Zeit Obdach und Arbeit zu finden. Im Hinblick auf die in den Großstädten, v.a. Kabul als etwaigem Rückkehrort, überwiegend beengten Unterbringungsverhältnisse bestehen kaum Chancen auf Selbst- und Fremdschutz durch "social distancing". Insoweit wird darauf hingewiesen,

Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener (27.03.2020), S. 1 f. https://www.ecoi.net/en/file/local/2027210/Stellungnahme+Corona-Risiken+Afghanistan+27.03.2020.pdf,

dass dies für eine Vielzahl von Rückkehrern - jedenfalls denjenigen ohne "Familienanschluss" - dazu führen dürfte, aus allgemeiner Angst der Bevölkerung vor Ansteckung einen sozialen Ausschluss zu erleben und damit weder Obdach, noch Arbeit oder soziale Unterstützung zu erhalten. Ein Fehlen dieser Erfordernisse ist jedoch auch ohne eine akute Erkrankung lebensbedrohlich, erst recht bei Erkrankung. Der Verweis auf eine Unterbringung in sog. Teehäusern erscheint auf absehbare Zeit aber kaum mehr möglich. Es wird davon berichtet,

Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener (27.03.2020), S. 3, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027210/Stellungnahme+Corona-Risiken+Afghanistan+27.03.2020.pdf,

dass im Zuge der "measured lockdowns" die Teehäuser sukzessive geschlossen wurden, womit Betroffene auch bei externer (finanzieller) Unterstützung von Obdachlosigkeit betroffen sein werden. Die Unterstützungshilfen anbietenden NGO scheinen - aufgrund Schließung von örtlichen Büros - auch nicht mehr ohne weiteres kurzfristig Hilfe anbieten zu können.

Hinzukommen die sich verstärkenden allgemeinen Schwierigkeiten bei der Sicherstellung des Unterhalts. Im Zuge der Corona-Krise sollen sich bereits Ende März 2020 die Lebensmittelpreise dramatisch erhöht haben, insbesondere für Grundnahrungsmittel. Für Kabul wird z.B. von einer Erhöhung bei Mehl um 92% und bei Tomaten um 80% berichtet; wer ohnehin schon am Rande des Existenzminimums lebt, wird angesichts dieser Preissteigerungen absehbar in lebensbedrohliche Not stürzen.

Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener (27.03.2020), S. 3, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027210/Stellungnahme+Corona-Risiken+Afghanistan+27.03.2020.pdf,

Der Kläger unterfällt - wie dargelegt - nicht der vorgenannt beschriebenen Gruppe von Rückkehrern ohne familiäres oder soziales Netzwerk. Durch die zumindest nach seiner unmittelbaren Rückkehr anfangs auffangenden Strukturen befindet er sich, anders als quasi auf der Straße lebende Personen, nicht in einer Situation extremer materieller Not, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische und psychische Gesundheit beeinträchtigt oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist.

5.Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann nicht festgestellt werden.

Insbesondere begründen die anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gefahren in einem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60 a AufenthG berücksichtigt. Dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kann entnommen werden, dass allein individuelle Gefahren im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG berücksichtigt werden sollen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 36 und vom 17.10.1996 - 9 C 9.95 -, juris Rn. 12.

Allenfalls in Fällen, in denen die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, gleichwohl von ihrer Ermessensermächtigung nach § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht hat,

- Derzeit hat kein Bundesland eine Aussetzung der Abschiebungen nach Afghanistan gem. § 60a Abs. 1 AufenthG im Erlasswege angeordnet; bekanntlich wurde aber die Durchführung von Sammelrückführungen nach Afghanistan auf Bitten der afghanischen Regierung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bis auf weiteres vorübergehend ausgesetzt. -

gebieten es die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. Dass dies hier der Fall wäre, ist indes - auch im Hinblick auf die Ausführungen bezüglich des nicht bestehenden Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG - nicht ersichtlich.

Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, der Ausländer werde mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation geraten, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde.

BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 15.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich der Einzelrichter anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender, arbeitsfähiger, männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten wird, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen lässt. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen wird oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten sind. Der Betroffene ist selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu

erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren.

OVG NRW, Urteile vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, www.nrwe.de, vom 20.02.2017 - 13 A 347/17.A (n. v.), vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A -, juris Rn. 73; Beschluss vom 24.03.2016 - 13 A 2588/15.A -, S. 4 des Beschlussabdrucks (n.v.); BayVGH, Urteil vom 12.02.2015 - 13a B 14.30309 -, juris Rn. 17; Beschlüsse vom 15.06.2016 - 13a ZB 16.30083 -, juris Rn. 7 und vom 30.09.2015 - 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 6; SächsOVG, Beschluss vom 21.10.2015 - 1 A 144/15.A -, juris; NdsOVG, Urteil vom 20.07.2015 - 9 LB 320/14 -, juris. Siehe auch VG Düsseldorf, Urteil vom 05.01.2017 - 18 K 2043/17.A -, juris Rn. 68.

Nach dem Bericht des European Asylum Support Office (EASO) vom Juni 2019 sind zumindest die Städte Kabul, Herat und Mazare Sharif für junge, gesunde, alleinstehenden und arbeitsfähige Männer mögliche interne Fluchtalternativen, auch wenn sie dort kein soziales oder familiäres Netzwerk haben, welches sie auffangen könnte,

EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019, S. 137.

Nach der Einschätzung des EASO drohen zwar auch in diesen Städten harte Lebensumstände, jedoch können junge, gesunde und arbeitsfähige Männer, die nicht auch noch für andere Personen sorgen müssen und bei denen auch keine sonstigen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, ihre Grundbedürfnisse an Unterkunft, Kleidung und Hygiene in diesen Städten decken.

Hierbei kann dahinstehen, ob der Einschätzung des UNHCR in seinem Bericht vom 30.08.2018, wonach Kabul grundsätzlich keine inländische Fluchtalternative sein soll,

UNHCR, Eligibility guidelines for assessing the international protection needs of asylum seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 114,

zutrifft, denn der anzulegende Maßstab ist bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG ein anderer als im Hinblick auf den internen Schutz nach § 3e AsylG.

VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 183, und vom 03.11.2017- A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180.

Davon abgesehen, steht der Kläger - wie ausgeführt - bei Rückkehr nicht alleine dar, sondern wird mindestens erste Anschubunterstützung durch seine Verwandtschaft erfahren.

Der Kläger hat auch keine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen dargelegt. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3). Zudem liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4). Die individuelle Gefahr einer Rechtsgutverletzung muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris, Rn. 233 f., und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 447 f.; Göbel-Zimmermann, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 71, jeweils m.w.N.

6.Die Abschiebungsandrohung entspricht den Anforderungen der §§ 34, 38 AsylG, § 59 AufenthG. Auch die verfügte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist rechtmäßig. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die vom Bundesamt ausgesprochene Befristung des Verbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens. Anhaltspunkte dafür, dass die Frist ermessensfehlerhaft festgesetzt wurde, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

7.Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens: § 154 Abs. 1 VwGO; § 83b AsylG.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit: § 30 RVG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Gerichtsbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung die Zulassung der Berufung (1) oder mündliche Verhandlung (2) beantragt werden. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(1) Über den Antrag auf Zulassung der Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

2. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich zu stellen. Er muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen.

Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) eingereicht werden.

In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.

Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG -). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.

Die Antragsschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.

(2) Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

Der Antrag ist schriftlich, als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen.

Der Antrag soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.

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