OLG Hamm, Urteil vom 29.01.2020 - 11 U 83/19
Fundstelle
openJur 2020, 6212
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 25 O 8/18
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.06.2019 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagten wegen der Nichtheranziehung zum zahnärztlichen Notdienst in den Jahren 2014 - 2017 geltend.

Der Kläger ließ sich 1983 in E als Zahnarzt nieder. Mit Bescheid vom 20.03.1996 entzog ihm die Beklagte zu 1) die kassenzahnärztliche Zulassung; der Bescheid wurde nach einem sozialgerichtlichen Verfahren am 27.06.2001 rechtskräftig. Bereits seit Oktober 2000 wurde der Kläger von beiden Beklagten nicht mehr zum zahnärztlichen Notfalldienst herangezogen. Während eines gegen die hiesige Beklagte zu 2) vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geführten Verfahrens, Az.: 19 K 125/12, auf Erstattung gezahlter Kammerbeiträge erklärte der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 03.07.2012 vor dem Verwaltungsgericht, seit dem 01.12.2000 nicht mehr zahnärztlich tätig zu sein und kündigte an, die Wiederaufnahme seiner zahnärztlichen Tätigkeit der Beklagten zu 2) gesondert anzuzeigen. Im Jahr 2014 erhob der Kläger sodann Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Beklagte zu 2) auf Heranziehung zum Notfalldienst. Die Klage wurde mit Urteil vom 19.08.2015, Az.: 7 K 3243/14, abgewiesen. Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung aus, die Klage sei bereits unstatthaft, weil der Kläger vorgerichtlich keinen Antrag auf Heranziehung zum Notfalldienst gestellt hatte; im Übrigen sei die Klage aber auch unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers nicht vorlägen, namentlich fehle es an einer Tätigkeit in einer eigenen Praxis. Das Oberverwaltungsgericht Münster wies den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil zurück.

Am 28.09.2016 erhielt der Kläger erneut die kassenzahnärztliche Zulassung. Die Wiederaufnahme seiner Praxistätigkeit teilte er den Beklagten am 03.04.2017 mit. Mit gemeinsamen Bescheid der Beklagten vom 04.04.2017 wurde der Kläger zum Notfalldienst herangezogen. Im Jahr 2017 wurde er auf der Reserveliste geführt, seit dem 01.01.2018 wird er regulär beim Notdienst berücksichtigt.

Der Kläger hat vor dem Landgericht behauptet, die Beklagten hätten ihn deshalb nicht zum Notfalldienst herangezogen, weil er über keine kassenzahnärztliche Zulassung verfügt habe. Seine Erklärung im Jahr 2012, nicht mehr zahnärztlich tätig zu sein, habe für die Entscheidung der Beklagten keine Rolle gespielt. Eine kassenzahnärztliche Zulassung sei nach dem HeilBerG und der Notfalldienstordnung der Beklagten für die Heranziehung zum Notfalldienst nicht erforderlich. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten von Amts wegen eine rechtsmittelfähige Entscheidung über seinen Ausschluss von der Teilnahme am Notfalldienst treffen müssen. Da eine solche Entscheidung nicht vorliege, sei seine Nichtberücksichtigung bei der Einteilung der Notfalldienste in den Jahren 2014 bis 2016 rechtswidrig gewesen. Soweit ihn die Beklagten nach Erteilung der kassenzahnärztlichen Zulassung für das Jahr 2017 auf der Reserveliste für den Notfalldienst geführt haben, hat er bestritten, dass seine reguläre Heranziehung nicht möglich gewesen sei.

Der Kläger hat gegen die Beklagten vor dem Landgericht Stufenklage auf Auskunftserteilung, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Schadenersatz erhoben. Die Beklagten sind der Klage entgegen getreten.Die Beklagte zu 1), die L, hat darauf verwiesen, dass der Kläger erst seit dem 29.06.2016 über eine kassenärztliche Zulassung verfüge und die Aufnahme einer Tätigkeit in einer eigenen Praxis am 03.04.2017 angezeigt habe. Die Heranziehung des Klägers vor diesem Zeitpunkt habe nicht erfolgen können. Gemäß der Notfalldienstordnung seien für den Notfalldienst nur Zahnärzte mit einer eigenen Praxis zu berücksichtigen.

Die Beklagte zu 2), die A, hat behauptet, der Kläger sei bei der Einteilung der Notfalldienst bis zu 03.04.2017 deshalb nicht berücksichtigt worden, weil er nach seinen eigenen Erklärungen bis zu diesem Zeitpunkt keine Praxis unterhalten habe, was nach ihrer Notdienstordnung aber Voraussetzung für eine Heranziehung sei.

Das Landgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Mit näherer Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung aus § 242 BGB sei nicht gegeben, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen des gegen die Beklagten zu 1) und 2) geltend gemachten Schadenersatzanspruchs aus § 839 BGB, Art.34 GG vorlägen. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Beklagten den Kläger vor dem 03.04.2017 zum zahnärztlichen Notfalldienst hätten heranziehen müssen; im Übrigen scheitere der Hauptanspruch an § 839 Abs.3 BGB. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidungsgründe sowie wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs.1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er ist der Auffassung, das Landgericht habe die Klage nicht insgesamt als unbegründet abweisen dürfen, da ihm dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten aus § 839 BGB, Art.34 GG zustehe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei seine Nichtheranziehung zum Notfalldienst rechtswidrig gewesen. Im Einzelnen macht er geltend:Das Landgericht habe übersehen, dass über die Nichtheranziehung zum Notfalldienst schon ab dem Jahr 2001 durch eine rechtsbehelfsfähige Verwaltungsentscheidung zu befinden gewesen wäre. Eine solche Entscheidung sei nicht ergangen, weshalb ein rechtmäßiger Ausschluss vom Notfalldienst niemals vorgelegen habe. Tragender Grund für die Nichtberücksichtigung zum Notfalldienst sei entgegen der angefochtenen Entscheidung nicht gewesen, dass er im Jahr 2014 seinen Beruf nicht ausgeübt habe, sondern dass ihm die kassenärztliche Zulassung entzogen worden sei. Nach dem Entzug der Zulassung hätten die Beklagten intern abgesprochen, ihn nicht mehr zu berücksichtigen. Im Jahr 2001 habe er auch noch einen aktiven Patientenstamm gehabt, so dass sich bereits daraus die Pflichtwidrigkeit des Handelns der Beklagten ergebe. Diese, den Beklagten anzulastende Amtspflichtverletzung aus dem Jahr 2000 habe bis zu der Wiederzulassung des Klägers zur vertragszahnärztlichen Versorgung fortgewirkt.Wäre er in rechtmäßiger Weise weiter zum Notfalldienst herangezogen worden, hätte er nicht nur fortlaufend im Notfalldienst tätig sein können, er wäre dann im Jahr 2017 auch nicht auf eine Warteliste zur Ausübung der Dienste gesetzt worden.In diesem Verfahren sei es den Beklagten verwehrt, sich auf seine fehlende Berufsausübung in den Jahren 2014 bis 2016 zu berufen, da die Beklagten den Umstand, dass er 2014 keinen Patientenstamm mehr gehabt habe, durch das rechtswidrige Vorgehen im Jahr 2000 herbeigeführt hätten.Im Übrigen sei die Rechtsauffassung des Landgerichts fehlerhaft, dass nur aktiv tätige Ärzte zum Notdienst herangezogen werden dürften. Er nehme seit 2017 wieder am Notdienst teil, ohne einen eigenen Patientenstamm generiert zu haben. Hilfsweise macht er geltend, das Vorhalten einer eingerichteten Praxis reiche für die Einteilung zum Notdienst aus, ein aktiver Patientenstamm sei hierzu - auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - nicht erforderlich. Jeder approbierte Arzt verfüge über die notwendigen Erfahrungen im Notfall tätig zu werden.Der Anspruch scheitere nicht an § 839 Abs.3 BGB. Für eine Antragstellung auf Heranziehung zum Notfalldienst habe in den Jahren 2015, 2016 und 2017 kein Raum bestanden. Die Heranziehung zum Notfalldienst bedürfe keines besonderen Antrags. Vielmehr seien die Beklagten verpflichtet gewesen, über die Nichtheranziehung durch Verwaltungsakt zu entscheiden, gegen den er mit der Anfechtungsklage hätte vorgehen können. Im Übrigen habe er Rechtsmittel gegen seine Nichtberücksichtigung eingelegt, indem er in den Jahren 2009 und 2010 vergeblich bei dem Präsidenten der Beklagten zu 2) um Berücksichtigung gebeten und im Jahr 2014 Klage auf Heranziehung zum Notfalldienst vor dem Verwaltungsgericht erhoben habe. Aus dem Verhalten der Beklagten ergebe sich, dass ein Unterlassen weiterer Anträge in den Folgejahren den eingetretenen Schaden nicht verhindert hätte, weil seine Anträge ohnehin abgelehnt worden wären.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagten zu verurteilen, ihm als Gesamtschuldner Auskunft über die durchschnittlichen Einnahmen eines im Rahmen des Notfalldienstes tätigen, approbierten Zahnarztes in E pro Einsatz im Zeitraum 2014 bis 2017 zu erteilen;

2. die Beklagten zu verurteilen, ihm als Gesamtschuldner Auskunft zu erteilen, wie viele Zahnärzte in E in dem Zeitraum 2014 bis 2017 ihren Notfalldienst von einem Kollegen haben übernehmen lassen;

3. die Beklagten zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft als Gesamtschuldner an Eides Statt zu versichern;

4. die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner Schadenersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu Az.: 19 K 125/12, 19 K 1788/12, 19 L 250/14, 19 K 3242/14 und 7 K 3243/14 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die auf Auskunftserteilung und Zahlung von Schadenersatz gerichtete Stufenklage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen.

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht über die erhobene Stufenklage insgesamt entschieden, da bereits die Prüfung des aus § 242 herzuleitenden Auskunftsanspruchs ergeben hat, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 28.11.2001, Az.: VIII ZR 37/01, Tz.20; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 254 Rn.9).

Der vom Kläger verfolgte Hauptanspruch hat seine Grundlage in § 839 BGB, Art.34 GG. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ergibt sich unter keinem rechtlichen Aspekt ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Schadenersatz wegen der Nichtheranziehung zum Notfalldienst in dem Zeitraum vom 01.01 2014 bis zum 03.04.2017 sowie wegen der Berücksichtigung auf der Reserveliste vom 04.04.2017 bis zum 31.12.2017.

1. Gegen die Beklagte zu 1) kommen wegen der Nichtheranziehung zum Notfalldienst von vorneherein nur Ansprüche wegen eines etwaigen pflichtwidrigen Handelns für den Zeitraum ab dem 28.09.2016 in Betracht.

Nach dem rechtskräftigen Entzug der kassenzahnärztlichen Zulassung war der Kläger ab dem 27.06.2001 nicht mehr Mitglied der Beklagten und damit auch nicht mehr Vertragszahnarzt (§ 95 Abs.3 S.1 u. Abs.6 S.1 SGB V; vgl. BSG MedR 2006, 491, 492; Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 3. Aufl., § 95 Rn.126). Gemäß § 1 Abs.1 der Notfalldienstordnung der Beklagten zu 1) war er deshalb mit Rechtskraft des Zulassungsentzugs weder verpflichtet noch berechtigt, an dem vertragszahnärztlichen Notfalldienst der Beklagten zu 1) teilzunehmen. Über diese Wirkungen musste die Beklagte zu 1) nicht durch Verwaltungsakt entscheiden, da im Verhältnis zu dem Kläger als Nichtmitglied keinerlei Rechtsbeziehungen bestanden, die einer Regelung bedurft hätten.

Dass dem Kläger nach Neuerteilung der kassenzahnärztlichen Zulassung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) zustehen könnte, ist nicht ersichtlich.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, ihn bereits ab dem 28.09.2016 zum Notfalldienst heranzuziehen, weil sie über die Nichtheranziehung nicht durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid entschieden hat.

aa) Der Kläger übersieht, dass die Berechtigung zur Ausübung des Notfalldienstes nicht davon abhängt, ob ihn die Beklagte zu 1) durch Rechtsakt von der Teilnahme ausgeschlossen hat. Die Entscheidung über die Nichtheranziehung ist nicht konstitutiv für den Anspruch, zum Notfalldienst herangezogen zu werden. Vielmehr sind für die Heranziehung zum kassenärztlichen Notfalldienst die im HeilBerG und der Notfalldienstordnung der Beklagten zu 1) normierten Voraussetzungen zu erfüllen; nur dann besteht ein Anspruch auf Teilnahme am Notfalldienst. Dass die Voraussetzungen für die Heranziehung zum vertragszahnärztlichen Notfalldienst vor dem 04.04.2017 gegeben waren, kann nicht festgestellt werden.

Die materiellen Voraussetzungen für die Heranziehung zum kassenzahnärztlichen Notfalldienst ergeben sich aus § 30 Abs.1 Nr.2 HeilBerG i.V.m. § 3 Abs.1 u. 3 NDO KZVWL. Die genannten Vorschriften erfordern für die Heranziehung zum Notfalldienst die Ausübung des Berufs in ambulanter Tätigkeit (§ 30 Abs.1 Nr.1 HeilBerG) sowie den Betrieb einer eigenen Praxis (§ 3 Abs.1 NDO KZVWL). Soweit die Notfalldienstordnung der Beklagten zu 1) als Voraussetzung für die Teilnahme am Notfalldienst lediglich eine "eigene Praxis" des Zahnarztes vorsieht, bedeutet dies nicht, dass sie auf das Erfordernis der tatsächlichen Berufsausübung aus dem übergeordneten Recht des § 30 Abs.1 Nr.1 HeilBerG verzichtet hat. Der Praxisbegriff bezieht sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nämlich nicht allein auf das Vorhandensein geeigneter Räume, sondern auf die Gesamtheit der gegenständlichen und personellen Grundlagen für die Tätigkeit als in freier Praxis niedergelassener Arzt, wobei der Praxisbetrieb neben Praxisräumen, die erforderliche Praxisinfrastruktur, den Hinweis auf den Praxissitz und Sprechzeiten durch ein entsprechendes Schild und die tatsächliche Entfaltung der ärztlichen Tätigkeit in dem jeweiligen Fachgebiet umfasst. An einem Praxisbetrieb fehlt es dann, wenn der Arzt keine ärztliche Tätigkeit mehr ausübt und über keinen Patientenstamm verfügt (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999, Az.: B 6 KA 1/99 R, Tz.40, juris, = BSGE 85, 1, 4).

Auf der Grundlage des in der Berufung zu berücksichtigenden Sachverhalts kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger beginnend mit dem 28.09.2016 in eigener Praxis zahnärztlich tätig war. Dass der Kläger jedenfalls bis zum 28.09.2016 seinen Beruf nicht ausübte, ist nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils unstreitig; hieran ist der Senat aufgrund der Tatbestandswirkung des angefochtenen Urteils gebunden. Dazu, ob der Kläger schon vor seiner schriftlichen Mitteilung vom 03.04.2017 wieder als Zahnarzt tätig war, trägt der Kläger nichts vor. Von einer Wiederaufnahme des Praxisbetriebs vor dem 03.04.2017 kann deshalb nicht ausgegangen werden.

Das Behaupten des Klägers, seine Heranziehung zum Notfalldienst sei ab dem 04.04.2017 erfolgt, obwohl er auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht beruflich tätig gewesen sein, erlaubt keine andere rechtliche Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Heranziehung zum Notfalldienst vor diesem Zeitpunkt gegeben waren. Trifft das Behaupten des Klägers zu, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass der den Kläger begünstigende Bescheid vom 04.04.2017 objektiv rechtswidrig war.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte zu 1) auch nicht verpflichtet, nach Erteilung der kassenzahnärztlichen Zulassung von Amts wegen über die Nichtheranziehung des Klägers zum Notfalldienst durch rechtsmittelfähigen Bescheid zu entscheiden.

Die Regelungen in § 3 Abs.3 u. 4 NDO KZVWL sehen lediglich vor, dass über die Heranziehung des Mitglieds zum Notfalldienst ein Rechtsakt zu ergehen hat. Die Heranziehung erfolgt durch die Übersendung der regionalen Notdienstliste. Dabei handelt es sich - entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vertretenen Auffassung - um einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus dem mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen "Bescheid" vom 04.04.2017 über die Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst sowie aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21.11.2016, Az. 7 K 3288/16, nach der die Heranziehung zum Notfalldienst mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist.

Damit liegt kein Verstoß gegen die NDO KZVWL vor, soweit die Beklagte zu 1) nach Neuzulassung des Klägers nicht zugleich über die Nichtheranziehung des Klägers zum Notfalldienst durch förmlichen Rechtsakt entschieden hat.

Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21.11.2016 ergibt sich nichts anderes. Über die hier vorliegende Fallkonstellation hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf schon gar nicht entschieden. Gegenstand des dortigen Verfahrens war eine Anfechtungsklage gegen die Heranziehung zum Notfalldienst. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Heranziehung für rechtmäßig gehalten, weil der Kläger dieses Falls die Voraussetzungen für die Teilnahme am Notdienst erfüllt hat und nicht durch einen gesonderten Rechtsakt von der Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst befreit worden ist.

cc) Des Weiteren ist der geltend gemachte Hauptanspruch gegen die Beklagte zu 1) nach § 839 Abs.3 BGB ausgeschlossen. Denn der Kläger hat es fahrlässig unterlassen, gegen seine Nichtberücksichtigung zum Notfalldienst Rechtsmittel einzulegen.

(1) Hierzu hätte der Kläger unmittelbar nach Erteilung der kassenzahnärztlichen Zulassung bei der Beklagten zu 1) einen Antrag auf Heranziehung zum Notfalldienst stellen können und müssen. Dieser Antrag stellt ein Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs.3 BGB dar, da dem Rechtsmittelbegriff des § 839 Abs.3 BGB nicht nur förmliche Rechtsbehelfe sondern auch Anträge an die Behörde auf ein Tätigwerden im Fall des Unterlassens einer Amtshandlung unterfallen (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 839 Rn.69; OLG Düsseldorf NJW 1995, 13, Tz.12, zitiert nach juris). Dies gilt selbst dann, wenn die Beklagte zu 1) nach Wiederaufnahme des Praxisbetriebs von Amts wegen über die Nichtheranziehung des Klägers zum Notfalldienst hätte entscheiden müssen. Denn auch in diesem Fall hätte der Kläger die Heranziehung beantragen müssen, da das Antragerfordernis auch in Bezug auf Verwaltungsakte gilt, die von Amts wegen zu erlassen sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 42 Rn.6; BVerwG NJW 1996, 1977 Tz.14, zitiert nach juris).

Einen solchen Antrag hat der Kläger ohne ersichtlichen Grund, und damit vorwerfbar, nicht gestellt. Nach dem Klagevortrag kann nicht festgestellt werden, dass sich der Kläger in dem Zeitraum nach Wiederzulassung am 28.09.2016 und vor Erlass des Bescheids vom 04.04.2017 überhaupt an die Beklagte zu 1) wegen der Heranziehung zum Notfalldienst gewandt hat.

(2) Das Versäumen der Antragstellung ist auch nicht ausnahmsweise unschädlich.

Gegenüber der Beklagten zu 1) konnte der Kläger nicht mit dem Argument von einem Antrag auf Heranziehung zum Notfalldienst absehen, sein Anliegen mit dem Führen des Verfahrens 7 K 3243/14 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hinreichend deutlich gemacht zu haben. Das vorgenannte verwaltungsgerichtliche Verfahren richtete sich ausschließlich gegen die Beklagte zu 2).

Die Annahme des auf § 839 Abs.3 BGB beruhenden Anspruchsausschlusses verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen die Grundsätze nach Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Nicht- bzw. nur eingeschränkte Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst in den Jahren 2014 bis 2017 beruhte nicht auf einer von der Beklagten zu 1) möglicherweise treuwidrig geschaffenen rechtswidrigen Situation im Jahr 2000 (vgl. hierzu: Staudinger/Wöstmann, BGB, (2013), § 839 Rn.336). Die Nichtheranziehung ist allein Folge der Beendigung der Mitgliedschaft in der L aufgrund des bestandskräftigen Zulassungsentzugs.

b) Dahinstehen kann und bedarf daher keiner weiteren Aufklärung, ob die Beklagte zu 1) den Kläger vom 04.04.2017 bis zum 31.12.2017 zu Unrecht nur auf der Reserveliste geführt hat. Etwaige Schadenersatzansprüche des Klägers aus § 839 BGB, Art.34 GG sind jedenfalls gem. § 839 Abs.3 BGB ausgeschlossen. Die Heranziehung zum Notfalldienst über die Reserveliste ist im Wege des rechtsmittelfähigen Bescheids vom 04.04.2017 erfolgt. Wenn der Kläger die Berücksichtigung nur durch Aufnahme in die Reserveliste für rechtswidrig gehalten hat, hätte er im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) Widerspruch einlegen und ggfs. Verpflichtungsklage auf die reguläre Heranziehung zum Notfalldienst erheben müssen.

2. Der geltend gemachte Hauptanspruch steht dem Kläger auch nicht gegen die Beklagte zu 2) zu.Da der Kläger trotz Entzugs der kassenzahnärztlichen Zulassung Mitglied der Beklagten zu 2) geblieben ist, kam für die Zeit von 2014 bis 2017 seine (reguläre) Heranziehung nach §§ 30 Nr.1 HeilBerG, 14 Abs.3 der Berufsordnung der Beklagten zu 2) i.V.m. § 3 NDO ZKWL in Betracht. § 14 Abs.1 S.1 der Berufsordnung statuiert zwar ausdrücklich nur eine grundsätzliche Teilnahmepflicht, aus der Regelung ist jedoch im Wege der Auslegung das subjektive Recht auf die Heranziehung zum Notfalldienst abzuleiten (Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., § 26 MBO Rn.4).

a) Ein amtspflichtwidriges Vorgehen der Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung des Klägers bei der Einteilung zum zahnärztlichen Notfalldienst ergibt sich jedoch nicht.

aa) Die Beklagte zu 2) war nicht verpflichtet, den Kläger vom 01.01.2014 bis zum 03.04.2017 schon deshalb zum Notfalldienst heranzuziehen, weil sie über die seit dem Jahr 2000 erfolgte Nichtheranziehung des Klägers zu keinem Zeitpunkt durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid entschieden hat. Für die Beklagte zu 2) bestand keine Verpflichtung, durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid über die Nichtheranziehung des Klägers zum Notfalldienst zu entscheiden. § 3 Abs.4 NDO ZKWL sieht - ebenso wie § 3 Abs.1 u. 3 NDO KZVWL - lediglich vor, dass über die Heranziehung des Mitglieds zum Notfalldienst durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist.

bb) Maßgeblich ist vielmehr, ob in dem Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 03.04.2017 die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst vorlagen. Spiegelbildlich zu den Ausführungen unter Ziff.II.1 a) gilt auch für die Heranziehung zum privatzahnärztlichen Notdienst, dass die Berechtigung zur Ausübung des Notfalldienstes nicht davon abhängt, ob der Kläger durch die Beklagte zu 2) durch Rechtsakt von der Teilnahme ausgeschlossen worden ist. Die Heranziehung zum Notfalldienst durch die Beklagte zu 2) hängt - ebenso wie die Heranziehung zum kassenvertragszahnärztlichen Notfalldienst - von der Erfüllung materiellrechtlicher Voraussetzungen ab. Über das Vorliegen der Voraussetzungen hat die Beklagte zu 2) gem. § 3 Abs.5 NDO ZKWL in regelmäßigen Abständen gesondert zu entscheiden. Die Entscheidung über die Heranziehung ihrer Mitglieder trifft die Beklagte zu 2) jeweils vor Beginn des Kalenderjahres. Maßgeblich für die Frage der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung ist, ob für das jeweils in Rede stehende Jahr die Voraussetzungen der §§ 30 Nr.1 HeilBerG, 14 Abs.3 der Berufsordnung der Beklagten zu 2) i.V.m. § 3 NDO ZKWL für die Heranziehung zum Notfalldienst vorlagen. Dahinstehen kann deshalb, ob die Beklagte zu 2) den Kläger in den Jahren 2000 und 2001 amtspflichtwidrig nicht zum Notfalldienst herangezogen hat.

Das Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen gem. §§ 30 Nr.1 HeilBerG, 14 Abs.3 der Berufsordnung der Beklagten zu 2) i.V.m. § 3 NDO ZKWL für die Heranziehung zum Notfalldienst in dem Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 03.04.2017 kann indes nicht festgestellt werden. Voraussetzung für die Heranziehung zum Notfalldienst ist, dass der Zahnarzt seinen Beruf in ambulanter Tätigkeit (§ 30 Abs.1 Nr.1 HeilBerG) und in eigener Praxis (§ 3 Abs.1 NDO ZKWL) ausübt. Nach dem angefochtenen Urteil war der Kläger in dem hier interessierenden Zeitraum ab 2014 unstreitig nicht zahnärztlich tätig. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit vor der Mitteilung vom 03.04.2017 an die Beklagten kann nicht festgestellt werden. Die Nichtheranziehung des Klägers zum Notfalldienst in dem Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 03.04.2017 war vor diesem Hintergrund rechtmäßig. Damit folgt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das in dem Urteil vom 19.08.2015, Az.: 7 K 3243/14, das Vorliegen der Voraussetzungen für die die Heranziehung des Klägers für den Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 19.08.2015 verneint hat.

Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erfolgt auch nicht treuwidrig zu Lasten des Klägers. Soweit der Kläger darauf verweist, die Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit bis zum 03.04.2017 sei durch das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten zu 2) im Jahr 2000 dadurch verursacht worden, dass diese ihm durch die auf einer geheimen Absprache mit der Beklagten zu 1) beruhende Nichtheranziehung zum Notfalldienst die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen habe, hätte der Kläger durch einen noch im Jahr 2000 gestellten Antrag auf Heranziehung zum Notfalldienst und für den Fall der Nichtbescheidung oder Ablehnung des Antrags durch das Erheben einer Verpflichtungsklage seine Berücksichtigung bei der Einteilung der Notdienste erreichen können. Daran war er nicht deshalb gehindert, dass er seinerzeit die tatsächlichen Gründe für die Nichtheranziehung nicht kannte, da er im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren nur das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Heranziehung zum Notfalldienst hätte dartun müssen.

b) Ein Schadensanspruch des Klägers wegen der Nichtheranziehung zum Notfalldienst für den Zeitraum ab dem 19.08.2015 bis zum 03.04.2017 scheitert unabhängig von den vorstehenden Ausführungen auch an § 839 Abs.3 BGB, weil es der Kläger unterlassen hat, für jeden sich aus § 3 Abs.5 NDO ZKWL ergebenden Zeitabschnitt die Heranziehung zum Notfalldienst gegenüber der Beklagten zu 2) zu beantragen und im Falle der Nichtbescheidung oder Ablehnung seines Begehrens vor dem Verwaltungsgericht Verpflichtungsklage auf Heranziehung zum Notfalldienst zu erheben. Der Kläger kann nicht geltend machen, er habe in hinreichender Form Rechtsmittel gegen seine Nichtberücksichtigung eingelegt. Die Anträge in den Jahren 2009 und 2010 gegenüber den Präsidenten der Beklagten zu 2) auf Heranziehung und das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht im Jahr 2014 betreffen andere, frühere Zeiträume.

Der Kläger hat auch keine tragfähigen Gründe dafür vorgetragen, die den Anspruchsausschluss nach § 839 Abs.3 BGB ausnahmsweise treuwidrig erscheinen lassen. Von einer Stellung des Antrags auf Heranziehung zum Notfalldienst gegenüber der Beklagten zu 2) konnte der Kläger nicht deshalb absehen, weil er davon ausgehen musste, die Beklagte zu 2) werde seinen Antrag ohnehin entweder nicht bescheiden oder ablehnen. Die Beklagte zu 2) hat in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Az.: 7 K 3243/14, mit Schriftsatz vom 13.10.2014 vorgetragen, dass sie, wäre sie von dem Kläger über die Wiederaufnahme der zahnärztlichen Tätigkeit informiert worden, geprüft hätte, ob er bei der Einteilung der Notfalldienste zu berücksichtigen sei. Hätte die Beklagte zu 2) seinen Antrag nicht beschieden oder abgelehnt, hätte der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben müssen; dass er daran gehindert war, ist - wie bereits ausgeführt - nicht erkennbar.

c) Dahinstehen kann schließlich, ob der Kläger durch die Beklagte zu 2) mit dem Bescheid vom 04.04.2017 zu Recht nur auf der Reserveliste zur Ausübung des Notfalldienstes berücksichtigt worden ist. Denn selbst wenn das Vorgehen der Beklagten zu 2) amtspflichtwidrig gewesen wäre, sind Schadenersatzansprüche des Klägers gem. § 839 Abs.3 BGB ausgeschlossen. Die Heranziehung zum Notfalldienst über die Reserveliste ist im Wege eines rechtsmittelfähigen Bescheids erfolgt. Wenn der Kläger die Berücksichtigung durch Aufnahme in die Reserveliste für rechtswidrig gehalten hat, hätte er im Verhältnis zu der Beklagten zu 2) Verpflichtungsklage auf die uneingeschränkte Heranziehung zum Notfalldienst erheben müssen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.