Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 25.05.2020 - 3 MR 32/20
Fundstelle
openJur 2020, 6591
  • Rkr:

Pflicht zur häuslichen Quarantäne nach Einreise aus USA bestätigt.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Eilantrag,

durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die am 17. Mai 2020 in Kraft getretene Regelung des § 1 Abs. 1 der Landesverordnung zur Neufassung der Landesverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus des Landes Schleswig-Holstein außer Vollzug zu setzen,

hat in der Sache keinen Erfolg (I.). Die dazu hilfsweise gestellten Anträge sind unzulässig (II).

I.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht vor.

Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, juris Rn. 12). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffene Norm in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthält oder begründet, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (OVG Schleswig, Beschl. v. 09.04.2020 - 3 MR 4/20 -, juris Rn. 4).

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 12; OVG Schleswig, a.a.O., juris Rn. 5).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 1 der Landesverordnung zur Neufassung der Landesverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus des Landes Schleswig-Holstein vom 16. Mai 2020 keinen Erfolg. Es spricht viel dafür, dass die angegriffene Vorschrift einer rechtlichen Überprüfung standhält (1.). Jedenfalls aber wiegen im Rahmen der Folgenabwägung die Folgen, die der Allgemeinheit bei Außervollzugsetzung der Verordnung drohen schwerer als die vom Antragsteller vorübergehend hinzunehmenden Einschränkungen seiner Freiheitsgrundrechte, so dass die Verordnung in Vollzug bleibt (2.).

1. Die Landesverordnung zur Neufassung der Landesverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus des Landes Schleswig-Holstein vom 16. Mai 2020 ist ordnungsgemäß im Wege der Ersatzverkündung auf der Internetseite der Landesregierung bekannt gemacht worden (https://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Coronavirus/Erlasse/ Verordnung_Reiserueckkehrer.html).

Eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Verordnung ergibt sich schon aus der Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG und zudem aus dem Quarantänemaßnahmen anordnenden § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG (a). Die Voraussetzungen für die getroffenen Maßnahmen liegen vor (b), und sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Grundrechte (c):

Aus § 32 IfSG i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG ergibt sich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Verordnung. Die Vorschrift regelt, dass für den Fall, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Der Senat hält insoweit ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG nicht durch die §§ 29 bis 31 IfSG bei deren (Nicht-)Eingreifen verdrängt wird (vgl. Beschl. des Senats v. 07.04.2020 - 3 MB 13/20 -, juris Rn. 9 ff.; a.A.OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2020 - 13 MN 143/29 -, juris Rn. 31 ff; zustimmend VG Schleswig, Beschl. v. 15.05.2020 - 1 B 85/20 -, juris Rn. 13; VG Hamburg, Beschl. v. 13.05.2020 - 15 E 1967/20 -, juris Rn. 30).

Die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG stellt eine ausreichende Rechtsgrundlage dar, Quarantänemaßnahmen anzuordnen und wird nicht von § 30 Abs. 1 IfSG als speziellerer Vorschrift verdrängt. Nach letzterer Vorschrift hat die zuständige Behörde bei bestimmten, in Satz 1 aufgeführten Krankheits- und Verdachtsfällen Quarantäne anzuordnen. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann unter bestimmten Voraussetzungen die Absonderung angeordnet werden. Der Wortlaut des § 28 Abs. 1 IfSG legt ein Nebeneinander beider Vorschriften - mithin ein weitgehendes Verständnis - nahe. Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützt diese Auffassung. Danach ist das behördliche Ermessen hinsichtlich der Bandbreite der möglichen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG nur dahingehend beschränkt, dass es sich um notwendige Schutzmaßnahmen handeln müsse, also solche, die zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Krankheit notwendig seien; welche Maßnahmen konkret zu ergreifen seien, lasse sich im Vorfeld nicht bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2012- 3 C 16.11 -, NJW 2012, 2823, Rn. 24). Diese Grundsätze müssen erst recht gelten im Fall einer in diesem Ausmaß bisher noch nicht da gewesenen Pandemie, für deren Bekämpfung es an Erfahrung und deswegen auch an bereits bewährten Handlungsoptionen mangelt.

Die streitgegenständliche Verordnung kann ebenfalls auf § 32 i. v. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG gestützt werden. Voraussetzung dieser Verordnungsermächtigung ist, dass die Quarantäne für Kranke oder Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Fall ihrer Einreise angeordnet wird. Das ist hier der Fall, wie sich aus Nachstehendem ergibt.

b) Die Grenzen der Verordnungsermächtigung werden durch die hier streitgegenständliche Landesverordnung gewahrt.

Die Quarantäne ist eine notwendige Schutzmaßnahme im Sine des § 28 Abs. 1 IfSG. Notwendig sind Schutzmaßnahmen, wenn sie die Ausbreitung der Krankheit verhindern (Beschl. des Senats v. 13.05.2020 - 3 MR 14/20 -, juris Rn 19). Dies hier aus den unten genannten Gründen der Fall.

Ebenfalls liegen die Voraussetzungen einer Quarantäneanordnung durch Verordnung gemäß § 32 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG vor. Die Anordnung betrifft den in § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG bezeichneten Personenkreis, insbesondere den Kreis der Ansteckungsverdächtigen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn Einreisende aus anderen Ländern als Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dem Schengenraum oder dem Vereinigten Königreich allein aufgrund dieses Umstandes schon als zumindest Ansteckungsverdächtigte gelten.

Ansteckungsverdächtiger ist gemäß § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gründet der Ansteckungsverdacht auf der naheliegenden Vermutung, dass die Person Krankheitserreger aufgenommen hat (BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 3 C 16.11 -, juris Rn. 31). Die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss wahrscheinlicher sein als das Gegenteil. Dabei gilt allerdings für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es gilt hier der allgemeine Grundsatz des Polizei- und Ordnungsrechts, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, a. a. O., juris Rn. 32). Der möglicherweise eintretende Schaden, der durch die Einreise einer ansteckenden Person entsteht, ist erheblich. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund der mit der Ansteckung entstehenden Gefahr eines schweren, eventuell sogar tödlichen Krankheitsverlaufs im Einzelfall, sondern insbesondere auch deswegen, weil das Virus hochansteckend ist und ein Virusträger unbemerkt eine Vielzahl von anderen Personen anstecken kann. Entsprechend geringer müssen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sein, dass eine Person tatsächlich ansteckend ist.

Der Umstand, dass eine Person aus dem Ausland mit Ausnahme der in § 1 Abs. 4 der Verordnung genannten Staatengruppen einreist, ist für diese Annahme schon ausreichend. Es ist nahezu ausgeschlossen, die Kontakte einer einreisenden Person vor ihrer Einreise in jedem Einzelfall zu rekonstruieren, um so den Ansteckungsverdacht ausräumen zu können. Auch ergeben sich insbesondere bei Einreise auf dem Luftweg Unwägbarkeiten aus dem Reiseverlauf selbst. In der Regel wird auf der Reise eine ausreichende körperliche Distanz zu Mitreisenden sowohl im Transportmittel selbst als auch in Wartebereichen nicht immer möglich sein. Selbst wenn also eine Person aus einem Land einreist, in dem das Coronavirus nicht weit verbreitet ist, kann eine Übertragung auf dem Reiseweg durch Kontakt mit aus anderen Ländern reisenden infizierten aber noch nicht erkrankten Personen unbemerkt stattfinden. Entsprechend hat der Antragsgegner in der Begründung zu § 1 der Verordnung darauf abgestellt, dass es keine ausreichenden Informationen über das Infektionsgeschehen in den Staaten, die nicht in § 1 Abs. 4 der Verordnung genannt sind, gibt, die eine Beurteilung der Ansteckungswahrscheinlichkeit ermöglichen und daher von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Nr. 7 IfSG in allen diesen Fällen ausgegangen werden muss. Der Antragsgegner, der damit die Quarantänepflicht nicht an den bloßen Umstand der Einreise, sondern daran knüpft, dass eine Person aus einem Land einreist, über das ausreichende Informationen über das Infektionsgeschehen nicht verfügbar sind, bewegt sich in den Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens.

c) Die mit der Quarantäneanordnung verbundenen Einschränkungen verletzen kein höherrangiges Recht, insbesondere nicht die Grundrechte.

Die Quarantäneanordnung verletzt nicht das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist geeignet, das Ziel, andere Personen vor Ansteckung zu schützen, zu erreichen. Sie ist auch erforderlich. Mildere Mittel, die den gleichen Effekt erzielen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann wegen der bis zu zweiwöchigen Inkubationszeit kein kürzerer Zeitraum der Isolation gewählt werden. Selbst wenn durch fortlaufende Testungen immer wieder ein negatives Ergebnis nachgewiesen werden sollte, kann erst zum Ende der Frist sicher gesagt werden, dass die einreisende Person das Virus nicht in sich trägt. Zutreffend weist der Antragsgegner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Infektionsgeschehen dynamisch ist und einzelne Regionen sich in kürzester Zeit und von außen nicht erkennbar zu Infektionsherden entwickeln können. Das gilt auch, wenn hierfür zunächst keine Ursachen ausgemacht werden können. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, wie der Antragsteller die gegenwärtige Situation in den USA, Texas, betreffend die Neuinfektionen beurteilt und welche Vorkehrungen er selbst vor Abreise getroffen haben will, um sich vor Ansteckung zu schützen.

Die Einschränkung des Grundrechts ist auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne). Die Quarantäne schränkt die Bewegungsfreiheit des ihr Unterworfenen für einen begrenzten Zeitraum ein. Zudem ist es ihm auch möglich, die Quarantäne in der häuslichen Umgebung durchzuführen. Gegenüber dem Vollzug der Quarantäne in einem Krankenhaus oder einer sonstigen geschlossenen Einrichtung ist dies deutlich weniger intensiv. Der Betroffene kann in seiner gewohnten Umgebung verbleiben, er kann sie lediglich nicht verlassen. Vor dem Hintergrund des Ziels, die Verbreitung einer hochansteckenden und gefährlichen Krankheit einzudämmen und damit das Leben und die körperliche Unversehrtheit aller anderen Menschen zu schützen, erscheint dies hinnehmbar. Darüber hinaus wird durch die Ausnahmeregelungen in § 3 Abs. 1 der Verordnung dem Auftreten nicht vorhersehbarer Härtefälle Rechnung getragen, so dass im Einzelfall unbillige Härten vermieden werden können.

Die Verordnung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie die Einreisenden nach ihrem Herkunftsland unterschiedlich behandelt. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Anforderungen, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG, Beschl. v. 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 -, BVerfGE 145, 20-105, Rn. 171 mwN). Nach diesen Maßstäben liegt zwar eine Ungleichbehandlung vor, denn die aus anderen als den in § 1 Abs. 4 der Verordnung genannten Ländern einreisenden Personen werden anders behandelt als diejenigen, die aus einem der in dieser Vorschrift genannten Länder einreisen.

Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner diesen pauschalierenden Maßstab wählt und einerseits die in § 1 Abs. 4 der streitbefangenen Verordnung genannten Herkunftsländer von der Quarantäneregelung grundsätzlich ausnimmt und andererseits unabhängig vom konkreten Infektionsgeschehen an die Einreise aus allen anderen Herkunftsländern eine Quarantäne knüpft. Aufgrund des ständigen Informationsaustauschs zwischen Deutschland und den in § 1 Abs. 4 Verordnung genannten Ländern ergibt sich die Möglichkeit einer flexibleren Handhabung in Bezug auf die Herkunft aus diesen Ländern. Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung besteht auch eine Quarantänepflicht bei Herkunft aus einem dieser Länder, wenn die Anzahl der Neuinfektionen mehr als 50 Fälle pro 100.000 Einwohner übersteigt. Die kurzfristige Verfügbarkeit der Fallzahlen über das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) erlaubt ein solches Vorgehen. Ein vergleichbares Instrumentarium ist in Bezug auf andere Länder nicht verfügbar. Auch nicht denkbar ist die Einführung einer Positivliste, die Länder mit wenig Neuinfektionen aufführen und von der Quarantäne ausnehmen würde. Dies würde voraussetzen, dass der Verordnungsgeber das Infektionsgeschehen in allen Ländern der Welt beobachten und bewerten müsste. Darüber hinaus müsste die Entwicklung in allen Ländern ständig weiterverfolgt werden, um jederzeit in einer § 1 Abs. 5 der Verordnung entsprechenden Weise ein Land von einer solchen Positivliste zu streichen. Der Senat kann nicht ausmachen, dass der Antragsgegner aus eigener Sachkunde diese Bewertungen durchführen oder sich kurzfristig und ausreichend verlässlich die hierfür erforderlichen Informationen beschaffen könnte. In Bezug auf bestimmte Länder mag es ähnlich verlässliche Informationsquellen wie das ECDC geben. Das kann auf die USA in Form der zuständigen Bundesbehörde und die Johns-Hopkins-University durchaus zutreffen. Der Antragsgegner kann aber in der für den Erlass der Verordnung zur Verfügung stehenden Zeit nicht für alle in Betracht kommenden Herkunftsländer eine solche Verlässlichkeit positiv feststellen. Somit gibt es keine andere Möglichkeit als einen pauschalierenden Maßstab.

Der Einwand des Antragstellers, dass dies im Ergebnis dazu führen kann, dass die Einreise aus Ländern, die eine niedrigere Zahl an Neuinfektionen aufweist als die gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung von der Quarantäne ausgenommenen Länder, ist zwar zutreffend. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass der gewählte Maßstab willkürlich ist, denn er ist gegenwärtig der einzig mögliche.

2. Jedenfalls muss im Rahmen der Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers, ohne weiteres einreisen zu können, gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit, die Weiterverbreitung des Coronavirus einzudämmen, zurückstehen. Die Nachteile, die mit der Verbreitung des Virus durch Einreisende als unentdeckte Überträger verbunden sind, überwiegen. Das Virus ist in Form einer Tröpfcheninfektion hochansteckend. Eine einmalige und kurze Begegnung reicht zur Übertragung bereits auch dann aus, wenn es zu keiner Berührung, sondern lediglich zu einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern kommt. Diese Distanz kann im Alltag nicht immer eingehalten werden. Kommt es zu einer massenhaften Verbreitung, so sind die Folgen im Einzelfall - jedenfalls bei einem schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf - und auch generell für das Gesundheitssystem, dessen Funktionieren wegen Überbelastung beeinträchtigt sein kann, gravierend. Der Senat verkennt nicht, dass die Einschränkung der Freiheit für den Zeitraum von 14 Tagen eine nicht unerhebliche ist. Zu bedenken ist aber, dass die Quarantäne in der häuslichen Umgebung verbracht werden kann, was sie erheblich erträglicher erscheinen lässt. Angesichts der obigen Ausführungen hat der Antragsgegner vorliegend keine andere Möglichkeit als die einer Quarantäneanordnung grundsätzlich für alle aus dem Ausland Einreisenden. Eine über die in § 1 Abs. 4 der Verordnung hinausgehende nach Herkunftsländern weiter differenzierende Lösung ist aus den vorstehenden Erwägungen nicht möglich. Die Alternative wäre nur, von einer Quarantäneregelung insgesamt abzusehen. Dies widerspräche aber dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung vor Eingriffen in ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

II.

Die hilfsweise gestellten Anträge, den Antragsteller bei Vorliegen bestimmter von ihm nachzuweisender Voraussetzungen von der Quarantänepflicht im Wege der einstweiligen Anordnung zu befreien, sind unzulässig. Diese Hilfsanträge betreffen nicht die vorläufige Außervollzugsetzung der streitigen Verordnungsbestimmung. Vielmehr soll sich die spezielle Anwendung der Verordnung auf den Einzelfall des Antragstellers beschränken. Für ein derartiges Begehren ist das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht statthaft. Darauf gerichteter vorläufiger Rechtsschutz könnte nur nach § 123 Abs. 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht gewährt werden (vgl. Beschl. des Senats v. 13.05.2020 - 3 MR 27/20 -). Das angerufene Oberverwaltungsgericht ist dafür hingegen nicht zuständig.

Darüber hinaus ist der Antragsgegner diesbezüglich nicht passivlegitimiert. Gemäß § 4 der Verordnung sind für ihren Vollzug, mithin auch für die Entscheidung über Ausnahmen von der Quarantäne gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung nicht der Antragsgegner, sondern die örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte (vgl. § 10 GDG) zuständig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).