OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2003 - 4 W 138/03
Fundstelle
openJur 2012, 40354
  • Rkr:

1. Mit der Zweckbestimmung eines Teileigentums als "Laden" lassen sich weder der Betrieb einer Pizzeria/Pizza-Bringdienst noch der Betrieb einer Gaststätte vereinbaren.2. Selbst wenn - im vorliegenden Fall streitig - durch widerspruchslose langjährige Duldung eines Pizza-Bringdienstes dagegen gerichtete Unterlassungsansprüche verwirkt wären, gilt dies nicht für den Fall der Umstellung des Betriebes auf eine Gaststätte mit einem umfassenden internationalen Speiseangebot.3. Der auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung in Anspruch genommene Teileigentümer trägt die volle Beweislast für die Voraussetzungen einer Verwirkung. Behaupten die anderen Eigentümer, der Verpflichtete habe die Einstellung der zweckwidrigen Nutzung nach dem Auslaufen des gegenwärtigen Pachtvertrages zugesagt und deshalb hätten sie von der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches abgesehen, so muss dies der Verpflichtete widerlegen, wenn die anderen Eigentümer den Unterlassungsanspruch aus Anlass der Neuverpachtung an einen anderen Pächter (der hier den Betrieb ausgeweitet hat) geltend machen.4. Verantwortlich für die Beseitigung eigenmächtiger baulicher Veränderungen ist der im Zeitpunkt der Baumaßnahme eingetragene Wohnungseigentümer als Handlungsstörer. Die Haftung geht nicht auf den (Sonder-)Rechtsnachfolger im Wohnungseigentum über.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 29. Juli 2003 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 24. September 2002 - 71 II 179/02 - teilweise geändert.

Dem Antragsgegner wird untersagt, in seinem Teileigentum im Erdgeschoss links des Hauses ... (eingetragen im Grundbuch von ... Blatt ...) einen Restaurationsbetrieb (Gaststätte, Pizzeria, Café, Eisdiele) zu unterhalten oder unterhalten zu lassen. Ihm wird eine Frist von neun Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses gewährt, innerhalb der er im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren darauf hinzuwirken hat, dass der Mieter die unzulässige Nutzung des Teileigentums schon vor Ablauf des Mietverhältnisses unterlässt. Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts ... zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die weitere Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten aller drei Instanzen tragen die Antragsteller 20 % und der Antragsgegner 80 %. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Geschäftswert des Verfahrens über die weitere Beschwerde: 6.000 EUR.

Gründe

Die weitere Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die unter 2.) des Tenors des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts ausgesprochene Verpflichtung zur Beseitigung baulicher Veränderungen richtet. Soweit dagegen der Antragsgegner sich gegen seine Verurteilung zur Unterlassung der Nutzung seines Teileigentums als Restaurationsbetrieb wendet, hält der angefochtene Beschluss seinen Angriffen stand.

I.

Die Antragsteller zu 1 und der Antragsgegner sind Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft. Sie streiten darum, ob der Antragsgegner sein Eigentum für Zwecke eines Restaurationsbetriebes nutzen darf und dafür ohne ausdrückliche Genehmigung der Gemeinschaft angebrachte bauliche Veränderungen (Lüftungsanlage durch einen unbenutzten Schornstein, Werbeschilder, Alarmanlage, Veränderungen an Fenstern) beseitigen muss. In der Teilungserklärung ist das von dem Antragsgegner am 1. Januar 1994 erworbene Teileigentum wie folgt bezeichnet:

"Teileigentum an der im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Wohnung, bestehend aus einem dreiteiligen Ladenraum und vier weiteren Räumen."

Schon unter den Vorgängern des Antragsgegners bzw. deren Mietern wurden die Räume des betreffenden Teileigentums seit Errichtung der Anlage Anfang der 80er Jahre als Café, Werbeagentur, Billard-Lokal und seit dem 1. Oktober 1992 als Pizzeria/Pizza-Bringdienst genutzt. Der Antragsgegner ist bei Erwerb des Teileigentums in dem Mietvertrag über die Pizzeria/Pizza-Bringdienst eingetreten. Die Antragsteller halten die Nutzung der Räumlichkeiten für diese Zwecke für unzulässig. Dies verstoße gegen die Beschreibung in der Teilungserklärung. Auch wenn sie von einer gerichtlichen Geltendmachung abgesehen hätten, hätten sie schon seit der Nutzung der Räumlichkeiten für eine Pizzeria sich gegenüber dem Vorgänger des Antragsgegners über Geräusch- und Geruchsbelästigungen beklagt. Beim Erwerb des Teileigentums habe der Antragsgegner gegenüber der Zeugin ... erklärt, nach Ende des laufenden Mietvertrages werde er bei einer anderweitigen Vermietung nicht mehr an eine Pizzeria vermieten. Gleichwohl habe der Antragsgegner die Räumlichkeiten nunmehr anderweitig vermietet und der jetzige Betreiber habe das Angebot erheblich ausgeweitet und aus einer Pizzeria/Pizza- Bringdienst einen umfassenden Restaurationsbetrieb mit vielfältigem internationalen Speisenangebot gemacht. Durch die Lüftungseinrichtung über einen Schornstein würden andere Wohnungseigentümer erheblich belästigt und durch Werbetafeln und Veränderungen an den Fenstern das Äußere des Gebäudes verunstaltet. Diese baulichen Veränderungen müsse der Antragsgegner als Zustandsstörer beseitigen, unabhängig davon, wer sie angebracht habe.

Nach Auffassung des Antragsgegners hält sich die gegenwärtige Nutzung im Rahmen der Bestimmung der Teilungsvereinbarung. Letztlich sei auch ein Pizza-Bringdienst mit einem Laden vergleichbar. Es sei zwar richtig, dass bei der Neuvermietung der gegenwärtige Mieter sein Speisenangebot ausgeweitet habe, weil sich die bisherige Nutzung wirtschaftlich nicht rentiert habe. Gleichwohl würden im Ergebnis nicht mehr Speisen verkauft als früher, wozu er sich auf das Zeugnis des gegenwärtigen Mieters beruft. Zumindest hätten die Antragsteller den Anspruch verwirkt. Dies folge schon aus der langjährigen Nutzung der Räumlichkeiten für Zwecke einer Pizzeria/Pizza-Bringdienst schon vor dem Erwerb des Teileigentums durch den Antragsgegner. Beim Erwerb sei dem Antragsgegner die Teilungserklärung nicht bekannt gewesen. Er habe sich auf die Zulässigkeit der von ihm vorgefundenen Nutzung verlassen können, zumal - unstreitig - der Verwalter der Veräußerung an ihn in Kenntnis des bestehenden Mietvertrages zugestimmt habe. Der Antragsgegner bestreitet, dass sich die Antragsteller mit Beschwerden gegen den Betrieb gewandt hätten; es sei unrichtig, dass er eine Änderung der Nutzung nach Ablauf des damals bestehenden Mietvertrages zugesagt habe. Die baulichen Veränderungen brauche er nicht zu beseitigen, denn auch diese seien schon während der Eigentumszeit seiner Vorgänger angebracht worden.

Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Zwar liege die Nutzung der Räumlichkeiten für Zwecke einer Pizzeria oder eines Restaurationsbetriebes nicht im Rahmen der Bezeichnung als "Laden" in der Teilungserklärung. Die Antragsteller hätten jedoch ihr Abwehrrecht verwirkt, weil sie gegen die vereinbarungsfremde Nutzung über viele Jahre schon vor dem Erwerb des Teileigentums durch den Antragsgegner nicht vorgegangen seien. Die Ausweitung des Speisenangebotes sei nicht erheblich. Wenn die Antragsteller die Nutzung der Räumlichkeiten für Zwecke eines Restaurationsbetriebes dulden müssten, könnten sie auch nicht die Beseitigung damit zusammenhängender baulicher Anlagen verlangen.

Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht in vollem Umfang entsprochen. Es ist hinsichtlich der Unzulässigkeit der Nutzung eines "Ladens" für Zwecke eines Restaurationsbetriebes der Argumentation des Amtsgerichts gefolgt, hat jedoch im Gegensatz dazu die Voraussetzungen einer Verwirkung für nicht gegeben angesehen. Insbesondere hat das Landgericht auch darauf abgestellt, dass es sich nach einem Ortstermin von einer wesentlichen Ausweitung des Restaurationsbetriebes durch den neuen Pächter überzeugt habe. Von den baulichen Veränderungen gingen erhebliche Belästigungen der anderen Wohnungseigentümer aus; diese müsse der Antragsgegner als Zustandsstörer beseitigen.

Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der frist- und formgerecht eingelegten weiteren Beschwerde. Er begehrt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses und macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen einer Verwirkung verneint. Dazu wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Angesichts der Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung an ihn sei der Vertrauenstatbestand der Verwirkung erfüllt, zumal der Erwerb der Räumlichkeiten für andere Nutzungszwecke für ihn aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage gekommen wäre. Dass die Antragsteller vor dem anhängigen Rechtsstreit die Nutzung der Räumlichkeiten beanstandet hätten, bestreite der Antragsgegner nach wie vor; zumindest habe das Landgericht die von den Antragstellern genannte Zeugin ... für die nach wie vor bestrittene Behauptung vernehmen müssen, der Antragsgegner habe eine Änderung der Nutzung nach Ablauf des damaligen Mietvertrages zugesagt. Für die Beseitigung von ihm nicht geschaffener baulicher Anlagen hafte er nicht.

Im Übrigen habe der Antragsgegner mit dem gegenwärtigen Mieter einen langfristigen Mietvertrag geschlossen und könne deshalb aus Rechtsgründen der Unterlassungspflicht nicht nachkommen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Landgerichts ... vom 29. Juli 2003 aufzuheben und den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 24. September 2002 aufrecht zu erhalten sowie die Kosten des Rechtsstreits den Antragstellern aufzuerlegen.

Die Antragsteller beantragen,

die sofortige weitere Beschwerde abzuweisen.

Sie verteidigen die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Für die Beseitigung der baulichen Anlagen hafte der Antragsgegner als Zustandsstörer, zumal er die Räumlichkeiten in dem vorhandenen Zustand vermietet habe und sich deshalb diesen Zustand auch zurechnen lassen müsse. Im Übrigen müsse der Antragsgegner gegen seinen Mieter zur Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse vorgehen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

1. Mit Recht hat das Landgericht ausgesprochen, dass die Antragsteller vom Antragsgegner die Unterlassung der Nutzung der Räumlichkeiten für Zwecke eines Restaurationsbetriebes verlangen können.

a) Mit Recht haben sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht erkannt, dass die in der Teilungsvereinbarung festgelegte Nutzung der Räumlichkeiten als "Laden" nicht die Nutzung für Zwecke eines wie auch immer gearteten Restaurationsbetriebes zulässt. Dies entspricht der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht (BayObLG WuM 1993, 558; NZM 1998, 335; vgl. zur Unzulässigkeit der Nutzung eines "Ladens als Sportstudio" aus jüngerer Zeit OLG Schleswig NZM 2003, 483). Auch der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung zur Unvereinbarkeit der Nutzung eines als "Laden" bezeichneten Eigentums für Zwecke einer Gaststätte bereits angeschlossen (Beschluss vom 8. Juli 1999 - 4 W 44/1990 -). Die in der Teilungserklärung festgeschriebene Bezeichnung als "Laden" enthält eine Zweckbestimmung nach § 15 Abs. 1 WEG, die dem Recht des Antragsgegners aus § 13 Abs. 1 WEG vorgeht, die Räumlichkeiten nach Belieben nutzen zu können. Die Auslegung der Zweckbestimmung "Laden" in der Teilungserklärung richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten und hat auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung des Erklärten ergibt (BGH NJW 1993, 1329). Der Begriff "Laden" enthält keine gewerbliche Nutzung, die mehr als ein Laden stört oder beeinträchtigt. Dies ist aber bei einer Gaststätte schon aufgrund weiter reichender Öffnungszeiten am Abend und am Wochenende der Fall, aber auch deshalb, weil bei einem Gaststättenbetrieb im Verhältnis zum Ladengeschäft mit vermehrten Geruchsentwicklungen und einem andersartigen Publikumsverkehr zu rechnen ist (OLG Köln NJW-RR 1995, 851; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 146). Die von den Vorinstanzen insoweit vertretene Auslegung enthält entgegen den Angriffen der weiteren Beschwerde keine Rechtsfehler.

Das Landgericht hat auch verfahrensfehlerfrei davon abgesehen, durch eine Beweisaufnahme dem Streit der Parteien darüber nachzugehen, in welchem Umfang die Behauptungen der Antragsteller über von dem Restaurationsbetrieb ausgehende Geräusch- und Geruchsbelästigungen zutreffen. Bei der Frage, ob sich eine Nutzung im Rahmen der in der Teilungsvereinbarung festgelegten Zweckbestimmung hält, ist nämlich von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen (herrschende Meinung, z.B. BayObLG NZM 2001, 137, 138). Es ist deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich, ob der gegenwärtige Betreiber des Restaurationsbetriebes noch nach 22:00 Uhr Fleisch klopft oder nicht.

b) Gegen eine der in der Teilungsvereinbarung festgeschriebenen Zweckbestimmung zuwider laufende Nutzung können die anderen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft den Eigentümer des betreffenden Wohnungseigentums auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Das gilt auch für den Fall, dass der betreffende Wohnungseigentümer die Räumlichkeiten vermietet hat (BayObLG NZM 2001, 137, 138). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners scheitert der Unterlassungsanspruch auch nicht etwa an dem von ihm vorgetragenen Gesichtspunkt der Unmöglichkeit der Durchsetzung gegenüber dem Mieter. Der Antragsgegner hat zur Stützung dieses Gesichtspunktes lediglich den langfristigen Mietvertrag vorgelegt. Daraus folgt indessen nicht, dass dem Antragsgegner die Beendigung dieses Mietvertrages zu einem früheren Zeitpunkt unmöglich wäre. Auch ein langfristiger Mietvertrag kann bekanntlich im Wege einer Aufhebungsvereinbarung vorzeitig einverständlich beendet werden. Sofern der Mieter von sich aus nicht ohne weiteres dazu bereit wäre, wäre es zunächst Aufgabe des Antragsgegners, den Mieter z.B. durch das Angebot auch hoher Abfindungszahlungen zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses zu bewegen. Der Antragsgegner, der bisher den Unterlassungsanspruch ja auch aus anderen Gründen bekämpft, trägt nicht vor, dass er überhaupt versucht hätte, auf diese - oder andere - Weise eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses herbeizuführen. Schon deshalb hat das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass dieser Gesichtspunkt der Durchsetzung des Unterlassungsanspruches nicht entgegensteht. Der Senat sieht bei dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keinen Anlass zu Hinweisen in der Richtung, bis zu welcher Höhe dem Antragsgegner beispielsweise Abfindungszahlungen an den Mieter zumutbar wären. Die Schwelle ist jedenfalls einigermaßen hoch, denn es kann nicht sein, dass sich ein Wohnungseigentümer der Verantwortung für eine unzulässige Nutzung seines Eigentums dadurch entzieht, dass er langfristig vermietet.

c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch verneint, dass der Unterlassungsanspruch verwirkt wäre.

Beide Vorinstanzen haben in dieser Frage den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt angenommen: Eine Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Gegenstand der Verwirkung können auch einzelne Ansprüche aus einem dinglichen Recht sein. Für die Unterlassungsansprüche gilt dies jedenfalls dann, wenn die Rechtsverletzung - wie im vorliegenden Fall die Nutzung des Ladens als Gaststätte - auf einem bestimmten abgeschlossenen Eingriff beruht (BayObLG NJW-RR 1991, 1041; WuM 1993, 558, 557). Ist ein Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB gegen einen Wohnungseigentümer verwirkt, so wirkt dies auch für und gegen den Sondernachfolger (BayObLG a.a.O., ebenfalls für einen Fall der Nutzung eines Ladens als Gaststätte).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat indessen das Landgericht zutreffend angenommen, dass sich der Antragsgegner im vorliegenden Fall gegenüber dem Unterlassungsanspruch der Antragsteller nicht auf Verwirkung berufen kann.

aa) Dem steht zum einen schon der vom Landgericht mit Recht hervorgehobene Umstand entgegen, dass im Zuge der neuen Vermietung eine beträchtliche Änderung der Nutzung eingetreten ist. Selbst wenn man einmal zugunsten des Antragstellers unterstellen würde, dass der Anspruch der Antragsteller gegen die Nutzung des Ladens im Rahmen des früheren Betriebes durch langjährige Duldung verwirkt wäre, konnten sich die Wirkungen der Duldung der Antragsteller nur auf den damaligen Zustand beziehen. Ein gegebenenfalls auch konkludent erteiltes Einverständnis mit einer an sich zweckwidrigen Nutzung kann Rechtswirkungen immer nur für die den Antragstellern bekannte Art der Nutzung entfalten und wäre im Fall einer nicht vorhergesehenen Ausweitung der Nutzung widerruflich (OLG Köln NJW-RR 1995, 851; OLG Köln ZMR 1997, 47). Denn § 242 BGB als Grundlage der Verwirkung knüpft an den Gesichtspunkt von Treu und Glauben an. Aus der Hinnahme einer bestimmten, aus Sicht der Wohnungseigentümer vielleicht aber noch verträglichen zweckwidrigen Nutzung ergibt sich auch mit Rücksicht auf Treu und Glauben kein Vertrauenstatbestand auf eine beträchtliche Ausweitung dieser Nutzung. Der Volksmund pflegt dies mit der Redewendung auszudrücken, dass man nicht die ganze Hand nehmen darf, wenn einem der kleine Finger gereicht wird. Es versteht sich auch sonst von selbst, dass erst erhebliche Ausweitungen einer bisher hingenommenen Beeinträchtigung Anlass sein können, gegen einen Störer tätig zu werden (vgl. z.B. OLG Köln ZMR 1997, 47: Wenn ein vor vielen Jahren gepflanzter Baum schließlich so hoch wächst, dass er den Bewohnern oberer Etagen Licht und Sicht raubt, steht dem Beseitigungsverlangen nicht entgegen, dass in früherer Zeit mit dem Hochwachsen des Baumes gerechnet werden musste).

Eine solche wesentliche Veränderung des Gaststättenbetriebes hat das Landgericht aber verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat sich bei dem Ortstermin durch Vergleich der Speisekarten von einem grundlegenden Wandel des Gaststättenbetriebes überzeugt. Die Angriffe der weiteren Beschwerde gegen die Tatsachenfeststellung des Landgerichts, an die der Senat im Rahmen des Verfahrens über die weitere Beschwerde gebunden ist, gehen aber auch schon deshalb fehl, weil der Antragsgegner selbst eine solche wesentliche Änderung des Geschäftsbetriebes nicht nur eingeräumt, sondern ausdrücklich vorgetragen hat. So heißt es im Schriftsatz des Antragsgegners vom 9. Januar 2003 auf Seite 4 (Bl. 136 d.A.), dass nach Übernahme des Pizza-Bringdienstes durch den jetzigen Mieter die Geschäfte schleppend und schlecht gelaufen seien und dass der Mieter versucht habe, dem durch Erweiterung seines Speisenangebots entgegenzutreten. Damit räumt der Antragsgegner selbst eine wesentliche Veränderung der geschäftlichen Nutzung ein. Ferner hat der Antragsgegner selbst die bisher betriebene "Pizzeria" im Wesentlichen als einen "Pizza-Bringdienst" beschrieben, und zwar noch in der Begründung der weiteren Beschwerde. Auch wenn die Nutzung eines "Ladens" zum Zwecke eines "Pizza-Bringdienstes" aus den o. g. Gründen unzulässig wäre, so stünde doch ein bloßer Pizza-Bringdienst einem Laden noch näher, als ein Gaststättenbetrieb mit umfassendem Speisenangebot. Insofern vermögen die Angriffe der weiteren Beschwerde die Tatsachenfeststellung des Landgerichts über eine wesentliche Veränderung der Nutzung durch den jetzigen Betreiber nicht nur nicht zu erschüttern, sondern bestätigen diese geradezu. Dabei kommt es aus dem schon genannten Grunde, dass nämlich auf eine typisierende Betrachtung abzustellen ist, nicht darauf an, ob sich die Menge oder der Wert der insgesamt von dem Mieter verkauften Speisen verändert hat. Denn für die Beurteilung der Frage, ob sich der Charakter des Betriebes von einem Pizza-Bringdienst in einen umfassenden Restaurationsbetrieb geändert hat, ist die gewerbliche Zielbestimmung und nicht der wirtschaftliche Erfolg maßgeblich. Das Landgericht hat daher fehlerfrei davon abgesehen, dem darauf bezogenen Beweisantritt des Antragsgegners nachzugehen.

Nach alledem hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass die Antragsteller nicht mit der Rechtsfolge einer Verwirkung i.S. v. § 242 BGB treuwidrig handeln, wenn sie die wesentliche Änderung des Geschäftsbetriebes zum Anlass nehmen, nunmehr den Unterlassungsanspruch geltend zu machen, auch wenn sie sich mit der früheren Nutzung abgefunden haben sollten.

Die Frage, ob der Unterlassungsanspruch möglicherweise dahin zu beschränken wäre, dass die Antragsteller die frühere Nutzung weiterhin zu dulden hätten, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Zum einen hat der Antragsgegner selbst nicht zu erkennen gegeben, dass er an einer solchen Fortführung der früheren Nutzung überhaupt Interesse hätte. Denn er macht ja gerade geltend, dass ihm aufgrund des jetzigen Mietvertrages die Hände gebunden seien. Zum andern aber stellt sich diese Frage schon deshalb nicht, weil aus den folgenden Gründen die Voraussetzungen einer Verwirkung des Anspruchs auch für die frühere Zeit vom Landgericht mit Recht verneint worden sind.

bb) Wie im rechtlichen Ausgangspunkt auch der Antragsgegner nicht bezweifelt, setzt Verwirkung neben dem Zeitmoment das sog. Umstandsmoment voraus, d.h. Umstände, aufgrund derer der Antragsgegner darauf vertrauen durfte, dass die Antragsteller die frühere Nutzung der Räumlichkeiten als Pizzeria/Pizza- Bringdienst hinnehmen würden. Für die Voraussetzungen der Verwirkung ist der Antragsgegner darlegungs- und beweispflichtig, denn es handelt sich hierbei um eine den grundsätzlich gegebenen Unterlassungsanspruch der Antragsteller vernichtende Einwendung. Im Rahmen der Darlegungslast müssten zwar die Antragsteller darlegen, dass und wie sie den Anspruch verfolgt haben, um etwaigen Rechtsfolgen aus stillschweigender Hinnahme eines rechtswidrigen Zustandes zu entgehen. Wenn sie aber solche Umstände dargelegt haben, müssen nicht sie diese Umstände beweisen, sondern müsste vielmehr der Antragsgegner im Rahmen der ihm grundsätzlich obliegenden Beweislast solche Umstände widerlegen (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 242, Rn. 97). Die Antragsteller haben stets bestritten, die frühere Nutzung als Pizzeria/Pizza-Bringdienst widerspruchslos hingenommen zu haben. Sie haben darüber hinaus ihrerseits unter Beweisantritt behauptet, dass der Antragsgegner bei Erwerb der Räumlichkeiten sogar ausdrücklich zugesagt hat, nach Ablauf des seinerzeit laufenden Mietvertrages bei einer Neuvermietung auf eine andere Nutzung hinzuwirken. Damit haben die Beklagten substantiiert einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem sich ein etwaiges Vertrauen des Antragsgegners auf eine Fortführung der seinerzeitigen Nutzung lediglich auf einen vorübergehenden Zeitraum bezog und dass die Antragsteller nur mit Rücksicht auf das bevorstehende Ende des Mietvertrages von weiteren Schritten absehen wollten. Es wäre deshalb Sache des Antragsgegners gewesen, diese Behauptung der Antragsteller zu widerlegen. Es genügte deshalb nicht, dass der Antragsgegner lediglich das Vorbringen der Antragsteller bestritten hat, schon zu Zeiten der Vorgänger des Antragsgegners und auch gegenüber dem Antragsgegner selbst sich gegen die Nutzung der Räumlichkeiten ausgesprochen zu haben. Vielmehr hätte der Antragsgegner Beweis antreten müssen. Der Angriff der weiteren Beschwerde, das Landgericht hätte zumindest den von den Antragstellern angetretenen Beweis erheben müssen, verkennt deshalb die Beweislast.

Zu Unrecht beruft sich in diesem Zusammenhang der Antragsgegner darauf, dass aus der Zustimmung des Verwalters zu dem Erwerb des Wohnungseigentums durch den Antragsgegner in Kenntnis des seinerzeitigen Mietvertrages ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre. Es ist bereits entschieden, dass sich Wohnungseigentümer eine etwaige Zustimmung des jeweiligen Verwalters zum Betrieb von Ladenräumen als Gaststätte nicht zurechnen lassen müssen. Die nach der Gemeinschaftsordnung erforderliche Zustimmung des Verwalters zur mietweisen Überlassung der Räume an Dritte hat lediglich den Zweck, ein Eindringen unzuverlässiger Wohnungseigentümer in die Gemeinschaft zu verhindern (BayObLG, WuM 1993, 558, 559). Bei einer solchen Zustimmung handelte der Verwalter im eigenen Namen, ohne die Wohnungseigentümer selbst dadurch zu binden.

cc) Nach alledem war die weitere Beschwerde hinsichtlich des Unterlassungsanspruches erfolglos. Der Senat hat es bei der vom Landgericht zugebilligten neunmonatigen Übergangsfrist belassen. Er geht dabei davon aus, dass das Landgericht der Sache nach für den Beginn dieser 9-Monats-Frist auf die Rechtskraft der Entscheidung abstellen wollte. Zu einer Vertiefung der Frage, ob dem Antragsgegner überhaupt eine Übergangsfrist zuzubilligen und ob diese möglicherweise zu lang bemessen ist, besteht kein Anlass. Die Antragsteller haben keine Anschlussbeschwerde eingelegt (und im Übrigen im Rahmen ihres Vergleichsangebots, welches der Antragsgegner nicht angenommen hat, sogar zu erkennen gegeben, dass sie notfalls auch mit einer längeren Übergangsfrist einverstanden gewesen wären).

3. Rechtsfehlerhaft hat indessen das Landgericht angenommen, dass der Antragsgegner zur Beseitigung der baulichen Veränderungen verpflichtet wäre. Es ist unstreitig und im Übrigen vom Landgericht aus Anlass des Ortstermins auch ausdrücklich festgestellt worden, dass diese baulichen Veränderungen schon in der Zeit angebracht worden sind, bevor der Antragsgegner das Wohnungseigentum erworben hat. Die Antragsteller haben selbst das Schreiben des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats ...vom 9. April 2002 (Bl. 56 d.A.) vorgelegt, in dem dieser selbst davon spricht, dass schon zu Zeiten des Vorgängers des Antragsgegners, ..., die baulichen Maßnahmen durch den Mieter/Pächter ... angebracht worden sind. Dann aber haftete der Antragsgegner entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht für die Beseitigung dieser baulichen Maßnahmen. Es entspricht der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung zum Wohnungseigentum, dass ein solcher Rückbau nur durch den Veranlasser geschuldet wird, d.h., dass der Anspruch gegen denjenigen geltend zu machen ist, während dessen Eigentumszeit die baulichen Maßnahmen veranlasst worden sind (KG NJW-RR 1991, 1421 = WuM 1991, 516). Verantwortlich für die Rückgängigmachung eigenmächtiger baulichen Veränderungen ist der im Zeitpunkt der Baumaßnahmen eingetragene Wohnungseigentümer. Die Haftung geht nicht auf den Rechtsnachfolger im Wohnungseigentum über. Hintergrund dieser feststehenden Rechtsprechung ist der Gedanke, dass eine Rechtsnachfolge in Wiederherstellungsansprüche aus Handlungsstörung nicht anzuerkennen ist, weil es an einer gesetzlichen Überleitung von Verbindlichkeiten aus Rechtsverstößen eines Rechtsvorgängers auf den Nachfolger im Wohnungseigentum fehlt (ebenso BayObLG WE 1998, 276; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 22, Rdnr. 266; a.A. Deckert WE 1997, 97). Anders liegt es lediglich bei Gesamtrechtsnachfolge.

Hinsichtlich des Beseitigungsverlangens musste es also bei der Entscheidung des Amtsgerichts verbleiben, so dass insoweit die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Quotelung bei den Gerichtskosten beruht auf der Erwägung, dass der Unterlassungsanspruch im wirtschaftlichen Gewicht des Rechtsstreits weit überwiegt. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten soll es bei der gesetzlichen Regelung verbleiben.