OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2020 - Kart 6/19 (V)
Fundstelle
openJur 2020, 5994
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 13. September 2019 - B1-100/10 - eingelegten Beschwerde anzuordnen, wird zurückgewiesen.II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin - Betroffene zu 9. - ist Inhaberin der Marke X.1. Sie erteilt weltweit Lizenzen für die Herstellung und den Vertrieb von unter der genannten Marke gefertigten Trockenbaustoffen; bei diesen handelt es sich insbesondere um Mörtel, Putze, Betone, Estriche, Grundierungen sowie Ergänzungsprodukte, die in Zusammenhang mit den Gewerken Mauerwerk, Fassade, Innenwand/Decke, Böden, Fliesen und Platten, Garten- und Landschaftsbau sowie Betonbau verwendet werden.

Die Betroffene zu 1. ist die Lizenznehmerin der Antragstellerin für ganz Europa; ihre Geschäfte werden durch ihre Komplementärin, die Betroffene zu 2., geführt. Der Unternehmensgegenstand der Betroffenen zu 1. bestimmt sich durch die Herstellung und Vermarktung von X.-Trockenbaustoffen sowie die Vergabe von Unterlizenzen und die Kontrolle der Herstellung von X.-Trockenbaustoffen durch Lizenznehmer im europäischen Raum. Für das Bundesgebiet hat die Betroffene zu 1. hinsichtlich insgesamt dreizehn Lizenzregionen Unterlizenzen an die Betroffenen zu 3., 4., 5., 7. und 10. vergeben. Mit Ausnahme der Betroffenen zu 10. sind diese Lizenznehmerinnen zugleich als Kommanditistinnen an der Betroffenen zu 1. und als Gesellschafterinnen an der Betroffenen zu 2. beteiligt. Weitere Kommanditistinnen der Betroffenen zu 1. und Gesellschafterinnen der Betroffenen zu 2. sind die Betroffenen zu 6. und 8. und die Antragstellerin. Mit jeweils ... % die größten Kommanditanteile an der Betroffenen zu 1. bzw. Gesellschaftsanteile an der Betroffenen zu 2. hält die Betroffene zu 3., die zu 100 % eine Tochtergesellschaft der L. ist und zu dieser Unternehmensgruppe (fortan: L. oder L.-Gruppe) gehört. Neben der Betroffenen zu 3. sind auch weitere L.-Gesellschaften in Wettbewerb mit der Betroffenen zu 1. bzw. deren Unterlizenznehmerinnen auf Märkten für Trockenbaustoffe tätig; die L.-Gruppe erzielte im Jahr 2018 einen Umsatz in Höhe von etwa ... Mrd. Euro.

Neben der Vergabe von X.-Unterlizenzen nimmt die Betroffene zu 1. für ihre Lizenznehmerinnen und Kommanditistinnen weitere Aufgaben wahr:

In Bezug auf die von ihren X.-Lizenznehmerinnen hergestellten Produkte betreibt allein die Betroffene zu 1. einen exklusiven Handel mit inländischen Baumarktketten; dies betrifft sowohl X.-Markenprodukte als auch von den Baumärkten unter Eigenmarken oder ohne Marke vertriebene Waren. Für den Handel mit Baumarktketten lässt sich die Betroffene zu 1. von ihren Lizenznehmerinnen beliefern; diese nehmen an dem vorbezeichneten Handel selbst nicht teil, nehmen aber im Rahmen wiederkehrender Geschäftsführersitzungen durch Beschlussfassungen auf die Bildung der Preise Einfluss, die die Betroffene zu 1. im Baumarkthandel verlangt.

Bei dem Vertrieb von X.-Produkten an den Baustofffachhandel bzw. dessen Einkaufskooperationen schließt die Betroffene zu 1. im Auftrag ihrer inländischen Lizenznehmerinnen Rahmenverträge ab und vereinbart zu Gunsten der Lizenznehmerinnen rechnungs- sowie bonusrelevante Grundkonditionen. Die Unterlizenznehmerinnen beliefern die einzelnen Baustoffhändler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, wobei sie die Warenpreise (und weitere Lieferkonditionen) mit diesen Händlern verhandeln.

Darüber hinaus unterstützt die Betroffene zu 1. ihre X.-Lizenznehmerinnen bei dem Vertrieb solcher Trockenbaustoffe an die Baustoffhändler, die von diesen jeweils über die Vermittlung durch Zentralen über bundesweite Ausschreibungen eingekauft und sodann unter Eigenmarken weiterveräußert werden. Insoweit übernimmt die Betroffene zu 1. die Koordinierung bei der Bildung ausschreibungsbezogener Bietergemeinschaften unter ihren Unterlizenznehmerinnen und zu Gunsten der Letztgenannten das Verhandeln von Preisen und Konditionen mit dem Baustoffhandel.

Das Bundeskartellamt hält die vorbezeichneten Aktivitäten der Betroffenen zu 1. im Ergebnis für kartellrechtswidrig. Mit Beschluss vom 13. September 2019 hat es nach §§ 1, 32 GWB der Betroffenen zu 1. unter Einräumung einer Abstellungsfrist bis zum 31. März 2020 untersagt, nach diesem Tag (1.) die von den Betroffenen zu 3. bis 5., 7. und 10. hergestellten Produkte unter der Marke X.1, unter Eigenmarken von Baumarktketten oder als markenlose (neutrale) Ware im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an inländische Baumarktketten zu vertreiben, (2.) im Auftrag der Betroffenen zu 3. bis 5., 7. und 10. mit dem Baustoffhandel oder dessen Einkaufskooperationen gültige rechnungsrelevante Grundkonditionen (Zahlungsziele, Skonti, Grundboni, Zahlungsarten) sowie bonusrelevante Grundkonditionen (Boni für Sack- und Siloware, Leistungsboni auf Gesellschafterebene, Werbekostenzuschüsse, EDI-Boni) für den Vertrieb von X.-Produkten zu vereinbaren und (3.) den Vertrieb der von den Betroffenen zu 3. bis 5., 7. und 10. hergestellten Produkte, die vom Baustoffhandel unter seinen Eigenmarken weitervertrieben werden, durch die Koordinierung von Bietergemeinschaften unter den Betroffenen zu 3. bis 5., 7. und 10. zur Teilnahme an bundesweiten Ausschreibungen sowie durch die Übernahme von Preis- und Konditionenverhandlungen mit den Zentralen der Baustoffhändler zu unterstützen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Bundeskartellamt im Wesentlichen ausgeführt: Den abzustellenden Geschäftstätigkeiten lägen Vereinbarungen zwischen Unternehmen zu Grunde, die im Sinne von § 1 GWB eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs bezweckten und bewirkten. Die Wettbewerbsbeschränkung liege insbesondere darin, dass die Betroffene zu 1. auf nach näherer Maßgabe der Abstellungsverfügung abzugrenzenden (bundesweiten) Märkten für den Absatz einzelner Trockenbaustoffe an Baumärkte bzw. an Baustofffachhändler als Vertriebssyndikat ihrer inländischen Unterlizenznehmerinnen agiere. Dies gelte vor allem für den allein von der Betroffenen zu 1. betriebenen Absatz der von ihren Unterlizenznehmerinnen unter Ausnutzung der jeweiligen Lizenz gefertigten Produkte an Baumärkte und auch für das Eigenmarkengeschäft mit den Einkaufszentralen der Baustofffachhändler. Die Verhaltenskoordinierung der am deutschen X.-Lizenzsystem beteiligten Unternehmen im Vertriebsbereich führe zu schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere zu einer Beschränkung des Preis- und Konditionenwettbewerbs in den Bereichen des Vertriebs der verfahrensrelevanten Produkte an inländische Baumärkte bzw. an inländische Baustofffachhändler. Die Voraussetzungen für eine Freistellung der streitbefangenen Vertriebstätigkeiten seien hinsichtlich keiner denkbaren Freistellungsvorschrift erfüllt. Insbesondere könne auch von einer Freistellung der streitbefangenen Aktivitäten als Mittelstandskartell im Sinne des § 3 GWB nicht (mehr) ausgegangen werden. Die im Rahmen des deutschen X.-Lizenzsystems in Bezug auf die streitgegenständlichen Vertriebstätigkeiten zwischen miteinander in Wettbewerb stehenden Unternehmen getroffenen Vereinbarungen hätten zwar größtenteils die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand. Jedoch werde durch diese Vereinbarungen der Wettbewerb auf den meisten betroffenen Märkten wesentlich beeinträchtigt. Von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs sei, jedenfalls bei Absprachen über wesentliche Wettbewerbsparameter wie die Festsetzung von Verkaufspreisen, Rabatte oder sonstige Preisbestandteile, in der Regel bei einem kartellierten Marktanteil von 10-15 % auszugehen; diese Marktanteilsgrenze werde vorliegend von der Gesamtheit der am deutschen X.-Lizenzsystem beteiligten Unternehmen im Baumarktgeschäft fast durchweg und im Geschäft mit Baustofffachhändlern überwiegend und zum Teil sehr deutlich überschritten. Dies sei vor allem auf die Beteiligung der zur L.-Gruppe gehörenden Betroffenen zu 3. am X.-Lizenzsystem zurückzuführen, bei der es sich im Gegensatz zu den übrigen an diesem System beteiligten Unternehmen nicht um ein kleines oder mittleres Unternehmen handele. Ohne Berücksichtigung der Marktanteile der L.-Gruppe, die indes geboten sei, würden - so das Amt - die Marktanteile der übrigen am X.-Verbund beteiligten Unternehmen auf den meisten der betroffenen Märkte unterhalb 15 % liegen und würde eine Tolerierung der die Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. betreffenden Vereinbarungen als Mittelstandskartell nach § 3 GWB in Betracht kommen. Eine Freistellung der streitbefangenen Vereinbarungen komme auch nicht unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten in Betracht. Einer Freistellung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 GWB stehe entgegen, dass Freistellungsverordnungen im Sinne des § 2 Abs. 2 GWB vorliegend nicht einschlägig seien und die Vereinbarungen den beteiligten Unternehmen Möglichkeiten eröffneten, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Dadurch, dass die Betroffene zu 3. auf Grund ihrer Beteiligung am deutschen X.-Lizenzsystem und zudem ihrer Stellung als Gesellschafterin der Betroffenen zu 2. (Komplementärin der Betroffenen zu 1.) über wettbewerbsrelevante Informationen über die Geschäftstätigkeit der Betroffenen zu 1. und des gesamten X.-Verbundes verfüge, werde der Wettbewerb nicht nur innerhalb dieses Verbundes, sondern auch zwischen dem X.-Verbund und der L.-Gruppe beschränkt. Die zum Zwecke der Abstellung des Kartellverstoßes tenorierten Untersagungsanordnungen gegen die Betroffene zu 1. seien verhältnismäßig. Mit der Einstellung der vertriebsbezogenen Tätigkeiten der Betroffenen zu 1. werde das deutsche X.-Lizenzsystem nicht zwangsläufig beendet, es verblieben den an diesem beteiligten Unternehmen hinreichende Möglichkeiten, das gegenwärtige X.-Vertriebssystem ohne unzumutbaren zeitlichen oder finanziellen Aufwand kartellrechtskonform umzugestalten. Die verhaltensbezogenen Anordnungen gegen die Betroffene zu 1. seien auch weniger belastend als eine etwaige strukturelle Maßnahme in Gestalt einer Anordnung des Ausscheidens der Betroffenen zu 3. als Gesellschafterin der Betroffenen zu 1. und 2..

Gegen den Beschluss des Bundeskartellamts hat (neben den Betroffenen zu 1. und 2. auch) die Antragstellerin frist- und formgerecht Beschwerde eingelegt; das Beschwerdeverfahren ist bei dem Senat unter dem Aktenzeichen VI-Kart 5/19 (V) anhängig.

Vorliegend macht die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz geltend. Sie ist der Auffassung, die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamtes sei unter Missachtung des Rechts der Antragstellerin auf rechtliches Gehör ergangen und verstoße zudem in der Sache gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist der Auffassung, zur Abstellung des nach den - von ihr insoweit nicht angegriffenen - Feststellungen des Bundeskartellamts vorliegenden Kartellverstoßes wäre allein erforderlich und geboten, der Betroffenen zu 3. eine weitere Durchführung des Kommanditgesellschaftsvertrags zu untersagen.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.

Das Bundeskartellamt verteidigt seine Entscheidung und beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt einschließlich der Ausführungen in der angefochtenen Amtsentscheidung (fortan auch: AE) Bezug genommen.

II.

Der Eilantrag hat keinen Erfolg.

A. Wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 64 Abs. 1 GWB ergibt, hat die Beschwerde gegen eine auf § 32 Abs. 1 GWB gestützte Abstellungsverfügung keine aufschiebende Wirkung. Das Beschwerdegericht kann allerdings nach § 65 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 GWB auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB) oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Unter keinem dieser Gesichtspunkte erweist sich der vorliegende Eilantrag als begründet.

B. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen nicht.

1. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich zunächst nicht aus formellen Gründen wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. § 56 Abs. 1 GWB konkretisiert den verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensgrundsatz des "rechtlichen Gehörs". Er dient dem Rechts- und Interessenschutz der Beteiligten sowie der Wahrheitsfindung auf Seiten der Kartellbehörde. Untrennbar mit diesem Recht verbunden ist das Informationsrecht der Beteiligten, sich durch Einsichtnahme in die Amtsakten ein Bild vom bisherigen Ermittlungsstand zu machen, sowie die Verpflichtung der Kartellbehörde, die Beteiligten über die mögliche kartellrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes in Kenntnis zu setzen (vgl. dazu Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2: GWB, 5. Aufl. [2014], GWB § 56 Rz. 1, 5). Der Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs stellt einen Verfahrensfehler dar. Eine unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB erlassene Verfügung ist rechtswidrig und unterliegt der Aufhebung nach § 71 Abs. 2 GWB. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Verfahrensfehler durch nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Kartellbehörde gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden ist. Hiernach ist eine Heilung möglich, wenn die unterlassene Anhörung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird (Senat WuW 2016, 81 ff. Rz. 58 bei juris; WuW/E OLG DE-R 1159, 1160 - BASF/NEPG).

Soweit die Antragstellerin rügt, das Bundeskartellamt habe ihr Vorbringen in der Stellungnahme vom 14. August 2019 (Anlage Ast 2, Bl. 118 ff. d.A.) nicht hinreichend in seine Entscheidung mit einbezogen, erscheint bereits zweifelhaft, ob eine Verletzung rechtlichen Gehörs überhaupt gegeben ist. Das Bundeskartellamt hat den Beteiligten mit Schreiben vom 12. Juli 2019 den überarbeiteten Entwurf eines Beschlusses nach § 32 GWB übermittelt, ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juli 2019 gegeben und diese Frist anschließend bis zum 14. August 2019 verlängert (vgl. AE Rz. 68). Aufgrund eines am 15. Juli 2019 sodann erfolgten Akteneinsichtsgesuches des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin übersandte das Bundeskartellamt diesem zunächst eine CD-ROM mit der digitalisierten, um die Geschäftsgeheimnisse der übrigen Verfahrensbeteiligten bereinigten Akte betreffend den Zeitraum 2014 bis zum 26. Juli 2019 (vgl. AE Rz. 69) und sodann auf weiteres Einsichtsgesuch unter dem 12. September 2019 nochmals eine CD-ROM mit den nach dem 26. Juli 2019 zur Akte genommenen Dokumenten (vgl. AE Rz. 72). Sowohl der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin als auch deren geschäftsführender Gesellschafter, Herr B., nahmen jeweils mit Schreiben vom 14. August 2019 zum Beschlussentwurf des Bundeskartellamtes vom 12. Juli 2019 Stellung. Das Bundeskartellamt hat sich auch in der angegriffenen Entscheidung jedenfalls teilweise mit den Argumenten der Antragstellerin auseinandergesetzt. So hat es in seiner Begründung zur Tenorierung und Verhältnismäßigkeit mehrfach auf das Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Schreiben vom 14. August 2019 Bezug genommen und sich mit dessen Argumenten ausdrücklich auseinandergesetzt (vgl. AE Rz. 101, 103 und 105 f.).

Wie die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift selbst zutreffend ausführt, gewährt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, dass sich die Behörde mit jedem einzelnen Argument der Beteiligten auseinandersetzt, auch wenn sie die Auffassung der Beteiligten insoweit nicht teilt oder die Auffassung für fernliegend erachtet (BGH, Beschluss vom 08.03.2016 - KVZ 17/14, Rz. 2 - NZKart 2015, 228). Ob insoweit auch hinsichtlich der von der Antragstellerin als unberücksichtigt gerügten Aspekte ihrer Stellungnahme vom 14. August 2019 eine ausdrückliche Auseinandersetzung hätte erfolgen müssen, kann im Ergebnis dahinstehen. Eine entsprechende Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten kann nämlich auch noch im Rahmen eines sich an das Verwaltungsverfahren anschließenden gerichtlichen Eilverfahrens erfolgen, wenn die Behörde dort die Äußerungen des Beteiligten zum Anlass für eine Prüfung nimmt, ob auch unter ihrer Berücksichtigung die erlassene Verfügung aufrechterhalten werden kann (OVG Münster DVBl 2010, 1243; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2002, 822). Entsprechend verhält es sich hier: das Kartellamt hat sich jedenfalls in seiner Antragserwiderung im hiesigen Verfahren vor dem Senat mit sämtlichen zuvor von der Antragstellerin als unberücksichtigt gerügten Aspekten aus dem Schreiben vom 14. August 2019 auseinandergesetzt und klargestellt, dass diese nach seiner Auffassung zu keiner anderen Entscheidung führen können.

2. Auch aus materiellrechtlichen Gründen bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung nicht. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26. August 2019 - VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495 = WuW 2019, 519, Rz. 21 bei juris - Facebook I; Beschluss v. 12. Juli 2016 - VI-Kart 3/16 (V), NZKart 2016, 380 = WuW 2016, 372, Rz. 42 bei juris - Ministererlaubnis EDEKA/Kaiser´s Tengelmann; Beschluss vom 4. Mai 2016, VI-Kart 1/16 (V), NZKart 2016, 291 = WuW 2016, 378, Rz. 39 bei juris - Enge Bestpreisklausel; Beschluss v. 25. Oktober 2006 - VI-Kart 14/06 (V), WuW/E DE-R 2081, Rz. 6 bei juris - Kalksandsteinwerk; Beschluss v. 8. Mai 2007 - VI-Kart 5/07 (V), WuW/E DE-R 1993, 1994 - Außenwerbeflächen; Beschluss v. 5. März 2007 - VI-Kart 3/07 (V), WuW/E DE-R 1931, 1932, Rz. 12 bei juris - Sulzer/Kelmix; Beschluss v. 23. Oktober 2006 - VI-Kart 15/06 (V), WuW/E DE-R 1869, 1871, Rz. 41 bei juris - Deutscher Lotto- und Totoblock; Beschluss v. 13. April 2005 - VI-Kart 3/05 (V), WuW/E DE-R 1473, Rz. 16 bei juris - Konsolidierer; Beschluss v. 8. Dezember 2003 - VI-Kart 35/03 (V), WuW/E DE-R 1246, 1247 Rz. 7 bei juris - GETEC net; Beschluss v. 27. März 2002 - VI-Kart 7/02 (V), WuW/E DE-R 867, 868 Rz. 12 bei juris - Germania; Beschluss v. 11. April 2001 - VI-Kart 22/01 (V), WuW/E DE-R 665, 666 - Net Cologne I) liegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Sinne von § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB vor, wenn bei einer summarischen Überprüfung die Aufhebung der angefochtenen Verfügung überwiegend wahrscheinlich ist. Ob sich die Bedenken an der Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Verfügung aus tatsächlichen Gründen (z.B. einer unzureichenden Sachaufklärung) oder aus rechtlichen (verfahrens- oder materiellrechtlichen) Erwägungen ergeben, ist unerheblich. Es reicht andererseits nicht aus, wenn die Sach- und Rechtslage bei der gebotenen vorläufigen Beurteilung offen ist.

3. Gemessen hieran bestehen im Streitfall ernstliche Rechtmäßigkeitszweifel nicht, da sich die angefochtene Abstellungsverfügung unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstands bei summarischer Überprüfung im Ergebnis als zutreffend erweist und voraussichtlich Bestand behalten wird.

a. Bedenken begegnet allerdings die vom Bundeskartellamt zur Rechtfertigung seiner die streitbefangenen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. untersagenden Anordnungen gegebene Begründung.

aa. Das Amt geht ausweislich der Gründe seiner Entscheidung davon aus, dass die hier interessierenden Vertriebsvereinbarungen den Tatbestand des Kartellverbots des § 1 GWB erfüllten und nicht als Mittelstandskartell nach § 3 GWB freigestellt seien. Als den maßgeblichen Grund für eine Versagung der in der letztgenannten Vorschrift für bestimmte Fälle der Verhaltenskoordinierung vorgesehenen kartellrechtlichen Privilegierung der betreffenden Unternehmen führt das Amt ausschließlich die Beteiligung der zur L.-Gruppe gehörenden Betroffenen zu 3. an den Vereinbarungen an. Es hält überdies dafür (vgl AE Rz. 93), dass die streitgegenständlichen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. dann unter dem Gesichtspunkt eines Mittelstandskartells würden toleriert werden können, wenn diese nicht auch auf die Betroffene zu 3. bezogen wären bzw. die Betroffene zu 3. an ihnen nicht beteiligt wäre.

bb. Den vorstehenden Erwägungen ist zwar insoweit zuzustimmen, als eine Anwendung des § 3 GWB zu Gunsten der Betroffenen zu 3. ausscheidet. Das Bundeskartellamt geht ausweislich der Gründe seiner Entscheidung davon aus, dass es sich bei der Betroffenen zu 3. mit Rücksicht auf den im Horizontalverhältnis zu ihren Wettbewerbern erzielten Gesamtumsatz der L.-Gruppe nicht um ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) im Sinne der genannten Privilegierungsnorm handele; diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (zur Maßgeblichkeit einer horizontalen Betrachtung vgl. im Einzelnen Immenga/Mestmäcker-Fuchs, GWB § 3 Rzn. 45 ff. m.w.N.). Einer Begünstigung der Betroffenen zu 3. durch § 3 GWB dürfte vor diesem Hintergrund bereits entgegenstehen, dass die privilegierte Teilnahme eines Großunternehmens an einer Mittelstandskooperation grundsätzlich ausgeschlossen ist und richtigerweise allenfalls in einem - vorliegend indes mangels jeglichen entsprechenden Anhaltspunkts in der angefochtenen Entscheidung ganz offensichtlich nicht gegebenen - Fall in Betracht kommen kann, in dem zum einen die Teilnahme eines größeren Wettbewerbers unerlässlich ist, um die Kooperationsziele verwirklichen und mit dem Mittelstandskartell einen spürbaren Beitrag zu einer ausgewogenen Marktstruktur leisten zu können und zum anderen das beteiligte Großunternehmen selbst bestimmte Defizite in seiner Marktstellung gegenüber anderen Großunternehmen aufweist, die mit der Kooperation abgemildert werden (vgl. in diesem Sinne zutreffend Immenga/Mestmäcker-Fuchs, GWB § 3 Rzn. 53 ff.).

Unter der vorstehend dargelegten Prämisse des Bundeskartellamts dürften die mit der angefochtenen Entscheidung tenorierten Rechtsfolgenaussprüche jedoch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Stünde der Anerkennung der streitgegenständlichen Vertriebstätigkeiten als eine nach § 3 GWB hinzunehmende Mittelstandskooperation lediglich die Beteiligung der Betroffenen zu 3. an den Unternehmen der Betroffenen zu 1. und 2. entgegen, würden zur Abstellung des Kartellverstoßes geeignete und im Vergleich mit den angefochtenen Aussprüchen mildere Maßnahmen in Betracht kommen. Solche alternativen Maßnahmen wären zunächst - wie insoweit auch die Antragstellerin mit Recht geltend macht -, der Betroffenen zu 3. die weitere Durchführung des Gesellschaftsvertrags der Betroffenen zu 1. zu untersagen und zudem flankierende verhaltensbezogene Anordnungen, die sicherstellen, dass die Betroffene zu 3. (1.) nicht auf sonstige Weise, namentlich über die Ausübung von im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der Betroffenen zu 2. stehenden Rechten, auf die Vertriebsaktivitäten der Betroffenen zu 1. Einfluss nimmt und (2.) sich nicht, wie etwa durch eine Beschaffung von Protokollen über Gesellschaftssitzungen oder -beschlüssen der Betroffenen zu 1. bzw. der Betroffenen zu 2., über die Geschäftspolitik der Betroffenen zu 1. informiert (vgl. hierzu Senat, Beschluss v. 20. Juni 2007 - VI-Kart 14/06 (V), WuW/E DE-R 2146, Rzn. 33 ff., 37 bei juris). Anders als eine etwaige - und vom Amt offenbar (zu Unrecht) als einzige mögliche andere Abhilfemaßnahme in den Blick genommene (vgl. AE Rzn. 104 f.) - Anordnung des Ausscheidens der Betroffenen zu 3. aus der Betroffenen zu 1. (und der Betroffenen zu 2.) handelt es sich bei den vorstehend dargelegten Alternativmaßnahmen um Maßnahmen nicht struktureller Art, deren Verhältnismäßigkeit von vornherein nicht am (strengeren) Maßstab des § 32 Abs. 2 Satz 2 GWB zu beurteilen wäre, zumal sie auch die Betroffene zu 3. selbst nicht mehr belasten würden als gegebenenfalls ihr erzwungenes Ausscheiden aus den Gesellschaften der Betroffenen zu 1. bzw. 2.. Diese Alternativmaßnahmen wären zugleich milder als die vom Bundeskartellamt ausgesprochenen Rechtsfolgen, weil sie der Betroffenen zu 1. und den (außer der Betroffenen zu 3.) übrigen an dem X.-Vertriebssystem beteiligten Unternehmen die weitere Durchführung der streitbefangenen Tätigkeiten gestatten würden.

b. Die vorstehend unter a. dargelegten Bedenken können freilich auf sich beruhen. Die Rechtsfolgenaussprüche des Bundeskartellamts werden voraussichtlich deshalb im Ergebnis Bestand behalten, weil angesichts der Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss die den streitbefangenen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. zu Grunde liegenden Unternehmensvereinbarungen - entgegen der Rechtsauffassung des Amts - unabhängig von der Beteiligung oder Nichtbeteiligung der Betroffenen zu 3. an ihnen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines nach § 3 GWB freistellungsfähigen Mittelstandskartells nicht erfüllen und vor diesem Hintergrund die vom Amt ausgesprochenen Untersagungen auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zur Abstellung eines Verstoßes gegen das Kartellverbot des § 1 GWB gebotene Abhilfemaßnahmen im Sinne von § 32 GWB darstellen dürften (nachstehend unter aa.). An dieser Beurteilung ändert nichts, dass das Amt zur Begründung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt hat, dass eine Freistellung der streitbefangenen Kartellvereinbarungen allein wegen der Beteiligung der Betroffenen zu 3. (und infolgedessen der L.-Gruppe) auszuscheiden habe (nachstehend unter bb.).

aa. Auch ohne die Beteiligung der Betroffenen zu 3. an dem X.-Vertriebssystem dürfte eine Freistellung der streitbefangenen Vertriebsvereinbarungen aus mehreren Gründen in der Sache nicht zu rechtfertigen sein.

(1) Die Vereinbarungen betreffend den streitgegenständlichen Vertrieb der von deutschen X.-Unterlizenznehmerinnen hergestellten Produkte sowohl an Baumärkte als auch an den Baustofffachhandel bezwecken eine durch § 1 GWB grundsätzlich verbotene spürbare Beschränkung des Wettbewerbs, insbesondere eine Beschränkung des Preis- und Konditionenwettbewerbs zwischen den inländischen X.-Unterlizenznehmerinnen auf den einzelnen sachlich und räumlich relevanten Märkten, die das Bundeskartellamt im Rahmen der von ihm dargelegten Marktabgrenzung, die von der Antragstellerin nicht angegriffen wird und bei summarischer Prüfung auch keinen Rechtsfehler erkennen lässt, festgestellt hat. Hiervon geht das Amt - was die Antragstellerin auch nicht in Abrede stellt - mit seinem Beschluss vom 13. September 2019 aus, in dem es - von der Antragstellerin unangegriffen - ausführt (vgl. AE Rz. 83), die an den streitbefangenen Vereinbarungen beteiligten Unterlizenznehmerinnen verfügten jeweils über eigene Produktionsstätten für die Herstellung der verfahrensrelevanten Produkte und seien grundsätzlich zu einem eigenständigen Marktauftritt unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen in der Lage, wobei im Hinblick auf (nicht näher spezifizierte) "größere Aufträge" auch eine Bildung kartellrechtskonformer Liefergemeinschaften in Betracht käme.

(2) Nach § 3 GWB erfüllen an sich dem Kartellverbot des § 1 GWB zuwiderlaufende Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen die Freistellungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 GWB, wenn sie die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen dienen und durch sie der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Im Streitfall dürfte es in Ermangelung in der angefochtenen Entscheidung dargelegter Anhaltspunkte an mehreren dieser Voraussetzungen fehlen.

(a) Baumarktgeschäft

Hinsichtlich des nach den streitbefangenen Vereinbarungen im Bundesgebiet allein der Betroffenen zu 1. übertragenen Baumarktgeschäfts mit von den inländischen X.-Unterlizenznehmerinnen hergestellten Trockenbaustoffen ist bereits eine Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit nicht festzustellen. Darüber hinaus kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die hier interessierenden Vereinbarungen den Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigen.

(aa) Rationalisierung im Sinne der Freistellungsnorm meint nach allgemeiner Ansicht die einzelwirtschaftliche Effizienzsteigerung durch die Verbesserung des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag (vgl. nur Immenga/Mestmäcker-Fuchs, GWB § 3 Rz. 58 m.w.N.). Die effizienzsteigernde Zusammenarbeit kann sich auf alle Arbeitsbereiche oder wirtschaftlichen Vorgänge im Unternehmen beziehen, zu denen insbesondere Produktion, Forschung und Entwicklung, Finanzierung, Verwaltung, Werbung, Einkauf und Vertrieb gehören. Die Zielrichtung der Zusammenarbeit muss primär die Erreichung eines echten Rationalisierungserfolgs sein, nicht dagegen der bloße oder isolierte Ausschluss von Wettbewerb (vgl. Immenga/Mestmäcker-Fuchs, a.a.O. Rzn. 59 f. m.w.N.). Die auf einen Rationalisierungserfolg gerichtete zwischenbetriebliche Zusammenarbeit erfasst unabhängig von Umfang, Intensität oder Dauer alle Formen einer unternehmerischen Kooperation, die sich nicht lediglich in isolierten Kartellabsprachen erschöpft (vgl. Immenga/Mestmäcker-Fuchs, a.a.O. Rz. 62 m.w.N.).

Gemessen hieran zielt das zur Beurteilung stehende X.-Vertriebssystem schon nicht auf einen bestimmten Rationalisierungserfolg bei den einzelnen an ihm beteiligten Unternehmen. Vielmehr haben die zum Geschäft mit Baumärkten getroffenen Vereinbarungen die Nichtteilnahme der deutschen X.-Unterlizenznehmerinnen am Markt und damit von vornherein nicht eine Verbesserung des innerbetrieblichen Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag im Sinne einer Leistungssteigerung dieser Unternehmen zum Gegenstand. Dementsprechend kann bei dem vereinbarten Unterlassen eines eigenen Marktauftritts der Unterlizenznehmerinnen auch nicht von einer zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen gesprochen werden, da sich die Vereinbarungen in Bezug auf den Verkauf der vorliegend betroffenen Trockenbaustoffe an Baumärkte der Sache nach in der bloßen Absprache erschöpfen, gegeneinander überhaupt nicht in Wettbewerb zu treten.

Angesichts dessen spricht nichts dafür, den betroffenen Unternehmen die Privilegierung ihrer Vereinbarungen gemäß § 3 GWB zugutekommen zu lassen. Dem angefochtenen Beschluss sind zudem nicht ansatzweise belastbare Anhaltspunkte zu Gunsten der Annahme einer fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen X.-Unterlizenznehmerinnen oder einzelner von ihnen zu entnehmen, die für diese in betriebswirtschaftlicher Hinsicht den völligen Verzicht auf eine eigenständige Teilnahme an dem Geschäft mit Baumärkten und eine vollständige Überlassung dieses Geschäfts an die lizenzgebende Betroffene zu 1. gebietet. Vielmehr nimmt das Bundeskartellamt - wie oben bereits dargelegt - im Ausgangspunkt bei seiner Feststellung einer grundsätzlich mit dem Kartellverbot des § 1 GWB nicht zu vereinbarenden Verhaltenskoordinierung eine bei den beteiligten Unternehmen allgemein vorhandene Fähigkeit zu einem eigenen Marktauftritt an (in diesem Sinne AE Rz. 83); dies indizieren im Übrigen auch die vom Amt mitgeteilten (vgl. AE Rz. 93) zum Teil durchaus beträchtlichen Marktanteile, die bei einer hypothetischen Betrachtung unter Nichtberücksichtigung der Betroffenen zu 3. bzw. der L.-Gruppe die übrigen Mitglieder des X.-Verbundes auf den einzelnen (bundesweiten) Märkten des Baumarktgeschäfts auf sich vereinigen. Bei dieser Sachlage liegen im Sinne eines Freistellungstatbestandes beachtliche Rationalisierungsvorteile bzw. Effizienzgewinne im Zusammenhang mit dem hier zur Debatte stehenden Marktverzicht der X.-Unterlizenznehmerinnen nicht auf der Hand. Die Feststellung und rechtliche Anerkennung solcher Vorteile setzt mithin eingehende diesbezügliche Darlegungen und erforderlichenfalls auch einen Beweis voraus, woran es der angefochtenen Entscheidung ihrem Inhalt nach jedoch fehlt; dies geht nach allgemeinen Grundsätzen - auch im Kartellverwaltungsverfahren - freilich zu Lasten derjenigen Unternehmen, die für sich eine Freistellung vom Verbotstatbestand des § 1 GWB reklamieren (vgl. nur Immenga/Mestmäcker-Fuchs, GWB § 3 Rz. 90).

In diesem Zusammenhang nicht ergiebig sind die eine nähere Spezifizierung vermissen lassenden Ausführungen des Amts, denen zufolge die deutschen X.-Unterlizenznehmerinnen im Hinblick auf "größere Aufträge gegebenenfalls auch" kartellrechtskonforme Liefergemeinschaften bilden könnten (vgl. AE Rz. 83). Diese pauschalen Ausführungen lassen schon nicht andeutungsweise erkennen, nach welchen qualitativen oder quantitativen Kriterien sich das Vorliegen eines "größeren" Auftrags feststellen lassen soll. Darüber hinaus ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, ob und inwieweit solche Aufträge marktprägend sind und Unternehmen wie die X.-Unterlizenznehmerinnen im Einzelnen unter dem Gesichtspunkt kaufmännischer Vernunft von einem eigenen Angebot der verschiedenen streitgegenständlichen Trockenbaustoffe an Baumärkte abhalten bzw. abhalten können.

Ebenso wenig weiterführend sind die Darlegungen des Amts, nach denen anders als die Betroffene zu 3. und die mit dieser verbundene L.-Gruppe die übrigen X.-Unterlizenznehmerinnen für ein bundesweites Angebot der streitgegenständlichen Produkte auf den X.-Verbund und die Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. angewiesen seien (vgl. AE Rz. 92). Im Dunkeln bleibt, ob und inwieweit im Handelsgeschäft mit Baumärkten ein bundesweites Angebot der einzelnen Bauprodukte überhaupt eine notwendige Voraussetzung für eine wirtschaftlich sinnvoll erscheinende Teilnahme am Markt ist. Insoweit ohne hinreichende Substanz sind die Ausführungen des Amts (vgl. AE Rz. 98), die Verfahrensbeteiligten hätten "überzeugend dargelegt", dass die "über die Beteiligte zu 1. vermittelte vollständige Vergemeinschaftung des Vertriebs der verfahrensrelevanten Produkte an Baumärkte ... entsprechende Kundenvorgaben widerspiegel[e]". Diesen nicht nachvollziehbaren Ausführungen für sich genommen ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Umstände womöglich existieren, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Notwendigkeit eines bundesweiten Marktauftritts im Handelsgeschäft mit Baumärkten begründen sollen. Nichts anderes gilt hinsichtlich einer "bundesweit einheitliche[n] Belieferung", die die Zentralen der Baumarktketten den Ausführungen des Amts zufolge (vgl. AE Rz. 5 [2. Gliederungspunkt]) voraussetzen sollen. Dass und weshalb der vom Amt bemühte Begriff einer von Seiten der Baumarktketten geforderten "bundesweit einheitlichen Belieferung" mit einer für einen Anbieter der streitgegenständlichen Baustoffe bestehenden wirtschaftlichen Notwendigkeit korrespondieren soll, seine Produkte bundesweit zu vertreiben, versteht sich mitnichten von selbst. Dies gilt bereits mit Rücksicht auf die im angefochtenen Beschluss nicht aufgeklärte Unschärfe des vom Amt wie vorbezeichnet verwandten Begriffs und erst recht im Hinblick auf die nach den - oben schon erwähnten - Feststellungen des Amts (vgl. AE Rz. 83) an sich bestehende Fähigkeit aller deutschen X.-Unterlizenznehmerinnen, eigenständig am Wettbewerb teilzunehmen. Die generelle Wettbewerbsfähigkeit der Unterlizenznehmerinnen der Betroffenen zu 1. ist eine zwingende Voraussetzung für die vom Amt gerade ausgesprochene Annahme, dass die den streitbefangenen Vertriebstätigkeiten zu Grunde liegenden Vereinbarungen im Ausgangspunkt eine den Verbotstatbestand des § 1 GWB erfüllende spürbare Wettbewerbsbeschränkung zwischen den einzelnen Unternehmen des X.-Verbunds bezwecken (und bewirken). Zu dieser Annahme des Amts in unaufgelöstem Widerspruch würde aber ein Verständnis dahingehend stehen, dass (mit Ausnahme allein der Betroffenen zu 3.) die einzelnen Unternehmen des X.-Verbunds jeweils wegen des Fehlens eigener Kapazitäten für einen bundesweiten Produktabsatz an Baumärkte zu einem eigenständigen Marktauftritt unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen schon nicht imstande seien. Träfe dies tatsächlich zu, würde den streitbefangenen Vereinbarungen von vornherein die generelle Eignung fehlen, die Wettbewerbsverhältnisse auf den vorliegend relevanten Märkten mehr als nur geringfügig zu beeinträchtigen.

Unter Berücksichtigung des vorliegenden Sach- und Streitstands ist nach alledem durch nichts sachlich zu rechtfertigen, den hier interessierenden Vereinbarungen eine effizienzsteigernde Zielrichtung zuzuerkennen; dies gilt nach dem Gesagten auch unabhängig von einer Beteiligung oder Nichtbeteiligung der Betroffenen zu 3. an diesen Vereinbarungen und deren Umsetzung.

(bb) Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die streitbefangenen Vereinbarungen den Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigen.

Soweit die Vereinbarungen die vollständige Nichtteilnahme der X.-Unterlizenznehmerinnen an dem Baumarktgeschäft zum Gegenstand haben, bezwecken sie qualitativ eine schwerwiegende Wettbewerbsbeeinträchtigung (in diesem Sinne auch - im Hinblick auf einen vereinbarten Marktaustritt - OLG München, Urteil v. 14. April 2005 - U (K) 4464/04, Rzn. 77 ff. bei juris). Wegen ihrer objektiv auf die Beschränkung des Preiswettbewerbs beim Absatz der streitgegenständlichen Produkte an Baumärkte gerichteten Zielsetzung gehört sie zu solchen bestimmten Formen der Kollusion zwischen Unternehmen, die eine Wettbewerbsbeeinträchtigung bezwecken und nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden und deshalb grundsätzlich unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs darstellen (vgl. in diesem Sinne etwa EuGH, Urteil v. 27. April 2017 - C-469/15 P, NZKart 2017, 313 Rzn. 103 ff. - Bonita-Bananen; vgl. auch BGH, Urteil v. 17. Oktober 2017 - KZR 59/16, NZKart 2018, 52 Rz. 20 - Almased Vitalkost, jew. m.w.N.). Vor dem Hintergrund der insoweit gefestigten Rechtsprechung erscheint fraglich, ob bei solchen Kollusionsformen eine Anwendung des Privilegierungsmerkmals des § 3 Nr. 1 GWB wegen eines anderenfalls womöglich drohenden Wertungswiderspruchs von vornherein auszuscheiden hat. Dies bedarf freilich an dieser Stelle - schon mit Rücksicht auf die vorstehend unter (aa) erfolgten Ausführungen - keiner Entscheidung. Jedenfalls ist dem angefochtenen Beschluss die gebotene substantiierte Darlegung einer im Sinne der vorgenannten Vorschrift fehlenden wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht zu entnehmen; bereits allein aus diesem Grund kann nicht von der Erfüllung dieses Privilegierungsmerkmals ausgegangen werden.

(b) Geschäft mit dem Baustofffachhandel

Unter Berücksichtigung der oben hinsichtlich des Baumarktgeschäfts angestellten Erwägungen handelt es sich auch bei den Vereinbarungen, die den streitbefangenen Vertriebsaktivitäten der Betroffenen zu 1. beim Absatz von Trockenbaustoffen an den Baustofffachhandel zu Grunde liegen, nicht um Formen einer durch § 3 GWB begünstigten Mittelstandskooperation.

Dass der von der Betroffenen zu 1. zu Gunsten ihrer Unterlizenznehmerinnen mit dem Baustofffachhandel bzw. dessen Einkaufskooperationen erzielte Abschluss von Rahmenvereinbarungen über preiswirksame Grundkonditionen zu rechtserheblichen Rationalisierungsvorteilen bzw. Effizienzgewinnen beizutragen geeignet und bestimmt ist, kann nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand mangels konkreter Anhaltspunkte im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt werden. Zunächst ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass bei den einzelnen X.-Unterlizenznehmerinnen ein Fehlen genereller Wettbewerbsfähigkeit oder eine Abhängigkeit ihrer Wettbewerbsfähigkeit von einem bundesweiten Produktangebot nicht belastbar festzustellen ist. In den Blick zu nehmen ist des Weiteren, dass Absprachen, die Preise oder - wie im Streitfall die Grundkonditionen - Preisbestandteile betreffen, besonders wichtige Wettbewerbsparameter berühren und deshalb unter dem Gesichtspunkt eines Mittelstandskartells allenfalls dann als zulässig angesehen werden können, wenn sie in enger oder sogar notwendiger Verbindung mit der angestrebten Rationalisierungsmaßnahme stehen (vgl. Senat, Beschluss v. 20. Juni 2007 - VI-Kart 14/06 (V), WuW/E DE-R 2146, Rz. 27 bei juris; Immenga/Mestmäcker-Fuchs, GWB § 3 Rz. 61, jew. m.w.N.). Hierfür besteht vorliegend indes kein durchgreifender Anhalt. An der vorstehenden Beurteilung ändert die jedweder Substanz entbehrende Bezugnahme der Amtsentscheidung auf angebliche Kundenerwartungen des Baustofffachhandels an eine "Zentralisierung bestimmter Vertriebsaufgaben" (vgl. AE Rz. 98) nichts, was keiner Erläuterung bedarf. Keinesfalls ist, für sich genommen, eine mit einer Kartellabsprache bezweckte oder bewirkte Beschränkung wichtig(st)er Wettbewerbsparameter bereits mit hiermit korrespondierenden Vorstellungen und Wünschen der Marktgegenseite zu rechtfertigen.

Aus den gleichen Gründen wie oben aufgezeigt stellen sich die auf das Eigenmarkengeschäft des Baustofffachhandels bezogenen und zu Gunsten ihrer Unterlizenznehmerinnen erbrachten Koordinierungstätigkeiten der Betroffenen zu 1. ebenso wenig als eine nach § 3 GWB hinzunehmende Mittelstandskooperation dar, auch dies unabhängig von einer Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung der Betroffenen zu 3.. Dies gilt lediglich umso mehr, als das Bundeskartellamt selbst ausweislich seiner Ausführungen (vgl. insoweit AE Rz. 82) in Bezug auf das hier interessierende Eigenmarkengeschäft eine Beteiligung aller X.-Unterlizenznehmerinnen an Bieter-/Liefergemeinschaften offenbar nicht durchgängig für unter Rationalisierungsgesichtspunkten notwendig erachtet, sondern vielmehr von der Möglichkeit ausgeht, dass sich im einzelnen Fall bestimmte Unterlizenznehmer an solchen Gemeinschaften nicht beteiligen.

(3) Den vorstehend unter (2) erfolgten Ausführungen ist unmittelbar zu entnehmen, dass für die streitbefangenen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt eine Freistellung nach § 2 Abs. 1 GWB in Betracht kommt. Diese Ausführungen lediglich ergänzend hält der Senat fest, dass im Hinblick auf die mit den streitbefangenen Vereinbarungen bezweckten Beschränkungen des Preiswettbewerbs eine im Sinne der vorgenannten Vorschrift angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn fernliegt, weil Abstimmungen der Preise unter den Wettbewerbern regelmäßig zu höheren Preisen führen, ohne für den Verbraucher einen entsprechenden Gegenwert zu bieten (vgl. Senat, Beschluss v. 20. Juni 2007 - VI-Kart 14/06 (V), WuW/E DE-R 2146, Rz. 25 bei juris). Der gegenteiligen Einschätzung des Amts (vgl. AE Rz. 97) fehlt es auch unter diesem Gesichtspunkt an einer substantiiert dargetanen Grundlage.

(4) Nach alledem sind für die streitbefangenen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. auch für den Fall keine durchgreifenden Gründe für eine Freistellung der ihnen zu Grunde liegenden Vereinbarungen festzustellen, dass die Betroffene zu 3. an diesen Vereinbarungen und deren Umsetzung nicht (mehr) beteiligt ist. Vielmehr sind die streitbefangenen Handlungen für sich genommen, ungeachtet der Frage eines Mitwirkens der Betroffenen zu 3., einer kartellrechtlichen Privilegierung nicht zugänglich. Angesichts dessen stellen sich die vom Bundeskartellamt an die Betroffene zu 1. adressierten Untersagungen nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung als im Ergebnis richtig dar. Eine Aufhebung der vom Amt tenorierten Verbote im Hauptsacheverfahren ist folglich nicht überwiegend wahrscheinlich, so dass es an einem Anordnungsgrund nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB fehlt.

bb. Zu keiner anderen Beurteilung führt, dass das Bundeskartellamt seine - wie vorstehend unter aa. dargelegt - im Ergebnis richtigen Abstellungsanordnungen in den Gründen seiner Entscheidung - für sich genommen wohl unzutreffend - allein auf die Beteiligung der Betroffenen zu 3. an dem X.-Vertriebssystem gestützt und nicht unabhängig von dieser Beteiligung auf die Kartellrechtswidrigkeit der streitbefangenen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. erkannt hat.

(1) Nach den Grundsätzen ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. zum Folgenden etwa BVerwG, Beschluss v. 29. Juli 2019 - 2 B 19/18, Rz. 24; Urteil v. 16. November 2015 - 1 C 4/15, NVwZ 2016, 157 Rz. 28; Urteil v. 19. August 1988 - 8 C 29/87, BVerwGE 80, 96, Rz. 13 bei juris; Urteil v. 27. Januar 1982 - 8 C 12/81, BVerwGE 64, 356, Rz. 12 bei juris, alle m.w.N.; vgl. auch Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: Juli 2019 [37. EL], VwGO § 113 Rz. 34 m.w.N.) ist allgemein anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen ist und auf Grund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Im geltenden allgemeinen Verwaltungsprozessrecht findet dies in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Ausdruck, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung haben die Verwaltungsgerichte alle einschlägigen Rechtsvorschriften und im Rahmen der Sachaufklärungspflicht alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil v. 16. November 2015 - 1 C 4/15, NVwZ 2016, 157 Rz. 28). Kommt etwa das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht verpflichtet zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. BVerwG, Beschluss v. 29. Juli 2019 - 2 B 19/18, Rz. 24). Für den Kartellverwaltungsprozess kann mangels eines sachlichen Grundes und im Hinblick auf § 71 Abs. 2 Satz 1 GWB nichts anderes gelten (vgl. in diesem Sinne auch Immenga/Mestmäcker-Schmidt, GWB § 63 Rz. 42).

(2) Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Grundsätze steht nach der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung die wohl zum Teil rechtsfehlerhafte Begründung der angefochtenen Entscheidung einer Aufrechterhaltung der im Ergebnis richtigen Untersagungen, die das Bundeskartellamt gegenüber der Betroffenen zu 1. ausgesprochen hat, nicht entgegen; es verbleibt daher bei der Beurteilung, dass die angefochtene Verfügung keinen ernstlichen Zweifeln ihrer Rechtmäßigkeit unterliegt, die die von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde gebieten könnten.

Maßgeblich in den Blick zu nehmen ist, dass die oben aufgezeigte und von der Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung der Betroffenen zu 3. am X.-Vertriebssystem unabhängige Kartellrechtswidrigkeit der streitbefangenen Vereinbarungen in der Sache die vom Amt gemäß § 32 GWB zur Abstellung des Kartellverstoßes tenorierten Untersagungen rechtfertigt und in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch gebieten dürfte. Insoweit zu beachten ist insbesondere auch, dass eine mildere Maßnahme als das vom Amt willentlich ausgesprochene Verbot der streitgegenständlichen Vertriebstätigkeiten der Betroffenen zu 1. schon und gerade deshalb schlechterdings nicht in Betracht kommen dürfte, weil sich diese - wie dargelegt - für sich genommen als kartellrechtswidrig darstellen.

Durch die im Sinne des hiesigen Beschlusses geänderte Begründung wird die angefochtene Verfügung des Bundeskartellamts schließlich - ganz offensichtlich - auch nicht in ihrem Wesen verändert. Die vom Amt angeordneten Abstellungsmaßnahmen richten sich auch bei Zugrundelegung einer im Sinne der hiesigen Senatsentscheidung geänderten Begründung unverändert gegen die das hier zur Debatte stehende Vertriebssystem tragenden und bereits vom Amt zu Recht als (zunächst) dem Kartellverbot des § 1 GWB zuwiderlaufend erkannten Vereinbarungen. Ein Austausch des prozessualen Streitgegenstands ist mit der nach Maßgabe der Erwägungen des Senats geänderten Begründung nicht verbunden.

C. Dass die Vollziehung der angefochtenen Verfügung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte bedeutet, ist nicht festzustellen.

1. Eine unbillige Härte im Sinne von § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist nicht alleine deshalb anzunehmen, weil der Sofortvollzug für den Betroffenen mit schwerwiegenden Eingriffen und/oder Nachteilen verbunden ist, deren Folgen nach einer erfolgreichen Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht ohne Weiteres beseitigt werden können. Entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit der Betroffene die Nachteile im überwiegenden öffentlichen Interesse hinzunehmen hat. Das ist auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden. Die dem Betroffenen drohenden Nachteile sind nur unbillig, d.h. nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse hinzunehmen, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der beiderseitigen Belange und Interessen nicht zu rechtfertigen sind. Existenzbedrohungen brauchen im Allgemeinen nicht hingenommen werden. Auch irreparable Folgen können nur ausnahmsweise durch öffentliche Interessen aufgewogen werden. Andererseits fließen auch die Erfolgsaussichten der Beschwerde in die Abwägung ein. Ist die Rechtslage eindeutig und spricht alles für die Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Verfügung, sind besonders strenge Anforderungen an die drohenden Nachteile zu stellen und kommt die Anordnung des Suspensiveffekts nur ausnahmsweise in Betracht. Bestehen umgekehrt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Verfügung, ist dies zugunsten des Betroffenen in die Interessenabwägung einzubeziehen. In Fällen der vorliegenden Art, in denen die Beschwerde kraft Gesetzes keine aufschiebenden Wirkung besitzt, ist außerdem erforderlich, dass Nachteile geltend gemacht werden, die über den eigentlichen Zweck der Verfügung hinausgehen (zum Ganzen vgl. Senat, Beschluss v. 15. Juli 2013 - VI-Kart 9/12 (V), NZKart 2013, 377 = WuW 2013, 1097, Rz. 11 bei juris m.w.N. - Chemikalienhandel II).

2. Vorliegend hat die Antragstellerin zu einer unbilligen Härte im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB und den nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen insoweit zu beachtenden Voraussetzungen keinen Sachvortrag gehalten, weshalb unter diesem Gesichtspunkt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde ausscheidet. Dies gilt erst recht angesichts der mit Rücksicht auf die oben unter B. erfolgten Darlegungen nur geringen Erfolgsaussichten der Beschwerde.

III.

Eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie erfolgt mit der Beschwerdeentscheidung nach den Vorgaben des § 78 GWB (st.Rsp. des Senats, vgl. nur Senat, Beschluss v. 26. August 2019 - VI-Kart 1/19 (V), Rz. 94 bei juris - Facebook I).

IV.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 74 Abs. 2 GWB), bestehen nicht.

Prof. Dr. Kühnen Poling-Fleuߠ Dr. Mis-PaulußenRechtsmittelbelehrung:

Die Entscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

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