LG Krefeld, Urteil vom 11.03.2020 - 2 O 509/18
Fundstelle
openJur 2020, 5939
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54.980,00 EUR abzüglich einer nach der nachfolgenden Formel berechneten Nutzungsentschädigung in EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs Audi A8, Fahrzeugidentnummer XXXXX:

54.980,00 EUR x (Kilometerstand bei Rückgabe des Fahrzeugs - 20.737 km) : 229.263 km

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des vorbezeichneten Fahrzeugs seit dem 08.12.2018 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. VW-Abgasskandals von der Beklagten die Rückzahlung des an die Verkäuferin, dem Audi A.F., geleisteten Kaufpreises einschließlich etwaiger Zulassungs-, Überführungs- und sonstiger Kosten von insgesamt 54.980,00 EUR für einen gebrauchten Audi A8 als Schadensersatz, weil in dem Fahrzeug zwei Motorsteuerungen installiert seien, die den Schadstoffausstoß und die Dosierung von AdBlue unzulässig manipulierten. Ferner begehrt er die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug.

Der Kläger und die nicht am Rechtsstreit beteiligte Verkäuferin schlossen am 12.01.2016 einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte es eine Laufleistung von 20.737 km; Laufleistung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 29.01.2020 betrug 86.291 km.

In dem Wagen ist ein 3,0-Liter-Dieselmotor eingebaut, dessen Motorsoftware zur Optimierung der Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beigetragen hat. Die betroffenen Fahrzeuge nutzen unter festgelegten Bedingungen (bestimmte Ansaugluft-, Motor-, Abgas- und Umgebungstemperatur sowie Drehzahl u. a.) eine schadstoffmindernde Aufheizstrategie. Die Bedingungen müssen kumulativ vorliegen, damit die Aufheizstrategie anspringt. Die zu den Parametern gehörenden Werte sind so eng gefasst, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im Prüfzyklus (NEFZ) unter den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleinere Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie und zu einer Verschlechterung der Stickoxidwerte (NOx). Ferner verwenden die Fahrzeuge eine Dosierstrategie, durch die der SCR-Katalysator zur Abgasnachbehandlung bei Erreichen einer AdBlue-Restreichweite von 2.400 km die Dosierung von AdBlue einschränkt, wodurch wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vermindert wird.

Das KBA stufte diese Strategien mit Bescheid vom 08.12.2017 als unzulässige Abschalteinrichtungen ein und ordnete am gleichen Tag einen verpflichtenden Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. Das KBA gab ferner ein Software-Update für das klägerische Fahrzeug per Bescheid frei, das die vorgenannte Abschalt-Software entfernen soll; ausweislich dieses Bescheids werden die Grenzwerte für Schadstoffemissionen eingehalten, bleibt die Motorleistung unverändert und es werden die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt. Die Auswirkungen des Software-Updates auf den dauerhaften Betrieb des Fahrzeugs sind umstritten. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde dieses Software-Update durchgeführt.

Auch ohne das Software-Update war das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung ist bis dahin nicht entzogen gewesen. Das KBA betrachtete das Aufspielen des Software-Updates jedoch als verpflichtend.

Unter Bezugnahme auf den sog. VW-Abgasskandal verlangte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 07.11.2018 unter Fristsetzung bis zum 07.12.2018 die Zahlung von Schadensersatz in Gestalt der Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Der Kläger behauptet:

Der 3,0-Liter-Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei - im Ergebnis vergleichbar zu der Motorreihe EA189 - durch eine doppelte Abschalteinrichtung manipuliert. Tatsächlich überschritten die NOx-Werte im normalen Fahrbetrieb überwiegend die Grenzwerte um ein Vielfaches. Auf einem Prüfstand hingegen werde - unstreitig - die Motorsteuerung automatisch so geschaltet, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden.

Die Beklagte habe als Hersteller des Fahrzeugs die Käufer durch die Verwendung der manipulierten Software arglistig getäuscht. Das Verhalten derjenigen (leitenden) Mitarbeiter der Beklagten, die die Manipulationen an der Motorsoftware vorgenommen/veranlasst haben, sei sittenwidrig, sodass ein direkter Anspruch gegen die Beklagte bestehe. Durch die Manipulation der Motorsteuerung sei der Kläger über die tatsächlichen Schadstoffemissionen arglistig getäuscht worden. So habe die Beklagte gewusst, dass der Einbau der streitgegenständlichen Software zu einem zulassungsrechtlich illegalen Zustand führe, dadurch der Wert des Fahrzeugs erheblich gemindert werde und der Kläger letztlich ein Fahrzeug erhalte, dessen Ist-Beschaffenheit erheblich von der Soll-Beschaffenheit abweiche. Die Beklagte sei daher im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht verpflichtet, das streitgegenständliche Fahrzeug gegen Zahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Der Kläger sei nämlich so zu stellen, wie er ohne Täuschung über die nicht gesetzeskonforme Motorsoftware gestanden hätte. In Kenntnis des Sachverhalts und der damit verbundenen Risiken hätte der Kläger den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht abgeschlossen, sodass die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs durch Rücknahme und Kaufpreiserstattung ungeschehen machen müsse.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger € 54.980,000 nebst jährliche Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.08.2018 Zugum-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi, A8 LIMOUSINE, FIN XXXXX, zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.998,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

hilfsweise,

4. Vollstreckungsnachlass zu gewähren und zu gestatten, dass eine Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer inländischen Bank oder Sparkasse erbracht werden kann.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Emissionsgrenzwerte der Abgasnormen müssten im normalen Fahrbetrieb nicht erreicht werden. Eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen.

Die vom KBA beanstandete Aufheizstrategie komme nur in den ersten Betriebsminuten nach dem Kaltstart zum Tragen und betreffe die effiziente Reduzierung der Stickoxidemissionen mithilfe des SCR-Katalysators, mithin berühre die vorzunehmende Aktualisierung den durchschnittlichen Fahrer eines Dieselfahrzeugs nicht. Die Strategie habe mit der in den Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 verbauten Umschaltlogik, die dauerhaft zwischen dem Betrieb auf dem Prüfstand und dem Betrieb auf der Straße unterscheidet, nichts zu tun. Mit dem Software-Update werde der Anwendungsbereich einer bereits im Fahrzeug vorhandenen Funktion ausgeweitet und keine neue Funktion geschaffen. Die Dosierstrategie, die lediglich bei Erreichen einer AdBlue-Restreichweite von 2.400 km eingreift, wirke sich größtenteils im regulären Fahrbetrieb nicht aus. Ohne die Dosierstrategie könne nicht sichergestellt werden, dass dem Fahrer tatsächlich genug AdBlue für die angezeigten 2.400 km zur Verfügung stünden.

Sie ist der Ansicht, dass die Klage unbegründet sei. Der Kläger habe eine sittenwidrige Handlung der Beklagten nicht dargelegt. Weder seien ihm falsche Tatsachen vorgespiegelt worden, noch sei er über die tatsächlichen Schadstoffemissionen getäuscht worden. Auch liege keine Täuschung über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. So habe für die Beklagte gegenüber dem Kläger keine Informationspflicht hinsichtlich der verwendeten Software bestanden. Eine sittenwidrige Handlung der Beklagten scheide außerdem aus, da es an einer besonderen Verwerflichkeit mangele. Im Rahmen der Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Handlung käme es vor allem auf die Vorstellungen und Handlungen der Teilnehmer des Fahrzeugmarktes an. Hier sei jedoch allgemein bekannt, dass die für den Erhalt der Typengenehmigung gemessenen Emissionswerte von den Werten im Realbetrieb abweichen würden. Den Käufern komme es demnach im Wesentlichen auf die Existenz und Bestandskraft der Typengenehmigung an. Vorstandsmitglieder der Beklagten hätten außerdem von den streitgegenständlichen Vorgängen keine Kenntnis gehabt. Folglich habe auch kein Schädigungsvorsatz bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 831 BGB den eingeklagten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und auf Feststellung des Annahmeverzuges mit der Entgegennahme des Wagens.

a)

Der Kläger wurde durch einen Mitarbeiter der Beklagten gem. § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt; dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft, vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, NJW 2014, 383).

Der Mitarbeiter der Beklagten, der die Manipulation an der Motorsoftware vorgenommen oder veranlasst hat, hat massenhaft und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Umweltvorschriften ausgehebelt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17) und zugleich Kunden manipulierend beeinflusst, indem er das Emissionskontrollsystem durch eine schadstoffmindernde Aufheizstrategie, die nahezu ausschließlich im Prüfstandmodus anspringt, anders steuerte als im regulären Fahrbetrieb. Schon kleinere Abweichungen von den Bedingungen des Prüfzyklus (NEFZ) hinsichtlich Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten im realen Fahrbetrieb zur Abschaltung der Aufheizstrategie und zu einer Verschlechterung der Stickoxidwerte (NOx) und damit zu höheren NOx-Werten im realen Fahrbetrieb. So hat der Mitarbeiter die Erwartung der Autokäufer hintergangen, dass die Abgas- und Verbrauchswerte zwar nicht mit denen des realen Fahrbetriebs übereinstimmen müssen, aber doch in einer gewissen Korrelation zueinander stehen und eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zulassen: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt. Der Vortrag der Beklagten, der beanstandete Warmlaufmodus komme nur in den ersten Betriebsminuten nach einem Kaltstart zum Tragen und betreffe den durchschnittlichen Dieselfahrer nicht, ist unbeachtlich. Denn der Umstand, dass die schadstoffmindernde Aufheizstrategie dementgegen im realen Fahrbetrieb überwiegend abgeschaltet ist, bildet ja gerade den Kern der Manipulation, die bewiesen ist durch den KBA-Bescheid vom 08.12.2017.

Es kann dahinstehen, ob die Verwendung der Dosierstrategie, die ab einer Restreichweite von 2.400 km die Ad-Blue-Einspritzung einschränkt, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vermindert wird, für sich genommen ein sittenwidriges Verhalten begründet. Jedenfalls trägt diese zusätzliche Manipulation der Software der 3,0-Liter-Dieselmotoren dazu bei, dass sich der Einsatz der Aufheizstrategie nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidriges Verhalten darstellt.

Der Mitarbeiter der Beklagten hat nicht einfach nur die Abgasvorschriften außer Acht gelassen und massenhafte, erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, um der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder sie wettbewerbsfähig zu halten, weil diese entweder nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil diese aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen Vorrichtungen unterließ. Die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Unfähigkeit oder Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt so zu schädigen, dass Gesundheitsgefahren drohen, weil die Schadstoffwerte (NOx) erhöht werden, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen (ähnlich LG Heilbronn, Urt. v. 10.12.2018 - 5 O 117/18; LG Hannover, Urt. v. 13.05.2019 - 1 O 129/18; LG Köln, Urt. v. 20.12.2018 - 36 O 147/18).

b)

Der Mitarbeiter der Beklagten handelte auch vorsätzlich.

Die Rechtsprechung interpretiert das Vorsatzerfordernis extensiv und verlangt nicht, dass der Handelnde die Schädigung eines anderen angestrebt oder als sichere Folge des eigenen Handelns akzeptiert hat. § 826 BGB setzt demnach kein absichtliches oder arglistiges Verhalten in dem Sinne voraus, dass es dem Täter gerade auf die Schädigung des Dritten ankommen müsste. Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Täter den Erfolgseintritt für sicher gehalten hat, sondern es reicht das Bewusstsein, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt sowie das billigende Inkaufnehmen des Schädigungsrisikos (MüKo BGB, 7.Aufl., § 826 Rn. 27).

Die Abgassoftware wurde allein zu dem Zweck eingebaut, die Abgaswerte der Dieselmotoren zu beschönigen und in der Folge dafür zu sorgen, dass die Dieselmotoren trotz des Überschreitens der vorgeschriebenen Grenzwerte eine Euro-6-Zulassung erhalten. Damit verbunden war, dass die betroffenen Fahrzeuge mit den falschen Werten beworben werden und die Kunden ihrer Kaufentscheidung diese Werte sowie die entsprechende Einklassifizierung in die EU-6-Abgasnorm zu Grunde legen. All das war für den Mitarbeiter der Beklagten ersichtlich. Eine fahrlässige Programmierung scheidet aus, es ist vielmehr einziger Sinn dieser manipulierenden Softwareteile, den Rechtsverkehr (Zulassungsbehörden, Kunden und Wettbewerber) zu täuschen.

c)

Es kann dahinstehen, ob der Vorstand oder ein sonstiger Organvertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die Softwaremanipulation veranlasst hat oder von ihr wusste. Denn jedenfalls muss sich die Beklagte gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB das sittenwidrig schädigende Verhalten desjenigen Mitarbeiters zurechnen lassen, der für die Programmierung der verwendeten Abgassoftware verantwortlich war oder sie in Auftrag gegeben hat. Der entsprechende Mitarbeiter ist hierbei nämlich im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses als Arbeitnehmer der Beklagten tätig geworden und war damit deren Verrichtungsgehilfe.

d)

Der Beklagten ist es auch nicht gelungen, sich zu exkulpieren. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung der bestellten Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). Hierzu hätte es der beweispflichtigen Beklagten oblegen, konkret dazu vorzutragen, welcher Mitarbeiter für die Manipulationen verantwortlich war und inwieweit die Beklagte hinsichtlich dieses konkreten Mitarbeiters kein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden traf. Entsprechenden Vortrag ließ die Beklagte allerdings vermissen.

e)

Ferner ist dem Kläger durch das Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten ein Schaden entstanden.

Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, NZM 2005, 270; BGH, MDR 2015, 89). Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten; vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. BGH, NZM 2005, 270; BGH, MDR 2015, 89). Mithin kann der Kläger im Wege des Schadensersatzes verlangen, dass die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen macht, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des Fahrzeugs erstattet (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 139/17).

Die sittenwidrigen Handlungen des Mitarbeiters der Beklagten führten nämlich dazu, dass sich der Kläger bei dem Kauf des streitgegenständlichen PKW von falschen Vorstellungen getragen sah. Er ging davon aus, dass er ein ordnungsgemäß programmiertes Fahrzeug erwerben würde, dessen Abgas- und Verbrauchswerte im Prüfstandmodus mit den Abgas- und Verbrauchswerten beim realen Fahren in gewisser Korrelation stehen. Dieser Umstand wurde ihm aber nur vorgetäuscht, stattdessen wurde sein Wagen in der oben dargestellten Weise mit manipulierter Motorsoftware konstruiert und produziert.

Diese Fehlvorstellung war für den Kauf des streitgegenständlichen PKW auch kausal. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass der Käufer einen für den eigenen Gebrauch vorgesehenen PKW nur dann erwirbt, wenn dieser nicht manipuliert ist. Anders als etwa im Kapitalanlagerecht (s. zur Kausalität dort BGH, NJW-RR 2008, 1004 Rdn. 12ff.) geht es vorliegend nicht um falsch erteilte (Detail-) Informationen (so aber Oechsler, NJW 2017, 2867), bei denen in der Tat unklar sein kann, ob sie die Kaufentscheidung tatsächlich beeinflusst haben. Es geht vielmehr um die grundsätzliche Erwartung eines jeden Käufers, dass der Hersteller einer Kaufsache sich jedenfalls bemüht, diese ordnungsgemäß zu konstruieren und zu produzieren. Ein Käufer wird zwar nicht davon ausgehen (dürfen), hierbei könne es - der Wirtschaftlichkeit geschuldet - nicht zu Fehlern, Unsorgfältigkeiten oder Nachlässigkeiten kommen; auch wird er nicht davon ausgehen (dürfen), ein Hersteller betreibe immer den höchsten Aufwand. Er wird aber ohne weiteres davon ausgehen, der Hersteller werde nicht systematisch und planmäßig manipulierte Ware konstruieren und produzieren (lassen). Dies ist eine Grundannahme jeden Wirtschaftsverkehrs, deren Relevanz für einen konkreten Kaufentschluss ein Käufer kaum wird direkt beweisen können, weil es sich um eine innere Tatsache handelt; weil es sich aber um eine solche grundlegende (und berechtigte) Käufererwartung handelt, kann sie nach der Lebenserwartung ohne Weiteres als gegeben unterstellt werden - ähnlich wie man etwa im Rahmen des § 123 BGB die Kausalität nach der Lebenserfahrung ohne Weiteres annimmt bei Täuschungen über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Kaufsache (vgl. MüKo BGB, 7. Aufl., § 123 Rdn. 83).

Dem Schaden des Klägers steht auch nicht entgegen, dass an seinem Fahrzeug auf Kosten der Beklagten ein Softwareupdate durchgeführt wurde. Das nach dem Kauf durchgeführte Softwareupdate ändert nichts an der Manipulation der Willensbildung des Klägers, welche beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs stattgefunden hat. § 826 BGB schützt den loyalen und angemessenen Umgang der Personen untereinander (Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 826 BGB, Rn. 1). Die Manipulation des Klägers kann nicht im Nachhinein durch ein Update, welches lediglich die Auswirkungen des Mangels beseitigen kann, rückgängig gemacht werden. Der Schutzbereich des § 826 BGB ist auch weiterhin betroffen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass derzeit die dauerhaften Auswirkungen des Updates auf das Fahrzeug noch nicht absehbar sind. Ob die durch das Softwareupdate nachgerüsteten Fahrzeuge in ihrer Beschaffenheit durch das Update negativ beeinflusst werden, wird sich erst durch einen längerfristigen Massenbetrieb der nachgerüsteten Fahrzeuge zeigen. Bis dahin besteht der konkrete und nicht ausräumbare Mangelverdacht, dass die Fahrzeuge durch das Update negativ beeinflusst werden, sei es im Hinblick auf eine Verminderung der Motorleistung, einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs oder einer Steigerung des CO2-Ausstoßes (LG Saarbrücken, Urteil vom 07. Juni 2017 - 12 O 174/16 -, Rn. 35, juris).

Der Kläger muss sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung jedoch die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 - 13 U 142/18 -, Rn. 113 ff., juris).

Da der Wertersatz für die gezogenen Nutzungen auf den Zeitpunkt des Leistungsaustauschs zu bemessen ist, musste er über die Laufleistung abstrakt bestimmt werden. Der Wertersatz bestimmt sich dann nach folgender Formel:

(Bruttokaufpreis × gefahrene Kilometer) ÷ Restnutzungsdauer

Die Höhe der gefahrenen Kilometer ergibt sich aus einer Subtraktion des bei Rückgabe abzulesenden Kilometerzählerstandes und des Kilometerstandes zum Zeitpunkt des Kaufs (in Höhe von 20.737 km). Die Restnutzungsdauer ergibt sich aus einer Subtraktion der Höhe der zu erwartenden Gesamtlaufleistung, die die Kammer gemäß § 287 ZPO auf mindestens 250.000 km schätzt (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199), und des Kilometerstandes beim Kauf des streitgegenständlichen PKW; sie beläuft sich daher auf 229.263 km.

2.

Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Verzinsung des zurückzuerstattenden Kaufpreises folgt seit dem 08.12.2018 aus §§ 286 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

3.

Ferner hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Diese war wegen der (jedenfalls konkludent und spätestens mit ihrem Klageabweisungsantrag) verweigerten Entgegennahme des streitgegenständlichen Kfz gem. §§ 298, 293 BGB in Verzug. Der Kläger hat der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 07.12.2018 unter Fristsetzung bis zum 07.12.2018 den PKW ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, siehe § 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2001 - VII ZR 27/00 Rdn. 27).

4.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten folgt der Anspruch aus §§ 826, 249 BGB. Er besteht in Höhe von 1.954,46 EUR.

Der Kläger kann in jedem Fall Zahlung und nicht nur Freistellung verlangen. Darauf, ob bereits eine Zahlung an die Prozessbevollmächtigten erfolgt ist, kommt es nicht an. Ein ursprünglich bestehender Freistellungsanspruch hat sich jedenfalls bereits in einen Zahlungsanspruch gewandelt, weil eine Fristsetzung gemäß § 250 BGB entbehrlich war. Denn in dem vorgerichtlichen und prozessualen Verhalten der Beklagten, spätestens in dem von ihr gestellten Klageabweisungsantrag, ist eine ernsthafte und endgültige Verweigerung (vgl. § 281 Abs. 2 BGB) hinsichtlich einer Freistellung oder Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu sehen (vgl. BGH NZG 2011, 631, 634, Rn. 22 f. m.w.N.).

Der entsprechende Anspruch auf Verzinsung folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

5.

Ein Zinsanspruch ab dem 04.08.2018 bis zum 08.12.2018 besteht nicht. Insbesondere folgt dieser nicht aus §§ 849, 246 BGB (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 58/18 - BeckRS 2019, 32199). Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen nicht vor. Die Vorschrift billigt dem Geschädigten ohne Nachweis eines konkreten Schadens Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen oder beschädigten Sache zu. Der Zinsanspruch soll den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Die Norm greift nicht nur bei Sachentziehung oder -beschädigung, sondern auch in den Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut auch nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 - BGH - II ZR 167/06 -, juris Rn. BGH Rn. 4). Der Regelung kann jedoch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin, dass deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen seien, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - BGH KZR 56/16 - juris, Rn. 45; Wagner, in: MüKo BGB, 7. Aufl., § 849, Rn. 2 ff.). Vielmehr ist maßgeblich der Zweck der Norm zu berücksichtigen, den später nicht mehr nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen (BGH, Versäumnisurteil v. 26.11.2007 - BGH - II ZR 167/06 -, juris, Rn. 4).

Dieser Schutzzweck ist hier nicht betroffen, da der Kläger zwar einen Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises weggegeben hat, er dafür im Gegenzug aber das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat, das er anschließend jederzeit nutzen konnte (OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris, Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 - 13 U 37/19 -, juris, Rn. 137 m.w.N.). Zudem ist sicher davon auszugehen, dass der aufgewandte Kaufpreis bei Kenntnis des vorliegenden Mangels nicht im Vermögen des Klägers verblieben wäre, sondern er stattdessen den Geldbetrag in den Kauf eines anderen Fahrzeugs investiert hätte, weshalb keine auf dem deliktischen Handeln der Beklagten zurückzuführende entgangene Nutzungsmöglichkeit am Geld vorliegt (OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 - 13 U 37/19 -, juris, Rn. 139).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 54.980,00 EUR festgesetzt.