LG Köln, Urteil vom 18.12.2018 - 5 O 248/18
Fundstelle
openJur 2020, 5880
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Vergabeakte aus dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit vier Wahlleistungsstationen am F" geltend.

Die Beklagte schrieb im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung eine Baumaßnahme im unterschwelligen Bereich aus. Die Veröffentlichung der Bekanntmachung erfolgte im Dezember 2015. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Anlage K1) wies die Beklagte darauf hin, dass eine losweise Vergabe ausgeschlossen sei. Die geplanten Baumaßnahmen waren laut Leistungsverzeichnis des beauftragten Architekturbüros in das Los 1 (Tiefbauarbeiten) und in das Los 2 (Rohbauarbeiten) aufgeteilt. Die Klägerin reichte mit Schreiben vom 21.01.2016 bei der Beklagten ein Angebot für die gesamte Baumaßnahme in Höhe von 2.249.279,54 EUR ein. Alternativ zu der ausgeschriebenen Baugrubensicherung durch Spundwandverbau bot die Klägerin als Nebenangebot einen einfach verankerten Bohlträgerverbau an.

Die Klägerin erreichte im Rahmen der Gesamtausschreibung (beide Lose) den ersten Platz, die E GmbH den zweiten Platz. Die M GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. M) gab nur ein Angebot auf die Tiefbauarbeiten (Los 1) ab, die H GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. H) gab ausschließlich ein Angebot auf die Rohbauarbeiten (Los 2) ab. Zusammen ergaben die beiden Lose das günstigste Angebot.

Die Klägerin wies die Vergabestelle nach Mitteilung des Ergebnisses darauf hin, dass eine losweise Vergabe ausgeschlossen sei. Der von der Beklagten beauftragte Architekt erwiderte, dass die Firmen M und H als Bietergemeinschaft zu werten und nach Prüfung die Mindestbietenden seien. In den Angebotsschreiben hätten beide Firmen erklärt, im Auftragsfalle eine Bietergemeinschaft eingehen zu wollen. Im Übrigen wies der Architekt die Klägerin darauf hin, dass sich bei Berücksichtigung des zugelassenen Nebenangebotes für den Titel Pfahlgründungen ihr Angebot an dritter Stelle des Submissionsergebnisses befinde.

Im Auftrag der Klägerin wendete sich der Bauindustrieverband NRW im Februar 2016 nochmals an die Beklagte und teilte die Bedenken hinsichtlich der beabsichtigten Beauftragung der Firmen H und M mit. In dem Absageschreiben vom 03.05.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste darstelle und sie deshalb den Zuschlag nicht erhalte. Es liege ein günstigeres Hauptangebot mit einem Nebenangebot zur wirtschaftlichen Ausführung der Pfahlgründung durch die E GmbH vor.

Die Arbeiten auf der Baustelle wurden sodann von den Firmen M und H ausgeführt. Zur Anwendung kam der Bohlträgerverbau.

Ein außergerichtlich geltend gemachtes Auskunftsersuchen im Dezember 2017 lehnte die Beklagte ab.

Die Klägerin geht davon aus, dass ihr durch die Nichterteilung des Zuschlags ein Schaden in Höhe von 274.262,60 EUR entstanden sei. Den mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruch beziffert sie mit einem Zehntel des Leistungsanspruchs (27.426,26 EUR).

Die Klägerin behauptet, die Vergabeentscheidung sei aufgrund der knappen Begründung nicht nachvollziehbar. Die Firmen M und H seien im Vergabeverfahren nicht als Bietergemeinschaft aufgetreten. Sie ist der Ansicht, dass ein vergaberechtswidriger Zuschlag an die beiden Firmen vorliege. Die reine Absichtserklärung, im Auftragsfall eine Bietergemeinschaft einzugehen, stelle eine unzulässige Bedingung dar, die zwingend zum Ausschluss führen müsse. Zur Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten sei die Einsichtnahme in die Vergabeakte erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle im Vergabeverfahren eingereichten Erklärungen zu Bietergemeinschaften vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, die vorgenannten Erklärungen herauszugeben, wird festgestellt, dass Erklärungen zu Bietergemeinschaften in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent sind;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin den Vergabevermerk zur abschließenden Bewertung der Angebote nebst Zuschlagsempfehlung vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, den vorgenannten Vergabevermerk herauszugeben, wird festgestellt, dass ein Vergabevermerk zur abschließenden Bewertung der Angebote nebst Zuschlagsempfehlung in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin das Nebenangebot der E GmbH (Bstraße 5, C1) zur wirtschaftlichen Ausführung der Pfahlgründung vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass ein Nebenangebot der E GmbH (Bstraße 5, C1) zur wirtschaftlichen Ausführung der Pfahlgründung in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent ist;

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin das offizielle Submissionsprotokoll vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass ein offizielles Submissionsprotokoll in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent ist;

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle Zuschlagsschreiben, insbesondere an die E GmbH (Bstraße 5, C1) vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass Zuschlagsschreiben, insbesondere an die E GmbH (Bstraße 5, C1) in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent sind;

6. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle im Vergabeverfahren an die anderen Bieter versendeten Absageschreiben vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, die vorgenannten Absageschreiben herauszugeben, wird festgestellt, dass an die Bieter versendete Absageschreiben in dem Vergabeverfahren "Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am F, C" nicht existent sind;

7. dass die Einsichtnahme entweder durch Übersenden des Originals zu treuen Händen an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, durch Übersendung einer Kopie der Vergabeakte an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Kopie und Versand auf Kosten der Klägerin) oder durch Mitteilung eines Termins für Einsichtnahme vor Ort bei der Beklagten zu gewähren ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass eine Bietergemeinschaftserklärung bereits im Rahmen des Submissionstermins vorgelegen habe. Dies sei von den Mitarbeitern der Vergabestelle zunächst übersehen worden.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es bereits am Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehle, da sie keinen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen habe.

Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass selbst eine fehlerhafte Zuschlagserteilung an die Bietergemeinschaft keinen Schadensersatzanspruch und damit auch keinen vorgelagerten Auskunftsanspruch der Klägerin begründen könne. Ein Schadensersatzanspruch setze voraus, dass der Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf den Zuschlag zwingend hätte erhalten müssen, was vorliegend nicht der Fall sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.) Der Klägerin ist ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs nicht zu versagen. Insbesondere steht der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nicht entgegen, dass die Klägerin zuvor möglichen Primärrechtsschutz, insbesondere durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung, nicht in Anspruch genommen hat.

Die Möglichkeit, Primärrechtsschutz zu beanspruchen, schließt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht aus. Die Verfahren auf Primärrechtsschutz auf der einen und auf Schadensersatz auf der anderen Seite sind von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig und führen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Es kann somit der Klägerin nicht entgegengehalten werden, ihr habe mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein einfacheres, günstigeres und hinsichtlich des Rechtsschutzzieles gleich wirksames Verfahren zur Verfügung gestanden (OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.06.2016, 1 U 151/15, BeckRS 2016, 13235, Rn. 32). Daher ist der Bieter mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches grundsätzlich nicht deshalb ausgeschlossen, weil er nicht im Wege des Primärrechtsschutzes versucht hat, die Zuschlagserteilung zu verhindern (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.12.2014, 2 U 74/14, Rn. 25, nach juris).

Auch der bis zur Klageerhebung verstrichene Zeitraum rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Klägerin hat den Auskunftsanspruch zuvor außergerichtlich geltend gemacht. Im Übrigen hat die Beklagte ihre Auskunftsfähigkeit in diesem Zeitraum nicht verloren (vgl. BGH, Urteil vom 06.02.2007, X ZR 117/04, GRUR 2007, 532, 534).

2.) Der Klägerin steht gegen die Beklagte hinsichtlich der einzelnen Anträge kein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zu.

Die Anwendbarkeit des § 242 BGB ist gegeben. Mit der Aufnahme der Vertragsverhandlungen entsteht zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, das grundsätzlich bis zur Auftragsvergabe an einen der Bieter andauert (LG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2014, 5 S 610/13, NZBau 2014, 720, 721).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 06.02.2007, X ZR 117/04, GRUR 2007, 532, 533).

Nach diesen Maßstäben steht der Klägerin kein Anspruch auf Einsicht in die Vergabeakte zu. Die Klägerin ist über das Bestehen eines Rechts, und zwar eines etwaigen Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte, nicht in entschuldbarer Weise im Ungewissen.

Infolge der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge entsteht gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Hiernach kann dem Bieter auch im vorliegenden Unterschwellenbereich bei Zugrundelegung der Regelungen der VOB/A gegen den Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zustehen, wenn dieser durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Bieters schuldhaft verletzt und dem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319, 320).

Der Schadensersatzanspruch eines Bieters setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (BGH, Urteil vom 15.01.2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319, 321; LG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2014, 5 S 610/13, NZBau 2014, 720). Bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich gilt grundsätzlich das Willkürverbot, das dann verletzt ist, wenn das um Rechtsschutz nachsuchende Unternehmen keine faire Chance im Wettbewerb bekommen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, 1 BvR 1160/03, NJW 2006, 3701, 3703).

Davon ist vorliegend nicht auszugehen. Die Ausschreibung erfolgte gemäß § 12 VOB/A ordnungsgemäß, insbesondere enthielt die Bekanntmachung die erforderlichen Angaben wie Art und Umfang der Leistung, die Angaben zu einzelnen Losen und die ausdrückliche Berechtigung, ein Nebenangebot abzugeben.

Soweit die Klägerin einwendet, die Firmen M und H hätten entgegen § 13 Abs. 5 VOB/A mit der Einreichung der Angebote keine Bietergemeinschaftserklärung abgegeben, ist dieser Einwand unbeachtlich.

Die Beklagte trägt vor, eine solche Erklärung sei bereits mit den Angeboten abgegeben worden, aber intern zunächst übersehen worden. Sollte dies nicht zutreffen, wäre das Angebot formwidrig und gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auszuschließen. Dies würde sich aber im Ergebnis nicht auswirken. Von einer Zuschlagserteilung zu Gunsten der Klägerin kann trotzdem nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin nach dem substantiierten Vortrag der Beklagten nur Drittplatzierte war. Der von der Beklagten beauftrage Architekt hat insoweit im Schreiben vom 02.02.2016 gegenüber der Klägerin erklärt, dass die rechnerische und inhaltliche Prüfung der Angebote bei Wertung des zugelassenen Nebenangebotes für den Titel Pfahlgründungen ergeben habe, dass das Angebot der Klägerin an dritter Stelle des Submissionsergebnisses liege. Selbst wenn das Angebot der Firmen M und H auszuschließen gewesen wäre, hätte mithin nicht der Klägerin der Zuschlag erteilt werden können, sondern dem zweitplatzierten Unternehmen.

Der Schadensersatzanspruch im unterschwelligen Vergabeverfahren setzt zwar nicht voraus, dass der Zuschlag zwingend hätte erteilt werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319, 321). Der Grundsatz von Treu und Glauben, auf dem die Auskunftspflicht beruht, verbietet es indes, die Beklagte auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, wenn unabhängig von der erteilten Auskunft ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1982, IVb ZR 304/81, Rn. 33, nach juris). Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches soll durch den Auskunftsanspruch nur erleichtert werden. Im Übrigen verbleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin für die Anspruchsvoraussetzungen.

In dem von der Klägerin zitierten Urteil hat das Landgericht Oldenburg dem Bieter einen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen nach dem Gebot von Treu und Glauben zugesprochen, weil der dortige Kläger im Rahmen der Ausschreibung unstreitig das günstigste Angebot abgegeben hatte (LG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2014, 5 S 610/13, NZBau 2014, 720).

Soweit sich die Klägerin auf die angeblich unzureichende Begründung im Absageschreiben vom 03.05.2016 stützt, überzeugt auch dieser Vortrag nicht. Nach § 19 Abs. 1 S. 2 VOB/A sind die Bieter zu unterrichten, sobald der Zuschlag erteilt worden ist. Die Benachrichtigung hat lediglich informatorischen Charakter (Jasper/Soudry in Dreher/Motzke, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 2. Auflage 2013, § 19 VOB/A Rn. 13). Eine Pflicht der Vergabestelle, die Absage per se zu begründen, sieht § 19 Abs. 1 VOB/A gerade nicht vor.

Weitere Informationen hat die Vergabestelle ausdrücklich nur auf Antrag mitzuteilen. Gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A sind dem nicht berücksichtigten Bieter auf Verlangen innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang seines Antrags die Gründe für die Nichtberücksichtigung seines Angebots sowie die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Name in Textform mitzuteilen. Die Beklagte hat der Klägerin bereits im Absageschreiben vom 03.05.2016 den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe kurz mitgeteilt. Einen Antrag gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A hat die Klägerin darüber hinaus nicht gestellt.

Die Klägerin bemängelt weiterhin, dass sie im Ungewissen darüber sei, ob tatsächlich ein wirtschaftlicheres Angebot vorgelegen habe. Des Weiteren sei fraglich, ob der E GmbH der Zuschlag erteilt worden sei, denn die Durchführung der Bauarbeiten sei ausweislich der vorgelegten Lichtbilder nach Zuschlagserteilung durch die Firmen H und M vollzogen worden.

Ein für die Auskunftspflicht erforderliches entschuldbares Nichtwissen der Klägerin ist indes nicht festzustellen. Auch hinsichtlich dieser Punkte hätte ein gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A rechtzeitig gestellter Antrag zur Klärung führen können.

Insbesondere hat es die Klägerin unterlassen, gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A weitere Informationen zu dem Nebenangebot der E GmbH zu beantragen, um beurteilen zu können, ob es sich tatsächlich um ein vom Hauptangebot trennbares Nebenangebot gehandelt hat. Soweit die Klägerin angibt, die Informationen nach § 19 Abs. 2 VOB/A seien nicht ausreichend, um einen Schadensersatzanspruch prüfen zu können, überzeugt dies nicht. Vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse oder Informationen, die unter datenschutzrechtlichen Aspekten schutzwürdig sind, dürfen im Rahmen von § 19 Abs. 2 VOB/A zwar ebenso wie das Preisangebot des erfolgreichen Bieters nicht offenbart werden (Jasper/Soudry in Dreher/Motzke, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 2. Auflage 2013, § 19 VOB/A Rn. 16 und 18). Ansonsten besteht im Rahmen von § 19 Abs. 2 VOB/A hinsichtlich der zu gewährenden Informationen für den Auftraggeber ein Spielraum, den es für den unterlegenen Bieter auszuschöpfen gilt. Der prozessuale Auskunftsanspruch ist insoweit als subsidiär zu werten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die im Schreiben vom 03.05.2016 mitgeteilten Informationen nicht so weitreichend, wie es nach § 19 Abs. 2 VOB/A einzuholende Informationen wären. Ein entsprechender Antrag hätte dementsprechend keine bloße Förmelei dargestellt.

Nach § 19 Abs. 2 VOB/A muss der Auftraggeber dem Bieter ausdrücklich die Vorteile und Merkmale des bezuschlagten Angebots nennen. Zudem muss der Auftraggeber dem Bieter mitteilen, warum sein Angebot nicht berücksichtigt wurde und hat dies in der Regel durch einzelne Aspekte zu verdeutlichen (Jasper/Soudry in Dreher/Motzke, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 2. Auflage 2013, § 19 VOB/A Rn. 18). Eine Frist zur Antragstellung nennt § 19 Abs. 2 VOB/A zwar nicht, es ist aber davon auszugehen, dass ein Antrag auf Mitteilung der Gründe für die Nichtberücksichtigung innerhalb von drei oder vier Monaten ab Zuschlagserteilung gestellt werden muss (Jasper/Soudry in Dreher/Motzke, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 2. Auflage 2013, § 19 VOB/A Rn. 20).

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere steht der Klägerin kein Auskunftsanspruch aus § 810 BGB i.V.m. § 20 VOB/A zu. Vergabeakten werden zwar entsprechend § 810 Alt. 1 BGB auch im Interesse der am Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter errichtet (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 810 Rn. 6). Überdies beurkunden Vergabeakten ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zwischen den Bietern und der Vergabestelle, demnach ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 810 Alt. 2 BGB (Prieß/ Gabriel, NJW 2008, 331, 332). Allerdings ist ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung im Rahmen von § 810 BGB die Schutzwürdigkeit des rechtlichen Interesses (BGH, Urteil vom 27.05.2014, XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312, 3313, Rn. 24). Daran fehlt es, wenn die Einsichtnahme der Ausforschung des Anspruchsgegners dienen soll. Die Einsichtnahme ist auch unzulässig, wenn ein Schadensersatzanspruch gegen den Urkundenbesitzer erhoben werden soll und der darlegungspflichtige Anspruchsteller die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden Tatsachen erst durch die Einsichtnahme erwerben will (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 810 Rn. 11; vgl. auch BGH, Urteil vom 27.05.2014, XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312, 3313, Rn. 24).

So liegt der Fall hier. Die Klägerin sieht nicht die Erfolgsaussicht der Zuschlagserteilung als maßgeblich an, sondern betrachtet die Auskunftsklage als Vorstufe, welche die Bewertung der Chancen auf Zuschlagserteilung ermöglichen soll. Dies widerspricht den obigen Feststellungen, die im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen. In einem solchen Fall zielt das Auskunftsverlangen auf eine unzulässige Ausforschung (BGH, Urteil vom 27.05.2014, XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312, 3313, Rn. 24). Konkrete Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch bestehen entgegen der Ansicht der Klägerin nach den obigen Ausführungen gerade nicht.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Anspruch aus § 810 BGB nicht weiter reicht als ein Anspruch aus § 242 BGB (LG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2014, 5 S 610/13, NZBau 2014, 720, 721).

Im Übrigen sind die Anträge der Klägerin zu weit gefasst. Ein Anspruch auf Einsicht in die komplette Vergabeakte, worauf der Klageantrag zu 7. abzielt, ist weder von § 242 BGB noch von § 810 BGB erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014, XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312, 3313, Rn. 25).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 27.426,26 EUR festgesetzt.