VG Minden, Urteil vom 06.05.2020 - 6 K 2731/19
Fundstelle
openJur 2020, 5703
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die am 00.00.00 geborene Klägerin erhielt auf der Grundlage eines Bewilligungsbescheides des Beklagten vom 30.10.2018 für den Zeitraum von September 2018 bis einschließlich August 2019 Leistungen der öffentlichen Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz zur individuellen Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG -) in Höhe von insgesamt 222,00 Euro monatlich für ihr im Wintersemester 2018/2019 begonnenes Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Fachhochschule in C. . Auf ihren förderrechtlichen Bedarf wurde kein eigenes, sondern nur elterliches Einkommen angerechnet.

Im April 2019 legte die Klägerin dem Beklagten einen mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossenen Fördervertrag vom 27.3.2019 vor, wonach sie ab dem 1.4.2019 Leistungen in Gestalt von Förderbeträgen in Höhe von 880 Euro im Monat in der Vorlesungszeit und Praktikumsvergütungen in Höhe von 1.570 Euro im Monat für in der vorlesungsfreien Zeit zu absolvierende Praxiszeiten erhält. Der Fördervertrag hat im Wesentlichen den folgenden Inhalt:

"§ 1 Art und Umfang der Förderung

(1) Gegenstand des Vertrages ist die Förderung eines wissenschaftsbezogenen und praxisorientierten Studiums, dessen Abschluss der international anerkennte ‚Bachelor of Laws‘ bildet. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) unterstützt Studierende finanziell während der Wahrnehmung ihres Studiums. Sie stellt auch einen Platz zur Durchführung der von der Hochschule im Rahmen des Studiums vorgesehenen betrieblichen Praxiszeiten zur Verfügung. Ziel ist die Vorbereitung, Unterstützung und Vervollständigung der Ausbildung für den zukünftigen Beruf. Die theoretische Grundlagenvermittlung bleibt originäre Aufgabe der Hochschule.

(2) Zu den betrieblichen Praxiszeiten nach Absatz 1 gehören ein praktisches Studiensemester und Zusatzpraxiszeiten, die in den vorlesungsfreien Zeiten zu absolvieren sind:

Ein praktisches Studiensemester ist ein in das Studium integriertes, von der Hochschule geregeltes, inhaltlich bestimmtes, betreutes und mit Lehrveranstaltungen vorbereitetes und begleitetes Studiensemester, das frühestens ab dem 5. Semester in der BA abgeleistet wird.

Die Praxiszeit dient der Vermittlung praktischer Kenntnisse. [...]

Die Zusatzpraxis wird während der vorlesungsfreien Zeit nach jedem Semester in Dienststellen der BA durchgeführt.

[...]

§ 3 Pflichten der Vertragspartner

(1) Die BA verpflichtet sich,

1. der Studierenden in den Praxiszeiten entsprechend den unter § 1 genannten Bedingungen sowie dem anliegenden Praktikumsplan, welcher Bestandteil dieses Vertrages ist, auszubilden und fachlich zu betreuen; die Studierende insbesondere folgende Arbeitsbereiche durchlaufen:

Interner Service, Operativer Service, Familienkasse

2. der Studierenden nur Aufgaben zu übertragen, die dem Studienzweck dienen,

[...]

7. der Studierenden nach erfolgreich beendetem Studium (Erhalt der Bachelor-Urkunde) mindestens einen auf zunächst zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag in Vollzeit mit der BA anzubieten. Die Eingruppierung erfolgt nach den tariflichen Bestimmungen der BA, entsprechend der Bewertung des zu übertragenden Dienstpostens.

(2) Die Studierende verpflichtet sich, sich dem Ausbildungszweck entsprechend zu verhalten, insbesondere

1. die Kenntnisse, Fertigkeiten und praktischen Erfahrungen zu erwerben, die erforderlich sind, um das Studienziel zu erreichen,

[...]

12. ein nach Abs. 1 Nr. 7 angebotenes befristetes Arbeitsverhältnis anzunehmen.

§ 4 Förderbetrag und sonstige Leistungen

(1) Die Studierende erhält für die Dauer des Studiums während der Vorlesungszeit einen monatlichen Förderungsbetrag in Höhe von 880 Euro. Die Gewährung des Förderbetrages ist keine Gegenleistung für eine bestimmte wissenschaftliche oder praktische Leistung der Studierenden. Es wird kein Arbeitsverhältnis zwischen der Studierenden und der BA begründet. Der Förderbetrag wird vielmehr in der Erwartung gezahlt, dass die Studierende das von ihm [XYZ!] gewählte Studium zielstrebig und engagiert betreibt. Während der vorlesungsfreien Zeit und des Praxissemesters wird kein Förderbetrag geleistet.

(2) Für die Zeiten der betrieblichen Praxis nach § 1 Abs. 2 erhält die Studierende eine monatliche Praktikumsvergütung in Höhe von 1570 Euro.

[...]

§ 7 Rückzahlungsverpflichtung

(1) Die Studierende ist zur Rückzahlung des Förderbetrages nach § 4 Abs. 1 dieses Vertrages in voller, bereits gezahlter Höhe in folgenden Fällen verpflichtet:

1. Sofern das Studium aus von der Studierenden zu vertretenden Gründen vorzeitig beendet und der Vertrag gekündigt wird oder die Prüfung bzw. im Falle des Nichtbestehens der Prüfung die Wiederholungsprüfung nicht abgelegt wird.

2. Sofern das angebotene Arbeitsverhältnis unter § 3 Abs. 1 Nr. 7 aus einem von der Studierenden zu vertretenden Grund nicht angenommen wird.

(2) Wird das nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 angebotene Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 2 Jahren aus einem von der Studierenden zu vertretenden Grund beendet, mindert sich die Höhe des zurückzuerstattenden Förderbetrages um 1/24 für jeden vollen Monat des Bestehens eines entsprechenden Arbeitsverhältnisses.

[...]"

Im Juli 2019 legte die Klägerin außerdem Abrechnungen über Vergütung aus einer von August 2018 bis Mai 2019 ausgeübten geringfügigen Beschäftigung vor.

Mit Bescheid vom 12.7.2019 berechnete der Beklagte den Förderbetrag im Bewilligungszeitraum von September 2018 bis August 2019 neu, hob insoweit den Bewilligungsbescheid vom 30.10.2018 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung eines Überzahlungsbetrages in Höhe von 2.442 Euro auf. Es sei zu einer Überzahlung gekommen, da die "Ausbildungsbeihilfe" rückwirkend zu berücksichtigen sei.

Mit Schreiben vom 17.7.2019 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vortrug, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Förderung für den Zeitraum von August 2018 bis einschließlich März 2019 zurückzufordern, da ihr in diesem Zeitraum bis auf die Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung keine anderen finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem sei die Förderung drei Monate weitergegangen, obwohl dem Beklagten bereits alle Unterlagen vorgelegt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.7.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.4.2019 bis zum 31.8.2019 auf der Grundlage des Vertrages mit der Bundesagentur für Arbeit eine "Ausbildungsvergütung" erhalte, so dass das anrechenbare Einkommen ihren förderrechtlichen Bedarf übersteige. Die Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung führten nicht zu einer Anrechnung, da sie unterhalb des der Klägerin zu belassenden Freibetrages lägen.

Die Klägerin hat am 2.9.2019 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die Förderungen der Bundesagentur für Arbeit kein Einkommen darstellten, jedenfalls aber nicht vom Beginn des Bewilligungszeitraums an zurückzufordern seien.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Bescheid vom 12.7.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.7.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 27.3.2020 hat die Kammer das Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (- VwGO -) dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.

Am 7.4.2020 teilte die Bundesagentur für Arbeit auf vorherige Nachfrage des Gerichts per E-Mail mit, dass sie mit der - begrenzt möglichen - Förderung einen zusätzlichen Rekrutierungsweg beschreite, um den Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften vorausschauend und zeitnah zu decken. Die dafür erforderlichen Mittel würden im jährlichen Personalhaushalt zugeteilt und seien insofern öffentlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Der Einzelrichter (vgl. § 6 VwGO) kann über die Klage im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) entscheiden, obwohl das Einverständnis vor der Beschlussfassung über die Einzelrichterübertragung erteilt wurde. Unbeschadet der bereits mit der Klageeingangsverfügung erfolgten Anhörung bezüglich einer Einzelrichterübertragung regelt der Übertragungsbeschluss alleine den äußeren Fortgang des Verfahrens und verändert weder die sachliche Entscheidungsgrundlage noch bereitet er die Entscheidung wesentlich vor.

Vgl. BSG, Beschluss vom 29.11.2010 - B 14 AS 31/10 B -, juris Rn. 9; Schübel-Pfister, in: Eyermann (Hg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 101, Rn. 9; Störmer, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hg.), Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 101 Rn. 13; Dolderer, in: Sodan/Ziekow (Hg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 101 Rn. 38.

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Der Bescheid vom 12.7.2019 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 31.7.2019 gefunden hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 BAföG. Danach ist der Bewilligungsbescheid - außer in den (vorliegend nicht einschlägigen) Fällen der §§ 44 bis 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - insoweit aufzuheben und der Förderbetrag zu erstatten, als der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Klägerin erzielt mit den ihr auf der Grundlage des mit der Bundesagentur für Arbeit abgeschlossenen Fördervertrages vom 27.3.2019 zukommenden Leistungen Einkommen im Sinne des § 21 BAföG, wobei - anders als noch in einem am 20.2.2020 erteilten gerichtlichen Hinweis - zwischen den beiden "Leistungsarten" - den Praktikumsvergütungen einerseits und den Förderbeträgen andererseits - zu differenzieren ist.

Die Praktikumsvergütungen, d. h. die monatlichen Leistungen in Höhe von 1.570 Euro, die die Klägerin gemäß § 4 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 des Fördervertrages - neben einem nach § 1 Abs. 1 und 2 des Fördervertrages frühestens ab dem fünften Semester zu absolvierenden Praxissemester - für die während der vorlesungsfreien Zeit bei der Bundesagentur für Arbeit nach jedem Semester zu absolvierenden (Zusatz-)Praxiszeiten erhält, sind als Einkommen nach § 21 Abs. 1 BAföG einzuordnen. Nach dieser Vorschrift gilt als Einkommen - vorbehaltlich des Satzes 3, der Absätze 2a, 3 und 4 - die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Absätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (- EStG -). Dazu gehören nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeitstätigkeit werden ausbildungsförderungsrechtlich insbesondere Praktikums- bzw. Ausbildungsvergütungen behandelt.

Vgl. Knoop, in: Ramsauer/Stallbaum (Hg.), BAföG, 7. Aufl. 2020, § 21 Rn. 35.

Demgegenüber sind die sog. Förderbeträge, d. h. die monatlichen Leistungen in Höhe von 880 Euro, die die Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 des Fördervertrages in der Vorlesungszeit für den zielstrebigen und engagierten Betrieb des Studiums während seiner Dauer erhält, als Einkommen nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 BAföG - wobei die (Sonder-)Regelungen des Halbsatzes 2 nicht einschlägig sind - einzuordnen. Nach dieser Vorschrift gelten als Einkommen in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge Ausbildungsbeihilfen und gleichartige Leistungen, die nicht nach dem BAföG gewährt werden. Solche Leistungen stehen vorliegend in Rede.

Zwar handelt es sich bei den Förderbeträgen nicht um eine Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BAföG. Der Begriff der Ausbildungsbeihilfe bezeichnet die individuelle Ausbildungsförderung durch den Staat, die aufgrund von öffentlichrechtlichen Normen zum Zwecke der Durchführung einer Ausbildung gewährt werden.

Vgl. Humborg, in: Rothe/Blanke (Hg.), Losebl.-Komm. BAföG, Stand: April 2012, § 21 Rn. 23.1: z. B. die Ausbildungsbeihilfe nach § 44 Strafvollzugsgesetz.

Bei den Förderbeträgen der Bundesagentur für Arbeit als einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mag zwar ein staatlicher Charakter gegeben sein, es fehlt aber jedenfalls am weiteren Erfordernis einer öffentlichrechtlichen Normierung der Förderung. Die Förderbeträge sind nirgends gesetzlich vorgesehen. Es handelt sich vielmehr um (freiwillige) Leistungen, die die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen eines besonderen Rekrutierungsweges zur vorausschauenden Deckung des Personalbedarfs an gut qualifizierten Fachkräften in ihrem jährlichen Personalhaushalt vorsieht und daraus erbringt.

Die Förderbeträge stellen jedoch mit der Ausbildungsbeihilfe gleichartige Leistungen im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BAföG dar. Die Gleichartigkeit liegt vor, wenn die - im Umkehrschluss aus § 23 Abs. 4 Nr. 2 BAföG nicht zwingend staatlichen - Leistungen in ähnlicher Weise wie die Ausbildungsbeihilfen darauf gerichtet sind, zum Lebensunterhalt oder zu den Ausbildungskosten des Auszubildenden beizutragen. Über eine gewisse Zweckidentität hinaus müssen die Leistungen gleicher Art wie die staatliche Ausbildungsbeihilfe sein. Dies schließt neben der allgemeinen Zweckrichtung der individuellen Ausbildungsförderung eine karitativgemeinnützige Zielrichtung ebenso ein wie eine von dieser Zielrichtung bestimmte, sie dokumentierende rechtliche Ausgestaltung der Leistung.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21.9.1989 - 5 C 10.87 -, juris Rn. 14; siehe auch OVG NRW, Urteil vom 18.2.1988 - 16 A 2230/85 -, FamRZ 1989, 109 f.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 3.3.2016 - 7 A 10626/15 -, juris Rn. 25; Humborg, a. a. O., § 21 Rn. 23.2; Knoop, a. a. O., § 21 Rn. 32.

Nach diesen Maßstäben ist bei den Förderbeträgen die Gleichartigkeit mit der staatlichen Ausbildungsbeihilfe gegeben.

Die Förderbeträge haben zum einen den gleichen Zweck wie die staatliche Ausbildungsbeihilfe. Es handelt sich um zweckidentische Leistungen. Ausschlaggebend ist hierfür nämlich, dass die Zahlungen den Lebensunterhalt des Auszubildenden während der Ausbildung sichern sollen und dass der Auszubildende daher zur Sicherung der Ausbildung auf staatliche Ausbildungsförderung nicht angewiesen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.2.1988 - 16 A 2230/85 -, FamRZ 1989, 109 f.; OVG Bremen, Urteil vom 13.7.1982 - 2 BA 87/81 -, BeckRS 1982, 30472656; Humborg, a. a. O., § 21 Rn. 23.2.

Dies ist hier der Fall. Die Klägerin ist angesichts der Förderbeträge der Bundesagentur für Arbeit von vornherein nicht auf die staatliche Ausbildungsförderung angewiesen. Die Förderbeträge dienen der finanziellen Förderung ihres Lebensunterhalts und ihrer Ausbildung und erfüllen damit gleiche Funktion wie eine staatliche Ausbildungsbeihilfe. Dies ergibt sich unmissverständlich bereits aus dem als "Fördervertrag" überschriebenen Vertrag. Er bezeichnet außerdem in § 1 Abs. 1 seinen Gegenstand selbst als "Förderung eines wissenschaftsbezogenen und praxisorientierten Studiums". Mit diesem Vertrag will die Bundesagentur für Arbeit erklärtermaßen Studierende finanziell während der Wahrnehmung ihres Studiums unterstützen.

Die Förderbeträge weisen zum anderen die darüber hinaus erforderliche (fremd- bzw.) gemeinnützige Zielrichtung auf. Dem steht insbesondere nicht der Umstand entgegen, dass die Bundesagentur für Arbeit damit zugleich auch eigene, namentlich personalpolitische Ziele verfolgt und diese durch die Regelung einer Rückzahlungspflicht absichert. Spielen in die Leistungsgewährung eigennützige Elemente hinein, ist die gemeinnützige Zielrichtung der Leistung dann noch gewahrt, wenn die Leistung einen überwiegend uneigennützigen Charakter aufweist. Dem liegt insbesondere mit Blick auf die Regelung einer Rückzahlungspflicht die Erwägung zugrunde, dass selbst die staatliche Ausbildungsförderung nach dem BAföG (vgl. § 17 Abs. 2 BAföG) zu einem erheblichen Umfang hälftig als im Ausgangspunkt rückzahlungspflichtiges Darlehen gewährt wird.

Vgl. hingegen zur sog. Volldarlehenslösung, BVerfG, Beschluss vom 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 -, juris Rn. 38 ff. (= BVerfGE 96, 330-345).

Wenn sogar auch ein privates Darlehen eine gemeinnützige Zielrichtung aufweisen und damit als eine der Ausbildungsbeihilfe gleichartige Leistung einzuordnen sein kann, vorausgesetzt es wird zur Ausbildungsförderung langfristig und zinslos gewährt, muss dies erst recht für eine Leistungsgewährung wie die hier in Rede stehenden Förderbeträge auf der Grundlage des Fördervertrages mit der Bundesagentur für Arbeit gelten. Ob sich diese Leistungen als überwiegend uneigennützig darstellen, richtet sich nach einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles. Als Kriterien zur Bewertung der (Un-)Eigennützigkeit der Leistungsgewährung sind dabei insbesondere der damit verfolgte Zweck, die vereinbarten Rückzahlungsbedingungen, die Zinshöhe sowie die sonstigen Verpflichtungen des Leistungsempfängers heranzuziehen.

Vgl. dazu Knoop, a. a. O., § 21 Rn. 33; Humborg, a. a. O., § 21 Rn. 23.2.

Hiervon ausgehend weisen die auf dem Fördervertrag beruhenden Förderbeträge jedenfalls eine erheblich überwiegend gemein- bzw. uneigennützige Zielrichtung auf. Das erklärte Ziel des Fördervertrages, die Klägerin während der Dauer ihres Studiums finanziell zu fördern, steht eindeutig im Vordergrund der Leistungsgewährung.

An dieser Zielrichtung ändert die - auf die Förderbeträge bezogene - Rückzahlungspflicht nichts. Dafür spricht schon der Umstand, dass die Rückzahlungspflicht die Klägerin nicht unbesehen ihres eigenen Verschuldens treffen kann. § 7 des Fördervertrages knüpft die Rückzahlungspflicht jeweils an von der Klägerin zu vertretende Gründe an. Durch das Verschuldenserfordernis werden die Fälle einer tatsächlich eintretenden Rückzahlungspflicht erheblich eingegrenzt. Zugleich wird dadurch dem Interesse der Klägerin, hiervon möglichst verschont zu bleiben, angemessen Rechnung getragen. Die Rückzahlungspflicht ist außerdem im Ergebnis nur rein potenzieller Natur. Durch vertragsgemäßes Verhalten hat es die Klägerin in der Hand, jeglicher Rückzahlungspflicht zu entgehen. Unter diesem Gesichtspunkt steht sie wertungsmäßig sogar besser da, als sie bei der vorliegend im Ausgangspunkt hälftig als rückzahlungspflichtiges Darlehen auszugebenden staatlichen Ausbildungsförderung nach dem BAföG stehen würde.

Die Bundesagentur für Arbeit sucht durch die Rückzahlungspflicht außerdem offenbar nur ihr nachvollziehbares personalpolitisches Interesse an der frühzeitigen Gewinnung gut qualifizierter Fachkräfte abzusichern. Die Rückzahlungspflicht wird im Kern für ausbildungsbezogene Konstellationen und für die Nichtannahme bzw. vorzeitige Beendigung des auf zwei Jahre zu befristenden Arbeitsverhältnisses vorgesehen. Ein darüber hinausgehendes (finanzielles) Interesse verfolgt die Bundesagentur für Arbeit mit der Rückzahlungspflicht erkennbar nicht. Eine Gewinnorientierung ist dem Fördervertrag wesensfremd. Er ist weder erwerbs- noch profitorientiert ausgestaltet. Aus der Perspektive einer etwaig eingetretenen Rückzahlungspflicht stellt sich der Förderbetrag als ein zinsloses Darlehen dar (vgl. auch § 18 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Selbst wenn eine Rückzahlungspflicht eintreten sollte, so bezieht sich diese nach § 7 Abs. 1 des Fördervertrages nur auf die Förderbeträge in tatsächlich gezahlter Höhe; eine Verzinsung der etwaig zurückzuzahlenden Beträge sieht der Fördervertrag nicht vor.

Eine andere Bewertung der überwiegend uneigennützigen Zielrichtung der Förderbeträge erfordern ferner nicht die sonstigen sich aus dem Fördervertrag ergebenden Verpflichtungen der Klägerin. Diese sind im Wesentlichen auf eine zielstrebige und erfolgsorientierte Durchführung des geförderten Studiums ausgerichtet. Aber auch die Verpflichtung, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums ein mindestens auf zwei Jahre zu befristendes Arbeitsverhältnis mit der Bundesagentur für Arbeit einzugehen und durchzuführen, stellt die überwiegend uneigennützige Zielrichtung der Förderbeträge nicht durchgreifend in Frage. Vielmehr stellt sich dies - neben der dann gänzlich wegfallenden Rückzahlungspflicht - sogar als ein (weiterer) Vorteil der Förderung nach dem Fördervertrag gegenüber der staatlichen Ausbildungsförderung nach dem BAföG. Anders als dies nach erfolgreichem Studienabschluss regelmäßig der Fall ist, muss die Klägerin nicht zwingend eigene Bemühungen anstellen, um einen Arbeitsplatz zu erlangen. Sie kann aufgrund des Fördervertrages davon ausgehen, dass ihr durch die Bundesagentur für Arbeit ein Arbeitsverhältnis tatsächlich angeboten wird.

Auch die übrigen Voraussetzungen für die angefochtene (Aufhebungs- und Rückforderungs-)Entscheidung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG sind erfüllt.

Das Einkommen der Klägerin ist bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung mit dem Bescheid vom 30.10.2018 nicht berücksichtigt worden. Maßgeblich ist insoweit allein der Umstand der unterbliebenen Berücksichtigung. Für § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG kommt es nicht darauf an, auf wessen Verantwortungssphäre dieser Umstand zurückzuführen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1981 - 5 C 61.79 -, juris Rn. 11; s. a. Rauschenberg, in: Rothe/Blanke (Hg.), BAföG Losebl.-Kommentar, Stand: August 2017, § 20 Rn. 13.

Das Einkommen der Klägerin führt außerdem dazu, dass die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist. Ein Anspruch auf Gewährung öffentlicher Ausbildungsförderung besteht nach dem in der Grundregel des § 1 Halbsatz 2 BAföG zum Ausdruck kommenden Nachrang- bzw. Subsidiaritätsprinzip nur, wenn einem Auszubildenden die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. In Konkretisierung dieser Grundsatznorm ordnet § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BAföG an, dass Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge auf den Bedarf - nach den Regelungen der §§ 21 ff. BAföG - anzurechnen sind. Hiernach wird der förderrechtliche Bedarf der Klägerin durch die Leistungen aufgrund des Fördervertrages vollständig abgedeckt. Dabei ist sowohl gegen die Anwendung von Anrechnungs- (vgl. § 22 BAföG) als auch - im Ergebnis - gegen die Anwendung von Freibetragsvorschriften (vgl. § 23 BAföG) aus rechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

Der gegen die (rückwirkende) Anrechnung von der Klägerin erhobene Einwand, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die angefochtene (Aufhebungs- und Rückforderungs-)Entscheidung auf die vor dem Abschluss des Fördervertrages liegenden Monate des Bewilligungszeitraums zu beziehen, greift nicht durch. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BAföG sind für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgeblich. Nach § 22 Abs. 2 BAföG wird auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums der Betrag angerechnet, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird. Mit diesen Regelungen will der Gesetzgeber das anzurechnende Einkommen des Auszubildenden und die Förderleistungen so eng wie möglich aufeinander abstimmen, um auf die im Voraus schwerlich bis kaum exakt zu prognostizierenden Änderungen der Einkommensverhältnisse eines Auszubildenden reagieren und zugleich den Nachrang der Ausbildungsförderung absichern zu können.

Vgl. dazu Hartmann, in Rothe/Blanke (Hg.), BAföG, Losebl.-Kommentar, Stand: Juli 2019, § 22 Rn. 6 und 7.

Danach kann die Berechtigung für die Gewährung der Ausbildungsförderung durch einen unvorhergesehenen, im Laufe des Bewilligungszeitraums eintretenden Einkommenszufluss rückwirkend entfallen (vgl. § 53 Satz 4 BAföG). Dem Auszubildenden wird in einem solchen Fall zugemutet, das spätere Einkommen, soweit es den Bedarf übersteigt, im erforderlichen Umfang für die Rückforderung einzusetzen.

Vgl. Rauschenberg, a. a. O., § 20 Rn. 13.

Es besteht kein Vertrauensschutz. Jeder Einkommenszufluss im Bewilligungszeitraum ist gleichmäßig auf den Bedarf eines jeden Kalendermonats des Bewilligungszeitraums anzurechnen.

Vgl. etwa auch schon BVerwG, Urteil vom 10.5.1979 - V C 84.77 -, juris Rn. 16.

Für den Auszubildenden ist unschwer erkennbar, dass die Bewilligung hinsichtlich des eigenen Einkommens gewissermaßen "unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Änderung" steht.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.2.2014 - 12 ZB 13.780 -, juris Rn. 8; s. a. Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum (Hg.), BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 25 a. E.

Auch das Sozialstaatsprinzip gebietet nicht, eine im Laufe des Bewilligungszeitraums veränderte Einkommenssituation erst ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, ab dem die Einkünfte tatsächlich erzielt worden sind.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.2.2014 - 12 ZB 13.780 -, juris Rn. 9.

Hiervon ausgehend durfte und musste der Beklagte in die Neuberechnung der der Klägerin zustehenden Ausbildungsförderung nicht nur die Monate ab dem Beginn des Vollzuges des Fördervertrages, also von April 2019 bis zum Ende des Bewilligungszeitraums, sondern gerade auch die davor liegenden, an sich "einkommensfreien" Monate des Bewilligungszeitraums von August 2018 bis einschließlich März 2019 einbeziehen. Der Beklagte ist außerdem nach dem Prinzip der gleichmäßigen Aufteilung vorgegangen, wobei sich gezeigt hat, dass der förderrechtliche Bedarf der Klägerin durch die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit auf der Grundlage des Fördervertrages für jeden Monat vollständig abgedeckt wird.

Gegen die Anwendung der Freibetragsvorschriften des § 23 BAföG bestehen - im Ergebnis - ebenfalls keine Bedenken. Es ist unerheblich, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid die Leistungen des Fördervertrages einheitlich als Ausbildungsvergütung nach § 23 Abs. 3 BAföG eingeordnet und voll auf den förderrechtlichen Bedarf der Klägerin angerechnet hat, obwohl diese Regelung nur auf die Praktikumsvergütungen anwendbar ist. Denn auch für die als gleichartige Leistungen anzusehenden Förderbeträge gilt nach § 23 Abs. 4 Nr. 2 BAföG das Vollanrechnungsprinzip, da sie aus öffentlichen Mitteln stammen. Als in diesem Sinne "öffentlich" sind nach dem zugrunde zu legenden weiten Begriffsverständnis die Mittel des Bundes, der Länder, der öffentlichrechtlichen Gebiets- und Personenkörperschaften sowie der öffentlichrechtlichen Anstalten und Stiftungen anzusehen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Mittel aus dem Haushalt stammen, den Haushalt durchlaufen oder in privatrechtlicher Form zur Verfügung gestellt werden,

vgl. Humborg, a. a. O., § 23 Rn. 41, m. w. N.,

was bei den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit als einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts - auch nach ihrer eigenen Bestätigung - der Fall ist. Der Unterschied bei der Anrechnung von Ausbildungsvergütungen und gleichartigen Leistungen besteht indes darin, dass nur bei den Ersteren Abzüge für Werbungskosten und die Sozialpauschalen vorzunehmen sind, bei den Letzteren hingegen nicht,

vgl. Knoop, a. a. O., § 21 Rn. 35,

so dass sich die Klägerin im Ergebnis sogar ein höheres Einkommen anrechnen lassen muss, als dies nach der ursprünglichen Berechnung des Beklagten der Fall war. Auf die Alternativberechnung des Beklagten, gegen die keine Einwände erhoben oder ersichtlich sind, wird Bezug genommen.

Auf Rechtsfolgenseite eröffnet § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG dem Beklagten kein Ermessen, wie der eindeutige gesetzliche Wortlaut "... ist ... der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten" zeigt. Demgemäß besteht auch auf dieser Prüfungsebene kein Raum für einen etwaigen Vertrauensschutz, so dass der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe ihr die ursprünglich bewilligten BAföG-Leistungen drei Monate nach Vorlage sämtlicher Unterlagen zum Fördervertrag weiter gewährt, - unbeschadet des Umstandes, dass darin keine hinreichende Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen zu sehen ist - nicht durchdringen kann.

Es besteht ferner kein Raum für einen Ausschluss der Rückforderung entsprechend § 814 Halbsatz 1 BGB wegen einer Kenntnis des Beklagten von der Nichtschuld hinsichtlich der drei Monate nach der Einreichung der Unterlagen zum Einkommenszufluss weiter erfolgten Leistungsgewährung. Die Bestimmung des § 20 BAföG stellt eine für die Ausbildungsförderung geltende Sonderregelung zur Rückforderung von zu Unrecht gewährten Leistungen dar, die nicht nur das Vertrauen des Auszubildenden auf die Beibehaltung einer rechtswidrigen Förderung nicht schützt, sondern auch die Grundsätze des Bereicherungsrechts unberücksichtigt lässt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1981 - 5 C 61.79 -, juris Rn. 11 a. E.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 VwGO; der Ausspruch zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

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