FG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2020 - 4 K 1099/14 Z
Fundstelle
openJur 2020, 5606
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (VO 1472/2006) trat am 07. Oktober 2006 in Kraft. Sie blieb bis zum Auslaufen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam und in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus der Sonderverwaltungsregion Macau versandte Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder, ob als Ursprungserzeugnisse der Sonderverwaltungsregion Macau angemeldet oder nicht (DVO 1294/2009), nach einer Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (VO 384/96) bis zum 31. März 2011 in Kraft.

Der Beklagte setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Mai 2010 u.a. für folgende Einfuhren von Schuhen, die die Klägerin in 2010 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet hatte, Antidumpingzoll fest

Lieferanten und Hersteller der aus der VR China eingeführten Schuhe war die A Ltd. und der aus Vietnam eingeführten Schuhe die B Inc.. Beide Firmen hatten vor der Einführungen des streitigen Antidumpingzolls Anträge auf Marktwirtschafts- und Individualbehandlung gestellt, sind aber von der EU-Kommission nicht in die Stichprobe einbezogen worden.

Mit Urteilen vom 02. Februar 2012, C-249/10 P und vom 15.November 2012, C-247/10 P erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die VO 1472/2006 hinsichtlich der Kläger dieser Verfahren für ungültig.

Am 12. Juni 2012 beantragte die Klägerin im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 02. Februar 2012, C-249/10 P die Erstattung des Antidumpingzolls, da die VO 1472/2006 wegen bestimmter Rechtsfehler nichtig sei.

Den Erstattungsantrag lehnte der Beklagte ab. Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Dagegen erhob die Klägerin fristgerecht Klage.

Während des Klageverfahrens ergingen

1. das EuGH-Urteil vom 04. Februar 2016, C-659/13 und C-34/14

2. die Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 der Kommission vom 17. Februar 2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung, und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 - DVO 2016/223 - (ABl. EU Nr. L 41/3),

3. die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1647 der Kommission vom 13. September 2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam, die von Best Royal Co. Ltd, Lac Cuong Footwear Co., Ltd, Lac Ty Co., Ltd, Saoviet Joint Stock Company (Megastar Joint Stock Company), VMC Royal Co Ltd, Freetrend Industrial Ltd. und dem mit ihm verbundenen Unternehmen Freetrend Industrial A (Vietnam) Co, Ltd., Fulgent Sun Footwear Co., Ltd, General Shoes Ltd, Golden Star Co, Ltd, Golden Top Company Co., Ltd, Kingmaker Footwear Co. Ltd., Tripos Enterprise Inc. und Vietnam Shoe Majesty Co., Ltd hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 - DVO 2016/1647 - (ABl. EU Nr. L 245/16),

4. die Durchführungsverordnung (EU) 2016/2257 der Kommission vom 14. Dezember 2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Chengdu Sunshine Shoes Co. Ltd., Foshan Nanhai Shyang Yuu Footwear Ltd. und Fujian Sunshine Footwear Co. Ltd. hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 - DVO 2016/2257 - (ABl. EU Nr. L 340/1) sowie

5. auf Vorlagebeschluss vom 20. April 2016 durch den Senat in diesem Verfahren das EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/16. Darin hat der EuGH geurteilt, dass die Prüfung der Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der DVO 2016/223 berühren könnte.

6. das EuGH-Urteil vom 19. Juni 2019, C-612/16, in dem der EuGH u.a. urteilte, dass die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der DVO 2016/1647 berühren könnte und dass für die Erhebung der Antidumpingzölle, die u.a. mit der DVO 2016/1647 eingeführt wurden, die in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehene Verjährungsfrist gilt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin nunmehr vor, hinsichtlich der Antidumpingzölle sei Verjährung nach Art. 221 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - eingetreten.

Im Urteil vom 19. Juni 2019, C-612/16, gehe der EuGH von der uneingeschränkten Geltung des ZK aus. Die von ihr seinerzeit gezahlten Antidumpingzölle seien zu keiner Zeit gesetzlich geschuldet gewesen und die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 seien vom EuGH mit Urteil vom 04. Februar 2016, C-659/13 und C-34/14, für ungültig erklärt worden. Die Antidumpingzölle hätten erstattet werden müssen.

Die Aussetzung der Rückzahlungspflicht durch die DVO 2016/223 sei mit Erlass der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 entfallen. Die rückwirkende Einführung der neu festgesetzten Antidumpingzölle bewirke nicht, dass die ursprünglich auferlegten Antidumpingzölle gesetzlich geschuldet gewesen seien. Eine Rechtsgrundlage für die nachträgliche Schaffung einer nunmehr wirksamen Rechtsgrundlage zum Ausgleich eines zuvor gemachten Verfahrensfehlers bestehe nicht. Diese Annahme habe der EuGH im Urteil vom 19.06.2019, C-612/16, sogar ausdrücklich zurückgewiesen.

Jede Änderung des Art. 236 ZK außerhalb seines Wortlauts verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und des effektiven Rechtsschutzes: Danach müsse eine belastende Regelung klar und bestimmt und für den Einzelnen vorhersehbar sein, was besonders bei finanziellen Konsequenzen gelte. Daher sei der Beklagte zur Erstattung zu verpflichten.

Die sich aus den DVOen 2016/1647 und 2016/2257 ergebende Zollschuld sei für ihren Erstattungsanspruch irrelevant, denn diese Zollschuld müsse erst wieder erhoben werden, wofür die Frist des Art. 221 Abs. 3 ZK gelte (EuGH Urteil vom 19. Juni 2019, C-612/16, Rzn. 82-86, insb. 84). Die Auffassung der Kommission, dass eine Bestätigung der Antidumpingzölle durch die DVOen 2016/1647 und 2016/2257 eine Erstattung ausschließe, habe der EuGH damit zurückgewiesen.

Ihr Erstattungsanspruch nach Art. 236 ZK werde durch das EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, nicht eingeschränkt, was auch die Rechtsbank Noord-Holland im allerdings noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 17. Januar 2019 bestätigt habe. Das Berufungsgericht werde sich dem Urteil des Hoge Raad vom 29. November 2019, 15/04667 bis (ECLI:NL:HR:2019:1875) im Rechtsstreit der C B.V. anschließen. Darin habe der Hoge Raad festgestellt, dass Antidumpingzoll auf Grund einer Verordnung, die der EuGH für ungültig erklärt habe, nicht geschuldet sei und dass deshalb die Abgabenbescheide der nationalen Behörden für nichtig zu erklären seien. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der nationalen Behörden, die Antidumpingzölle zu erstatten. Auch aus dieser Entscheidung folge, dass nach der erneuten Einführung von Antidumpingzöllen - dort durch die DVO 2019/1374 - diese den Beteiligten noch mitgeteilt werden müssten.

Soweit Art. 1 Abs. 3 DVO 2016/223 die Zollbehörden angewiesen habe, mit der Erstattung der Zölle abzuwarten, bis die Kommission ihre neuen DVOen erlassen habe, werde dadurch Art. 236 ZK nicht beeinträchtigt. Schon auf Grund der Normenhierarchie könne eine DVO der Kommission eine Ratsverordnung nicht ändern.

Aus den Ausführungen im EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, Rzn. 68-71, insb. 69, ergebe sich nichts anderes. Insoweit gehe es nur um die Berechnung der Antidumpingzölle, die nicht geschuldet wären, wenn die im EuGH-Urteil vom 04. Februar 2016 festgestellten Regelwidrigkeiten nicht begangen worden wären. Daraus folge jedoch nicht, dass die Antidumpingzölle mangels Differenz nunmehr geschuldet seien. Vielmehr gehe es nur um die Ermöglichung einer Differenzberechnung am Ende des Verfahrens der Kommission. Davon unberührt blieben die Regelungen, auf Grund derer die nationalen Zollbehörden die Erstattungsanträge bearbeiten müssten. Diese seien im EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, Rzn. 62 und 84 genannt. Danach sei die Zollschuld von den nationalen Zollbehörden den Zollschuldnern vorbehaltlich der Verjährungsfrist nach Art. 221 Abs. 3 ZK noch mitzuteilen. Dieser Ausführungen hätte es nicht bedurft, wenn an Stelle der alten Antidumpingzölle mit rückwirkender Kraft neue Antidumpingzölle hätten treten können.

Auch habe sie nicht nur Anspruch auf die Erstattung, sondern auch auf Zinsen beginnend mit dem Tag der Abgabenzahlung.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, ihr Antidumpingzoll zu erstatten,

den Beklagten zu verpflichten, auf den zu erstattenden Betrag Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zahlung des Antidumpingzolls zu zahlen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist zur Begründung auf seine Verwaltungsentscheidungen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat mit seinem Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung der Klägerin zu Recht die Erstattung des Antidumpingzolls abgelehnt, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.

Der auf Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK gestützte Erstattungsantrag der Klägerin ist unbegründet, denn die Antidumpingzölle, deren Erstattung sie begehrt, waren im Zeitpunkt ihrer Zahlung gesetzlich geschuldet.

Auf Grund der DVO 1294/2009 sind für die Schuhe, deren ausführende Hersteller A und B waren, mit der Annahme der o.a. Zollanmeldungen der Klägerin Antidumpingzölle nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK entstanden, die nach Art. 217 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK buchmäßig erfasst und anschließend der Klägerin nach Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt worden waren. Die Klägerin hat diese Antidumpingzölle auch entrichtet, wodurch diese Zollschuld erloschen ist, Art. 233 Buchst. a ZK.

Mit Urteil vom 04. Februar 2016, C-659/13 und C-34/14 bestimmte der EuGH, dass die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 ungültig seien, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 VO 384/96 verstießen: Der Rat und die Kommission hatten, weil sie nicht über die Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung der chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden hatten, die nicht in die gemäß Art. 17 VO 384/96 gebildete Stichprobe einbezogenen worden waren, gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b VO 384/96 verstoßen mit der Folge, dass die endgültige Verordnung insoweit ungültig war (Rz. 112 des Urteils).

Da die ausführenden Hersteller A und B im Streitfall Anträge auf Marktwirtschafts- und Individualbehandlung gestellt hatten, ist zu Ihren Gunsten von einer Ungültigkeit der VO 1472/2006, die sich auch auf die DVO 1294/2009 erstreckte, auszugehen.

Im Hinblick darauf setzte die Kommission mit der DVO 2016/223 die bei den Zollbehörden der Mitgliedstaaten anhängigen Erstattungsverfahren bis zum Erlass von DVOen, mit denen die Verletzung des Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 VO 384/96 korrigiert werden sollten, aus. Gegen dieses Vorgehen bestehen auch unter Berücksichtigung der Regelungen des Art. 236 Abs. 1 ZK keine Bedenken (EuGH Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, Rz. 71). Mit den DVOen 2016/1647 und 2016/2257 bestimmte die Kommission unter Wiederholung aller übrigen Bestimmungen der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 den unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 VO 384/96 festgesetzten Antidumpingzollsatz neu, und zwar mit Wirkung für die Geltungsdauer der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 in der bisherigen Höhe. Für die B ergab sich die Neufestsetzung aus der DVO 2016/1647 und für die A aus der DVO 2016/2257. Bedenken gegen die Wiederaufnahme der Verfahren bestehen ebenso wenig (EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/18, Rz. 75) wie gegen die Beachtung des Rückwirkungsverbots (EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/18, Rz. 79) und die Gültigkeit der DVO 2016/223 schlechthin (EuGH-Urteil vom 15.03.2018, C-256/16). Auch bestehen gegen die Gültigkeit der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 keine Bedenken (EuGH-Urteil vom 19.06.2019, C-612/16 zur DVO 2016/1647). Damit gibt es für die streitigen Antidumpingzölle eine Rechtsgrundlage, die im Zeitpunkt der Entstehung dieser Zollschuld gilt.

Soweit es für die Annahme, dass die die Antidumpingzölle betreffende Zollschuld gesetzlich geschuldet ist, auf deren wirksame buchmäßige Erfassung und Mitteilung ankommen sollte, ist auch diese mit dem bestandskräftig gewordenen Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Mai 2010 gegeben. Diese Maßnahme wurde von der Ungültigkeitserklärung der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 auf Grund des EuGH-Urteils vom 04.02.2016, C-659/13 und C-34/14 nicht erfasst (s. Rz. 182 dieses Urteils), noch sind buchmäßige Erfassung und Mitteilung der Antidumpingzölle durch den Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Mai 2010 dadurch nichtig und unwirksam (s. Art. 10 ZK in Verbindung mit § 124 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO -) geworden (s. Rz. 184 dieses Urteils).

Der der Klägerin gegenüber ergangene Einfuhrabgabenbescheid ist wirksam und war nicht deshalb nichtig, weil er Antidumpingzoll festsetzte, der nur auf der DVO 1294/2009 beruhte. Eine Nichtigkeit setzt nach dem insoweit anwendbaren Art. 10 ZK in Verbindung mit § 125 Abs. 1 AO voraus, dass der Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Mai 2010 unter einem besonders schweren Fehler litt, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig war. Einen derartigen Fehler enthält der Bescheid nicht. Dass der Bescheid auf Vorschriften beruhte, die später für ungültig erklärt worden sind, ist unerheblich (s. BFH Urteil v. 29.10.2002, VII R 2/02 BFHE 200, 88), wofür auch der sich aus § 79 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ergebende Rechtsgedanke spricht.

Selbst wenn die Erhebung der Antidumpingzölle durch den Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Mai 2010 auf Grund der angemeldeten Warennummer in Verbindung mit dem angemeldeten Zusatzcode zur Erhebung der Antidumpingzölle nach der DVO 1294/2009 geführt hat, ergibt sich hieraus kein Mangel, der zur Nichtigkeit führen könnte. Mängel bei der Begründung führen nämlich nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit eines Verwaltungsakts (BFH Urteil v. 17. März 2009, VII R 40/08, BFH/NV 2009, 1287).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argument, der Einfuhrabgabenbescheid sei nach §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 2 AO anderweit erledigt und sei deshalb unwirksam. Die Erledigung träte nämlich auch bei Entfallen der rechtlichen Grundlage, hier der Gültigkeit der DVO 1294/2009, nicht für die Vergangenheit, sondern allenfalls für die Zukunft ein (Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 255. Lieferung 10.2019, § 124 AO Rz. 248; Klein/Ratschow AO 14. Aufl. § 124 Rz. 11). Zudem ist die rechtliche Grundlage, nunmehr in Form der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 mit Wirkung für den Zeitpunkt seines Erlasses wieder geschaffen worden.

Weiter ist nicht ersichtlich, dass die genannten Vorschriften der AO nicht die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten, wie es der EuGH in ständiger Rechtsprechung fordert, soweit Unionsrecht durch Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts anzuwenden ist. Nach diesen Grundsätzen dürfen die anzuwendenden Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des nationalen Rechts gestützt sind - Äquivalenzgrundsatz -, und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (s. EuGH-Urteil vom 19. Dezember 2019, C-360/18 Rzn. 47 f. m.w.N.) oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteil vom 19. Dezember 2019, C-752/18 Rz. 33 m.w.N.) - Effektivitätsgrundsatz -. Der Äquivalenzgrundsatz wird dadurch eingehalten, dass die Bestimmungen zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, einer zollrechtlichen Entscheidung im Sinne des Art. 4 Nr. 5 ZK, in gleicher Weise für Klagen, die auf Bestimmungen des nationalen Rechts als auch auf Bestimmungen des Unionsrechts gestützt sind, gelten.

Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung die Frage, ob eine nationale Vorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2019, C-407/18, Rz. 48 m.w.N., ECLI:EU:C:2019:537). Dementsprechend stellt nach ständiger Rechtsprechung der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010, C-264/08, Rz. 45 m.w.N., ECLI:EU:C:2010:43).

Da sich die Klägerin gegen eine Entscheidung wie dem Einfuhrabgabenbescheid nach Art. 243 ZK mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen hätte wenden können und ihr zudem dann, wenn Antidumpingzölle in geringerer als der festgesetzten Höhe entstanden wären, ein Erstattungsanspruch nach Art. 236 Abs. 1 ZK zugestanden hätte, ist ihr weder die Ausübung der ihr nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert worden. Nicht erforderlich und unionsrechtlich nicht geboten ist es, dass trotz unzweifelhaft vorliegender buchmäßiger Erfassung und Mitteilung eines Antidumpingzolls die Mitteilung des Antidumpingzolls ebenfalls unwirksam sein muss und deshalb erneut mitgeteilt werden muss. Ein derartiges Ergebnis hätte im Streitfall auch nur zur Folge, dass der Klägerin die von ihr gesetzlich geschuldeten Antidumpingzölle zu erstatten wären.

Für eine erneute, bislang allerdings unterbliebene Mitteilung der Antidumpingzölle in der bereits mitgeteilten Höhe gibt es daher keinen Grund. Vielmehr wäre eine erneut mitzuteilende Zollschuld für die Antidumpingzölle, die im Streitfall im Zeitpunkt der Annahme der jeweiligen Zollanmeldung im April 2010 entstanden ist, schon längst, nämlich nach Art. 233 Buchst. a ZK mit der hier unstreitigen Entrichtung des Abgabenbetrags erloschen.

Aus den von der Klägerin zitierten Ausführungen in der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nichts anders: Das EuGH-Urteil vom 19. Juni 2019, C-612/16 nimmt zwar dazu Stellung, welche Verjährungsvorschriften für die Mitteilung der Antidumpingzölle anzuwenden sind, nämlich die des ZK, hier Art. 221 Abs. 3 ZK. Eine Antwort auf die Frage, ob die durch die DVOen 2016/1647 und 2016/2257 bestimmten Antidumpingzölle noch mitzuteilen sind, gibt der EuGH jedoch nicht, weil ihm diese Frage gar nicht gestellt worden ist.

Gleiches gilt für die Ausführungen im EuGH-Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, Rzn. 68-71, denn danach hatte die Kommission nur die individuellen Antidumpingzölle bestimmter ausführender Hersteller individuell zu überprüfen und festzustellen, ob diese nicht niedriger als zuvor festzusetzen gewesen wären. Zu Unrecht erhoben und damit zu erstatten wäre den Beteiligten wie der Klägerin nach den Ausführungen dieses EuGH-Urteils nur die Differenz zwischen den festgesetzten Antidumpingzollsätzen und den Zollsätzen, die hätten festgesetzt werden müssen, wenn die vom EuGH im Urteil vom 04. Februar 2016, C-659/13 und C-34/14 festgestellten Regelwidrigkeiten nicht begangen worden wären (Rz. 69 des Urteils).

Soweit die Rechtsbank Noord-Holland im Urteil vom 17. Januar 2019, HAA 16/3076 unter Rz. 19 ausführt, dass nach dem EuGH-Urteil vom 15.03.2018, C-256/16, Rz. 84 eine Mitteilung der Antidumpingzölle erst erfolgen könne, nachdem die Kommission das wieder aufgenommene Verfahren durch Wiedereinführung der Antidumpingzölle zu angemessenen Sätzen beendet habe, auf Grund derer dann die Antidumpingzölle berechnet werden könnten, wofür nunmehr die Verjährungsvorschrift des Art. 221 Abs. 3 ZK gelte, kann dem der Senat aus den bereits genannten Gründen nicht zu folgen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das durch die DVO 2016/223 vorgesehene Verfahren, das u.a zum Erlass der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 führte, nicht zu einer höheren als der bereits bestandskräftigen Mitteilung der Antidumpingzölle hätte führen können. Nur dann, wenn höhere als die bisher festgesetzten Anidumpingzölle hätten mitgeteilt werden müssen, wäre eine erneute Mitteilung dieser Zölle erforderlich geworden.

Die Ungültigerklärung durch das EuGH-Urteil vom 04. Februar 2016, C- 659/14 und C-34/14 betraf nur die unterlassene Ermittlung individueller Antidumpingzölle für bestimmte ausführende Hersteller. Da der Antidumpingzollsatz, der für alle oder alle übrigen Unternehmen eines Landes galt, nicht von der Ungültigkeit erfasst wurde, konnte es bei den zu Unrecht von der Kommission unbeschiedenen Anträgen nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c, Art. 9 Abs. 5 VO 1225/2009 nur um die niedrigere Festsetzung der Spanne für einen Antidumpingzoll unter Berücksichtigung besonderer Umstände bei bestimmten Unternehmen gehen, die unter Bedingungen wie in einer Marktwirtschaft tätig sind. Dabei wäre es, wie der EuGH in seinem Urteil vom 15. März 2018, C-256/16, Rz. 69 ausgeführt hat, nur um die Differenz zwischen dem Antidumpingzoll für alle übrigen Unternehmen und dem herabgesetzten Antidumping für ein Unternehmen, das mit Erfolg eine Marktwirtschafts- oder Individualbehandlung beantragen konnte, gegangen. Hätte einer der ausführenden Hersteller dieses Verfahrens einen niedrigeren individuellen Antidumpingzollsatz erreicht, wäre der Antidumpingzoll insoweit nicht gesetzlich geschuldet und in Folge dessen auf Antrag zu erstatten gewesen.

Zwar nimmt der Hoge Raad der Niederlande in seinem Urteil vom 29. November 2019, 15/04667 bis (ECLI:NL:HR:2019:1875), im Rechtsstreit der C B.V. die Nichtigkeit von Abgabenbescheiden über Antidumpingzölle in einem Fall an, in dem die die Antidumpingzölle festsetzenden Unionsvorschrift wegen eines Verfahrensfehlers bei ihrem Erlass vom EuGH für ungültig erklärt worden ist. Insoweit ist allerdings nicht ersichtlich, ob der Hoge Raad von einem anderen, dem niederländischen Verwaltungsrecht zu entnehmenden Begriff der Nichtigkeit ausgeht, die auch dann anzunehmen ist, wenn zollrechtlichen Entscheidungen nichtige Vorschriften zu Grunde liegen. Es ist auch denkbar, dass sich sein Urteil nur auf angefochtene Abgabenbescheide über Antidumpingzoll bezieht, die mit Feststellung der teilweisen Nichtigkeit der ihnen zu Grunde liegen Vorschriften aufzuheben sind. Für die letzte Möglichkeit spricht, dass der Hoge Raad in seiner Entscheidung die der DVO 2016/223 entsprechende Vorschrift der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1374 der Kommission vom 26. August 2019 zur Wiederaufnahme der Untersuchung im Rahmen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 723/2011 des Rates vom 18. Juli 2011 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht, infolge des Urteils vom 3. Juli 2019 in der Rechtssache C-644/17, (ABl. EU Nr. L 223 vom 27. August 2019, S. 1) unerwähnt gelassen hat.

Besteht, wie dargelegt, kein Erstattungsanspruch, muss auch nicht mehr über dessen etwaige Verzinsung entschieden werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die die Zulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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