LG Bielefeld, Urteil vom 02.08.2019 - 1 O 489/18
Fundstelle
openJur 2020, 5423
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 2.688,26 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.12.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 2) zu 10 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin und die Beklagte zu 1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 12.971,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) als Herstellerin eines Fahrzeugs und die Beklagte zu 2) als Konzernmutter auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin bestellte am 07.05.2010 bei der B. GmbH in C. ein Neufahrzeug T. 1.6 TDI Style Plus Edition zum Preis von 17.921,70 EUR. Die B. GmbH nahm die Bestellung an. Das Fahrzeug wurde der Klägerin am 25.06.2010 übergeben. Die Klägerin zahlte den Kaufpreis.

Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten zu 2) hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 EU5 ausgestattet. Die Beklagte zu 2) hatte in der Motorsteuerung eine Software eingebaut, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einer standardisierten Testsituation befand, und dann in einen anderen Betriebsmodus schaltete. In diesem Modus war die Abgasrückführung höher als im normalen Fahrbetrieb, so dass der Stickoxidausstoß geringer war. Das Kraftfahrtbundesamt sah die verwendete Software als unzulässige Abschalteinrichtung an und ordnete den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. Die Beklagte zu 2) entwickelte ein Software-Update, das von der zuständigen Behörde u.a. für den streitgegenständlichen Fahrzeug- und Motortyp freigegeben wurde. Die Klägerin ließ es nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte zu 1) auf ihr Fahrzeug aufgespielen, zugleich wurde ein Strömungsgleichrichter eingebaut.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 12.12.2018 forderte die Klägerin die Beklagten bis zum 22.12.2018 zur Schadensersatzleistung in Form eines merkantilen Minderwertes in Höhe von 12.971,70 EUR auf. Die Beklagten reagierten hierauf nicht. Die Klägerin nutzte das Fahrzeug anschließend zunächst weiter, am 08.03.2019 veräußerte sie den Pkw.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten hätten sie betrogen und durch das Inverkehrbringen des mit der oben genannten Software ausgestatteten Motors vorsätzlich gegen die guten Sitten verstoßen, wodurch sie einen Schaden erlitten habe, den die Beklagten ihr gesamtschuldnerisch zu ersetzen hätten. Sie behauptet hierzu, bei der Beklagten zu 1) handele es sich um die Herstellerin des Fahrzeugs. Eine Kenntnis der Vorstände der Beklagten vom Einbau der Software sei zu unterstellen. Es liege auf der Hand, dass der millionenfache Einbau der Manipulationssoftware nicht ohne Wissen der Vorstände des U.-Konzerns oder seiner Tochtergesellschaften habe erfolgen können. Bei der Einführung einer manipulierten Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine wesentliche strategische Entscheidung mit erheblicher wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei. In Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte sie das Fahrzeug nicht zu dem gezahlten Kaufpreis erworben. Sie habe bei dem Kauf besonderen Wert darauf gelegt, dass das Fahrzeug selbstverständlich über eine gültige Betriebserlaubnis verfüge, dass der Schadstoffausstoß niedrig sei und den Angaben in der Zulassungsbescheinigung Teil I entspreche und dass der Verbrauch des Fahrzeugs niedrig sei. In Kenntnis der Mängel hätte sie keinen höheren Kaufpreis als 5.000,00 EUR für das Fahrzeug gezahlt. Das sei auch der maximale realistische Kaufpreis für ein Fahrzeug ohne gültige Betriebserlaubnis und mit einer manipulierten Steuerungssoftware gewesen. Sie habe das Fahrzeug bei einer Laufleistung von 169.870 km nur noch zu einem Preis von 2.677,00 EUR verkaufen können.

Die Klägerin beantragt mit der am 29.12.2018 beim Landgericht Bielefeld eingereichten, den Beklagten am 05.03.2019 bzw. 06.03.2019 zugestellten Klage,

1)

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 12.971,70 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.12.2018 zu zahlen,

2)

die Beklagten zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten rügen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld und erheben die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte zu 1) behauptet, sie sei lediglich die deutsche Importeurin für Neufahrzeuge der Marke T.. Sie habe erst im Rahmen der medialen Berichterstattung im September 2015 von dem Vorhandensein der Motorsteuerungssoftware auch in T.-Fahrzeugen Kenntnis erlangt.

Die Beklagte zu 2) vertritt die Auffassung, sie habe sich nicht schadensersatzpflichtig gemacht, da sie weder getäuscht, betrogen noch gegen die guten Sitten verstoßen habe. Die Klägerin habe zudem keinen Schaden erlitten bzw. zumindest keinen Schaden mehr. Außerdem sei die Erstattung eines Minderwertes von einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, der auf das negative Interesse gerichtet sei, nicht umfasst. Sie behauptet, nach ihren noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsermittlungen lägen ihr derzeit keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Umschaltlogik seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten. Die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu entwickeln und zu verwenden, sei unterhalb der Vorstandsebene getroffen worden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe ihr Vorstand im relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software Kenntnis gehabt. Die damaligen Vorstandsmitglieder hätten erst am Wochenende des 19./20. September 2015 von der Verwendung der Umschaltlogik in europäischen Dieselfahrzeugen mit dem Motortyp EA189 erfahren. Ein softwarebedingter Minderwert der Fahrzeuge mit dem Motortyp EA189 sei weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen worden. Die Verkaufswerte derartiger Fahrzeuge seien seit Bekanntwerden der Umschaltlogik im Herbst 2015 über knapp zwei Jahre stabil geblieben. Auch die technische Überarbeitung des Fahrzeugs begründe keinen Minderwert des Fahrzeugs. Der Einbruch der Nachfrage bei dieselbetriebenen Fahrzeugen seit Sommer 2017 beruhe auf der öffentlichen Debatte über die Zukunftsfähigkeit der Dieseltechnologie bei Fahrzeugen sämtlicher Hersteller.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.08.2019 verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Das Landgericht Bielefeld ist örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, § 32 ZPO. Dabei ist der klägerische Sachvortrag zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2014 - VI ZR 271/13). Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 826 BGB schlüssig vorgetragen. Da bei § 826 BGB der Eintritt des Schadens zum Tatbestand gehört - nicht lediglich zur Rechtsfolgenseite -, ist auch der Ort des Schadenseintritts Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO (Vorwerk/Wolf in BeckOK ZPO, 30. Edition, § 32, Rn 13). Der Schaden ist dort entstanden, wo die Erfüllungshandlungen vorgenommen worden sind (OLG Hamm, Beschluss vom 26.10.2018, 32 SA 46/18). Der Pkw ist der Klägerin in C. übergeben worden, also im Bezirk des Landgerichts Bielefeld.

II.

Die Klage ist gegen die Beklagte zu 2) teilweise begründet.

1)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) Anspruch auf Zahlung von 2.688,26 EUR aus §§ 826, 31 BGB.

a)

Die Haftung der Beklagten zu 2) basiert darauf, dass sie bei der Herstellung des Motors, der in dem klägerischen Fahrzeug verbaut worden ist, eine unzulässige Motorsteuerungssoftware installiert hat, die den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkannte und die Abgasbehandlung zur Reduzierung des Stickoxidausstoßes in einen anderen Modus als im normalen Fahrbetrieb versetzte, und den Motor unter Verschweigen dieser Software sodann mit dem Fahrzeug in Verkehr gebracht hat.

b)

Hierdurch hat die Beklagte zu 2) der Klägerin einen Schaden zugefügt.

aa)

Unter den Schadensbegriff im Sinne des § 826 BGB sind nicht nur nachteilige Einwirkungen auf die Vermögenslage, sondern auch jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses sowie jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung zu fassen (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 402/02).

bb)

Der Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW stellt eine solche Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung dar. Denn die Klägerin hätte das Fahrzeug in Kenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware nicht erworben.

Hierfür spricht schon grundsätzlich die Lebenserfahrung. Bei lebensnaher Betrachtung würde ein informierter, verständiger und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher im Regelfall kein Fahrzeug erwerben, welches mit einer vom Kraftfahrbundesamt als unzulässig bewerteten Software ausgestattet ist, die dafür sorgt, dass auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb unterschiedliche Abgasrückführungsmodi in Gang gesetzt werden und dadurch auf dem Prüfstand ein niedrigerer Ausstoß von Stickoxiden erreicht wird, als dies im realen Fahrbetrieb möglich ist, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 Fahrzeug- Zulassungsverordnung (FZV) besteht.

Dies steht aber auch im konkreten Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung mit Nachdruck erklärt, wenn sie gewusst hätte, dass der Motor mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware versehen war, hätte sie den Pkw nicht erworben. Sie hat ehrlich eingeräumt, dass auch der geringe Verbrauch eines Dieselfahrzeugs für sie aufgrund ihres weiten Arbeitsweges ein entscheidendes Kaufkriterium gewesen sei. Außerdem handele es sich bei dem gekauften Pkw um ein geeignetes Familienfahrzeug und es sehe schick aus. Von der Marke T. habe sie als geborene Ostdeutsche viel Gutes gehört. Die Klägerin hat aber zugleich nachvollziehbar ausgeführt, sie sei schon immer auf Umweltschutz bedacht gewesen. Auch an ihrem Arbeitsplatz bei einer Berufsberatung seien sie sehr ökologisch eingestellt. Deshalb habe sie auch ein klimafreundliches Fahrzeug erwerben wollen. Es sei ihr wichtig gewesen, dass die CO2-Angaben eingehalten und die Schadstoffgrenzwerte nicht überschritten würden. Wenn sie gewusst hätte, dass sie mit dem Fahrzeug die Umwelt so belaste, hätte sie es wahrscheinlich auch nicht zu einem niedrigeren Kaufpreis erworben, sondern sich eher einen Benziner gekauft. Das Gericht glaubt der Klägerin.

cc)

Dieser Schaden ist der Beklagten zu 2) zuzurechnen, obwohl sie nur den Motor, nicht aber das Fahrzeug hergestellt hat, und bei dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit der Klägerin nicht in Kontakt stand. Das haftungsauslösende Verhalten liegt in der Herstellung des Motors mit der unzulässigen Steuerungssoftware und dessen Inverkehrbringung. Ohne diese Handlung der Beklagten zu 2) wäre der Schaden der Klägerin, der Abschluss eines Kaufvertrags über einen hinsichtlich des Motors nicht ihren Erwartungen entsprechenden Pkw, nicht entstanden (äquivalente Kausalität im Sinne der "condiciosinequanon-Formel). Es gibt keine Veranlassung, den Zurechnungszusammenhang unter dem Gesichtspunkt der adäquaten Kausalität zu verneinen. Es hat sich exakt der Schaden verwirklicht, der durch die schädigende Handlung angelegt war; der Motor wurde von der Beklagten zu 2) zum Zweck des Einbaus in einen Pkw hergestellt, der anschließend verkauft werden sollte. Der entstandene Schaden fällt aus diesem Grund schließlich auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.

c)

Die schädigende Handlung ist der Beklagten zu 2) nach § 31 BGB zuzurechnen.

Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15), was die Klägerin darzulegen - und gegebenenfalls zu beweisen - hat.

aa)

Die Klägerin behauptet, der Vorstand der Beklagten zu 2) habe Kenntnis vom Einbau der Software gehabt. Es liege auf der Hand, dass der millionenfache Einbau der Manipulationssoftware nicht ohne Wissen der Vorstände der Beklagten zu 2) als Konzernmutter habe erfolgen können. Bei der Einführung einer manipulierten Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine wesentliche strategische Entscheidung mit erheblicher wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei. Dieses Behaupten ist hinreichend substantiiert. Die Klägerin hat naturgemäß keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten zu 2) und kann deswegen dazu nicht weiter im Einzelnen vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten zu 2) die Entscheidung für die Entwicklung der Software gefallen ist und wann wem diese Entscheidung weiter zur Kenntnis gebracht wurde; sie ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Dabei ist es zudem naheliegend, dass der millionenfache Einbau der Software nicht ohne Wissen des Vorstandes des den Motor herstellenden Unternehmens erfolgen konnte (vgl. LG Kleve, Urteil vom 31. März 2017 - 3 O 252/16; LG Offenburg Urteil vom 12.05.2017 - 6 O 119/16; LG Dortmund, Urteil vom 06. Juni 2017, 12 O 228/16).

bb)

Die Beklagte zu 2) hat die Behauptung der Klägerin nicht substantiiert und damit nicht erheblich bestritten.

Der Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei ist nach § 138 Abs. 2 und 4 ZPO zu substantiiertem Gegenvortrag verpflichtet, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat, weil sie sich in seinem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben, und ihm nähere Angaben zumutbar sind (sekundäre Darlegungslast - vgl. BAG, Urteil vom 20.11.2003, 8 AZR 580/02; BGH, Urteil vom 15.10.1986, IVb ZR 78/85).

So liegt der Fall hier. Da es um Umstände geht, welche ihre interne Organisation betreffen und in welche die Klägerin keinen Einblick hat, konnte sich die Beklagte zu 2) nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen. Sie musste sich vielmehr gemäß § 138 Abs. 2 und 4 ZPO im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast im Einzelnen zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, erklären. Dieser Vortrag ist der Beklagten zu 2) auch zumutbar. Im Gegensatz zur Klägerin hat die Beklagte zu 2) jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so der Klägerin zu ermöglichen, die ihr obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können.

Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte zu 2) nicht ausreichend nachgekommen. Sie trägt lediglich vor, nach ihren noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsermittlungen lägen ihr derzeit keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Umschaltlogik seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten. Die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu entwickeln und zu verwenden, sei unterhalb der Vorstandsebene getroffen worden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe ihr Vorstand im relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software Kenntnis gehabt. Die damaligen Vorstandsmitglieder hätten erst am Wochenende des 19./20. September 2015 von der Verwendung der Umschaltlogik in europäischen Dieselfahrzeugen mit dem Motortyp EA189 erfahren. In dieser Darstellung fehlen bereits jegliche Angaben dazu, welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen überhaupt unternommen wurden, um die Initiatoren, Täter und Mitwisser der Manipulation namhaft zu machen. Die Entscheidungsprozesse in der Konzernstruktur der Beklagten zum Einsatz der in Rede stehenden Software sind ebenso wenig vorgetragen wie eine Begründung dafür, dass trotz des erheblichen Zeitablaufs seit Bekanntwerden der Softwaremanipulation noch keine Ergebnisse der angeblich umfassend durchgeführten Untersuchung vorliegen (vgl. Landgericht Bielefeld, Urteil vom 16.10.2017, 6 O 149/16).

cc)

Im Übrigen würde die Beklagte zu 2) auch dann, wenn - wie sie behauptet - tatsächlich Mitarbeiter unterhalb der Führungsebene die Entscheidung getroffen hätten, die Motorsoftware zu verändern, gegenüber der Klägerin haften.

Nach der Lehre vom körperschaftlichen Organisationsmangel und der so genannten Fiktionshaftung ist die Beklagte zu 2) als juristische Person verpflichtet, mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nur verfassungsmäßige Vertreter im Sinne des § 31 BGB zu betrauen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 19.04.2018, 13 O 108/17 m.w.N.). Grund dafür ist, dass es einer juristischen Person nicht freistehen soll, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will. Es kann daher nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Stellung des "Vertreters" in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist. Vielmehr genügt es, dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, wodurch er die juristische Person repräsentiert (BGH, Urteil vom 21.09.1971, VI ZR 122/70). Letzteres beurteilt sich danach, ob die übertragene Aufgabe von einem solchen Gewicht ist, dass die Stellung des Gehilfen repräsentantengleich hätte sein sollen (LG Berlin a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind auch nach dem Vortrag der Beklagten zu 2) erfüllt. Denn sollten tatsächlich entsprechend ihrer Darstellung, der ihren aktuellen Kenntnisstand wiedergeben soll, Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene die Entscheidung getroffen haben, die Motorsoftware zu verändern, so wäre sie von Personen getroffen worden, die nach den oben beschriebenen Grundsätzen Organe der Beklagten hätten sein müssen. Denn es handelt sich vom Gewicht und der Reichweite her um eine Entscheidung, die nur von Mitarbeitern getroffen werden kann, die in dem ihnen zugewiesenen Aufgabenbereich als Repräsentanten des Unternehmens oder zumindest repräsentantengleich handeln. Die Entscheidung über den Einsatz der hier in Rede stehenden Motorsteuerungssoftware hat Auswirkungen auf ganze Entwicklungs- und Produktlinien der Beklagten zu 2) und es ergeben sich aufgrund ihrer zumindest erkennbar fragwürdigen rechtlichen Zulässigkeit auch Haftungsrisiken so erheblichen Ausmaßes, dass die Entscheidung von Mitarbeitern auf einer Entscheidungsebene getroffen worden sein muss, die als Repräsentanten der Beklagten zu 2) angesehen werden müssen (LG Berlin, a.a.O.,; vgl. auch LG Saarbrücken, Urteil vom 07.06.2017, 12 O 174/16).

d)

Die Schädigung der Klägerin erfolgte sittenwidrig.

aa)

Eine Handlung ist objektiv sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB, wenn sie nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Hinzutreten muss eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 77. Auflage, 2018, § 826 Rn. 4 m.w.N.).

bb)

Die serienmäßige Verwendung einer Software, die für den Abgastest auf dem Prüfstand einen besonders niedrigen Schadstoffausstoß generiert, um so einen ebenfalls geringen Kraftstoffausstoß für den Betrieb im normalen Straßenverkehr zu suggerieren und es der Beklagten zu 2) so zu ermöglichen, sich als Hersteller besonders umweltfreundlicher Motoren am Markt zu platzieren, erfüllt ohne weiteres die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit. Die Beklagte zu 2) hat durch ihr Verhalten im eigenen Profitinteresse nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als Sittenverstoß zu bewerten.

cc)

In subjektiver Hinsicht ist nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit erforderlich, es genügt bereits die Kenntnis der sie begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis bei den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu 2) ist aufgrund ihres unwirksamen Bestreitens zu bejahen.

e)

Die Schadenszufügung erfolgte auch vorsätzlich.

aa)

Der Schädiger braucht nicht im Einzelnen zu wissen, wer der durch sein Verhalten Geschädigte sein wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 402/02).

bb)

Das ist vorliegend zu bejahen. Für den Vorstand der Beklagten zu 2) war aufgrund der Kenntnis vom geheim gehaltenen Einbau der Software zwingend ersichtlich, dass damit Kunden Fahrzeuge erwerben würden, welche hinsichtlich des Motors nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Kunden - so auch die Klägerin - Kaufverträge abschließen würden, die sie in Kenntnis der installierten Manipulationssoftware nicht geschlossen hätten.

f)

Der Inhalt der Pflicht zum Schadensersatz bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf den Ersatz des negativen Interesses. Die Klägerin hat Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie sie ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde (BGH, Urteile vom 25.11.1997, VI ZR 402/96, und vom 19.07.2004, II ZR 402/02).

aa)

Dieser Schaden liegt vorliegend - wie bereits ausgeführt - darin, dass die Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten zu 2) den Kaufvertrag über das mit der streitgegenständlichen Software versehene Fahrzeug geschlossen hat, den sie ohne dieses schädigende Ereignis nicht geschlossen hätte. Die Klägerin ist aber nicht gezwungen, die wirtschaftliche Rückabwicklung des für sie nachteiligen Vertrags geltend zu machen, sondern sie kann stattdessen am Vertrag festhalten und den Ersatz des durch die unerlaubte Handlung bedingten Mehraufwands verlangen. In dem Fall wird der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden. Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist der Betrag, um den er den Kaufgegenstand aufgrund seiner Unkenntnis von der unzulässigen Motorsteuerungssoftware zu teuer erworben hat. Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte. Entscheidend ist vielmehr allein, wie der Geschädigte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte (Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019, § 826 Rn 15 in Verbindung mit Einf v § 823 Rn 24 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 25.05.1977, VIII ZR 186/75; ferner: BGH, Urteile vom 08.12.1988, VII ZR 83/88, und vom 06.02.2018, II ZR 17/17; OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2005, 28 U 125/04).

bb)

Den im vorliegenden Fall angemessenen Herabsetzungsbetrag schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 2.688,26 EUR.

Der Einholung des durch die Beklagte zu 2) beantragten Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die Verkaufswerte von mit dem Motor des Typs EA189 ausgestatteten Fahrzeugen seit Bekanntwerden des Umstands, dass die Fahrzeuge über eine Umschaltlogik verfügen und technisch überarbeitet werden, über knapp zwei Jahre stabil geblieben seien, bedarf es nicht.

Maßgeblich für die Schadenbemessung ist vorliegend nicht die Wertentwicklung des durch die Klägerin erworbenen Fahrzeugs nach Bekanntwerden der streitgegenständlichen Dieselproblematik im September 2015, sondern der Wert des Fahrzeugs mit der ursprünglich vorhandenen unzulässigen Motorsteuerungssoftware im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses. Bei der Bestimmung dieses Wertes ist insbesondere zu berücksichtigen, dass infolge der unzulässigen Motorsteuerungssoftware seinerzeit zumindest abstrakt die Untersagung der Nutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (§ 5 Abs. 1 FZV) drohte. Zwar war der PKW zu diesem Zeitpunkt aufgrund der erteilten Typengenehmigung zugelassen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 FZV), der Fortbestand der erteilten Typengenehmigung und damit die weitere Zulassung waren indessen nicht gewährleistet. Auch wenn schon seinerzeit bei Kenntnis sämtlicher später bekanntgewordener Umstände mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen wäre, dass es für dieses Problem irgendeine technische Lösung geben würde, hätte sich die diesbezügliche Unsicherheit nachteilig auf die Absetzbarkeit der betroffenen Fahrzeuge und damit ihren Wert ausgewirkt. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem Wert eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne die streitgegenständliche Software entspricht dem Betrag, um den der durch die Klägerin gezahlte Kaufpreis infolge der unerlaubten Handlung der Beklagten zu 2) übersetzt war. Das Gericht schätzt diese Wertdifferenz auf 15 % des gezahlten Kaufpreises.

cc)

Der so verstandene Schaden der Klägerin ist - entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) - nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin das Software-Update an ihrem Fahrzeug hat durchführen lassen. Auch ist dem Aufspielenlassen der Software nicht zu entnehmen, dass die Klägerin sich im Nachhinein in Kenntnis der Problematik mit dem geschlossenen Vertrag einverstanden erklärt habe. Dem auf die Aufforderung der Beklagten zu 1) folgenden Verhalten der Klägerin, die das Fahrzeug bei der Werkstatt vorstellte, um das Update installieren und den Strömungsgleichrichter einbauen zu lassen, ist ein solcher Erklärungsinhalt nach dem objektiven Empfängerhorizont der Beklagten zu 2) nicht zu entnehmen.

g)

Die Beklagte zu 2) ist nicht berechtigt, die Schadensersatzleistung wegen Eintritts der Verjährung zu verweigern, § 214 Abs. 1 BGB. Der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB verjährte nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB aufgrund der erst im Jahr 2015 publik gewordenen unzulässigen Motorsteuerungssoftware frühestens mit dem 31.12.2018. Die Verjährung ist durch die Erhebung der Klage im hiesigen Rechtsstreit rechtzeitig gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Zwar ist die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 2), durch die die Klageerhebung gemäß § 253 Abs. 1 ZPO bewirkt wird, erst am 06.03.2019 erfolgt. Da die Klagezustellung aber demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, trat die Hemmungswirkung bereits mit Eingang der Klageschrift beim Landgericht Bielefeld am 29.12.2018 ein.

aa)

§ 167 ZPO ist nicht rein zeitlich zu verstehen. Mit der in dieser Vorschrift geregelten Rückwirkung soll der Kläger vor den Nachteilen solcher Verzögerungen der Zustellung geschützt werden, die außerhalb seiner Einflusssphäre liegen und die er auch bei gewissenhafter Prozessführung nicht vermeiden kann. Derjenige Zeitraum, dessen ungenutztes Verstreichen ihm nicht angelastet werden kann, hat deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung "demnächst" erfolgt ist, außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 15.01.1992, IV ZR 13/91). Die Zustellung einer Klage ist jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (BGH, Urteil vom 10.02.2011, VII ZR 185/07).

bb)

Die von der Klägerin zu vertretende Verzögerung der Klagezustellung überschreitet den Zeitraum von 14 Tagen nicht. Die Klägerin war berechtigt, zunächst die Anforderung des erforderlichen Gerichtskostenvorschusses durch das Gericht abzuwarten (BGH, Urteil vom 29.06.1993, X ZR 6/93). Die Anforderung ging erst am 05.02.2019 bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein. Dies wurde durch Einsichtnahme in die Handakte von Rechtsanwalt Dr. Schwöbbermeyer festgestellt. Die Zahlung des Vorschusses ist daraufhin rechtzeitig veranlasst worden. Die Gerichtskosten gingen ausweislich der Zahlungsanzeige in der Gerichtsakte am 19.02.2019 bei der Zentrale Zahlstelle Justiz ein, also nach 14 Tagen. Der Klägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nach Klageeinreichung bis zum Eingang der Gerichtskostenrechnung nicht nach dem Fortgang der Sache erkundigt hat. Zwar ist vorliegend der Zeitraum von drei Wochen nach Fristablauf, innerhalb dessen der gerichtlichen Zahlungsaufforderung allgemein noch untätig entgegen gesehen werden kann (BGH, Urteil vom 15.01.1992, IV ZR 13/91) mit fünf Wochen überschritten worden. Die Länge des noch unschädlichen Zeitraums der Untätigkeit ist aber von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1977, IV ZR 149/76). Das Landgericht Bielefeld war Ende 2018 / Anfang 2019 aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Klagen und der mit der Pilotierung der elektronischen Akte verbundenen Probleme mit der Bearbeitung der einzelnen Verfahren massiv im Rückstand. Dies war auch den im Landgerichtsbezirk Bielefeld ansässigen Rechtsanwälten bekannt. Allein die mit dem Einscannen von in Papierform eingereichten Klageschriften verbundenen Verzögerungen beliefen sich auf bis zu drei Wochen. Vor diesem Hintergrund war eine Sachstandsanfrage innerhalb von fünf Wochen nach Fristablauf nicht geboten.

2)

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen).

3)

Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 826, 249 BGB, da die Anwaltskosten Teil des aufgrund vorsätzlich sittenwidriger Schädigung zu ersetzenden Schadens sind.

Der Höhe nach richtet sich der Anspruch danach, was die Klägerin in berechtigter Weise verlangen konnte. Bei einem Gegenstandswert von 2.688,26 EUR errechnet sich eine Gebührenforderung von 334,75 EUR (1,3-Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer).

Ob die Klägerin die Rechtsanwaltsgebühren gezahlt hat, bedarf keiner Entscheidung. Nach § 250 Satz 2 BGB ginge auch ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Gläubiger unter Setzung einer Frist mit Ablehnungsandrohung den Ersatzpflichtigen erfolglos zur Erfüllung aufgefordert hat. Nach fruchtlosem Ablauf kann der Gläubiger dann Ersatz in Geld verlangen; der Anspruch auf Befreiung ist ausgeschlossen. Das Erfordernis einer entsprechenden Fristsetzung entfällt, wenn der Schuldner - wie vorliegend die Beklagte zu 2) - ernsthaft und endgültig die Befreiung oder überhaupt jede Schadensersatzleistung verweigert (BGH, Urteil vom 13.01.2004, XI ZR 355/02).

4)

Der Zinsanspruch auf diesen Kostenerstattungsanspruch folgt wiederum aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Dagegen ist die Klage gegen die Beklagte zu 1) unbegründet.

Auch insoweit kommen nur solche deliktische Anspruchsgrundlagen in Betracht, die den Vorsatz der Beklagten zu 1) voraussetzen, d.h. §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.

1)

Der Vorsatz des Vorstandes der Beklagten zu 1), § 31 BGB, wurde von der Klägerin aber schon nicht hinreichend dargelegt. Ihr Sachvortrag zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 1) von der unzulässigen Motorsteuerungssoftware ist identisch mit ihrem Sachvortrag zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 2). Sie behauptet auch insoweit lediglich, der Vorstand der Beklagten zu 1) habe Kenntnis vom Einbau der Software gehabt. Es liege auf der Hand, dass der millionenfache Einbau der Manipulationssoftware nicht ohne Wissen der Vorstände der Beklagten zu 1) als Tochtergesellschaft des U.-Konzerns habe erfolgen können. Bei der Einführung einer manipulierten Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine wesentliche strategische Entscheidung mit erheblicher wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei. Dieses Behaupten genügt nicht. Zwar hat die Klägerin auch keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten zu 1). Ihr vorstehend wiedergegebener Sachvortrag erfolgt hinsichtlich der Beklagten zu 1) aber ins Blaue hinein. Er orientiert sich nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - an der Rolle der Beklagten zu 1) im Rahmen der Herstellung und des Vertriebs des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Es ist liegt nicht auf der Hand, dass der millionenfache Einbau der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte zu 2) auch mit Wissen des Vorstands der Beklagten zu 1) erfolgt ist. Der Motor samt Software wurde von der Beklagten zu 2) entwickelt und hergestellt. Es kann nicht einmal festgestellt werden, dass die Beklagte zu 1) das streitgegenständliche Fahrzeug produziert hat. Die Klägerin hat für diese Behauptung keinen Beweis angetreten. Nach Darstellung der Beklagten zu 1) ist sie lediglich die deutsche Importeurin für Neufahrzeuge der Marke T.. In dieser Situation wären nähere Darlegungen der Klägerin dazu, wann und wie der Vorstand der Beklagten zu 1) Kenntnis von der unzulässigen Motorsteuerungssoftware erlangt haben soll, erforderlich.

2)

Zudem trägt die Beklagte zu 1) anders als die Beklagte zu 2) auch keine sekundäre Darlegungslast, weil ihr Unternehmen unwiderlegt nur mit dem Vertrieb der Fahrzeuge befasst ist. Ihr Vortrag, sie habe erst im Rahmen der medialen Berichterstattung im September 2015 von dem Vorhandensein der Motorsteuerungssoftware auch in T.-Fahrzeugen Kenntnis erlangt, genügt als Bestreiten der Kenntnis zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses. Ein somit erforderlicher Beweisantritt der beweispflichtigen Klägerin für die damalige Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 1) als anspruchsbegründende Voraussetzung fehlt ebenfalls.

3)

Eine Haftung der Beklagten zu 1) kann auch nicht aus der Lehre vom körperschaftlichen Organisationsmangel hergeleitet werden. Denn es ist schon nicht feststellbar, dass irgendein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses Kenntnis von der unzulässigen Motorsteuerungssoftware in den von der Beklagten zu 2) für Fahrzeuge der Marke T. hergestellten Motoren hatte.

B.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

C.

Der Streitwert für den Klageantrag zu Ziffer 1) beträgt 12.971,70 EUR. Der Klageantrag zu Ziffer 2) betrifft eine Nebenforderung, die nach § 43 Abs. 1 GKG den Streitwert nicht erhöht.