LG Köln, Urteil vom 12.02.2020 - 10 O 265/19
Fundstelle
openJur 2020, 5253
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf,

zu unterlassen,

den mit dem nachstehenden Link http://anonym zu dem Artikel "von moslemisch sozialisierten Männern geht überdurchschnittlich viel Gewalt aus" aus der "Y Rundschau" vom 06.09.2018 geposteten Kommentar der Klägerin,

"Es ist wieder Zeit für #Klartext: Die neue Ausgabe der ,YRundschau ist raus. Diesmal geht es in meinem Artikel darum, dass von muslimischen Männern überdurchschnittlich viel Gewalt ausgeht und es geht um die Gewöhnung an moslemische Gewalt sowie die Verschiebung unseres Wertegerüstes. Aber auch die vielen Artikel der Kollegen lege ich all jenen ans Herz, die, fernab abgeschriebener Agenturmeldungen, etwas lesen und erfahren wollen"

zu löschen

und/oder die Klägerin wegen dieses Kommentars auf "H.com" zu sperren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 455,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2019 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- € vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen das Löschen eines von ihr veröffentlichten Beitrags auf "H".

Die Beklagte betreibt das bekannte soziale Netzwerk "H". Die Klägerin unterhält dort ein Konto.

Grundlage der Nutzung des Kontos in dem sozialen Netzwerk der Beklagten sind deren AGB sowie die Gemeinschaftsstandards, insbesondere zur sog. "Hassrede" (Anlagen JS1, B 25 und B 26).

Am 07.09.2018 veröffentlichte die Klägerin den streitgegenständlichen, aus dem Antrag ersichtlichen Beitrag in ihrem Konto auf H. Die Beklagte löschte daraufhin am 10.09.2018 diesen Beitrag wegen "Hassrede" und sperrte das Profil der Klägerin für 30 Tage.

Die Klägerin beantragte eine Unterlassungsverfügung, die das Gericht am 20.09.2018 erließ (Az. 32 O 264/18 = 10 O 215/19).

Unter dem 11.02.2019 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung (Anlage JS4, Bl. 32 f. d.A.). Hierfür verlangt die Klägerin rechtsanwaltliche Gebühren nach einem Gegenstandswert von 10.000,- € (Berechnung Bl. 18 d.A.).

Am 12.02.2019 stellte die Beklagte den streitgegenständlichen Beitrag dann wieder her.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe den Beitrag nicht entfernen und ihr Konto nicht sperren dürfen, da der Beitrag - insoweit unstreitig - keine Hassrede enthielt.

Die am Sitz der Beklagten in Irland vorgenommene Zustellung am 03.05.2019 der Klageschrift samt Einleitungsverfügung hat diese aufgrund Benutzung der deutschen Sprache und fehlender Übersetzung unter dem 10.05.2019 zurückgewiesen (Bl. 90 d.A.).

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungshaft im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchsten zwei Jahre)

verboten

den mit dem nachstehenden Link http://anonym zu dem Artikel "von moslemisch sozialisierten Männern geht überdurchschnittlich viel Gewalt aus" aus der "Y Rundschau" vom 06.09.2018 geposteten Kommentar der Klägerin,

"Es ist wieder Zeit für #Klartext: Die neue Ausgabe der ,YRundschau ist raus. Diesmal geht es in meinem Artikel darum, dass von muslimischen Männern überdurchschnittlich viel Gewalt ausgeht und es geht um die Gewöhnung an moslemische Gewalt sowie die Verschiebung unseres Wertegerüstes. Aber auch die vielen Artikel der Kollegen lege ich all jenen ans Herz, die, fernab abgeschriebener Agenturmeldungen, etwas lesen und erfahren wollen"

zu löschen und/oder die Klägerin wegen dieses Kommentars auf "H.com" zu sperren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 455,41 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der streitgegenständliche Beitrag habe scheinbar Hassrede enthalten, weshalb sie berechtigt gewesen sei, diesen zu entfernen. Als sie sodann festgestellt habe, dass der Beitrag nicht gegen die Bestimmungen und Richtlinien der Beklagten verstieß, habe sie den Beitrag wieder eingestellt. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, da H den Beitrag freiwillig wiederhergestellt habe und nicht ersichtlich sei, warum die Klägerin den Beitrag erneut veröffentlichen sollte.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zunächst zulässig.

1. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist gemäß Art. 7 Nr. 1 a), 17, 18 EuGVVO und Ziff. 4 Nr. 4 der AGB der Beklagten gegeben.

2. Die Klageschrift gilt als zugestellt.

Die Beklagte hat die Annahme der Klageschrift und der Einleitungsverfügung zu Unrecht nach Art. 8 EuZustVO verweigert, sodass diese Schriftstücke nach § 179 S. 3 ZPO als zugestellt gelten. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Beklagte die deutsche Sprache versteht, sodass die Voraussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZustVO nicht vorliegt.

Das OLG Köln (Beschluss vom 11.01.2019, Az. 15 W 59/18 und 15 W 1/19) hat hierzu ausgeführt:

"Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden wird dem aber - sollte es dazu kommen - zu erwidern sein, dass es rechtlich nicht auf die Sprachkenntnisse bei den Leitungsorganen und am Verwaltungssitz ankommt, sondern auf die Details der dezentrale Unternehmensstruktur (vgl. etwa OLG Frankfurt v. 01.07.2014 - 6 U 104/14, BeckRS 2014, 21100; MüKo-ZPO/Rauscher, 5. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 12). Schon mit Blick auf die Deutschland und die Millionen deutschen User betreuende, ersichtlich der deutschen Sprache mächtige und personell ausreichend besetzte Beschwerdeabteilung spricht dann aber wenig dafür, dass eine Zurückweisung gemäß Art. 8 EuZustVO in Fällen wie dem Vorliegenden noch berechtigt erfolgen kann und der der Betroffene so über Art 8 Abs. 3 EuZustVO zur Fertigung von Übersetzungen gezwungen würde.”

Dem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an.

II. Die Klage ist auch begründet, zunächst hinsichtlich des Unterlassungsantrages zu 1.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus § 241 Abs. 1 BGB i.V. mit dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag einen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, im Falle der Einstellung des im Tenor genannten Textes ihren H-Account (teilweise) zu sperren und den Beitrag mit dem Text zu löschen.

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet nach Ziff. 4 Nr. 4 der AGB der Beklagten deutsches Recht Anwendung.

Bei dem Vertrag der Parteien handelt es sich um einen als Dauerschuldverhältnis geregelten Austauschvertrag. Die Beklagte stellt dem jeweiligen Nutzer ihre IT-Infrastruktur zur Verfügung. Im Gegenzug willigt der Nutzer in die Speicherung und Verwendung seiner Daten durch die Antragsgegnerin ein, die diese Daten u.a. für Werbezwecke vermarktet. Durch den Vertrag zwischen den Parteien hat sich die Beklagte zur Bereitstellung ihrer Dienste verpflichtet. Hierzu gehört die Möglichkeit, Beiträge und Inhalte zu posten.

Diese vertraglich eingeräumte Möglichkeit hat die Beklagte der Klägerin durch die Löschung des Beitrags der Antragstellerin und die 30-tägige Sperre genommen. Die Beklagte somit hat gegen die Verpflichtung, der Klägerin ihre Infrastruktur als Plattform zur Verfügung zu stellen, verstoßen.

1. Die Beklagte hatte nämlich zunächst nicht das Recht, den Beitrag zu löschen und das Profil der Klägerin (teilweise) zu sperren, weil jener Hassrede enhält.

Unstreitig verstößt der streitgegenständliche Beitrag nämlich nicht gegen Gesetze oder die Gemeinschaftsstandards der Beklagten und enthält insbesondere keine Hassrede.

Dies hat das Gericht mit der Beschlussverfügung vom 20.09.2018 (Az. 32 O 264/18 = 10 O 215/19) bereits festgestellt:

"Diese Löschung und die Sperre lässt sich nicht auf Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards i. V. m. Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen stützen.

Die Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin sind als AGB zu beurteilen (OLG Dresden, B. v. 08.08.2018, 4 W 577/18, Rz. 12 ff.). Das OLG München hatte in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss die Wirksamkeit der AGB in der Vorgängerfassung noch insoweit in Abrede gestellt, weil diese der Antragsgegnerin letztlich eine willkürliche Basis für die Entscheidung über die Löschung lieferten. Dieser Zustand ist nunmehr durch Neufassung der AGB abgestellt (OLG Dresden, B. v. 08.08.2018, 4 W 577/18 und auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Juni 2018 - 15 W 86/18 -, juris).

Im konkreten Fall mag die Frage der Wirksamkeit der AGB der Antragstellerin in letzter Konsequenz dahinstehen. Jedenfalls sind grundrechtliche Wertungen bei der Auslegung derartiger AGB zu berücksichtigen. Obgleich die Antragstellerin sich ausdrücklich allein auf das Grundrecht der Pressefreiheit stützt und mitteilt, sie nehme eine reine Sachanalyse vor, dienen die von ihr aufgestellten Tatsachenbehauptungen der Grundlage ihrer gleichermaßen geäußerten Meinung.

Der Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit ist nicht verlassen, wenn Tatsachenbehauptungen als Grundlage geäußerten Meinung geäußert werden (BVerfG, Beschluss vom 12. 11. 2002 - 1 BvR 232/97).

Den Grundrechten kommt auch im Verhältnis Privater zumindest mittelbare Drittwirkung zu.

Die AGB der Antragsgegnerin sind daher zugunsten der Meinungsfreiheit der Antragstellerin eng auszulegen, die Aussagen der Nutzer hingegen im Zweifel zugunsten der Nutzer.

Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305 c BGB).

In die Beurteilung der Antragsgegnerin konnte allein der Post der Antragstellerin sowie der unter dem Link abrufbare Teil des Artikels dienen. Zugang zu mehr wird über das soziale Netzwerk der Antragsgegnerin nicht ermöglicht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der gepostete Link und der unter dem Link abrufbare Artikel den Begriff der Hassrede erfüllt oder dieser gegen gesetzliche Verbote verstößt.

Die Antragsgegnerin definiert Hassrede in ihren AGB als direkten Angriff auf Personen oder Personengruppen aufgrund geschützter Eigenschaften. Geschützte Eigenschaften sind u. a. das Geschlecht und die Religion. Als Angriff definiert die Antragsgegnerin als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren.

Der reine unmittelbar auf der Webseite der Antragsgegnerin befindliche Post der Antragstellerin fällt schon begrifflich nicht unter die den Begriff der Hassrede im Sinne der Definition der Antragsgegnerin, weil dieser keine Wertung, sondern allein eine von der Antragstellerin aufgestellte Tatsachenbehauptung enthält, sei diese zutreffend oder unzutreffend.

Der über den Link abrufbare Artikel allerdings enthält von der Antragstellerin aufgestellte Tatsachenbehauptungen und Wertungen.

Die Antragstellerin äußert sich allerdings weder in gewalttätiger noch unmittelbar herabwürdigender Sprache, noch ruft sie offen zur Isolation auf. Schweregrade 1 und 3 des Angriffs im Sinne der Definition der Antragsgegnerin scheiden als Grundlage aus. In Betracht käme von vornherein also allein "Schweregrad 2" der Hassrede. Dieser ist definiert als Angriff auf Personen oder Personengruppen verbunden mit Aussagen über Minderwertigkeit, Ausdrücke von Abscheu, aber auch Aussagen über Minderwertigkeit oder u.a. moralische Defizite.

Der Post der Antragstellerin enthält u.a. die Aussage, dass im Islam auch bei Rechtsbruch kein Unrechtsbewusstsein entstehe. Dass die Antragstellerin grundsätzlich alle Angehörigen der Religion oder tatsächlich alle männlichen Angehörigen der Religion tatsächlich mit ihrer Kritik erfasst und mit moralischen Defiziten (z. B. fehlendem Unrechtsbewusstsein) belegt werden sollen, ist eine denkbare, nicht aber zwingende Interpretation des Artikels der Antragstellerin. Eine direkte derartige Äußerung tätigt die Antragstellerin nicht. Es kommt zumindest im Gesamtkontext des Textes in Betracht, den Artikel der Antragstellerin, wie sie selbst schreibt, dahingehend zu verstehen, dass der Text auf diejenigen zu beziehen sei, die straffällig geworden seien und sich zur Rechtfertigung auf von der Antragstellerin postulierte Bekenntnisse aus dem Islam berufen. Im Sinne der Meinungsfreiheit ist die für den Nutzer günstigere Interpretation seines Posts zu Grunde zu legen.

Im Gegensatz dazu wird für den Begriff der Hassrede eine enge, an den allgemeinen Gesetzen orientierte Auslegung geboten.

Der Begriff der Hassrede und die allgemeine Oberdefinition der Antragstellerin spricht nach objektivem Nutzerverständnis für ein Verständnis dahingehend, dass vorrangiges Ziel der Äußerung die gezielte Herabwürdigung einer Personengruppe sein muss, nicht aber die bloße Zuschreibung negativer Eigenschaften an sich. Die aufgestellten Unterdefinitionen können nicht hiervon losgelöst betrachtet werden. Dass mit Schweregrad 2 jegliche Verbindung negativer Eigenschaften mit einer geschützten Eigenschaft untersagt werden kann, muss der durchschnittliche Nutzer nicht erwarten. Er muss damit rechnen dürfen, dass seinem Recht auf Meinungsfreiheit jedenfalls dann Rechnung getragen wird, wenn er sich im Rahmen der allgemeinen Gesetze bewegt.

Dass der Post oder der über den Link unmittelbar abrufbare Teil des Artikels der Antragstellerin einen Straftatbestand erfüllt, namentlich § 130 StGB oder §§ 166, 185 StGB, ist nicht ersichtlich."

2. Der Beklagten stand aber auch nicht das Recht zu, den Beitrag vorläufig bzw. vorübergehend zu löschen, da dieser scheinbar Hassrede enthielt, um zu prüfen, ob dieser tatsächlich Hassrede enthält.

a) Ein solches Recht ergibt sich zunächst nicht aus einer ausdrücklichen vertraglichen Abrede der Parteien. In den Gemeinschaftsstandards ist ein solches Vorgehen nicht vorgesehen.

b) Ein solches Recht ergibt sich aber auch nicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB als vertragliche Nebenpflicht zum Schutz der anderen Nutzer vor Angriffen und zur Schaffung einer sicheren und höflichen Atmosphäre und einer zivilisierten Kommunikationskultur.

Zunächst ist hierbei schon fraglich, inwieweit sich eine vertragliche Nebenpflicht der Klägerin zur Rücksichtnahme gegenüber Dritten ergeben soll, die zudem noch über die ausdrücklichen vertraglichen Pflichten der Gemeinschaftsstandards hinausgeht. Denkbar wäre diesbezüglich ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wobei das Vorliegen dessen Voraussetzungen (vgl. hierzu Grüneberg/Palandt, 79. Auflage 2020, § 328 BGB, Rn. 16 ff.) zweifelhaft ist, aber letztlich dahinstehen kann. Denn dass die Klägerin gegen eine solche Pflicht verstoßen hat, trägt letztlich auch die Beklagte nicht vor. Vielmehr nimmt sie für sich das Recht in Anspruch, zum Schutz Dritter, nicht am Vertrag zwischen den Parteien Beteiligter, Handlungen vorzunehmen. Dass der Vertrag insofern aber ohne eine Nebenpflichtverletzung der Klägerin eingeschränkt wird, ist aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB nicht herzuleiten. Auch ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter würde nicht der Beklagten ein weitergehendes Recht einräumen, sondern dem Dritten einen eigenen Anspruch verschaffen (a.a.O., Rn. 13).

Hinzu kommt, dass ein solches - letztlich willkürliches - Recht der Beklagten im Hinblick auf die Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, der auch im Verhältnis Privater zumindest mittelbare Drittwirkung zukommt, Bedenken begegnet.

Jedenfalls ist nicht ersichtlich, warum vorliegend die sofortige Löschung des Beitrags und die Sperre des Accounts der Klägerin für eine Prüfung notwendig gewesen ist. Denn dass der Beitrag nicht offensichtlich rechtswidrig gewesen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Dass der Beitrag scheinbar Hassrede enthielt, mag sein, wäre aber Anlass gewesen, den Beitrag zu prüfen. Warum für diese Prüfung längere Zeit nötig war und - wie die Beklagte behauptet - auch die klarstellende Stellungnahme der Klägerin, ist nicht ersichtlich. Allein durch Lesen des Beitrags und ggf. des verlinkten Artikels ist ersichtlich, dass der Beitrag keine Hassrede und insbesondere keine Diffamierung von Muslimen enthält, sondern vielmehr eine - sicherlich der Kritik zugängliche, aber von der Meinungsfreiheit offensichtlich gedeckte - soziologische Abhandlung über muslimische und deutsche Kultur und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Warum die Beklagte für eine solche Prüfung dann fünf Monate benötigt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

c) Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz, insbesondere nicht aus § 3 NetzDG.

Das dort vorgesehene Vorgehen gesteht dem Anbieter des sozialen Netzwerks umgekehrt gerade eine Zeit zur Prüfung zu, in der er den Inhalt noch nicht löschen muss.

3. Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Die einmalige Verletzung indiziert hier bereits die Wiederholungsgefahr. Diese wurde auch nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungs- oder eine Abschlusserklärung ausgeräumt.

Die Wiederholungsgefahr ist zum einen nicht dadurch entfallen, dass der Link nicht mehr aufrufbar ist, da erstens die Möglichkeit besteht, dass dies zukünftig wieder der Fall ist und zweitens die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, dass der Artikel unter anderem Link aufrufbar ist.

Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Eingriff der Beklagten durch eine einmalige, nicht wiederholbare Sondersituation veranlasst worden ist (vgl. BGH, NJOZ 2018, 194, 195 f.). Zwar ist die Erstveröffentlichung eines Artikels nicht wiederholbar, dass der Beitrag allerdings nochmal - möglicherweise ohne den Hinweis auf die neue Ausgabe der Y Rundschau - veröffentlicht wird, erscheint ebenso möglich wie die - und darauf kommt es letztlich an - Löschung des Beitrags durch die Beklagte, da diese ja weiterhin das Recht für sich in Anspruch nimmt, den Beitrag vorläufig löschen zu dürfen. Insofern liegt auch nicht - wie in BGH, GRUR 2019, 1211 - Hochzeitsfoto - ein "Versehen" vor, sondern die Beklagte trägt ja gerade vor, dass der Beitrag scheinbar Hassrede enthielt und sie deshalb befugt gewesen sei, ihn zu löschen und den Account der Klägerin zu sperren.

III. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 455,41 € aufgrund der vorgerichtlichen Abmahnung.

Der von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige vorgerichtliche Tätigkeit ist mit 10.000,- € angemessen angesetzt. Auch ist eine 1,3-fache Gebühr anzusetzen. Auf die Berechnung der Klägerin wird Bezug genommen (Bl. 18 d.A.).

Die Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

IV. Die Ordnungsmittelandrohung beruht auf § 890 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 709 ZPO.

Die Wertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.