OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2020 - 13 B 1466/19
Fundstelle
openJur 2020, 5099
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 4. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen,

1. wie in einem auf www.bundesgesundheitsministerium.de unter der Überschrift "Mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" veröffentlichten Beitrag vom 30. Januar 2019 zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen und/oder sonst zu verbreiten bzw. sonst verbreiten zu lassen,

a) "Der in Brandenburg ansässige Groß- und Parallelhändler M. (sc. die M. Deutschland GmbH) soll von einer griechischen Apotheke hochpreisige Krebsarzneimittel bezogen haben, die zuvor mutmaßlich in griechischen Krankenhäusern gestohlen worden waren."

und/oder

b) in Bezug auf die M. Deutschland GmbH

"Fall M. - Pharmahändler soll gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland bezogen haben."

und/oder

2. wie in einer auf www.bundesgesundheitsministerium.de unter der Überschrift "Spahn: ,Die Menschen müssen auf die Sicherheit von Arzneimitteln vertrauen können‘" am 4. Oktober 2019 veröffentlichten Rede von Jens Spahn zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen und/oder sonst zu verbreiten bzw. sonst verbreiten zu lassen,

"... und schließlich gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland, die durch M. (sc. die M. Deutschland GmbH) auf den deutschen Markt gelangten."

abgelehnt. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Unterlassungsanspruch nicht i.S.v. §§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin habe die Anforderungen erfüllt, die bei Mitteilungen über noch nicht abschließend geklärte Sachverhalte gestellt würden. Mit den Formulierungen "soll bezogen haben" bzw. "mutmaßlich gestohlene Arzneimittel" habe sie zum Ausdruck gebracht, dass der Medikamentendiebstahl in Griechenland noch nicht erwiesen sei, aber der Verdacht der Straftat bestehe. Die Antragsgegnerin habe den Sachverhalt unter Nutzung der verfügbaren Informationsquellen mit der erforderlichen Sorgfalt aufgeklärt, indem sie sich v.a. auf den Inhalt der RAS-Meldung der griechischen Arzneimittelbehörde EOF vom 27. Juli 2018 und auf den Abschlussbericht der Task-Force-M. vom 18. September 2018 gestützt habe. Aus beiden Quellen gehe u.a. hervor, dass der Verdacht bestehe, in Griechenland seien durch ein kriminelles Netzwerk hochpreisige Krebsarzneimittel durch medizinisches Personal aus Krankenhäusern entwendet und das Fehlen der Arzneimittel durch gefälschte Rezepte und Arztbriefe verschleiert worden. Die so beschafften Arzneimittel seien über einen griechischen Lieferanten an die Antragstellerin verkauft worden. Dieser Verdacht werde nicht dadurch entkräftet, dass die griechischen Behörden auf das Fehlen von Diebstahlsanzeigen ausdrücklich hingewiesen hätten, da das Verschwinden der Medikamente nach dem vermuteten Tathergang durch unrichtige Verschreibungen vertuscht worden sei. Die Berichterstattung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil die Arzneimittel nach dem Tathergang nicht gestohlen, sondern unterschlagen worden seien. Da sich die Äußerungen an die Öffentlichkeit richteten, sei bei der Bewertung der Aussage "gestohlene Arzneimittel" nicht auf den juristischen, sondern den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen. Der durchschnittliche Bürger unterscheide in seiner Bewertung nicht zwischen Diebstahl und Unterschlagung. Eine Anhörung der Antragstellerin vor der Veröffentlichung sei entbehrlich gewesen, da diese zu dem Diebstahlsverdacht in Griechenland selbst erklärt habe, dass sich diese Vorgänge ihrer Wahrnehmung entzögen. Die Veröffentlichungen lägen auch im öffentlichen Interesse, da sie im Zusammenhang mit den angestrebten Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelüberwachung erfolgt seien und dazu dienten, das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates im Umgang mit illegalem Arzneimittelvertrieb wiederherzustellen. Bei der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin sei u.a. zu berücksichtigen, dass der Diebstahlsverdacht bei der Mitteilung der gesetzgeberischen Maßnahmen eine untergeordnete Rolle spiele und die Veröffentlichungen insoweit auch nur eine durch Medienberichte und die Staatsanwaltschaft Potsdam in der Bevölkerung bekannte Information aufgegriffen hätten.

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und ihrem Antrag stattzugeben. Dies gilt auch, soweit die Antragstellerin den Antrag zu Ziffer 2 im Beschwerdeverfahren dahingehend ergänzt hat, dass sie nunmehr die Unterlassung folgender Behauptung begehrt:

"... und schließlich mutmaßlich gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland, die durch M. (sc. die M. Deutschland GmbH) auf den deutschen Markt gelangten."

(Unterstreichung nicht im Original)

I. Der Antrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin unter Ziffer 1b weiterhin "in Bezug auf die M. Deutschland GmbH" die Unterlassung der Behauptung,

"Fall M. - Pharmahändler soll gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland bezogen haben.",

begehrt, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Soll im Wege eines Unterlassungsanspruchs eine schon einmal erfolgte Beeinträchtigung zukunftsgerichtet abgewehrt werden, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung des Anspruchs nur, wenn der erneute Eingriff mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht.

Vgl. z.B. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 42 Abs. 1 Rn. 163, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1962 - VII C 57.61 -, juris, Rn. 20.

Das ist vorliegend nicht der Fall. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin - solange der Sachverhalt weiterhin nicht geklärt ist - eine erneute Veröffentlichung der unter Ziffer 1b des Antrags formulierten Textpassage beabsichtigt, ohne darauf hinzuweisen, dass die Krebsmedikamente "mutmaßlich" gestohlen worden seien. Sie hat den ursprünglich in dem blauen Informationskasten abgefassten Text im Juli 2019 von der Homepage entfernt, diesen bei der erneuten Veröffentlichung ihrer Verlautbarung zum "Fall M. " nicht wieder aufgenommen und einen entsprechenden Zusatz in die ähnlich lautende Passage der von Bundesgesundheitsminister Spahn zu Protokoll gegebenen Rede vor erneuter Veröffentlichung aufgenommen ("... und schließlich mutmaßlich gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland, die durch M. auf den deutschen Markt gelangten."). Unter Berücksichtigung dieses Vorgehens ergibt sich nichts anders daraus, dass sich die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 4. September 2019 abgegebene rechtsverbindliche Erklärung nur auf die Wiedergabe der von Herrn Spahn gehaltenen Rede bezog. Anhaltspunkte die dieser Annahme entgegenstehen, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht schlüssig vorgetragen.

Wird der Antrag unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens dahingehend ausgelegt (§ 88, § 122 Abs. 1 VwGO), dass die Behauptung "Fall M. - Pharmahändler soll mutmaßlich gestohlene Krebsmedikamente aus Griechenland bezogen haben." untersagt werden soll, ist er wie hinsichtlich der Verlautbarungen im Übrigen jedenfalls unbegründet.

II. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Es sind sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht überwiegend wahrscheinlich und damit nicht glaubhaft gemacht.

1. Die Antragstellerin begehrt die Unterlassung staatlichen Informationshandelns. Der öffentlichrechtliche Anspruch auf Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr einer Wiederholung besteht oder die Rechtsverletzung noch andauert.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschlüsse vom 3. April 2014 - 13 B 1309/13 -, juris, Rn. 75, und vom 23. April 2012 - 13 B 127/12 -, juris, Rn. 16.

Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die hier allein in Betracht kommende Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger der öffentlichen Gewalt schützt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. -, juris, Rn. 59; BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 -, juris, Rn. 35; OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2014 - 13 B 1309/13 -, juris, Rn. 79.

Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (Sachlichkeitsgebot). Rechtliche Wertungen sind auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Wenn die Richtigkeit der Information noch nicht abschließend geklärt ist, hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, etwa weil die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand aufgeklärt werden. Es ist dann aber angezeigt, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. -, juris, Rn. 60 ff.; BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 3. April 2014 - 13 B 1309/13 -, juris, Rn. 81, und vom 23. April 2012 - 13 B 127/12 -, juris, Rn. 16.

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze spricht Überwiegendes dafür, dass die streitgegenständlichen Äußerungen rechtmäßig sind, weil die Grenzen des zulässigen Informationshandelns nicht überschritten werden und die namentlich benannte Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt wird.

Dabei geht der Senat unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens davon aus, dass die Antragstellerin weiterhin nicht bestreitet, Krebsmedikamente von einer griechischen Apotheke erworben zu haben. Sie macht vielmehr geltend, mit den Texten werde der Eindruck erweckt, sie habe "vorsätzlich" bzw. "wissentlich" an der illegalen Beschaffung der Krebsmedikamente mitgewirkt. Ihr Antrag richtet sich zudem gegen die Behauptung, dass diese Arzneimittel "mutmaßlich gestohlen" worden seien.

a. Es bestehen keine Bedenken gegen die grundsätzliche Befugnis der Antragsgegnerin, im Rahmen des staatlichen Informationshandelns die Öffentlichkeit über die mit dem "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelüberwachung zu informieren und dabei die für die Gesetzesinitiative maßgeblichen Anwendungsfälle aus der Vergangenheit zu nennen. Anders als die Antragstellerin meint, ist die Berechtigung zu staatlichem Informationshandeln nicht auf den Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr oder vergleichbarer Interessenlagen beschränkt. Die der Staatsleitung obliegende Öffentlichkeitsarbeit umfasst - wie im vorliegenden Fall - darüber hinaus auch die Verbreitung von Informationen, um den Bürger im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung über wichtige Vorgänge allgemeiner Art zu unterrichten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 -, juris, Rn. 35 zum Anspruch auf Löschung (öffentlichrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch) der Eintragung eines Kunstwerks aus der sog. Lost Art Internet-Datenbank; vgl. auch zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung: BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, juris, Rn. 63; Voßkuhle/Kaiser, in: JuS 2018, 343 (343).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der sog. "Glykol-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts. Der Verbraucherschutz wird in dem Beschluss zwar beispielhaft ("etwa ein Verbraucherrisiko") als ein Anwendungsbereich genannt. Dass damit eine Begrenzung der möglichen Sachgebiete des Informationshandelns erfolgen sollte, geht aus der Entscheidung aber nicht hervor.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. -, juris, Rn. 60.

Die Befugnis der Antragsgegnerin besteht auch fort, nachdem das Gesetz im August 2019 in Kraft getreten ist. Der Sinn und Zweck der Veröffentlichungen besteht u.a. darin, die Handlungsfähigkeit des Staates nach dem öffentlich gewordenen illegalen Arzneimittelvertrieb zu demonstrieren und eventuell verlorenes Vertrauen der Bevölkerung in die Arzneimittelsicherheit zurückzugewinnen. Dieses Interesse besteht jedenfalls gegenwärtig fort.

b. Den Äußerungen der Antragsgegnerin lässt sich nicht die Behauptung entnehmen, dass die Antragstellerin vorsätzlich bzw. wissentlich an dem Vertrieb von möglicherweise durch eine Straftat erlangten Arzneimitteln mitgewirkt haben soll. Darüber, dass die Textpassagen diese von der Antragstellerin beanstandete Aussage nicht ausdrücklich enthalten, besteht kein Streit. Der Senat teilt auch nicht die Ansicht der Antragstellerin, in den Äußerungen werde ihr sinngemäß vorgeworfen, sie habe jedenfalls von dem gegenüber ihrem Geschäftspartner in Griechenland erhobenen Straftatverdacht gewusst oder sei daran sogar vorsätzlich beteiligt gewesen. In dem Beitrag vom 31. Januar 2019 wird zunächst mitgeteilt, dass die Antragstellerin die Krebsarzneimittel "bezogen" haben soll und in Deutschland "in den Verkehr gebracht" habe. In diesem Sinne heißt es auch in der Rede von Bundesgesundheitsminister Spahn vom 4. April 2019, dass die Medikamente durch die M. auf den deutschen Markt "gelangt" seien. Die Handlungen der Antragstellerin werden damit neutral beschrieben, ohne dass ihr gegenüber ein Vorwurf formuliert wird. Eine andere Auslegung ergibt sich aus Sicht eines verständigen Durchschnittsempfängers auch nicht aus dem jeweiligen Gesamtzusammenhang der beiden Texte. Nach der Sachverhaltsdarstellung beschreibt der Artikel vom 30. Januar 2019 die in diesem Kontext identifizierten gesetzlichen Defizite sowie die daraus folgenden Konsequenzen der Legislative. Ebenso werden in der Rede vom 4. April 2019 die geplanten Maßnahmen erläutert. Im Fokus der Darstellung stehen jeweils die Verbesserungen bei der staatlichen Arzneimittelüberwachung, nicht jedoch die Frage, welche Rolle die Antragstellerin gespielt hat. Dass bei dem Leser der Eindruck erweckt wird bzw. werden soll, diese habe von den mutmaßlichen Straftaten ihres Händlers gewusst, ist nicht zu erkennen und wird von der Antragstellerin auch nicht konkret aufgezeigt.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass in den Artikeln allein die Antragstellerin namentlich benannt wird, nicht aber ihr griechischer Geschäftspartner. Dies ist, wie sie selbst vorträgt, dem Umstand geschuldet, dass sie als Groß- und Parallelhändler aus der Medienberichterstattung über die als unzureichend kritisierte Arzneimittelüberwachung bekannt ist. Als in Deutschland ansässiges Unternehmen ist sie zudem Anknüpfungspunkt der mit dem "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" verabschiedeten Maßnahmen. Eine darüber hinausgehende Deutung vermittelt die Namensnennung nicht.

Richten sich die erhobenen Vorwürfe der mutmaßlichen Straftatbegehung danach allein gegen den Geschäftspartner der Antragstellerin in Griechenland, muss in dem vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, welches Beweismaß bei der Veröffentlichung des Namens eines Beschuldigten im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens erforderlich ist.

c. Anders als die Antragstellerin meint, basiert der von der Antragsgegnerin mitgeteilte Verdacht einer strafrechtlich relevanten und damit illegalen Arzneimittelbeschaffung in Griechenland auf einer hinreichend verlässlichen Grundlage. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, beruhen die Erkenntnisse über die in Griechenland möglicherweise verübten Straftaten u.a. auf dem Inhalt der RAS-Meldung der griechischen Arzneimittelbehörde EOF vom 27. Juli 2018, aus der hervorgeht, dass der Verdacht bestehe, dass in Griechenland durch ein kriminelles Netzwerk hochpreisige Krebsarzneimittel durch medizinisches Personal aus Krankenhäusern entwendet worden seien, das Fehlen durch gefälschte Rezepte und Arztberichte verschleiert worden sei und die so beschafften Arzneimittel über den griechischen Lieferanten, die Apotheke P. , u.a. an die Antragstellerin verkaufen worden seien (BA, S. 13 f.). Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf verwiesen, dass der Verdacht strafbarer Handlungen bei der Beschaffung der betroffenen Arzneimittel auch dadurch gestützt werde, dass auf den bei der Antragstellerin fotografierten Arzneimittelpackungen Reste gelber Aufkleber zu sehen gewesen seien, die nach Auskunft der EOF vom 27. März 2017 die Produkte als Eigentum des griechischen nationalen Gesundheitssystems auswiesen. Dies deute darauf hin, dass die Arzneimittel bereits an griechische Krankenhäuser, also den Endabnehmer für den Einsatz zur Chemotherapie bei Krebspatienten, verkauft worden seien (BA, S. 15).

Diesen Sachverhalt stellt die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nicht in Frage. Sie wendet sich mit ihrem Vorbringen weder gegen die Richtigkeit der in der RAS-Meldung mitgeteilten Verdachtsmomente, noch erhebt sie Einwendungen gegen die Feststellung, dass die bei ihr vorgefundenen Arzneimittelpackungen darauf hindeuten, dass diese aus dem Eigentum des griechischen Gesundheitssystems stammen. Ergibt sich der gegenüber dem Geschäftspartner der Antragstellerin erhobene Vorwurf danach bereits mit der für eine Verdachtsmitteilung erforderlichen Sicherheit aus den o.g. Angaben der EOF, muss nicht entschieden werden, ob auch das Rechtshilfeersuchen vom 30. Januar 2017, der Task-Force Bericht vom 18. September 2018 oder die staatsanwaltschaftliche Stellungnahme vom 26. August 2019 den Straftatverdacht stützen und ob die gegen diese Quellen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin zutreffen.

Unerheblich ist zudem, ob die RAS-Mitteilung als sog. privilegierte Verlautbarung einer amtlichen Stelle zu qualifizieren ist.

Vgl. dazu z.B. OVG NRW, Beschluss vom 9. September 2013 - 5 B 417/13 -, juris, Rn. 8 f., m.w.N.

Da die Richtigkeit der von der griechischen Arzneimittelbehörde EOF mitgeteilten Informationen nicht in Frage steht, begründet die RAS-Mitteilung unabhängig davon, ob ihr ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden kann, den mitgeteilten Straftatverdacht gegenüber dem Geschäftspartner der Antragstellerin.

Der Straftatverdacht wird nicht dadurch entkräftet, dass den griechischen Behörden keine Meldungen über gestohlene Arzneimittel vorliegen. Das Fehlen einer Diebstahlsanzeige lässt sich plausibel mit dem vermuteten Tathergang erklären. Dazu hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass durch das Krankenhauspersonal mutmaßlich der Anschein erweckt worden sei, die Arzneimittel seien im Krankenhausbetrieb vollständig verbraucht worden. Das Fehlen der Arzneimittel sei der Klinikleitung entweder nicht aufgefallen und deshalb nicht zur Anzeige gebracht worden oder die Verantwortlichen seien selbst in den Vorgang involviert gewesen und hätten deshalb keine Anzeige erstattet (BA, S. 15). Das Fehlen der Anzeige schließt damit die vermutete Beschaffung der Arzneimittel im Wege der Unterschlagung durch das Krankenhauspersonal als Teil eines kriminellen Netzwerks nicht aus.

Auch die Rüge der Antragstellerin, sie sei vor der Veröffentlichung der Beiträge nicht angehört worden, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Mit diesem Einwand stellt sie schon nicht die Richtigkeit des geäußerten Straftatverdachts in Frage. Zudem hat das Verwaltungsgericht diesen Einwand bereits entkräftet, indem es darauf hingewiesen hat, dass eine Stellungnahme der Antragstellerin entbehrlich gewesen sei, da sich die Vorgänge in Griechenland nach ihren eigenen Angaben ihrer Wahrnehmung entzogen hätten (BA, S. 16 f.). Mit dieser Begründung setzt die Antragstellerin sich weder auseinander noch stellt sie diese in Frage. Unabhängig davon hatte die Antragstellerin auch im erstinstanzlichen Verfahren, also vor der erneuten Veröffentlichung der Äußerungen, ausreichend Gelegenheit sich zu den relevanten Aspekten zu äußern.

Dass der Straftatverdacht mittlerweile ausgeräumt oder die Verfahren eingestellt worden sind, ist von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden. Auch rechtfertigen weder die von ihr geltend gemachte Freilassung der in Griechenland zunächst inhaftierten Verdächtigen noch die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen einen ihrer Hauptlieferanten (vgl. Pressemitteilung vom 23. Oktober 2019) wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Handels mit gefälschten Arzneimitteln, die Annahme, dass die Verfahren mittlerweile abgeschlossen sind.

d. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass in der Veröffentlichung in ausreichendem Maße auf die bestehenden Unsicherheiten über die Richtigkeit der mitgeteilten Informationen hingewiesen wird. Die Antragsgegnerin bringt durch die Verwendung der Formulierungen "soll bezogen haben" bzw. "mutmaßlich gestohlene Arzneimittel" hinreichend zum Ausdruck, dass noch nicht erwiesen ist, wie die Medikamente in den Besitz des griechischen Apothekers und Geschäftspartners der Antragstellerin gelangt sind, aber der Verdacht einer Straftat im Raum steht.

e. Ein Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht geht richtigerweise davon aus, dass im allgemeinen Sprachgebrauch die im deutschen Recht angelegte Unterscheidung zwischen Diebstahl und Unterschlagung eines entwendeten Arzneimittels nicht vorgenommen wird und es für das Verständnis des durchschnittlichen Lesers - jedenfalls im vorliegenden Fall - auch nicht auf diese Differenzierung ankommt (BA, S. 16). Der Senat hält die Formulierung auch für vertretbar, wenn der Tathergang in Griechenland nicht auf die Verwirklichung des Diebstahlstraftatbestandes hindeutet, sondern er die Begehung anderer Eigentums- oder Vermögensdelikte, wie Unterschlagung oder Betrug, vermuten lässt. Denn im Kern soll mit der Wendung ausgedrückt werden, dass die Arzneimittel vermutlich auf einem illegalen Vertriebsweg über den Geschäftspartner der Antragstellerin nach Deutschland gelangt sind, um daran anknüpfend die gesetzgeberischen Maßnahmen vorzustellen. Diesem Ziel wird die Darstellung gerecht. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, welcher Straftatbestand im Einzelnen verwirklicht worden sein kann, fördert weder das Verständnis für die dem Gesetzesvorhaben zu Grunde liegende Problematik, noch besteht für die Antragstellerin ein schützenswertes Interesse an einer solchen Klarstellung, da sich der geäußerte Straftatverdacht nur auf ihren Geschäftspartner bezieht.

f. Es bestehen unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Äußerungen. Die Antragsgegnerin verfolgt mit den Veröffentlichungen das legitime Ziel, die Öffentlichkeit über die mit dem "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelüberwachung zu informieren und die Handlungsfähigkeit des Staates nach Bekanntwerden des möglicherweise illegalen Vertriebs griechischer Arzneimittel in Deutschland wiederherzustellen. Die namentliche Nennung der Antragstellerin ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Die Erläuterung der neuen Maßnahmen anhand des aus der Presse bereits bekannten Fallbeispiels fördert das Ziel, das Vertrauen der Bevölkerung in die Effektivität der Gefahrenabwehr und die Zuverlässigkeit der Gesundheitsfürsorge zu stärken. Die Äußerungen sind auch erforderlich, um die angestrebte Aufklärung zu erreichen. Da der Name der Antragstellerin aus der Presseberichterstattung über die unzureichende Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Behörden im Zusammenhang mit der Arzneimittelüberwachung weithin bekannt geworden ist, stellt die anonymisierte Wiedergabe weder ein milderes noch ein gleich effektives Mittel dar. Auch wenn die Hauptintention der Äußerungen in der Information über die beabsichtigten bzw. mittlerweile verabschiedeten Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelüberwachung liegt, lassen sich die gesetzgeberischen Konsequenzen in der erforderlichen Klarheit sinnvoll nur im Kontext mit dem bekannt gewordenen pathologischen Fallbeispiel darstellen. Der mit den Veröffentlichungen beabsichtigte Informationszweck steht auch nicht außer Verhältnis zu der durch die Äußerungen bewirkten Beeinträchtigung der Antragstellerin. Die Antragstellerin wird durch ihre namentliche Nennung nicht erheblich in ihren Rechten beeinträchtigt, weil die Antragsgegnerin nur eine Verdachtsmeldung aufgreift, über die bereits im Jahr 2018 in den Medien breitgestreut berichtet worden ist und die daher in der Öffentlichkeit schon bekannt ist. Unangemessen sind die Mittelungen auch nicht deshalb, weil sich den Texten nicht ein gegenüber der Antragstellerin geäußerter Vorwurf, der vorsätzlichen oder wissentlichen Mitwirkung an dem illegalen Arzneimittelvertrieb entnehmen lässt. Im Gegenteil, gerade weil ihr Beitrag neutral als Handel mit möglicherweise gestohlenen Arzneimitteln beschrieben wird, belastet sie die namentliche Nennung nicht erheblich. Demgegenüber wiegt der durch den bekannt gewordenen illegalen Arzneimittelvertrieb hervorgerufene Vertrauensverlust der Verbraucher schwer und bedarf der Aufklärung. Dieses Bedürfnis besteht, wie dargelegt, auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung fort, bis die Sachverhalte aufgearbeitet und die (Straf-)Verfahren ihren Abschluss gefunden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG. Sie ist - für beide Anträge jeweils - am Auffangstreitwert auszurichten, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen der amtlichen Mitteilungen nicht im Einzelnen beziffert werden können (vgl. Ziff. 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Da die Anträge auf eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sind, ist eine Reduzierung auf die Hälfte des Regelstreitwerts i.S.v. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs nicht angezeigt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.