AG Köln, Beschluss vom 28.08.2013 - 71 IN 229/13
Fundstelle
openJur 2020, 4804
  • Rkr:
Tenor

Der Eröffnungsantrag vom 28.5.2013 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Gläubigerin.

Gegenstandswert (§ 58 GKG): 1.659,92 EUR EUR.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 28.5.2013, bei Gericht eingegangen am 1.6.2013, beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für die Monate November und Dezember 2012 bis einschließlich 30.4.2013 in Höhe von 1.659,92 Euro. Zur Glaubhaftmachung der Forderung nahm sie Bezug auf die Rechtsprechung des BGH, nach der ein Insolvenzgrund glaubhaft gemacht sei, wenn der Schuldner über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht an den Sozialversicherungsträger abgeführt habe. Bereits am 28.3.2013 hatte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher beauftragt, die Monatsbeiträge für die Monate November und Dezember 2012 und Januar und Februar 2013 in Höhe von insgesamt 1.130,90 Euro einschließlich Kosten einzuziehen. Am 24.5.2013 ging der geforderte Betrag auf dem Dienstkonto des Gerichtsvollziehers ein. Dieser hatte der Schuldnerin eine Zahlungsfrist bis zum 23.5.2013 gesetzt. Dem Konto der Gläubigerin wurde der Betrag am 31.5.2013 gutgeschrieben. Wegen der rückständigen Beiträge für die Monate März und April 2013 erteilte die Gläubigerin dem Gerichtsvollzieher am 25.4.2014 einen weiteren Vollstreckungsauftrag. Dieser forderte die Schuldnerin mit Schreiben vom 8.5.2013 zur Zahlung bis zum 27.5.2013 auf. Am 6.6.2013 beglich die Schuldnerin die Forderung für den Monat März 2013. Die Restforderung wurde im weiteren Laufe des Verfahrens gezahlt.

Mit Schreiben vom 19.6.2013 erklärte die Gläubigerin wegen Begleichung der geltend gemachten Forderung bis zum 17.6.2013 die Hauptsache für erledigt und beantragte, der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.7.2013 widersprach die Schuldnerin der Erledigungserklärung und beantragte die Abweisung des Eröffnungsantrags.

II.

Dem Antrag der Schuldnerin war zu entsprechen, weil der Eröffnungsantrag unzulässig war. Es entspricht überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Antragsteller im Eröffnungsverfahren jederzeit berechtigt ist, die Hauptsache - auch einseitig - für erledigt zu erklären.Widerspricht der Schuldner dieser Erklärung, findet § 91a ZPO keine Anwendung. Vielmehr hat das Gericht festzustellen, ob der Insolvenzantrag zulässig und begründet war. Ist dies nicht der Fall, ist der Eröffnungsantrag zurückzuweisen und dem Gläubiger sind die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (OLG Köln v. 28.12.2001 - 2 W 331/01).

So liegt der Fall hier.

Im Zeitpunkt des Eingangs des Eröffnungsantrags bei Gericht am 31.5.2013 konnte die Gläubigerin lediglich noch die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März und April 2013 geltend machen, weil die bereits am 24.5.2013 den Betrag von 1.130,90 Euro an den mit der Vollstreckung beauftragten Gerichtsvollzieher gezahlt hatte. Zwar ist der Leistungserfolg, auf den es maßgeblich ankommt, nicht bereits am 24.5.2013 sondern erst am 31.5.2013 eingetreten. Vorliegend ist indes zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 815 Abs. 3 ZPO auf die vom Schuldner an den Gerichtsvollzieher freiwillig geleistete Zahlung mit der Folge entsprechende Anwendung findet, dass die Zahlung bereits am 24.5.2013 im Gefahrenbereich des Gläubigers angekommen war. Vollstreckungsrechtlich führt dies dazu, dass der Gläubiger in dem fraglichen Umfang die Vollstreckung nicht mehr fortsetzen kann (BGH NJW 2009, 1085). Dies trifft auch für die Stellung eines Insolvenzantrags. Denn hierbei handelt es sich um eine Maßnahme der Gesamtvollstreckung. Das Insolvenzverfahren unterscheidet sich nur durch die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von der Einzelzwangsvollstreckung, in dem der Prioritätsgrundsatz gilt (vgl. Müko-Stürner, InsO, Einl. Rdn. 1). Vor diesem Hintergrund fehlt das Rechtsschutzinteresse für einen Insolvenzantrag, wenn bei Antragstellung der geschuldete Betrag bereits beim mit der Einzelzwangsvollstreckung beauftragten Gerichtsvollzieher eingegangen war. Hätte die die Gläubigerin vor Stellung ihres Insolvenzantrags den Gerichtsvollzieher um Sachstandsmitteilung gebeten, wozu auf Grund ihres Vollstreckungsauftrag vom 28.3.2013 Veranlassung bestand, hätte sie Kenntnis vom Zahlungseingang erhalten und den Insolvenzantrag jedenfalls nicht wegen der rückständigen Beiträge für Monate November und Dezember 2012 sowie Januar und Februar 2013 gestellt.

Wegen der zur Zeit der Antragstellung noch verfolgbaren Ansprüche für die Monate März und April 2013 war Insolvenzantrag ebenfalls unzulässig, weil die Gläubigerin den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht hatte. Sie hatte sich in ihrem Antrag vom 28.5.2013 allein auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen, nach der es in der Regel zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit genügt, wenn der Schuldner über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht an den Sozialversicherungsträger abgeführt hat. Dies war bei Antragstellung nicht (mehr) der Fall. Offen standen zu diesem Zeitpunkt lediglich noch Forderungen für zwei Monate. Für diesen Zeitraum tritt die vom BGH bejahte Indizwirkung für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht ein. Vielmehr bedurfte es insoweit der Glaubhaftmachung nach Maßgabe des § 294 ZPO. Der dort genannten Beweismittel hat sich die Gläubigerin nicht bedient.

Dieser Beschluss kann von jeder antragstellenden Partei innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung beim Insolvenzgericht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 34 InsO).

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