AG Köln, Urteil vom 19.02.2015 - 148 C 31/14
Fundstelle
openJur 2020, 4518
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadens- und Aufwendungsersatz aufgrund einer Urheberrechtsverletzung geltend.

Die Klägerin hat mit Schreiben ihrer vorgerichtlich tätig gewordenen Rechtsanwälte vom 20.07.2010 die Beklagten wegen einer von ihr behaupteten Urheberrechtsverletzung in Bezug auf den streitgegenständlichen Film " XXX " abgemahnt und diese aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung abzugeben sowie einen pauschalen Betrag i.H.v. 850 € zu zahlen, der Rechtsverfolgungskosten und Schadensersatz beinhalte.

Die Klägerin behauptet, ihr stehe das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an dem streitgegenständlichen Film " XXX " zu. Durch softwarebasierte Ermittlungen der Firma F Ltd. sei festgestellt worden, dass am 26.02.2010 um 10:30:41 Uhr über einen Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse 80.000... zugewiesen war, im C - Netzwerk der streitgegenständliche Film zum Herunterladen angeboten wurde. Im Rahmen der von ihr durch die Deutsche Telekom AG als Provider erteilten Auskunft wurden die Beklagten als Nutzer benannt, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten schuldeten ihr im Wege des Lizenzanalogieschadens einen Betrag von 400 EUR. Dieser Anspruch unterliege der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 852 S. 2 BGB. Durch die Einleitung des Mahnverfahrens und des am 27.8.2013 zugestellten Mahnbescheides sei die Verjährung gehemmt worden. Des Weiteren schuldeten die Beklagten ihr einen Betrag von 651,80 EUR für die Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Kosten aus einem Gegenstandswert von 19.000 € bei einem Gebührensatz einer 1,3 fachen Rechtsanwaltsgebühr nebst Auslagenpauschale.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie einen Schadensersatzbetrag i.H.v. 400 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 651,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie berufen sich auf die Verjährung der Ansprüche und behaupten überdies, dass auch zwei ihrer im Haushalt lebenden Kinder zum streitgegenständlichen Zeitpunkt auf den Internetanschluss Zugriff gehabt hatten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen.

Aufgrund des Antrages vom 22.08.2013 erließ das Amtsgericht Euskirchen in dieser Sache am 23.8.2013 einen den Beklagten am 27.8.2013 zugestellten Mahnbescheid. Als Hauptforderung in Höhe von 1.051,80 EUR wurde "unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus Repertoire des Antragstellers gem. Schreiben vom 19.07.2010" benannt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 1.051,80 EUR aus §§ 97 Abs. 2 S. 1, 97 a Abs. 1 S. 2 a. F. UrhG zu.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagten für die von der Klägerin vorgetragene Urheberrechtsverletzung als Täter haften. Denn die Beklagten berufen sich zu Recht auf die Verjährung der Ansprüche.

Die Verjährungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass auf den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren gemäß § 97 Abs. 2, S. 1 UrhG die zehnjährige Verjährungsfrist nach den §§ 102 UrhG, 852 BGB anzuwenden sei, kann das Gericht dieser Auffassung nicht zustimmen. Vielmehr schließt sich das Gericht im Ergebnis den jüngeren Entscheidungen des AG Kassel (Az.: 410 C 625/14); AG Bielefeld (Az.: 42 C 368/13), AG Düsseldorf (Az.: 57 C 15659/13) sowie AG Köln (Az.: 125 C 314/14) an.

§ 852 BGB soll verhindern, dass, wer einen anderen durch eine unerlaubte Handlung geschädigt und dadurch das eigene Vermögen vermehrt hat, im Besitz dieses Vorteils bleibt. Die Klägerin macht vorliegend einen Schadensersatzanspruch geltend mit der Behauptung, die Beklagten hätten den streitgegenständlichen Film unerlaubt anderen Teilnehmern im Rahmen einer Internettauschbörse zum Download angeboten. Durch dieses "Anbieten" haben die Beklagten jedoch nichts im Sinne des § 852 BGB erlangt.

Zu denken wäre allenfalls daran, dass sich die Beklagten Lizenzgebühren erspart haben. Eine Ersparnis von Lizenzgebühren kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird (so BGH, Urteil vom 27.10.2011 - I ZR 175/10). Dies ist vorliegend jedoch zu verneinen, da eine Lizenzierung dergestalt, dass Filme im Rahmen des Filesharing angeboten werden können, nicht existiert. Der Nutzer einer Internet-Tauschbörse, so wie es den Beklagten vorgeworfen wird, erlangt letztlich nur mit dem Herunterladen des streitgegenständlichen Films zum eigenen Gebrauch etwas, nämlich die Befreiung von einer Verbindlichkeit, da die entsprechende Vergütung für die eigene Nutzung des Films erspart wird.

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von allen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Verjährungsbeginn für den Schadensersatzanspruch war, nachdem die Klägerin spätestens nach Auskunftserteilung der Deutschen Telekom AG am 31.05.2010 von der Rechtsverletzung und der hierfür verantwortlichen Person, nämlich den Beklagten, Kenntnis erlangt hat, der 31.12.2010, 24 Uhr. Ebenfalls begann die Verjährung für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten am 31.12.2010, 24 Uhr, da die Versendung der Abmahnung, mit der der Anspruch entsteht, im Juli 2010 erfolgte.

Die Verjährungsfrist für beide Ansprüche lief somit am 31.12.2013 ab. Klage wurde jedoch erst im Jahr 2014 eingereicht.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass die Zustellung des Mahnbescheides am 27.8.2013 die Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bewirkte, kann dem nicht zugestimmt werden. Denn es fehlt die erforderliche Individualisierung im Mahnbescheidantrag (Palandt- Ellenberger, BGB, 74. Auflage, 2015, § 204 Rd. 18). Aus dem Mahnbescheid muss der Schuldner erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird. Dabei ist ein im Mahnbescheid genanntes Anspruchsschreiben zu berücksichtigen. Wird eine Mehrheit von Forderungen geltend gemacht, so müssen alle individualisiert werden (BGH, NJW 1993, 862; Palandt- Ellenberger, a.a.O.). Denn der Abgemahnte muss im Mahnverfahren beurteilen können, ob er sich gegen eine Forderung zur Wehr setzen will oder nicht (BGH NJW 2013, 3509).

Wie § 97 a Abs. 2 S. 3 UrhG (2013) nunmehr auch verdeutlicht, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen nicht nur um Rechnungspositionen eines einheitlichen Anspruches (vergleiche dazu BGH NJW 2013, 3509), sondern um dem Wesen nach unterschiedliche Ansprüche aufgrund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen. Selbst wenn man trotz erheblicher Bedenken § 97 Abs. 2 UrhG als einheitliche Anspruchsgrundlage annähme, handelt es sich vorliegend nicht um Rechnungspositionen eines einheitlichen Anspruchs, sondern um voneinander unabhängige, selbstständige Ansprüche, einerseits auf Schadensersatz und andererseits auf Aufwendungsersatz.

Die Beklagten hätten vorliegend somit unter Berücksichtigung eines etwaigen im Mahnbescheid genannten Anspruchsschreibens aus dem Mahnbescheid erkennen können müssen, welche Ansprüche gegen sie geltend gemacht werden. Mit dem Mahnbescheid wurde lediglich eine Forderung über 1.051,80 € wegen unerlaubter Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragstellers gem. Schreiben vom 19.07.2010 geltend gemacht. Zwar wird in dem Mahnbescheid auf ein Abmahnschreiben vom 19.7.2010 Bezug genommen, welches die Beklagten auch dem Abmahnschreiben vom 20.07.2010 zuordnen konnten, da keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Beklagten zwei Abmahnschreiben erhalten haben und anzunehmen ist, dass es sich bei der falschen Datumsangabe lediglich um einen offensichtlichen Tippfehler handelt. Die Beklagten konnte aber auch unter Berücksichtigung dieses Abmahnschreibens nicht klar erkennen, welche Ansprüche im Mahnbescheid und in jeweils welcher Höhe gegen sie geltend gemacht werden. Aus dem genannten Abmahnschreiben vom 20.07.2010 ergibt sich nämlich keine konkrete Aufschlüsselung in Anwaltskosten und Schadensersatz, sondern es wird lediglich ein pauschaler Gesamtbetrag i.H.v. 850 € angeboten.

Da sich somit weder aus dem Mahnbescheid noch aus dem in Bezug genommenen Abmahnschreiben eine Aufschlüsselung der aus zwei Einzelforderungen bestehenden Gesamtforderung ersehen lässt und somit die Beklagten aus dem Mahnbescheid nicht erkennen konnten, welche Ansprüche in welcher Höhe gegen sie geltend gemacht werden, konnte keine Hemmung eintreten.

Die nach Verjährungseintritt, nämlich erst im Jahr 2014, erfolgte Individualisierung der Ansprüche durch Zustellung des Klagebegründungsschriftsatzes wird nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides zurück (BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - IX ZR 160 / 07).

Mangels Hauptforderung steht der Klägerin gegenüber den Beklagten auch kein Anspruch auf Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.051,80 festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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