BGH, Urteil vom 03.03.2020 - XI ZR 78/18
Fundstelle
openJur 2020, 4174
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 18. Januar 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Kläger und die (Rechtsvorgängerin der) Beklagte(n) (künftig einheitlich: Beklagte) schlossen am 19. Juli 2007 einen Darlehensvertrag über 166.000 € mit einem bis zum 31. Juli 2022 festen Nominalzinssatz von 6,5% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten aus dem Darlehensvertrag diente eine Grundschuld über 166.000 € auf dem darlehensfinanzierten Grundstück der Kläger. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt, wobei sich an das auf zwei Seiten abgedruckte Belehrungsformular eine weitere, hier im Anschluss abgedruckte Seite "Hinweis auf zu leistenden Wertersatz im Falle des Widerrufs des Darlehens und Zustimmung zur Auszahlung des Darlehens vor Ablauf der Widerrufsfrist" anschloss:

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Oktober 2014 veräußerten sie das finanzierte Objekt. Im Vorfeld korrespondierten die Parteien wegen der Berechtigung der Beklagten, im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen. Die Kläger verwiesen im August 2014 auf ein fortbestehendes Recht, ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen, erklärten aber den Widerruf nicht. Am 16. Oktober 2014 unterzeichneten sie gemäß einem Angebot der Beklagten vom 9. Oktober 2014 eine Erklärung, in der als von ihnen zu leistende Vorfälligkeitsentschädigung ein Betrag von 30.017,81 € ausgewiesen war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22. Oktober 2014 äußerten sie betreffend die Vorfälligkeitsentschädigung einen ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung. Anfang des Jahres 2015 setzten die Parteien ihre Korrespondenz zur Verpflichtung der Kläger, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten, und zur Freigabe der Sicherheit fort. Unter dem 4. März 2015 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Unter dem 19. März 2015 erteilte die Beklagte eine Löschungsbewilligung mit einer Treuhandauflage der Zahlung von 182.471,80 €. Die Kläger leisteten diesen Betrag am 29. April 2015.

Die Kläger haben zunächst mit der am 8. April 2015 erhobenen Klage beantragt, Zug um Zug gegen Zahlung von (nur) 151.117,09 € die Löschung der Grundschuld zu bewilligen, den Grundschuldbrief herauszugeben sowie festzustellen, "dass die Kläger mit ihrer Gegenleistung nicht zur Vorleistung verpflichtet" seien. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben sie ihre ursprünglichen Klageanträge einseitig für erledigt erklärt. Sie haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, "an die Kläger als Gesamtgläubiger 30.017,81 €" zuzüglich Zinsen zu bezahlen und den Klägern vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu erstatten. Das Landgericht hat den Klageanträgen insoweit entsprochen, als es festgestellt hat, dass sich der Rechtsstreit - soweit die Bewilligung der Löschung der Grundschuld und die Herausgabe des Grundschuldbriefs Zug um Zug gegen Zahlung betreffend - in der Hauptsache erledigt habe. Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von 30.017,81 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die gegen ihre Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte zur Zahlung an die Kläger "als Mitgläubiger" verurteilt hat. Die Anschlussberufung der Kläger, mit der sie ihren Antrag auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - ausgeführt:

Die die Löschung der Grundschuld und die Herausgabe des Grundschuldbriefs betreffende Klage sei bei ihrer Erhebung ursprünglich zulässig und begründet gewesen, so dass die Erledigung auf Antrag der Kläger festzustellen sei. Das erledigende Ereignis sei erst nach Rechtshängigkeit eingetreten, weil die Kläger erst nach Zahlung des von der Beklagten geforderten Betrags am 29. April 2015 von der mit dem Treuhandauftrag erteilten Löschungsbewilligung hätten Gebrauch machen können. Die Kläger hätten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen am 4. März 2015 noch widerrufen können, weil die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Beklagten noch nicht abgelaufen gewesen sei. Durch die Verwendung des Wortes "frühestens" habe die Beklagte unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen. Sie sei zum einen von den Vorgaben des Musters abgewichen, indem sie zwischen den Überschriften "Widerrufsbelehrung" und "Widerrufsrecht" einen weiteren Text eingefügt habe, der, weil er das Datum des Vertragsangebots der Beklagten und nicht den der Vertragserklärung der Kläger benannt habe, "auch inhaltlich irreführend" gewesen sei. Außerdem habe eine Abweichung vom Muster (und von den gesetzlichen Vorgaben) in dem der Widerrufsbelehrung angefügten "Hinweis auf zu leistenden Wertersatz im Falle des Widerrufs des Darlehens und Zustimmung zur Auszahlung des Darlehens vor Ablauf der Widerrufsfrist" gelegen.

Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers für das Unterbleiben des Widerrufs innerhalb der Zweiwochenfrist komme es nicht an. Der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung stehe der Beachtlichkeit des Widerrufs nicht entgegen. Die Kläger hätten das Widerrufsrecht weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Entsprechend sei die Beklagte aus dem Rückgewährschuldverhältnis zur Rückgewähr der Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist, wie der Senat mit Urteil vom 26. November 2019 (XI ZR 307/18, WM 2020, 87 Rn. 17 ff.) für eine entsprechend formulierte Widerrufsbelehrung derselben Beklagten entschieden hat, rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Beklagte habe die Kläger gesetzeswidrig über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs am 4. März 2015 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Beklagten kam vielmehr, wie der Senat mit Urteil vom 26. November 2019 im Einzelnen ausgeführt hat, die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 30. März 2008 geltenden Fassung zugute, so dass der am 4. März 2015 erklärte Widerruf ins Leere ging.

2. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht, soweit es den die (teilweise) Erledigung der Hauptsache betreffenden Ausspruch des Landgerichts bestätigt hat, übersehen, dass sich die Kläger in der Klageschrift und damit bis zu ihrer einseitigen Erledigungserklärung eines - mit dem erst am 4. März 2015 erklärten Widerruf nicht in Zusammenhang stehenden und einen anderen Streitgegenstand betreffenden - Anspruchs auf Freigabe der Sicherheit Zug um Zug gegen Zahlung aus einer vor Erklärung des Widerrufs getroffenen "Aufhebungsvereinbarung" vom Oktober 2014 berühmt haben, deren Zustandekommen sie erst nach ihrer Erledigungserklärung - weil ihnen bezogen auf die Vorfälligkeitsentschädigung ungünstig - bestritten haben. Zu einem solchen Anspruch hat das Berufungsgericht, das an anderer Stelle allerdings von der Wirksamkeit der "Aufhebungsvereinbarung vom 09.10.2014" ausgegangen ist, keine Feststellungen getroffen.

Soweit das Berufungsgericht offenbar gemeint hat, ein bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit begründeter Anspruch auf Freigabe der Sicherheit Zug um Zug gegen Zahlung hänge mit dem Widerruf der Kläger zusammen, hat es übersehen, dass die insoweit vorleistungspflichtigen Kläger eine Verurteilung der Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung mit dem Vorbringen, gegen die Erfüllung ihrer Schuld aus dem Rückgewährschuldverhältnis erledige sich der Sicherungszweck, auch dann nicht hätten verlangen können, wenn ihr Widerruf Erfolg gehabt hätte (Senatsbeschlüsse vom 31. Januar 1995 - XI ZR 30/94, WM 1995, 523 f. und vom 17. Januar 2017 - XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7).

Dass die Kläger vor Eintritt des erledigenden Ereignisses einen in seinen Voraussetzungen ganz anderen Anspruch nach § 1192 Abs. 1, §§ 1142, 1144 BGB geltend gemacht haben (dazu BGH, Urteile vom 28. Mai 1976 - V ZR 208/75, NJW 1976, 2132, 2133, vom 19. September 1986 - V ZR 72/85, BGHZ 98, 256, 260 f. und vom 11. Mai 2005 - IV ZR 279/04, WM 2005, 1271, 1272; Beschlüsse vom 28. September 1989 - V ZB 17/88, BGHZ 108, 372, 379, vom 1. März 1994 - XI ZR 149/93, WM 1994, 909 und vom 27. Oktober 2011 - V ZR 64/11, juris Rn. 7 f.; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2015, § 1142 Rn. 27), hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt; die schriftsätzlichen Äußerungen der Kläger bis zu ihrer Erledigungserklärung ergeben dafür nichts. Die begründete Geltendmachung eines Anspruchs aus § 1192 Abs. 1, §§ 1142, 1144 BGB wäre indessen Voraussetzung dafür gewesen, um, was schon das Landgericht übersehen hat, die Rechtsfolgen dieser Vorschriften zur Anwendung zu bringen.

3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, ein Anspruch der Kläger auf Rückgewähr der am 29. April 2015 geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung ergebe sich - die Wirksamkeit des der Beklagten vorher zugegangenen Widerrufs vom 4. März 2015 unterstellt - aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB. Das trifft nicht zu. Nach dem Wirksamwerden des Widerrufs vom Darlehensnehmer - ggfs. unter Vorbehalt - erbrachte Leistungen fallen nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis gemäß §§ 346 ff. BGB.

Vielmehr richtet sich ihre Rückforderung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 20; Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZB 17/16, juris).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird den Zahlungsantrag betreffend zu klären haben, ob sich die Parteien zulässigerweise (Senatsurteil vom 19. Januar 2016 - XI ZR 388/14, BGHZ 208, 290 Rn. 23) über die Vorfälligkeitsentschädigung im Oktober 2014 geeinigt haben.

Sollte das Berufungsgericht keine bindende Einigung feststellen, aber zu dem Ergebnis gelangen, die Kläger seien der Beklagten nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB zur Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet gewesen, wird es dem Einwand der Kläger nachzugehen haben, die Beklagte habe bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung Sondertilgungsrechte außer Acht gelassen. Dabei wird es mit in den Blick zu nehmen haben, dass die Beklagte auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis in erster Instanz mitgeteilt hat, im Falle einer Berechnung anhand des Senatsurteils vom 19. Januar 2016 (XI ZR 388/14, BGHZ 208, 290 Rn. 25 ff.) betrage die Vorfälligkeitsentschädigung (nur) 27.875,54 €, die Beklagte sei bereit, die "Überzahlung" in Höhe von 2.142,27 € "an die Klagepartei herauszugeben".

Ellenberger Joeres Matthias Menges Schild von Spannenberg Vorinstanzen:

LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.07.2016 - 1 O 83/15 -

OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 18.01.2018 - 4 U 109/16 -