BGH, Urteil vom 18.03.2020 - IV ZR 62/19
Fundstelle
openJur 2020, 4160
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Februar 2019 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht (KG VersR 2019, 748) hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ausgleich der von ihr aufgewandten Schadensersatzleistung gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 des litauischen Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (im Folgenden lit. KfZPflVG) zu.

Die Anwendung des litauischen Rechts ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I"; Abl. EU Nr. L 177 S. 6, nachfolgend "Rom I-VO"), wonach der gewöhnliche Aufenthalt bzw. Sitz des Versicherers maßgeblich sei. Die Bestimmung des Begriffs der "vertraglichen Schuldverhältnisse" im Sinne der Rom I-VO ermittle sich in erster Linie aus der Abgrenzung zu den in der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II"; Abl. EU Nr. L 199 S. 40, nachfolgend "Rom II-VO") geregelten "außervertraglichen Schuldverhältnissen". Dabei sei von einem weiten Vertragsbegriff auszugehen. Das Verhältnis des Dritten zum Vertragspartner eines Vertrages zu Gunsten Dritter sei den vertraglichen Schuldverhältnissen zuzuordnen. Der Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag begründe eigene Ansprüche des mitversicherten Fahrers und stelle einen Sonderfall eines Vertrages zu Gunsten Dritter dar. Dem entspreche es, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer vertraglich einzuordnen sei.

Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. KfZPflVG laute sinngemäß, dass ein Versicherer, der Schadensersatz gezahlt habe, berechtigt sei, die Schadensersatzzahlungen von dem für den Schaden Verantwortlichen zurückzufordern, wenn letzterer das Fahrzeug unter Einfluss von Alkohol gefahren habe. Die Voraussetzungen des aus dieser Bestimmung folgenden Regressanspruches seien gegeben und inhaltlich nicht streitig.

Ein Verstoß gegen den "ordre public" liege nicht vor, auch wenn das litauische Recht für den Fahrer - anders als für den Halter - keine (abgestufte) Begrenzung des Rückgriffs kenne.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Berechtigung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs maßgeblich nach litauischem Recht zu beurteilen ist; soweit sie davon abhängt, ob und in welchem Umfang die Beklagte nach dem insofern gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO anwendbaren deutschen Recht (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn. 51 ff. m.w.N.) gegenüber dem Unfallgegner haftet, steht ihre Einstandspflicht (§ 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB) außer Streit. Die Anwendbarkeit des litauischen Rechts auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ergibt sich aus Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB), der in Ausübung der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO erlassen worden ist.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien der Anwendungsbereich der Rom I-VO, die im Unterschied zur Rom II-VO vertragliche Schuldverhältnisse betrifft (vgl. hierzu allgemein EuGH VersR 2016, 797 Rn. 43 ff. m.w.N.), eröffnet. Dabei kann im Streitfall offenbleiben, ob Grundlage des von der Klägerin erhobenen Anspruchs ein gesetzlicher Übergang der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte oder eine originär eigene Forderung der Klägerin ist.

Im ersten Fall folgt die Anwendbarkeit der Rom I-VO aus Art. 19 Rom II-VO, der in Abgrenzung zu Art. 15 Rom I-VO aufgrund des außervertraglichen Charakters der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte einschlägig ist. Die Vorschrift sieht vor, dass das für die Schadensersatzpflicht des Dritten, d. h. des Haftpflichtversicherers, gegenüber dem Geschädigten maßgebende Recht regelt, ob und in welchem Umfang ein Eintritt in die Rechte dieses Geschädigten möglich ist (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn. 57); das von der Revision angeführte, das Verhältnis zwischen dem Unfallgegner und der Beklagten regelnde Recht (Recht des Schadensortes), ist insoweit nicht maßgeblich. Die genannte Verpflichtung der Klägerin hat ihren Ursprung in dem zwischen ihr und der Fahrzeughalterin abgeschlossenen Versicherungsvertrag und ist deshalb als vertraglich im Sinne der Rom I-VO zu qualifizieren (vgl. EuGH aaO Rn. 54 ff.).

Nichts anderes ergibt sich im zweiten Fall. Zwar richtet sich ein originär eigener Regressanspruch des Rückgriffgläubigers nach verbreiteter Auffassung nicht nach Art. 19 Rom II-VO (oder nach Art. 15 Rom I-VO), sondern nach dem Statut, welches das Verhältnis zwischen dem Rückgriffgläubiger und dem Rückgriffschuldner beherrscht (vgl. BeckOGK/Hübner, Rom II-VO Art. 19 Rn. 36 f. [Stand: 1. Juli 2019]; Kieninger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 15 Rn. 5; Freitag in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 4. Aufl. Mehrfache Haftung Rn. 22; Staudinger/Hausmann, (2016) Rom I-VO Art. 15 Rn. 18; siehe auch Giuliano/Lagarde, Abl. EG Nr. C 282 vom 31. Oktober 1980 S. 1, S. 35). Aber das Rückgriffverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ist - anders als die Revisionserwiderung meint - ebenfalls als vertraglich zu qualifizieren. Wie die Verpflichtung der Klägerin, den Unfallgegner der Beklagten zu befriedigen, hat es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag (vgl. Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 24. September 2015 - C 359/14, BeckRS 2016, 80140 Rn. 62).

b) Knüpft die vertragliche Qualifizierung des Verhältnisses der Parteien danach an den Umstand an, dass es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag hat, richtet sich das anwendbare Recht nach Art. 7 Rom I-VO (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn. 58, 62). Gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO, Art. 46d EGBGB unterliegt es litauischem Recht.

aa) Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist (vgl. zum Charakter der Bestimmung BeckOGK/Lüttringhaus, Rom I-VO Art. 7 Rn. 148 [Stand: 1. Februar 2020]; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 52; NK-BGB/Leible, 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 61; Staudinger/Armbrüster, (2016) Rom I-VO Art. 7 Rn. 27). Von dieser Ermächtigung ist in Deutschland durch Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB) Gebrauch gemacht worden (vgl. BT-Drucks. 16/12104 S. 6, S. 10; 18/10822 S. 22, S. 99). Nach Art. 46d Abs. 1 EGBGB unterliegt ein Versicherungsvertrag über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, dem Recht dieses Staates, sofern dieser dessen Anwendung vorschreibt. Art. 46d Abs. 2 EGBGB bestimmt, dass ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag deutschem Recht unterliegt, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht.

bb) Für das im Streitfall betroffene Risiko einer durch den Gebrauch eines in Litauen zugelassenen Fahrzeugs eintretenden Haftpflicht schreibt - worauf der Senat die Parteien vorab hingewiesen hat - das litauische Recht eine Versicherungspflicht vor und ordnet in Fällen mit Auslandsberührung auch seine Anwendung an (vgl. OGH Litauen, Beschluss vom 6. Mai 2016 - 3K-3-187-701/2016, BeckRS 2016, 17751 Rn. 36 ff.); dies kann der Senat aufgrund der insofern fehlenden Berücksichtigung des ausländischen Rechts durch das Berufungsgericht selbst ermitteln und der Entscheidung zugrunde legen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - IV ZB 9/14, ZEV 2015, 163 Rn. 24; BGH, Urteile vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 21; vom 12. November 2003 - VIII ZR 268/02, NJW-RR 2004, 308 unter II 1 a bb [juris Rn. 13]). Zugleich besteht nach deutschem Recht (abhängig von dem regelmäßigen Standort des Kraftfahrzeugs) gemäß § 1 PflVG oder § 1 Abs. 1 PflVAuslG eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d EGBGB (vgl. BeckOGK/Lüttringhaus, EGBGB Art. 46d Rn. 26 [Stand: 1. Februar 2020]; jurisPK-BGB/Junker, EGBGB Art. 46d Rn. 24 [Stand: 9. Mai 2018]; MünchKomm-BGB/Martiny, 7. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 11 f.; Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 4 Rn. 100).

In einem solchen Fall, in dem zwei Mitgliedstaaten dasselbe, gemäß Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 Buchst. b), Art. 310 und Anhang VII der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit ("Solvabilität II"; Abl. EU Nr. L 335 S. 1, nachfolgend "Solvabilität II-RL") nur in einem Mitgliedstaat belegene Risiko einer Versicherungspflicht unterwerfen, ist gemäß Art. 46d EGBGB jedenfalls auf den Rückgriffsanspruch des Versicherers nach dem Rechtsgedanken des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist (vgl. Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 54; Schäfer in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 134; MünchKomm-BGB/Martiny, 7. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 7; MünchKomm-VVG/Looschelders, 2. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 118; NK-BGB/Leible, 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 63; Staudinger/Armbrüster, (2016) Art. 46c EGBGB Rn. 9). Eine kumulative Anwendung der konkurrierenden Rechtsordnungen, die teilweise zur Bestimmung des Umfangs der Versicherungspflicht angenommen wird und zu dem Ergebnis führen soll, dass die Versicherungsdeckung den strengsten Anforderungen genügen muss (vgl. Dörner in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Art. 46c EGBGB Rn. 14; Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 4 Rn. 103), scheidet für den Rückgriffsanspruch aus. Gestalten die konkurrierenden Rechtsordnungen diesen Anspruch - etwa über verschuldensabhängige Abstufungen oder Höchstgrenzen - unterschiedlich aus, können sie nicht kumulativ angewendet werden; und für die Heranziehung des "strengsten" Rückgriffsregimes fehlt es an einer normativen Grundlage.

Der Versicherungsvertrag ist regelmäßig am engsten mit dem Staat verbunden, in dem das durch ihn gedeckte Risiko belegen ist (vgl. MünchKomm-BGB/Martiny, 7. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 7; Staudinger/Armbrüster, (2016) Art. 46c EGBGB Rn. 9). Das ist im Streitfall Litauen als Zulassungsmitgliedstaat im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. b) Solvabilität II-RL (vgl. BeckOGK/Lüttringhaus, Rom I-VO Art. 7 Rn. 57 [Stand: 1. Februar 2020]; Dörner in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Art. 7 Rom I-VO Rn. 31; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 64; MünchKomm-BGB/Martiny, 7. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 50; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. Erläuterungen zu Art. 1 ff. Rom I-VO Rn. 17).

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist im Streitfall nicht veranlasst. Dass im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien der Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet ist, ist aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Januar 2016 (VersR 2016, 797) derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 m.w.N.); die - durch Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO ermöglichte - Anwendung von Art. 46d EGBGB betrifft eine Vorschrift des nationalen Rechts.

Anders als die Revision meint, kommt die Anwendung von Art. 7 Abs. 5 Rom I-VO im Streitfall nicht in Betracht. Die Vorschrift setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass der Vertrag in mehr als einem Mitgliedstaat belegene Risiken deckt. Das ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht der Fall. Nach der gemäß Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO i.V.m. Art. 310 und Anhang VII Solvabilität II-RL hier maßgeblichen Begriffsbestimmung in Art. 13 Nr. 13 Buchst. b) Solvabilität II-RL bezeichnet der Ausdruck "Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist" bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den Zulassungsmitgliedstaat. Nur in diesem ist das hier in Rede stehende Risiko danach - wie oben unter b) bb) bereits gesagt - belegen (vgl. BeckOGK/Lüttringhaus, Rom I-VO Art. 7 Rn. 57 [Stand: 1. Februar 2020]; Dörner in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Art. 7 Rom I-VO Rn. 31; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 64; MünchKomm-BGB/Martiny, 7. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 50; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. Erläuterungen zu Art. 1 ff. Rom I-VO Rn. 17).

2. Zu Recht beanstandet die Revision mit der Verfahrensrüge jedoch, dass das Berufungsgericht das litauische Recht unzureichend ermittelt hat.

a) Der Tatrichter hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Dabei hat der deutsche Richter das ausländische Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet. Wie der Tatrichter sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vom Revisionsgericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - IX ZB 26/17, WM 2018, 1316 Rn. 12 m.w.N.).

Im Allgemeinen werden die Grenzen der Ermessensausübung des Tatrichters durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalles gezogen. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können auch Vortrag und sonstige Beiträge - etwa Privatgutachten - der Parteien sein. Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der Richter regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage zu machen - gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnismittel zu erschöpfen - haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen. Auch dies hängt jedoch stets von den Besonderheiten des einzelnen Falles ab (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 unter B I 2 b bb [juris Rn. 28 f.] m.w.N.).

b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht sein Ermessen im Streitfall nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Revision beanstandet zu Recht, die angefochtene Entscheidung ziehe nur eine Rechtsvorschrift des litauischen Rechts heran, die das Berufungsgericht - teilweise abweichend von der von der Klägerin vorgelegten Übersetzung - eigenständig und lediglich "sinngemäß" in die deutsche Sprache übertragen hat. Schon das genügt den Anforderungen des § 293 ZPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - IX ZB 26/17, WM 2018, 1316 Rn. 12 ff. m.w.N.). Es kann insofern offenbleiben, ob das Berufungsgericht in Anbetracht des Vortrags der Parteien darüber hinaus hätte prüfen müssen, ob nach litauischem Recht die in Art. 22 Abs. 2 lit. KfzPflVG für den Kfz-Halter vorgesehenen oder anderweitige Regressbeschränkungen auch dem Fahrer zugutekommen können - sei es aufgrund der Auslegung des Art. 22 Abs. 2 lit. KfzPflVG durch die litauischen Gerichte, sei es infolge weiterer, vom Berufungsgericht nicht ermittelter litauischer Rechtsvorschriften.

III. Das Berufungsurteil ist deshalb im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Mayen Felsch Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Götz Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 16.05.2017 - 45 O 466/15 -

KG Berlin, Entscheidung vom 18.02.2019 - 22 U 138/17 -