Hessischer VGH, Beschluss vom 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97
Fundstelle
openJur 2012, 21324
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Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig (§ 146 Abs. 5 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der die Zulassung der Beschwerde rechtfertigen kann (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO), nicht dargetan.

Soweit der Antragsteller geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, die Rechtssache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf und es liege ein Verfahrensmangel vor, entspricht der Zulassungsantrag nicht den gesetzlichen Begründungserfordernissen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Wenn auch an die Begründung des Zulassungsantrags keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen, so ist doch zumindest ebenso wie bei der wortgleichen Bestimmung des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG zu verlangen, dass der Zulassungsgrund genau bezeichnet und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erläutert wird, warum der Antragsteller einen von ihm benannten Zulassungsgrund für gegeben erachtet (betreffend § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG: BVerfG-Kammer, 15.08.1994 - 2 BvR 719/93 -, EZAR 633 Nr. 24 = InfAuslR 1995, 15; Hess. VGH, 06.11.1992 - 13 UZ 2131/92 -; Hess. VGH, 02.12.1992 - 12 UZ 2464/92 -; betr. § 32 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG: Hess. VGH, 17.01.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, 15.11.1982 - 18 B 20044/82 -, EZAR 633 Nr. 1 = DÖV 1983, 430). Der Antragsteller hat zwar das Vorliegen der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO geltend gemacht, zur Begründung aber im wesentlichen nur den Wortlaut dieser Bestimmungen wiedergegeben, ohne einzelfallbezogen zu begründen, worin die grundsätzliche Bedeutung und die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gesehen werden. Hinsichtlich des Verfahrensmangels macht der Antragsteller zwar geltend, es hätte eine weitere Sachaufklärung erfolgen müssen, insoweit fehlt es aber an der Darlegung, dass dieser Verfahrensmangel der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt und die angegriffene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), kann zwar angenommen werden, dass insoweit der Antrag ausreichend begründet worden ist, in der Sache kann der Antragsteller damit aber ebenfalls keinen Erfolg haben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Die zur Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG; krit. Schenke, NJW 1997, 81 <91>; undifferenziert dagegen Schmieszek, NVwZ 1996, 1151 <1153>). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung im Zulassungsverfahren zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157 <161>). Mit dieser Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 <1162> m. Nachw. d. Rspr. u. der davon abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfg vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632 Nr. 25) anzuknüpfen, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler, a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt, die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess. VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus.

Bei großzügiger Auslegung der insoweit lediglich zwei Sätze umfassenden Antragsbegründung ist dem Antragsschriftsatz zu entnehmen, dass der Antragsteller unter Bezugnahme auf die in der Anlage beigefügte eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau geltend machen will, das Verwaltungsgericht habe im Anschluss an die Ausländerbehörde zu Unrecht ein Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft verneint. Dem vermag der Senat angesichts der spärlichen Angaben des Antragstellers im gesamten Verfahren nicht zu folgen. Nachdem der Antragsteller anlässlich des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 18. Juni 1996 gegenüber der Ausländerbehörde angegeben hatte, seine Ehefrau habe ihn im September 1995 verlassen, hätte es ins Einzelne gehender detaillierter Angaben des Antragstellers bedurft, um entweder die Unrichtigkeit dieser Angaben oder aber eine zwischenzeitliche Veränderung der Lebensverhältnisse darzutun. Stattdessen hat sich der Antragsteller auf das Anhörschreiben der Ausländerbehörde vom 17. Juli 1996 überhaupt nicht zur Sache geäußert und sich sodann im Widerspruchs- und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren darauf beschränkt, anwaltlich mitteilen zu lassen, es sei wohl so, dass seine Ehefrau in weiter Entfernung vom Wohnort eine Tätigkeit aufgenommen habe, und man sei so verblieben, dass man die eheliche Lebensgemeinschaft zwar aufrecht erhalte, jedoch die Woche über getrennt lebe und man sich am Wochenende treffe. Wenn sich der Antragsteller nunmehr zur Begründung des Zulassungsantrags auf die eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau vom 28. Februar 1997 beruft, mit der die Richtigkeit der Angaben in dem Antragsschriftsatz vom 7. Januar 1997 an das Verwaltungsgericht versichert wird, dann genügt das nach Auffassung des Senats unter keinen Umständen zur Begründung dafür, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts bestünden. Es ist nämlich nicht einmal im jetzigen Stadium des Verfahrens die Angabe des Antragstellers gegenüber der Ausländerbehörde in Zweifel gezogen, seine Ehefrau habe ihn im September 1995 verlassen. Die jetzige Versicherung der Ehefrau, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe "noch sehr wohl", genügt schon deshalb nicht, weil sie auf den Tatbestand des Verlassens überhaupt nicht eingeht.

Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 13 Abs. 1 GKG und § 14 GKG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).