LG Bielefeld, Urteil vom 20.09.2019 - 2 O 40/18
Fundstelle
openJur 2020, 3857
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 7 U 70/19
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall, der sich am 15.07.2017 in W. ereignete.

Der Kläger befuhr die U. Straße mit seinem Pkw Mercedes Benz S 500, amtliches Kennzeichen XXX, und wurde dabei von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen YYY überholt. Beim Überholvorgang touchierte das bei der Beklagten haftpflichtversichere Fahrzeug den Mercedes des Klägers und beschädigte ihn. Die Kollision war für den Kläger unvermeidbar. Der Mercedes hatte bereits im Jahr 2014 einen Totalschaden erlitten, wobei der Schadensbereich teilweise mit dem des streitgegenständlichen Unfalls übereinstimmt. Hinsichtlich des Vorschadens wird auf das Gutachten der E. GmbH vom 22.09.2014 (Anlage B1, Bl. 59 GA) Bezug genommen. Der Kläger ließ den Mercedes nach dem streitgegenständlichen Unfall begutachten, wodurch ihm Kosten in Höhe von 766,12 € entstanden. Den Erstattungsanspruch trat er an den Gutachter ab. Der Gutachter bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 5.950,00 € und den Restwert auf 1.440,00 €. Nach Einholung des Gutachtens verkaufte der Kläger den Mercedes.

Der Kläger behauptet, der Gutachter habe den Wiederbeschaffungswert korrekt ermittelt. Es sei unerheblich, dass der Gutachter bei Erstellung des Gutachtens keine Kenntnis von dem Vorschaden gehabt habe, da der Gutachter sein Ergebnis im Anschluss, also nachdem er Kenntnis von dem Vorschaden bekommen habe, bestätigt habe. Er selber habe keine Kenntnis von dem Vorschaden gehabt. Weder habe ihn sein Verkäufer auf den Vorschaden hingewiesen, noch habe er sichtbare Schäden an dem Fahrzeug feststellen können. Neben dem Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 4.510,00 € begehrt er die Zahlung einer Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 €.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 4.540,00 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

die Beklagte ferner zu verurteilen, ihn von Gutachterkosten in Höhe von 766,12 € durch Zahlung an den Gutachter B., freizustellen,

festzustellen, dass die Beklagte ihn von vorgerichtlichen Kosten i.H.v. 571,44 € durch Zahlung an Dr. L., freizustellen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs 4.510,00 € betragen habe. Zum einen sei der Vorschaden bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden, zum anderen sei völlig unklar, ob und wenn ja in welcher Form der Vorschaden behoben gewesen sei. Zudem hätte der Vorschaden sowohl dem Kläger als auch dem von ihm beauftragten Gutachter auffallen müssen, so dass der Kläger auch keinen Anspruch auf Freistellung von den Sachverständigenkosten zustehe.

Der Kläger wurde persönlich angehört. Insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2019 (Bl. 125 ff. GA) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz bzw. auf Freistellung von den Sachverständigenkosten gem. §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG.

Die Beklagte haftet zwar grundsätzlich zu 100% für die dem Kläger unfallbedingt entstandenen Schäden. Dem Kläger ist es jedoch nicht gelungen zu beweisen, dass ihm ein konkreter Schaden entstanden ist.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 4.510,00 €. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Wiederbeschaffungswert des Mercedes tatsächlich bei 5.950,00 € und der Restwert bei 1.440,00 € gelegen hat.

Der Wiederbeschaffungswert ergibt sich nicht aus dem vom Kläger eingeholten Gutachten. Denn der von Kläger beauftragte Gutachter ist bei seiner Kalkulation ausweislich des Gutachtens davon ausgegangen, dass das Fahrzeug über keine Vorschäden verfügte, obwohl dieses tatsächlich der Fall gewesen ist. Die Frage, ob ein Fahrzeug Vorschäden aufweist und dadurch ein Unfallfahrzeug ist oder nicht, ist jedoch ein Umstand, der erhebliche Auswirkung auf den Wert eines Fahrzeugs hat. Entgegen der Behauptung des Klägers ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Gutachters vom 14.09.2017 nicht, dass dieser das Ergebnis seines Ausgangsgutachtens unter Berücksichtigung eines Vorschadens aufrechterhalten würde. Denn der Gutachter geht in dieser Stellungnahme an keiner Stelle auf den Vorschaden ein, sondern erläutert lediglich seine ursprüngliche Wertermittlung des Ausgangsgutachtens.

Darüber hinaus ist es dem Kläger nicht gelungen darzulegen und zu beweisen, dass der Vorschaden aus dem Jahr 2014 im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls bereits fachgerecht und vollständig repariert gewesen ist. Auch die Frage, ob und in welcher Form ein beschädigtes Fahrzeug nach einem Vorunfall repariert wurde, ist für seinen Wert im Zeitpunkt des jeweils streitgegenständlichen Verkehrsunfalls von entscheidender Bedeutung. Der Kläger kann sich insofern nicht darauf berufen, von dem Vorunfall selber keine Kenntnis gehabt zu haben. Denn auch dann, wenn der Geschädigte ein Fahrzeug mit einem reparierten Vorschaden erworben hat, liegt es an ihm, unter Vorlage von Belegen wie Reparaturrechnungen oder Ersatzteilrechnungen konkret darzulegen, wann und durch welche Maßnahmen der Vorschaden beseitigt worden ist. Um dieser Darlegungspflicht nachzukommen muss er sich gegebenenfalls an seinen Voreigentümer wenden, um sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Die Vernehmung des Gutachters ist insofern nicht zielführend, da dieser schon nicht wusste bzw. nicht bemerkt hat, dass das Fahrzeug überhaupt einen Vorschaden erlitten hatte, so dass er auch keine Kenntnis davon haben kann, ob und wenn ja in welcher Form dieser beseitigt wurde. Insofern ist auch darauf zu verweisen, dass der Gutachter lediglich mit der Begutachtung des Schadens aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall beauftragt war, nicht hingegen damit, Feststellungen zur Frage zu treffen, inwiefern der Vorschaden fachgerecht und vollständig behoben worden ist.

Abgesehen davon, dass der Kläger seiner Darlegungslast bereits nicht hinreichend nachgekommen ist, wäre es einem gerichtlich bestellten Sachverständigen unter den gegebenen Umständen auch nicht möglich, eigene Feststellungen zu der Höhe des Wiederbeschaffungswertes und der Frage der Reparatur des Vorschadens zu treffen, da der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug inzwischen an einen Dritten verkauft hat.

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von den Sachverständigenkosten.

Zwar scheitert dieser Anspruch nicht schon daran, dass das Gutachten aus den oben dargelegten Gründen objektiv unbrauchbar ist. Die Kammer ist nach der Anhörung des Klägers jedoch davon überzeugt, dass er Kenntnis von dem Vorschaden gehabt hat. Ist das Gutachten aber dadurch unbrauchbar, dass der Geschädigte dem Gutachter gegenüber ihm bekannte Vor- oder Altschäden verschwiegen hat, hat der Geschädigte keinen Anspruch auf die Erstattung der Gutachterkosten.

Vorliegend kann der Beteuerung des Klägers, das Fahrzeug ohne Kenntnis von dem Vorschaden gekauft zu haben, kein Glaube geschenkt werden. Vielmehr sind seine Angaben zu den genauen Umständen und Konditionen des Kaufes so vage und so wenig plausibel, dass es sich für die Kammer aufdrängt, dass der Kläger von dem Vorschaden Kenntnis gehabt haben muss. So ist es bezeichnend, dass sich der Kläger zwar sicher ist, dass ihm der Verkäufer auch auf seine Nachfrage hin nichts von dem Vorschaden erzählt habe, dass er im Übrigen aber weder sagen kann, von wem er das Fahrzeug gekauft hat, noch wann dieses erfolgt sein soll oder welchen Kaufpreis er gezahlt haben will. Vor dem Hintergrund, dass sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall erst im Juli 2017 abgespielt hat und der Kläger auf mehrmaliges Nachfragen hin schließlich erklärte, das Fahrzeug etwa zwei Monate vor dem Unfall gekauft zu haben, ist es nicht nachvollziehbar, dass er sich weder an den Namen des Verkäufers, noch an dessen Wohnort oder an die Höhe des Kaufpreises erinnern können will.

Nicht überzeugend ist zudem, dass der Kläger behauptet, auf den Mercedes aufmerksam geworden zu sein, als er gegen 5:00 Uhr früh auf dem Weg zum Hamburger Fischmarkt irgendwo durch ein Wohngebiet gefahren sei. Zudem will er im Vertrauen auf den Verkäufer auf einen schriftlichen Kaufvertrag verzichtet haben, obwohl ihm dieser zuvor gesagt haben soll, dass Fahrzeug zu verkaufen, da er bereits zweimal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erwischt worden sei. Soweit der Kläger sein Vertrauen damit begründet, dass der Verkäufer ihm gegenüber nur Angaben gemacht habe, die sich als richtig herausgestellt hätten, kann ihm dieses im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschluss noch nicht bekannt gewesen sein.

Gegen die Redlichkeit des Klägers spricht zudem, dass er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung behauptete, das Fahrzeug nach dem Kauf im Rahmen eine Inspektion einem Gutachter der DEKRA vorgestellt zu haben, ohne sagen zu können, in welcher Werkstatt dieses gewesen sein soll und ob er im Anschluss ein Gutachten oder eine Rechnung erhalten habe. Sicher war er sich lediglich insofern, als dass auch dem Gutachter der Vorschaden nicht aufgefallen sein soll.

3.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Unkostenpauschale, da ihm unfallbedingt kein bezifferbarer Schaden entstanden ist, aufgrund dessen dem Kläger weitere Unkosten hätten entstehen können.

II.

Mangels Hauptanspruches besteht kein Anspruch auf die Zahlung von Prozesszinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Mangels Hauptanspruches besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten als Teil des unfallbedingten Schadens.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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