LG Köln, Urteil vom 23.01.2020 - 36 O 265/18
Fundstelle
openJur 2020, 3644
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 65.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2018 zu zahlen, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,25 € für jeden mit dem nachbezeichneten Fahrzeug gefahrenen Kilometer ab Kilometerstand 35.499 bis zur Rückgabe des Fahrzeugs, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer WP...

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 08.06.2018 mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.196,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2018 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Inverkehrbringung eines Pkw mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 27.06.2018 von einem gewerblichen Händler einen gebrauchten Pkw des Typs Q mit der Fahrzeug-Identnr. WP... mit einem Kilometerstand von 35.499 gefahrenen Kilometern zu einem Kaufpreis von 65.700,00 €. Die Beklagte ist die Herstellerin dieses Fahrzeugs; der in dem Fahrzeug verbaute 3,0 Liter-V6-Dieselmotor der Baureihe P wurde von der B AG entwickelt und hergestellt.

Zum Nachweis, dass ein Kraftfahrzeug bei seinem Betrieb die europaweit einheitlich festgesetzten Abgasgrenzwerte einhält, muss das Fahrzeug über eine Typgenehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verfügen. Die zur Erteilung dieser Typgenehmigung durchgeführte Prüfung der Abgasgrenzwerte erfolgt in einem europaweit festgelegten einheitlichen Testverfahren, dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), auf einem Prüfstand.

Die vorgenannte EG-Verordnung legt in Art. 5 Abs. 2 fest, dass sog. "Abschalteinrichtungen" unzulässig sind, wenn nicht eine der drei dort normierten Ausnahmekonstellationen vorliegt, nämlich, dass die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, dass die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist, oder dass die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind. In Art. 3 Nr. 10 der Verordnung wird als "Abschalteinrichtung" definiert

ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

In Bezug auf den in dem streitgegenständlichen Pkw verbauten Dieselmotor kam das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) als die für die Erteilung der Typgenehmigung zuständige Bundesoberbehörde mit Bescheid vom 10.07.2018 (Bl. 1107 ff. GA) zu dem Ergebnis, dass die Motorsteuerung mindestens eine, als "Strategie A" bezeichnete, gemäß Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 der EG-Verordnung 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung aufweise, und zwar in Gestalt einer Aufheizstrategie, welche durch eine Vielzahl von Initialisierungsparametern, die so miteinander verknüpft seien, dass sie alle gleichzeitig vorliegen müssten, gestartet werde. Die Bedingungen für das Starten der Aufheizstrategie, welche das Stickoxidemissionsverhalten des Fahrzeugs verbessere, seien dabei so eng bedatet, dass die Strategie nahezu ausschließlich im NEFZ wirksam werde; schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie mit entsprechender Verschlechterung des Stickoxidemissionsverhaltens. Das KBA stellte fest, dass diese Strategie "sicher als unzulässige Abschalteinrichtung zu bewerten" sei und gab der Beklagten deshalb auf, die Vorschriftsmäßigkeit der hiervon betroffenen Fahrzeuge durch Entfernung aller unzulässigen Abschalteinrichtungen aus dem Emissionskontrollsystem wieder herzustellen. Zur Verantwortlichkeit der Beklagten für die vorgefundene Abschalteinrichtung führte das KBA aus, dass die Beklagte als Genehmigungsinhaberin und Herstellerin verantwortlich für die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sei, weshalb es unerheblich sei, ob die Beklagte die betreffenden Daten selbst in das Motorsteuergerät eingebracht oder von einem Aggregatelieferanten bezogen habe.

Die Beklagte hatte bereits im Herbst 2016 in Abstimmung mit dem KBA ein erstes Software-Update als freiwillige Service-Maßnahme für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs entwickelt, um etwaigen Beanstandungen zu begegnen; dieses Update wurde auch bei dem klägerischen Pkw durchgeführt. Nach Erlass des KBA-Bescheides vom 10.07.2018 entwickelte die Beklagte ein weiteres Software-Update mit dem Ziel der von dem KBA geforderten Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit und Entfernung aller unzulässigen Abschalteinrichtungen. Dieses Software-Update wurde vom KBA am 01.08.2018 freigegeben und am 02.01.2019 bei dem klägerischen Pkw durchgeführt. Für das Software-Update bescheinigte das KBA, dass nach Durchführung des Updates an dem Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorhanden und die Grenzwerte und weiteren Anforderungen eingehalten seien; wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Klageerwiderung der Beklagten vom 25.03.2019, Bl. 830 ff., 842 f. GA.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte die wesentlichen Komponenten der Motorsteuerung, insbesondere die Motorsteuerungshard- und -software, die Sensoren zur Erkennung von Prüfsituationen und die Steuerung der Abgasnachbehandlung, nicht gemeinsam mit dem Motor des Fahrzeugs von der B AG bezogen, sondern selbst bei der Firma C GmbH eingekauft habe.

Der Kläger behauptet weiter, dass der in dem streitgegenständlichen Pkw verbaute Motor über mehrere verbotene Abschalteinrichtungen verfüge: Wenn über den Servolenkungssensor ein Signal gesendet werde, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, würden zum einen mittels einer höheren Abgasrückführungsquote die Stickoxidwerte gemindert; zum anderen werde die Leistung des Fahrzeugs reduziert, um den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs und damit die CO²-Werte zu senken. Zudem wechsele das streitgegenständliche Fahrzeug in Schräglage, also einer Situation, die auf dem Prüfstand gerade nicht vorkommt, in einen Modus, in welchem mehr Stickoxide emittiert würden.

Der Kläger behauptet weiter, dass die Beklagte, weil sie ab dem Jahr 2010 Fahrzeuge mit Dieselmotoren auf den Markt habe bringen wollen, diesbezüglich ihre Schwesterunternehmen, die D AG und die B AG, angesprochen habe. Bei diesen Gesprächen sei dem damaligen Entwicklungschef bei der Beklagten, Herrn T, durch hochrangige Mitglieder der D AG und der B AG erläutert worden, welche Strategie - nämlich den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung über die Motorsteuerungsoftware - die B AG und die D AG entwickelt hätten, um die Einhaltung der Schadstoff-Grenzwerte der Euro 6-Norm im Prüfstandsverfahren sicherzustellen. Die hierfür Motorsteuerungssoftware erkenne, wann sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, und sorge in dieser Situation für eine vermehrte Einspritzung von AdBlue, um die Schadstoffwerte zu senken; bei normalen Fahrbedingungen auf der Straße schalte sich dieser Modus hingegen nicht ein. In genauer Kenntnis dieser Funktionsweise der betrügerischen Motorsteuerungssoftware bei den D- und B-Pkw mit 3.0 l-Dieselmotor, habe die Beklagte dieselbe Software auch für die von ihr herzustellenden 3.0 l-Diesel-Pkw übernommen. Diese Entscheidung sei auf Seiten der Beklagten durch das Vorstandsmitglied und damaligen Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten, Herrn E, getroffen wurden.

Der Kläger trägt weiter vor, dass das KBA mit Bescheid vom 18.05.2018 den Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs wegen insgesamt fünf unzulässiger Abschalteinrichtungen angeordnet habe. Im Übrigen meint er, dass auch das von der Beklagten entwickelte Software-Update die unzulässige Abschalteinrichtung nicht beseitigt habe.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 27.08.2016 bis 08.06.2018 und seither 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer auf 0,00 € bezifferten Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer WP...# zu zahlen,

2.

festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 08.06.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet,

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.196,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass der Vortrag des Klägers betreffend den AdBlue-Verbrauch des streitgegenständlichen Pkw nicht hinreichend substantiiert und nicht einlassungsfähig sei; die Ausführungen des Klägers betreffend andere Abschalteinrichtungen seien für das streitgegenständliche Fahrzeug irrelevant und es gebe auch keinen Bescheid des KBA, der sich über diese Themen verhalte. Soweit das KBA in Bezug auf den streitgegenständlichen Pkw mit Bescheid vom 10.07.2018 nachträgliche Nebenbestimmungen angeordnet habe, sei der in diesem Bescheid beanstandete Zustand durch das durchgeführte Software-Update zwischenzeitlich vollumfänglich beseitigt worden. Der KBA-Bescheid vom 18.05.2018 sei im übrigen hinfällig und durch den Bescheid vom 10.07.2018 ersetzt worden.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass der Kläger ein vorsätzliches Handeln der Beklagten betreffend den Einbau der von dem KBA beanstandeten Motorsteuerungselemente nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe; auch die Voraussetzungen einer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast der Beklagten lägen nicht vor. Die Beklagte habe im übrigen aus ihrer umfangreichen Sachverhaltserfassung keine Hinweise darauf, dass ihr Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder, einschließlich Herrn E, oder Herr N im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses am 27.08.2016 Kenntnis von der vom KBA letztlich als unzulässig eingestuften Bedatung der Motorsteuerungssoftware gehabt hätten; eine solche Kenntnis werde daher bestritten.

Den streitgegenständlichen Dieselmotor habe die B AG an die Beklagte geliefert. Das Motorsteuergerät sei als Hardware-Rohling von der Firma C GmbH an die Beklagte geliefert worden. Der jeweils aktuelle Stand der Motorsteuerungssoftware sei der Beklagten unmittelbar von der B AG zur Verfügung gestellt und bei der Beklagten aus einem verschlüsselten Flash-Container - ohne Änderungsmöglichkeiten - auf das Motorsteuerungsgerät aufgespielt worden. Die Bedatung und Abstimmung der Motorsteuerungssoftware auf das entsprechende Fahrzeug habe die B AG übernommen; bei der Beklagten sei lediglich die Zusammensetzung der einzelnen Komponenten erfolgt. Die Beklagte habe zwar Fahrtests durchgeführt und Rückmeldungen zu gewünschten Änderungen gegeben, eine Softwareanalyse sei durch die Beklagte jedoch zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Die B AG habe zudem der Beklagten bis in den Juni 2017 hinein wiederholt versichert, dass der streitgegenständliche Motor frei von unzulässigen Abschalteinrichtungen sei; auf diese Mitteilungen hätten sich die Vorstandsmitglieder der Beklagten verlassen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Höhe auch begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB einen Anspruch auf Erstattung des für den streitgegenständlichen Pkw gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, wobei er sich die seit dem Erwerb aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs schadensmindernd anrechnen lassen muss. Im Einzelnen:

1. Der Kläger hat durch ein Verhalten der Beklagten, nämlich durch die Inverkehrbringung des streitgegenständlichen Pkw mit einem, wie die Beklagte wusste, technisch mangelbehafteten Motor, einen Schaden erlitten. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter oder eine nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urteil v. 19.07.2004, Az. II ZR 402/02, juris Rz. 41; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 84; LG Offenburg, Urteil v. 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 28). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (so auch OLG Koblenz a. a. O.; LG Offenburg a. a. O.).

Der Kläger hat mit dem von der Beklagten hergestellten und in Verkehr gebrachten Pkw ein Fahrzeug erworben, welches in einem bedeutsamen Gesichtspunkt anders beschaffen war, als der Kläger dies erwarten durfte. Ein vernünftiger Durchschnittskäufer darf nämlich davon ausgehen, dass ein von ihm erworbener PKW entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Hierzu gehört, dass die für das Fahrzeug erforderliche Typgenehmigung nicht durch Täuschung erwirkt wurde. Das gilt auch dann, wenn der Käufer sich bis zum Bekanntwerden einer solchen Täuschung keine konkreten Vorstellungen von den technischen Einrichtungen und den rechtlichen Voraussetzungen für die Typgenehmigung gemacht hat (so auch OLG Köln, Beschluss v. 20.12.2017, Az. 18 U 112/17, juris Rz. 36, 38). Bei der in das streitgegenständliche Fahrzeug implementierten Motorsteuerungssoftware handelt es sich nach der zutreffenden und von der erkennenden Kammer geteilten Beurteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes um eine gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung.

Die von der Beklagten in das streitgegenständliche Fahrzeug implementierte Motorsteuerungssoftware beinhaltete nach der zutreffenden und von der erkennenden Kammer geteilten Beurteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes eine verbotene Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, nämlich eine Aufheizstrategie, die im Wesentlichen nur beim Durchlaufen des Prüfstandsverfahrens des NEFZ anspringt, im realen Verkehr hingegen nicht aktiviert wird, und die das Stickoxidemissionsverhalten des Fahrzeugs auf dem Prüfstand gegenüber dem Emissionsverhalten im normalen Fahrbetrieb verbessert. Darauf, wie diese Verbesserung des Emissionsverhaltens im einzelnen technisch erreicht wird - nach der Behauptung des Klägers durch vermehrte Einspritzung von AdBlue - kommt es für die Beurteilung nicht an; entscheiden für die Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung ist nur der Umstand, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrbetrieb im Vergleich zum Prüfstandsverhalten verringert wird ohne dass eine der in Art. 5 Abs. 2 der EG-Verordnung Nr. 715/2007 enumerativ aufgezählten Ausnahmen vorliegt.

Die Kammer legt ihrer Entscheidungsfindung die Beurteilung dieser Aufheizstrategie durch das Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung als zutreffend zugrunde, ohne sich insoweit zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gehalten zu sehen, dies aus folgenden Gründen:

Bereits anlässlich des im September 2015 öffentlich zutage getretenen sog. "D-Abgasskandals" war für das Kraftfahrt-Bundesamt ersichtlich, dass die Bejahung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu ganz erheblichen Konsequenzen sowohl für den Leumund des betroffenen Autoherstellers als auch - insbesondere - für Millionen von Fahrzeugeigentümern führen würde, die von entsprechenden Fahrzeugrückrufen betroffen sind. Entsprechend darf davon ausgegangen werden, dass das KBA sich über die weitreichenden Konsequenzen der Bejahung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor der Verlautbarung entsprechender verpflichtender Rückrufe vollumfänglich im Klaren ist und die Bewertung einer Motorsteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung nur in solchen Fällen trifft, in denen dies unausweichlich ist.

Wenn die Beklagte die Einschätzung des Kraftfahrt-Bundesamts als einer Bundesbehörde, deren hoheitliche Akte jederzeit gerichtlicher Überprüfung zugänglich sind, als fehlerhaft oder zumindest angreifbar beurteilt hätte, hätte sie als Adressatin des Hoheitsaktes die Möglichkeit gehabt, diesen gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls aufheben zu lassen. Hiervon hat die Beklagte indes keinen Gebrauch gemacht. Die Konsequenzen der nunmehr bestandskräftigen Einschätzung und Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes treffen jedoch- was für die Beklagte als selbstverständliche Konsequenz von vorneherein erkennbar war und von ihr entsprechend wissentlich in Kauf genommen wurde - in erster Linie nicht die Beklagte selbst, sondern die Käufer der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Pkws. Insoweit erachtet es die Kammer als ein Gebot von Treu und Glauben, dass die Beklagte, wenn sie die ihr mögliche gerichtliche Überprüfung der verpflichtenden Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes unterlässt und die entsprechenden Hoheitsakte bestandskräftig werden lässt, dann auch im Rechtsstreit mit den Käufern ihrer Produkte, die die Folgen dieser Entscheidung zu tragen haben, an die Bestandskraft der von ihr nicht angegriffenen behördlichen Beurteilung gebunden bleibt.

Das Vorhandensein der nach alledem vom KBA zu Recht als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuften Aufheizstrategie in dem streitgegenständlichen Pkw begründet eine technische Mangelhaftigkeit des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugs mit potentieller Gefahr seiner Stilllegung, was als Schaden im Sinne des § 826 BGB vollkommen ausreicht. Zudem entsprechen die unter Umweltschutzgesichtspunkten bedeutsamen Schadstoffimmissionen des Fahrzeugs nicht jenen, die der Kläger aufgrund der gesetzlichen Grenzwerte und des erfolgreichen Durchlaufens des NEFZ-Prüfstandsverfahrens erwarten durfte. Zwar ist es allgemein bekannt, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Abgaswerte im realen Straßenverkehrsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden. Allerdings dürfen die Käufer von Kraftfahrzeugen berechtigterweise erwarten, dass diese übliche Abweichung nicht durch den Einsatz einer Manipulationssoftware noch vergrößert wird (so auch LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 32). Die schädigende Handlung bei der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in eine Motorsteuerung liegt gerade darin, dass dadurch Fahrzeuge in einem Zustand in den Verkehr gebracht werden, in welchem durch die eingebaute unzulässige Abschalteinrichtung dem Prüfstandsverfahren die Aussagekraft in Bezug auf den realen Fahrbetrieb des Fahrzeugs genommen wird und damit die ohnehin durch die Beschränkung auf die Prüfstandswerte nur eingeschränkte staatliche Kontrolle der Abgasgrenzwerte ihre Wirksamkeit vollends verliert (ähnlich auch LG Aachen, Urteil v. 07.07.2017, Az. 8 O 12/16, zitiert nach: juris Rz. 29; LG Osnabrück, Urteil v. 09.05.2017, Az. 1 O 29/17, zitiert nach: juris Rz. 42; LG Arnsberg, Urteil v. 14.06.2017, Az. 1 O 25/17, zitiert nach: juris Rz. 22; jeweils m. w. N.).

Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren (so auch OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 96 ff.; LG Offenburg, Urteil v. 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 38 ff.). Die im Rahmen des § 826 BGB verletzte Verhaltensnorm, in deren Schutzzweckzusammenhang der Schaden fallen muss, um zurechenbar zu sein, ist hier nicht nur die öffentlichrechtliche Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 715/2007, die möglicherweise nicht dem Individualschutz dient, sondern die Anforderung an einen Fahrzeug- und Motorenhersteller, nur solche Fahrzeuge herzustellen und in Verkehr zu bringen, deren Betriebsgenehmigung er nicht durch Täuschung erwirkt hat und die nicht aufgrund einer solchen Täuschung technisch und rechtlich mängelbehaftet und von der Gefahr einer Stilllegung bedroht sind. Bereits der Erwerb eines solchen Fahrzeugs stellt für den Kunden einen Schaden dar, der der Beklagten vollumfänglich zuzurechnen ist.

Auch die Durchführung des von der Beklagten entwickelten Software-Updates ändert nichts an der im Rahmen des § 826 BGB allein maßgeblichen rechtlichen Bewertung, dass dem Kläger zunächst durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist. Der Gedanke einer nachträglichen Nachbesserung zur Abwendung von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten ist dem Deliktsrecht fremd (so auch OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 100). Zudem ist zu befürchten, dass dem streitgegenständlichen Pkw trotz Durchführung des Software-Updates allein wegen der Betroffenheit von dem KBA-Rückruf und dem in den Medien umfangreich berichteten Diesel-Abgasskandal ein Minderwert verbleiben wird (vgl. auch OLG Köln, Beschluss v. 03.01.2019, Az. 18 O 70/18, juris Rz. 42; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 84, 88).

2. Das schädigende Verhalten der Beklagten ist auch als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu beurteilen. Sittenwidrig in diesem Sinne ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, also mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (OLG Köln, Beschluss v. 03.01.2019, Az. 18 U 70/18, juris Rz. 21; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 49; jeweils m. w. N.). Durch die Inverkehrbringung des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Pkw wurden aus Gründen der Profitmaximierung die staatlichen Zulassungsbehörden getäuscht, gegenüber Mitbewerbern auf dem Kraftfahrzeugmarkt ein unfairer Vorteil erzielt und gesetzliche Umweltschutzvorschriften - deren Bedeutung und Notwendigkeit zum Schutz von Gesundheit und Lebensqualität zunehmend in das gesellschaftliche Bewusstsein vordringt - ausgehebelt. Zugleich wurden sämtliche potentiellen Neu- oder Gebrauchtwagenkäufer der mit der Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeuge getäuscht und geschädigt, indem sie einen Pkw erwarben, der im Falle der Entdeckung der Manipulationen von Stilllegung bedroht war (zu ähnlichen Fällen anderer Kfz-Hersteller vgl. auch OLG Köln, Beschluss v. 03.01.2019, Az. 18 U 70/18, juris Rz. 21 ff.; OLG Köln, Beschluss v. 29.04.2019, Az. 16 U 30/19, juris Rz. 4 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 48 ff.;; LG Arnsberg, Urteil v. 14.06.2017, Az. 1 O 25/17, juris Rz. 52 m. w. N.; LG Offenburg, Urteil v. 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 46).

Zudem gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses regelmäßig bereits den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründet (BGH, Urteil v. 28.06.2016, Az. I ZR 536/15, juris Rz. 17; LG Offenburg a. a. O.). Sittenwidrig handelt nach diesem Maßstab auch, wer eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an ahnungslose Dritte, die in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähmen, veräußert werden wird (OLG Köln, Beschluss v. 03.01.2019, Az. 18 U 70/18, zit. nach juris, Rz. 27). Diese Konstellation liegt hier vor: Die Beklagte handelte - wie noch auszuführen sein wird - hinsichtlich der Inverkehrbringung des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs vorsätzlich, wobei ihr denknotwendig auch bewusst war, dass eine Entdeckung der Abschalteinrichtung zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die mit derartigen rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht würden erwerben wollen (OLG Köln a. a. O., Rz. 30).

3. Das gegen die guten Sitten verstoßende Verhalten der Beklagten hat den Schaden des Klägers auch kausal und zurechenbar ausgelöst. Insoweit ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeit und Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung eines potentiellen Käufers von wesentlicher Bedeutung ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Käufer konkrete Vorstellungen hinsichtlich der rechtlichen und technischen Voraussetzungen dieser Zulassungsfähigkeit hat. Ein Fahrzeugkäufer darf nämlich auch ohne solche detaillierten Vorstellungen davon ausgehen, dass ein von ihm für den Inlandsbetrieb erworbener Pkw eines namhaften Herstellers entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 20.12.2017, Az. 18 U 112/17, zitiert nach juris Rz. 36 ff.; ähnlich auch LG Arnsberg, Urteil v. 14.06.2017, Az. 1 O 25/17, juris Rz. 53). Da eine Täuschung in dem für den erlaubten Betrieb und die Zulassung des Fahrzeugs bedeutsamen Bereich sowohl die Allgemeine Betriebserlaubnis des Fahrzeugs gefährdet als auch erhebliche Einbußen des Verkehrswerts zur Folge haben kann, ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Manipulation gewusst hätte (so auch OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 93).

4. Die Beklagte hat auch sämtliche vorbeschriebenen Merkmale der Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB in ihrer Person vorsätzlich verwirklicht. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB setzt voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil v. 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15, juris Rz. 13). Dabei zählen allerdings zu den verfassungsmäßig berufenen Vertretern einer Gesellschaft im Sinne des § 31 BGB nicht nur die satzungs- oder gesetzmäßigen Organe einer juristischen Person, wie etwa Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, sondern alle Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Personen zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und die die juristische Person insoweit repräsentieren. Es ist weder erforderlich, dass die Tätigkeit des verfassungsmäßig berufenen Vertreters satzungs- oder gesetzmäßig vorgesehen ist, noch muss er rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht für das Unternehmen besitzen. Zu dem Personenkreis, deren Handeln sich die Beklagte entsprechend § 31 BGB zurechnen lassen muss, gehören deshalb auch leitende Angestellte (so auch OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 66; Palandt/Ellenberger, § 31 Rz. 6).

Es ist der Entscheidung gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zugrunde zu legen, dass leitende Mitarbeiter der Beklagten mit Organstellung im Sinne des § 31 BGB Kenntnis von der Implementation der unzulässigen Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugstyps gehabt haben. Denn die Beklagte ist dem diesbezüglichen, hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers ihrerseits nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger hat eine der Beklagten zurechenbare Kenntnis einzelner Organe im Sinne des § 31 BGB hinreichend substantiiert behauptet. Er hat vorgetragen, dass sowohl der seinerzeitige Entwicklungschef der Beklagten, Herr T, als auch der Vorstand und damalige Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten, Herr E, Kenntnis von der Funktionsweise der Abschalteinrichtung gehabt und diese Motorsteuerungssoftware für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs bewusst für die von ihr hergestellten Dieselfahrzeuge von D und B übernommen hätten. Hiernach oblag es der Beklagten, zu diesem Klägervortrag Stellung zu nehmen und zum Kenntnisstand der von dem Kläger benannten Personen mit Organstellung in ihrem Hause substantiiert vorzutragen. Sie hat indes hierzu keinen konkreten Vortrag gehalten, sondern ihre Darlegung beschränkt sich auf die nicht näher erläuterte Versicherung, dass ihre Ermittlungen keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass ihrem Vorstand, einschließlich des Vorstandsmitglieds Herrn E, die Verwendung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware, bekannt gewesen sei. Dies entspricht letztlich einem - unzulässigen - Bestreiten mit Nichtwissen der Beklagten über Vorgänge in ihrem eigenen Haus und reicht für ein substantiiertes Bestreiten nicht aus (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 70).

In subjektiver Hinsicht ist es im Rahmen des § 826 BGB nicht erforderlich, dass der Schädiger selbst zur Bewertung seines Tuns als sittenwidrig gelangt, es genügt die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis der Beklagten ist - wie dargelegt - zu bejahen, da die Kenntnis von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in eine Motorsteuerungssoftware untrennbar auch die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände beinhaltet, die bereits oben näher erörtert wurden.

Die Beklagte handelte auch mit Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB. Insoweit muss der Schädiger nicht im Einzelnen wissen, wer der durch sein Verhalten Geschädigte sein wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen haben (BGH, Urteil v. 19. Juli 2004, Az. II ZR 402/02, juris Rz. 47; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18, juris Rz. 61; LG Offenburg, Urteil v. 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 48). Für die beteiligten Organe der Beklagten im Sinne des § 31 BGB war aufgrund ihrer Kenntnis von der Implementation der Software offensichtlich, dass die Kunden der Beklagten künftig Fahrzeuge erwerben würden, welche ihren berechtigten Erwartungen an den gesetzeskonformen Erwerb der Typgenehmigung und die technische Mangelfreiheit nicht entsprachen, was sich zudem nachteilig auf den Vermögenswert der Fahrzeuge auswirken würde.

6. Da mithin alle Anspruchsmerkmale des § 826 BGB verwirklicht sind, hat der Kläger gegen die Beklagte aus dieser Norm in Verbindung mit § 249 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens, der auf das negative Interesse und damit vorliegend auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages gerichtet ist, da der Kläger, wenn er von der Täuschung gewusst hätte, den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben hätte.

7. Auf den Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erstattenden Kaufpreis muss der Kläger sich im Wege des Vorteilsausgleichs den Geldwert der zwischenzeitlich aus dem Pkw gezogenen Nutzungen anrechnen lassen.

Dieser Anspruch folgt aus § 249 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des allgemeinen Schadensrechts. Danach ist der zu ersetzende Schaden nach der Differenzmethode unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Schadenszurechnung und der Vorteilsausgleichung zu berechnen. Wenn der zu leistende Schadensersatz in der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages besteht, gehört zu den in die in die Differenzrechnung einzustellenden Vorteilen auch der Wert der von dem Geschädigten vor der Rückgabe der mangelhaften Gegenleistung gezogenen Nutzungen - es sei denn, deren Anrechnung würde den Geschädigten unzumutbar belasten oder den Schädiger unbillig begünstigen (vgl. BGH, Urteil v. 12.03.2009, Az. VII ZR 26/06, juris Rz. 15, m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier allerdings nicht vor, weshalb die gezogenen Nutzungen entgegen der Auffassung des Klägers hier schadensmindernd zu berücksichtigen sind: Die aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen waren objektiv werthaltig, von dem Kläger gewollt und kamen ihm auch tatsächlich zugute. Der Kläger durfte das Fahrzeug auch rechtlich nutzen, da es zu einer Stilllegungsverfügung durch die zuständige Straßenverkehrsbehörde zu keinem Zeitpunkt gekommen ist, und er hat es auch tatsächlich genutzt.

Der anzurechnende Nutzungsvorteil berechnet sich nach der Formel

gefahrene Kilometer x Bruttokaufpreis

vorauss.Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs (abzügl. Kilometerstand bei Kauf)

Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des streitbefangenen Fahrzeugs schätzt die Kammer vorliegend auf 300.000 km (so auch OLG Köln, Beschluss v. 03.01.2019, Az. 18 O 70/18, juris Rz. 52; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, juris Rz. 111), woraus sich eine von dem Kläger zu leistende Nutzungsentschädigung in Höhe von

65.700,00 € = 0,248 €/km, gerundet 0,25 €/km

(300.000 km - 35.499 km)

für jeden ab dem Kilometerstand von 35.499 km gefahrenen weiteren Kilometer bis zum Zeitpunkt der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages ergibt.

8.

Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten ergibt sich in geltend gemachter Höhe als Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aus der Anspruchsgrundlage für die Hauptforderung.

10. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB. Soweit der Kläger allerdings mit dem Klageantrag zu 1. einen weitergehenden Zinsanspruch in Höhe von 4 % Zinsen p. a. ab Kaufvertragsschluss geltend gemacht hat, war die Klage abzuweisen.

Für eine Verzinsung der Klageforderung ab Vertragsschluss in entsprechender Anwendung von § 849 Abs. 1 BGB ist vorliegend kein Raum, weil die Beklagte nicht für eine Sachbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift Schadensersatz zu leisten hat, sondern für die Zufügung eines Vermögensschadens.

Zwar wird die § 849 Abs. 1 BGB mitunter entsprechend auf Fälle angewandt, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde; dies ist jedoch nur dann angebracht, wenn es erforderlich erscheint, durch einen Zinsanspruch einen eingetretenen Verlust der Nutzbarkeit des Geldes auszugleichen, der durch den Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahingehend, dass deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen seien, ist der Vorschrift des § 849 BGB hingegen nicht zu entnehmen.

Nach diesen Maßstäben besteht vorliegend kein Anlass zu einer Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 849 BGB im Wege der Analogie: Der Kläger hat zwar den Kaufpreis als Geldbetrag für den streitgegenständlichen Pkw hingegeben, jedoch hat er im Gegenzug dafür die von ihr beabsichtigte Nutzungsmöglichkeit an dem Fahrzeug erhalten. Damit wurde ihm die Nutzungsmöglichkeit des aufgewandten Geldes nicht im Sinne des § 849 BGB entzogen. Auch die Anrechnung der Nutzungsvorteile bei der Schadensberechnung der Höhe nach ändert an diesem Umstand nichts, weil der Kläger das Geld nach seinen Vorstellungen nutzen konnte, indem er ein Fahrzeug dafür erworben hat, das ihm anschließend zur Nutzung zur Verfügung stand (so auch OLG Oldenburg, Urteil v. 21.10.2019, Az. 13 U 73/19, zit. nach juris, Rz. 24 m. w. N.).

9.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 65.700,00 €.