LG Detmold, Urteil vom 24.10.2019 - 04 O 45/19
Fundstelle
openJur 2020, 3635
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. I-24 U 199/19
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des früheren Beklagten K trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstückes in Horn - Bad Meinberg. Die Beklagte betreibt in der Umgebung eine immissionsschutzrechtlich vom Kreis Lippe genehmigte Windenergieanlage. Weitere Windenergieanlagen anderer Betreiber befinden sich ebenfalls in der Umgebung.

Der Kläger trägt vor, die gesamte Wohnqualität seines Wohngrundstückes sei durch die von dem Betrieb der Windenergieanlage ausgehenden optischen und akustischen Emissionen empfindlich beeinträchtigt. Das habe auch zu einer Beschädigung seiner Gesundheit geführt. Die in Rede stehende Anlage trage dabei in wesentlicher Weise zu der Gesamtbelastung bei.

Insbesondere gingen von der Windkraftanlage und namentlich der Bewegung der Rotorblätter Infraschallimmissionen aus, die zwar für die menschlichen Sinnesorgane nicht wahrnehmbar seien, gleichwohl aber auf den Körper und insbesondere die Hirnaktivität einwirkten. Die Folge seien zum Beispiel Schwindelgefühle, diffuse Krankheits- oder Befindlichkeitsstörungen, Müdigkeit, Benommenheit, Apathie, Depressionen und Konzentrationseinbußen. Dass solche Infraschallimmissionen in der Umgebung von Windkraftanlagen festzustellen seien, sei unter anderem durch Messungen einer Firma A aus F ermittelt worden. Die genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen würden von vielen Anliegern von Windkraftanlagen bestätigt, die dies auch durch eidesstattliche Versicherungen erklärt hätten. Auch er, der Kläger, habe vorher unter solchen Beschwerden nicht gelitten. Diese seien erst im Zusammenhang mit der Windkraftanlage aufgetreten. Des Weiteren gingen auch optische Beeinträchtigungen von der Anlage aus, insbesondere von ihrer Erscheinung und Mächtigkeit im unmittelbaren Wohnumfeld, von der ständigen Rotorbewegung im Sichtfeld der Bewohner und von der Nachtbefeuerung. Dabei bildeten sich auch verschränkte Wirkungspfade von optischen und akustischen Auswirkungen.

Die Beklagte sei daher zum Schadenersatz verpflichtet, wobei mit der erhobenen Teilklage nur ein geringer Teil des schon entstandenen Schadens geltend gemacht werde. Hilfsweise würden entsprechende Schutzvorkehrungen geltend gemacht.

Der Kläger hatte die Klage ursprünglich gegen einen K erhoben. Nunmehr nimmt er die jetzige Beklagte in Anspruch und beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, 35.000,00 Euro mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen,

2.

festzustellen, dass die Beklagte ihm zum Ersatz jedes weiteren ihm aus der Errichtung und dem Betrieb der mit Genehmigungsbescheid des Kreises Lippe, Aktenzeichen genehmigten Windenergieanlage bereits entstandenen und noch zukünftigen entstehenden Schadens verpflichtet sei,

3.

hilfsweise, im Falle der Ablehnung des Antrags zu 1. den Betrieb der dort genannten Anlage zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen sowie bei Windrichtungen, die zu einer aus der Blickrichtung des klägerischen Grundstücks zu einer Rotorstellung zwischen 75 und 105° führen, einzustellen, sowie diese in den verbleibenden Zeiten ausschließlich so zu betreiben, dass Schallemissionen im Infraschallbereich von nicht mehr als 40 DB (ungefiltert) auf das klägerische Grundstück aufträfen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die in Rede stehende Windkraftanlage sei immissionsrechtlich genehmigt worden. Dagegen eingelegte Rechtsmittel des Klägers und anderer Anlieger seien erfolglos geblieben. Aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung stehe diese Genehmigung weitergehenden Schadenersatzansprüchen des Klägers entgegen. Im Übrigen seien die von ihm gerügten Beeinträchtigungen unwesentlich bzw. nicht vorhanden. Verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass Infraschallimmissionen gesundheitliche Schäden auslösen könnten, seien nicht vorhanden.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch nach § 906 BGB wegen des Betriebes der streitigen Windkraftanlage nicht zu.

Der Kläger hat nicht dargetan und nicht ausreichend unter Beweise gestellt, dass von der Windkraftanlage ihn in nennenswerter Weise beeinträchtigende Immissionen ausgehen.

Soweit der Kläger sich auf Infraschallimmissionen bezieht, ist es unstreitig, dass solche Immissionen von Windkraftanlagen ausgehen und auch mit entsprechenden Geräten gemessen werden können. Andererseits gibt es aber auch zahlreiche andere Quellen für Infraschall, sowohl in der Natur als auch verursacht durch technische Einrichtungen. Dass Infraschall von Windkraftanlagen dabei eine hervorgehobene und maßgebliche Rolle spielt und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Menschen führen kann, ist nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung nicht erwiesen. Der Kläger bezieht sich insoweit auf Hypothesen und Forschungsansätze, die jedoch noch nicht zu gesicherten Erkenntnissen geführt haben. Dabei steht nicht in Frage, dass Infraschall existiert und auch gemessen werden kann, wie sich zum Beispiel aus dem vorgelegten Bericht der Firma A ergibt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass dieser Infraschall und insbesondere der, der von Windkraftanlagen ausgeht, Auswirkungen auf die gesundheitliche Verfassung hat. Die von dem Kläger eingereichten zahlreichen eidesstattlichen Versicherungen von Anliegern anderer Windkraftanlagen können auch nicht zu einer statistischen Wahrscheinlichkeit für solche Einwirkungen führen. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen in der Umgebung der jeweiligen Anlagen wohnen und wie viele davon über Beschwerden klagen oder dies gerade nicht tun. Ebenso wenig ist es als Beweis oder überzeugendes Indiz ausreichend, wenn der Kläger geltend macht, dass er in der Zeit vor der Nachbarschaft zu der Windkraftanlage keine entsprechenden Beschwerden gehabt habe.

Eine Beweisaufnahme darüber, ob und gegebenenfalls inwieweit Infraschallimmissionen gesundheitliche Beeinträchtigungen auslösen können, kann im Rahmen dieses Prozesses nicht durchgeführt werden. Ein Sachverständiger kann in zumutbarer Weise nur ermitteln, ob bestimmte Tatsachen nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Forschung im Einzelfall feststellbar sind oder nicht. Wenn man also unterstellt, dass Infraschall die Gesundheit beeinträchtigen kann, kann ein Sachverständiger ermitteln, ob eine solche Beeinträchtigung durch die konkrete Windkraftanlage im Falle des Klägers bzw. des klägerischen Grundstückes stattfinden kann. Es würde jedoch das im Wege einer gerichtlichen Beweisaufnahme mögliche Maß übersteigen, wenn zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen für solche Feststellungen ermitteln werden sollen. Dies würde bedeuten, dass seitens des Gerichtes ein Forschungsauftrag erteilt werden müsste, um das Spektrum der wissenschaftlichen Kenntnis zu erweitern. Das würde die Möglichkeiten und Verpflichtungen in einem Zivilprozess übersteigen. Das gilt im Übrigen auch dann, wenn man die Beweislast für die Gesundheitsschädlichkeit bei der Beklagten ansetzt. Eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten wäre nur dann möglich, wenn der von ihr zu führende Beweis grundsätzlich erbringbar wäre. Wenn die Beweisführung dagegen mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse unmöglich ist, kann auch eine Entscheidung gegen den grundsätzlich Beweisbelasteten nicht getroffen werden.

Wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht sicher ermittelt werden können, ist es auch nicht geboten, konkrete Messungen der Infraschallimmissionen im Bereich des klägerischen Grundstückes durchzuführen. Eine relevante Immission kann nämlich nur dann bejaht werden, wenn beide Gesichtspunkte, nämlich die Immission als solche und deren Einwirkung auf die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden feststellbar sind.

Soweit sich der Kläger auf sonstige Beeinträchtigungen bezieht, wie die optische Mächtigkeit der Windräder, die Bewegung der Rotorblätter, die Nachtbefeuerung oder eine kombinierte Beeinträchtigung durch optische und akustische Signale, fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag. Der Kläger ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Windkraftanlage zu weit von seinem Grundstück entfernt sei, um eine optische Mächtigkeit auszuüben, und dass die Grenzwerte der TA Lärm bei weitem unterschritten würde, nicht substantiiert entgegen getreten. Seinem Vorbringen ist kein konkreter gegenteiliger Vortrag zu entnehmen. Ebenso fehlen nähere Angaben dazu, inwieweit die Nachtbefeuerung der Anlage das Grundstück bzw. die Wohnsituation des Klägers berührt. Der Kläger beschränkt sich hier im Wesentlichen darauf, allgemeine Nachteile von Windkraftanlagen aufzuzählen, ohne einen nachvollziehbaren Bezug zu seinem Grundstück herzustellen.

Weil schon eine Ersatzpflicht dem Grunde nach nicht gegeben ist, bleibt auch der Feststellungsantrag des Klägers ohne Erfolg.

Hinsichtlich des H-Antrages zu 3 auf teilweise Einstellung bzw. Beschränkung des Betriebes dürfte dem schon die erteilte Betriebsgenehmigung entgegenstehen. Im Übrigen fehlt es aber auch einem substantiierten Sachvortrag dazu, welche Beeinträchtigungen durch die genannten Maßnahmen behoben werden sollen.

Nebenentscheidungen:

§§ 91, 269 Abs. 3, 709 ZPO.

Durch den Parteiwechsel auf Beklagtenseite hat der Kläger die Klage gegen den ursprünglichen Beklagten K zurückgenommen, sodass er auch insoweit die Kosten zu tragen hat.

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