ArbG Bielefeld, Urteil vom 05.05.2015 - 1 Ca 2490/14
Fundstelle
openJur 2020, 3507
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Der Streitwert wird auf 5.114,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bedingungen ihres Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus begehrt der Kläger von der Beklagten eine Niederschrift der Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz.

Der 1972 geborene Kläger, der aus F stammt, schloss mit der Beklagten am 05.08.1991 einen Arbeitsvertrag als Zerspanungsmechaniker. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Es existieren lediglich handschriftliche Notizen des Geschäftsführers der Beklagten, die folgenden Inhalt haben (49):

"Anfang - ab sofort

4 Wochen Probe

6 Monate Zeitvertrag

Std. Lohn 15.50

Pauschal 500,-- Mietbeihilfe"

Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses und auch in den darauffolgenden Jahren wurde der Betrieb der Beklagten als Einschicht-Betrieb geführt. Der Kläger wurde in der Zeit von montags bis donnerstags von 6:00 bis 15:00 Uhr und freitags von 6:00 Uhr bis 13:.45 Uhr beschäftigt. Sein letztes monatliches Bruttoentgelt betrug 2557,00 Euro bei einer 40-stündigen wöchentlichen Arbeitszeit.

Im Jahre 2014 wurde im Betrieb der Beklagten erstmals ein Betriebsrat gewählt.

Hinsichtlich der Anordnung von Überstunden gibt es eine Betriebsvereinbarung vom 29.07.2014 (Bl. 38 - 39 d. A).

In den letzten Jahren führte die Beklagte - abhängig von der Beschäftigungslage - teilweise eine zweite Schicht ein. Mit seiner Einverständniserklärung vom 28.02.2002 erklärte sich der Kläger bereit, im Zweischichtbetrieb zu arbeiten (Bl. 37 d. A.). Dementsprechend ist er auch im Zweischichtsystem tätig gewesen.

Da eine Vielzahl von Arbeitnehmern ohne schriftlichen Arbeitsvertrag beschäftigt wurden, wollte die Beklagte, dass mit allen Arbeitnehmern Arbeitsverträge geschlossen werden. Der dem Kläger vorgelegte Arbeitsvertrag datiert vom 16.01.2013 (Bl. 30 - 42 d. A.). Der Kläger ist der einzige Arbeitnehmer, der die Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrages verweigert. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Arbeitsvertragsentwurf der Beklagten den Inhalt des (gelebten) Arbeitsverhältnisses zutreffend wieder gibt.

Nachdem im weiteren Verlauf zwischen den Parteien keine Einigkeit über den Arbeitsvertragsentwurf der Beklagten vom 16.01.2013 (Bl. 40 - 42 der Akte) erzielt werden konnte, erhob der Kläger unter dem 17.10.2014 die vorliegende Klage.

Er trägt vor, bei Beginn des Arbeitsverhältnisses sei vereinbart gewesen, dass er ausschließlich im Einschichtsystem arbeite. Die Beklagte sei nicht berechtigt, dies einseitig zu ändern. Richtig sei, dass er im Zweischichtbetrieb teilweise gearbeitet habe. Dies habe er immer dann getan, wenn er eingesehen habe, dass dies aufgrund der Auftragslage notwendig sei. Es sei jedoch freiwillig gewesen. Aus seiner Einverständniserklärung vom 28.02.2002 könne die Beklagte nichts herleiten, da er diese unter der Voraussetzung gegeben habe, dass die Arbeit in der zweiten Schicht mit einem entsprechenden Zuschlag bezahlt werde. Dieser sei jedoch nicht gewährt worden. Erst ein Jahr später habe er eine Gehaltserhöhung von 0,20 Euro pro Stunde erhalten, die in Relation zur Schichtarbeit jedoch unangemessen gering sei.

Die Beklagte sei nicht ihrer Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz nachgekommen und habe ihm keinen schriftlichen Arbeitsvertrag bzw. einen schriftlichen Nachweis über die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der im Januar 2013 gefertigte Arbeitsvertragsentwurf der Beklagten gebe nicht die Vereinbarungen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses wieder. So heiße es in § 1 "und anderen Betriebsteilen". Zum Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses habe es lediglich den Betrieb in N gegeben. Ausschließlich dies sei der vereinbarte Ort, an dem er seine Tätigkeit zu verrichten habe. Die Ausführungen in § 3 des Arbeitsvertrages seien fehlerhaft. Die Zahlung von Sondervergütungen seien mit Abschluss des Arbeitsvertrages nicht abgesprochen worden. Ebenso wenig eine betriebliche Regelung zur Zahlung von Urlaub- oder Weihnachtsgeld. Die Zahlungen seien später stets ohne Vorbehalt erfolgt. In § 5 sei festzuhalten, dass ausschließlich die vereinbarten Arbeitszeiten aufzunehmen seien. Irgendwelche Abweichungen seien nicht vereinbart worden.

Die Weisung des Arbeitgebers über ein bestimmtes Verhalten im Urlaubsfall sei nicht Vertragsbestandteil gewesen. In § 7 könne es nicht heißen "bis Dienstbeginn", da bis Dienstbeginn eine Krankheitsmeldung technisch nicht möglich sei. In § 9 sei der Absatz 1 zu streichen, weil betriebliche Änderungen weder bekannt noch schriftlich niedergelegt worden seien. § 10 sei vollständig zu streichen, weil bei Abschluss des Arbeitsvertrages keine Ausschlussklauseln vereinbart worden seien.

Es sei nicht richtig, dass er zunächst nicht auf den Arbeitsvertragsentwurf vom 16.01.2013 reagiert habe. Er habe am nächsten Tag ein eigenes Konzept mit dem Mitarbeiter des Personalbüros, Herrn T, besprochen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig die Arbeitsbedingungen des Klägers in der Weise zu ändern, dass er in Wechselschicht arbeiten muss;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine von ihr unterzeichnete Niederschrift auszuhändigen, die die wesentlichen Vertragsbedingungen zwischen

den Parteien zum 05.08.1991 niederlegt, ersatzweise dem Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem genannten Inhalt auszuhändigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er nur im Einschichtbetrieb zu arbeiten habe. Dies ergebe sich bereits aus seiner Erklärung vom 28.02.2002, die vorbehaltslos abgegeben worden sei. Darüber hinaus sei sie als Arbeitgeberin berechtigt, ihren Betrieb "in zwei Schichten zu fahren". Mit ihrem nunmehr gewählten Betriebsrat sei die Einführung einer zweiten Schicht unter Berücksichtigung vereinbart worden, und zwar durch eine Regelungsabrede. Eine schriftliche Betriebsvereinbarung sei zwar vorbereitet worden, sie sei jedoch nicht unterzeichnet worden, da der Betriebsrat davon ausgehe, dass dies momentan nicht erforderlich sei.

Richtig sei, dass mit dem Kläger ursprünglich kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Am 16.01.2013 sei ihm ein Vertragsentwurf zugeleitet worden, der alle wesentlichen Regelungen enthalten habe, die die Parteien zuletzt praktiziert hätten. Darauf habe der Kläger zunächst überhaupt nicht reagiert. Erst als die Problematik in der Abteilung Zerspanung, in der der Kläger tätig sei, hinsichtlich von Überstunden und Wechselschichten entstanden sei, habe er sich mit Anwaltsschreiben vom 07.10.2014 gemeldet und Änderungen in dem Vertragsentwurf verlangt. Dies habe sie jedoch abgelehnt, zumal mit dem Betriebsrat Einigkeit darüber bestehe, dass dieses Vertragsmuster für alle Mitarbeiter umgesetzt werden solle. Der Kläger habe keinen Anspruch auf irgendeine der von ihm geltend gemachten Änderungen.

In § 1 werde der Arbeitsort zutreffend wiedergegeben. Es sei nicht richtig, dass der Kläger zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses in S-N tätig gewesen sei, sondern im Betrieb in S-C. Ein Anspruch auf Festschreibung des Tätigkeitsortes bestehe nicht. Der Kläger trage selber vor, dass bei Vertragsabschluss über die Zahlung von Sondervergütungen nicht gesprochen worden sei. Sie sei auch nicht verpflichtet, irgendwelche Sondervergütungen an den Kläger auszuzahlen. Soweit dies gleichwohl erfolgt sei, sei dies freiwillig geschehen. Die wöchentliche Arbeitszeit habe seit Beginn des Arbeitsverhältnisses 40 Stunden betragen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, die Lage der Stunden uhrzeitmäßig festhalten zu lassen. § 6 gebe den derzeitigen wieder. Eine Änderung sei nicht erforderlich. In § 7 handele es sich lediglich um eine Formulierungsfrage. Eine Veränderung in § 9 könne der Kläger nicht verlangen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Betriebsvereinbarung für den Kläger nicht nach § 77 Abs. 3 BetrVG unmittelbar und zwingend wirken sollte. Lediglich in § 10 könnte eine Änderung vorgenommen werden, da Ausschlussfristen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht thematisiert worden seien.

Soweit sich der Kläger darauf beziehe, dass er einen Entwurf einer Niederschrift nach dem Nachweisgesetz dem Mitarbeiter T vorgelegt habe, sei dies ohne Bedeutung, da der Herr T nicht befugt sei, arbeitsvertragliche Regelungen zu vereinbaren. Sie habe diese Regelungen, die der Kläger vorgeschlagen habe, nicht gebilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig, da der Kläger gem. § 256 ZPO ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Feststellung der Arbeitsbedingungen hat.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1.

Der Kläger hat keinen einseitigen Anspruch auf Feststellung, dass er nicht in Wechselschicht arbeiten muss.

Dass dieser Anspruch nicht besteht, ergibt sich bereits aus seiner Erklärung vom 28.02.2002. Er hat sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, auch in Wechselschicht zu arbeiten. Diese Verpflichtung ist in der Erklärung an keine Bedingung gebunden. Insbesondere findet die Behauptung des Klägers, er sei diese Verpflichtung nur für den Fall eingegangen, dass er ein höheres Entgelt bekomme, in der Erklärung keinen Widerhall. Allein die Tatsache, dass die Erklärung unterhalb seiner Unterschrift nähere Beschreibungen seines Arbeitsplatzes enthält, ist ohne Aussagekraft. Wenn der Kläger meinte, nur zur Schichtarbeit verpflichtet zu sein, wenn er ein höheres Arbeitsentgelt erhält, handelt es sich um einen geheimen Vorbehalt, der gem. § 116 BGB unbeachtlich ist.

Darüber hinaus besteht dieser Anspruch aus rechtlichen Gründen nicht. Gem. § 106 Gewerbeordnung bestimmt der Arbeitgeber Lage und Zeit der Arbeit. Die Umstellung bzw. Einführung eines Schichtsystems unterliegt seinem Direktionsrecht. Dies ist allgemeine Meinung (vgl. LAG Rheinland Pfalz, Entscheidung vom 15.05.2001 - 5 Sa 271/01 - in NZA - RR 2002, 120). Der Kläger könnte deshalb nur dann einen Anspruch auf eine entsprechende vertragliche Fixierung haben, wenn die Beklagte sich ausdrücklich binden wollte, von ihrem arbeitgeberseitigen Direktionsrechts hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Eine derartige Erklärung ist von der Beklagten nicht abgegeben worden.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitsvertrages entsprechend seinen Vorgaben. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG).

Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses gab es das Nachweisgesetz noch nicht gab, allerdings ergibt sich aus § 3 NachwG ein Anspruch auf schriftliche Fixierung der Änderungen des Arbeitsvertrages. Aber das will der Kläger gerade nicht. Der Kläger will einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der die Vereinbarungen bei Vertragsschluss widergibt, wobei er der Meinung ist, dass diese - mit Ausnahme der Bezahlung - nicht verändert werden können.

Diese Auffassung ist doppelt falsch: Zum Einen gibt das Nachweisgesetz gibt keinen Anspruch auf Erstellung eines historischen Arbeitsvertrages, der die zwischenzeitlich vereinbarten und gelebten Veränderungen ignoriert.

Zum anderen ist die Auffassung des Klägers falsch, dass Veränderungen des Vertrages nachträglich unzulässig wären. Warum er meint, dann ein andreres Arbeitsentgelt beanspruchen zu können als das ursprünglich vereinbarte, konnte der Kläger nicht erklären. Letztlich läuft seine Rechtsauffassung auf eine völlige Abschaffung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts hinaus. Auch die unmittelbare und zwingende Wirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG werden von ihm ignoriert. Im Ergebnis möchte der Kläger eine historische Dokumentation der

Verhältnisse, die zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginnes bestanden haben. Ein derartiger Anspruch besteht jedoch nicht.

Das Gericht brauchte sich deshalb nicht mit den Vertragsbedingungen zu befassen, die zwischenzeitlich von den Parteien gelebt worden sind, da das Ziel des Klägers ist, ausschließlich historische Vertragsbedingungen fixieren zu lassen. Für einen derartigen Anspruch fehlt es einer Anspruchsgrundlage.

Die Klage war daher abzuweisen.

III.

Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger als unterlegener Partei aufzuerlegen, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.

Die Entscheidung über den gem. § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzten Wert des Streitgegenstandes erfolgt aus §§ 3 und 5 ZPO. Das Gericht hat hinsichtlich beider Anträge den Streitwert jeweils nach einem Monatsentgelt des Klägers festgesetzt.

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