LAG Köln, Urteil vom 21.11.2019 - 8 Sa 238/19
Fundstelle
openJur 2020, 3391
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.02.2019 - 2 Ca 3075/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Beklagten, Auskunfts- und Schadenersatzansprüche der Klägerin zu 1) im Wege der Stufenklage sowie Bonus- und Prämienansprüche des Beklagten.

Die Klägerin zu 1) betreibt ein Unternehmen zur Erbringung patentanwaltlicher Dienstleistungen. Der Beklagte war seit 01.07.2010 bei der Klägerin zu 1) zuletzt als Patenanwalt beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag vom 01.06.2010 nebst Verschwiegenheitserklärung wird verwiesen. Der Kläger hatte Einzelprokura. Die Parteien vereinbarten die Vermietung des Arbeitszimmers im Wohnhaus des Beklagten an die Klägerin zu 1) im Rahmen der Regelung eines Home-Office-Arbeitsplatzes. Der Beklagte arbeitete zuletzt drei Tage wöchentlich in seinem Home-Office. Dazu nutzte er ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Notebook und verfügte über einen VPN-Zugang zum Server der Klägerin zu 1).

Der Kläger zu 2) erkrankte im Jahr 2016 schwer. Er war zunächst bis zum April 2017 arbeitsunfähig und unterzog sich vom 28.11.2017 bis Ende Februar 2018 einer Reha-Maßnahme und konnte erst im April 2018 wieder in die Kanzlei zurückkehren.

Am 20.11.2017 schlossen die Klägerin zu 1) und die bei ihr beschäftigten vier Patentanwälte, darunter der Beklagte, eine Vereinbarung "mit dem Ziel, die operativen Geschäftsabläufe während der anstehenden vorübergehenden Ortsabwesenheit des Vorstands (Kläger zu 2), im Interesse aller Beteiligten einwandfrei aufrecht zu erhalten." Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen. Danach oblag die Geschäftsleitung in der Zeit der Erkrankung des Klägers zu 2) den vier angestellten Patentanwälten.

Am 20.06.2017 schlossen die Parteien eine Bonusregelung, nach der 30 % des EBIT proportional unter den Patentanwälten entsprechend der von ihnen erbrachten Anwaltseigenleistung verteilt werden sollte. Zusätzlich schlossen die Klägerin zu 1) und der Beklagte am 20.11.2017 und am 01.03.2018 eine Prämienvereinbarung. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Vereinbarungen verwiesen.

Im Herbst 2017 führte der Kläger zu 2) Verhandlungen zur Veräußerung seiner Kanzlei. Dazu gehörten auch Gespräche über eine Beteiligung des Beklagten und zwei weiterer angestellter Patentanwälte. Kaufinteressiert war insbesondere die E , für die Herr B H als Verhandlungsführer auftrat. Nachdem eine Patentanwaltsanwärterin ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu 1) aufkündigte und bereits vorher zwei der vier angestellten Patentanwälte ausgeschieden waren, drängten der Beklagte und der weitere noch im Betrieb tätige Patentanwalt den Vorstand, Herrn H über den Weggang der Kollegen zu unterrichten und so die Verhandlungen zu beschleunigen, um weitere Abwanderung von Mitarbeitern zu verhindern. Am 01.06.20118 fand ein Gespräch zwischen dem Vorstand der Klägerin zu 1), dem Beklagten und dem weiteren Kollegen statt, in dem der Stand der Verkaufsverhandlungen thematisiert wurde, da der angekündigte Vertragsentwurf noch immer nicht vorlag. In diesem Gespräch äußerte der Beklagte den Vorschlag, man möge bei dem potentiellen Erwerber nach dem Sachstand zu fragen und ihn auf die Probleme der Abwanderung wichtiger Mitarbeiter hinweisen. Mit E-Mail-Schreiben vom 04.06.2018 wandte sich der Beklagte und sein Patentanwaltskollege an Herrn H und teilte diesem mit:

"Zur aktuellen Lage

Am 30. Mai hat unsere Kandidatin Frau S zum 30. Juni gekündigt. Auch wenn es bereits länger klar war, dass es in ihrer Betreuung eine "Durstrecke" zu überstehen gilt, waren die hartnäckigen Bemühungen von Herrn J , sich hier als Betreuer aufzudrängen (um dies auch der Kanzlei als Leistung in Rechnung stellen zu können) und auch nicht eingehaltene Versprechungen seitens Herrn J letztlich ausschlaggebend für ihre Entscheidung (s. angefügtes Kündigungsschreiben). Seit dem 28. Mai ist Frau S krankgeschrieben. Angesichts der vorliegenden Hängepartie und den vermehrten Aktivitäten von Herrn J (z.B. sich hier als Bearbeiter von Akten aufzudrängen), ist sie nervlich am Ende. Die Krankschreibung betrifft zunächst den Zeitraum bis 08. Juni, Folgebescheinigungen sind zu erwarten, sofern keine signifikanten Änderungen an der Situation eintreten. Auch die weiteren Mitarbeiter sind nervlich extrem angespannt. Wir müssen daher davon ausgehen, dass bei einer Verzögerung in der Kaufabwicklung hier weitere Mitarbeiter erkranken und/oder kündigen. Kündigungsbereitschaft wurde aus diversen Aussagen deutlich. Auch die Aussage von Herrn J , dass ein Kanzleiverkauf evtl. erst zum Jahresende stattfände, trägt nicht gerade zur Beruhigung der Lage bei. Auf weitere Verzögerungen wird die Bereitschaft der Mitarbeiter, Kompromisse hinsichtlich eines auch zeitlich befristeten Verbleibs von Frau J im Aufsichtsrat und/oder eines Beratervertrags von Herrn Dr. J in Kauf zu nehmen, weiter sinken."

Unmittelbar im Anschluss daran erhielt der Vorstand diese Mail zur Kenntnisnahme. Ob der Kläger zu 2) der Mail vorab im Gespräch vom 01.06.2018 zugestimmt hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls reagierte er auf die Mail u.a. wie folgt:

"Ich hoffe, dass dies ein einmaliger Vorgang bleibt und appelliere an Euch, den Verkauf unserer Kanzlei nicht durch vorschnelle und unüberlegte Maßnahmen zu beeinträchtigen oder sogar zu riskieren. Es ist im Interesse aller Beteiligten, dass wir besonnen reagierten und etwaige Unstimmigkeiten, wie in der Vergangenheit, untereinander besprechen und klären."

Nach der E-Mail vom 04.06.2018 tauschten die Klägerin zu 1) und die Kaufinteressenten weitere Schreiben aus. Mit Schreiben vom 11.06.2018 zog dann zunächst der zweite Bewerber (Patentanwaltskanzlei O ) und sodann Ende Juni 2018 die E ihr Kaufinteresse zurück.

Mit Schreiben vom 31.07.2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.12.2018. Danach entzog die Klägerin zu 1) dem Beklagten die Nutzung des häuslichen Arbeitsplatzes in St. Augustin, indem sie seinen VPN-Zugang sperrte. Gleichzeitig ordnete die Klägerin zu 1) für den Beklagten Präsenzpflicht für die Zeit zwischen 09:00 und 17:00 Uhr in den Kanzleiräumen in Aachen an. Weiterhin ordnete sie an, dass dienstliche Notebooks nur noch in den Diensträumen benutzt werden durften.

Mit Schreiben vom 24.08.2018 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) auf, die getroffenen Maßnahmen rückgängig zu machen und - zum zweiten Mal - den vom Beklagten beantragten Urlaub vom 26.10. bis 26.11.2018 zu genehmigen. Daraufhin warf die Klägerin zu 1) dem Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 01.09.2018 Verrat und unbefugte Verwertung von Geschäftsgeheimnissen, insbesondere die Weitergabe von vertraulichen Informationen über Mandanten an die F vor. Zudem äußerte sie den Vorwurf, der Beklagte habe durch sein Verhalten die möglich gewinnbringende Veräußerung der Klägerin zu 1) verhindert. Das Schreiben endet mit der Androhung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten in Höhe von mindestens 1,1 Mio €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Schreiben ergänzend Bezug genommen. Gleichzeitig entzog die Klägerin zu 1) dem Beklagten die Prokura.

Der Beklagte sprach gegenüber der Klägerin zu 1) daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 03.09.2018 die fristlose Kündigung aus. Zur Begründung heißt es u.a.:

"Wir stellen fest, dass Sie durch den Entzug der Prokura, die Anordnung einer täglichen Anwesenheitspflicht in den Kanzleiräumen in Aachen, das Entfernungsverbot des dienstlich genutzten Notebooks aus den Kanzleiräumen in Aachen sowie die Deaktivierung des VPN-Zugangs zu dem Server in erheblichem Umfang gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen haben. Die Aufforderung unseres Mandanten, die vorgebnannten Maßnahmen bis zum 31.August rückgängig zu machen, haben Sie schlichtweg ignoriert. Stattdessen bezichtigen Sie nunmehr mit Schreiben ihrer Anwälte vom 01.September 2018 unseren Mandanten eines Geheimnisverrates.

Damit kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die zur Fortsetzung eines gedeihlichen Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage nicht mehr vorhanden ist. Eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen ist für unseren Mandanten unmöglich und unzumutbar geworden."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben verwiesen. Die Bevollmächtigten der Klägerin zu 1) widersprachen der fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 04.09.2018. Der Beklagte ist seit dem 04.09.2018 bei der F , einer Wettbewerberin der Klägerin zu 1) als Patentanwalt tätig.

Mit Wirkung zum 01.10.2018 erfolgte der Übergang des Betriebs der Klägerin zu 1) auf die K . Der Betriebsübergang erstreckte sich auf den Mandantenstamm der Klägerin zu 1) mit Ausnahme der Mandanten, die der Übertragung nicht zustimmten. Diese verblieben bei der Klägerin zu 1) und werden weiter von dieser betreut. Einige Mandanten wechselten auch zum neuen Arbeitgeber des Beklagten.

Aus der BWA der Klägerin zu 1) vom 09.11.2018 ergibt sich ein Ergebnis vor Steuern (EBIT) für das Geschäftsjahr Juli 2017/Juni 2018 von 164.883,33 € (Anl. B 4).

Die Klägerin zu 1) hat sich mit ihrer Klage gegen die fristlose Kündigung des Beklagten gewandt und im Rahmen einer Stufenklage Auskunft über die Vergütung, die der Beklagte bei seinem neuen Arbeitgeber erzielt hat sowie - nach Auskunftserteilung - Schadensersatz verlangt. Ferner haben die Kläger beantragt festzustellen, der Klägerin zu 1) den Schaden zu ersetzen, den der Beklagte durch den Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung verursacht hat. Mit Schriftsatz vom 04.12.2018 trat der Vorstand der Klägerin zu 1) als weiterer Kläger auf und erweitere die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte auch dem Kläger zu 2) den durch seine Pflichtverletzung entstandenen persönlichen Schaden zu ersetzen habe.

Im Wege der Widerklage hat der Beklagte die Abgeltung von 20 noch offenen Urlaubstagen, Zahlung des anteiligen Weihnachtsgeldes für 2018, Bonus- und Prämienzahlungen für das Geschäftsjahr 2017/2018 sowie die Übertragung der Direktversicherung verlangt. Dazu hat der Beklagte - soweit in der Berufung noch von Interesse - beantragt:

Die Klägerin zu 1) wird verurteilt, an den Beklagten 15.977,19 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.01.2019 zu zahlen. (Bonus)

Die Klägerin zu 1) wird verurteilt, an den Beklagten 5.770,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.01.2019 zu zahlen (Prämie).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, einschließlich der Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 177-196 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger. Nach Berufungsrücknahme mit Schriftsatz vom 18.11.2019 beschränkt sich die Berufung der Kläger auf den Feststellungsantrag hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 03.09.2018, den im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunfts- und Schadenersatzanspruch sowie gegen die von dem Beklagten widerklagend geltend gemachten Bonus- und Prämienansprüche. Die Kläger sind der Auffassung, sie seien auch nach dem (Teil -) Betriebsübergang aktivlegitimiert. Die Kläger sind weiter der Auffassung, die außerordentliche Kündigung des Beklagten sei unwirksam, da kein wichtiger Kündigungsgrund vorliege. Die von der Klägerin veranlassten Maßnahmen seien von ihrem Direktionsrecht als Arbeitgeberin gedeckt.

Die Kläger sind weiter der Auffassung, die Stufenklage auf Auskunft- und Schadensersatz sei gerechtfertigt. Denn der Beklagte habe seit dem 31.07.2018 eine unzulässige Wettbewerbstätigkeit bei der F ausgeübt. Der Beklagte habe schon vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in vertragliche Beziehungen zu den Wettbewerbern getreten. Ab August 2018 hätten diese bereits ein Werbeschreiben an die Mandanten der Klägerin zu 1) geschickt und dabei auf einen Kanzleiwechsel u. a. des Beklagten hingewiesen. Der Kläger zu 2) sei am 06.08.2018 vom Beklagten und einem weiteren angestellten Patentanwalt darüber informiert worden, dass sie zu F wechseln würden.

Die Widerklage zu 3) und 4) sei der Höhe nicht begründet. Denn es könne für das Geschäftsjahr 2017/2018 kein EBIT von 164.883,33 € zugrunde gelegt werden. In diesem Geschäftsjahr sei ein Betrag von 130.835,84 € gewinnbringend gebucht worden, der wirtschaftlich dem Geschäftsjahr 2014/2015 zuzuordnen sei. Da eine Mandantenrechnung vom 06.05.2015 über 552.742,01 € im Geschäftsjahr 2017/2018 vollständig zu Lasten des Ergebnisses habe storniert werden müssen, sei es im Geschäftsjahr 2015/2015 zu einer Wertberichtigung in Höhe von 130.835,84 € gekommen. Da diese Wertberichtigung sich im Geschäftsjahr 2014/2015 gewinnmindernd ausgewirkt hätte, habe dies im Geschäftsjahr 2017/2018 wieder rückgängig gemacht, d. h. gewinnerhöhend ausgebucht werden müssen Eine Berichtigung im Verursacherjahr habe nicht mehr erfolgen können. Die Betriebsprüfung habe die vorgeschriebenen Buchungsgänge geprüft und nicht beanstandet (Zeugnis Steuerberaterin Frau H ). Daraus würden sich für den Beklagten ein Bonus von nur 3.299,20 € und eine Prämie von nur 1.191,66 € ergeben.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten nicht durch die am 03.09.2018 erklärte fristlose Kündigung des Beklagten aufgelöst wurde,

2. den Beklagten zu verurteilen,

a. der Klägerin zu 1) unter Angabe der hieraus erzielten Vergütung Auskunft darüber zu erteilen, welche Verträge und Geschäfte er in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen mit der F seit dem 31.07.2018 für eigene und/oder fremde Rechnungen geschlossen hat;

b. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern;

c. an die Klägerin zu 1) Schadensersatz nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Widerklage hinsichtlich der Widerklageanträge zu 3. (Bonus) und zu 4. (Prämie) abzuweisen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte ist weiter der Auffassung, die fristlose Kündigung vom 03.09.2018 sei wirksam, da ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus den im Schreiben vom 03.09.2018 genannten Gründen wegen des demütigenden Verhaltens der Klägerin zu 1) unzumutbar sei.

Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zu 2 a) erklärt der Beklagte, er habe vom 31.07. bis 03.09.2018 keine Verträge und Geschäfte in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen mit der F für eigene oder fremde Rechnung geschlossen.

Der Beklagte ist weiter der Auffassung, die Widerklageanträge zu 3. und 4. seien aufgrund der unstreitig getroffenen Vereinbarungen dem Grunde nach und auch in der Höhe entsprechend der erstinstanzlich vorgelegten BWA, die ein EBIT von 164.883,33 € ausweise, begründet. Die Einwände der Kläger seien nicht nachvollziehbar, warum solle der ein Betrag von 130.835,84 € im Geschäftsjahr 2017/2018 gewinnerhöhend gebucht werden, wenn die zugrundeliegende Rechnung aus dem Geschäftsjahr 2014/2015 stamm, warum sei die Berichtigung nicht bereits in den Vorjahren 2015/2016, 2016/2017 erfolgt? Ohne Vorlage entsprechender Abschlüsse sei der Vortrag, im Hinblick auf das 2017/2018 bilanztechnisch festgestellte Ergebnis von 164.883,33, unschlüssig. Daher käme die Vernehmung der angebotenen Zeugin einem Ausforschungsbeweis gleich.

Wegen der Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung der Kläger ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Streitgegenstand der Berufung ist - nach Berufungsrücknahme durch den Klägerschriftsatz vom 18.11.2019 nur noch der Feststellungsantrag zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 03.09.2018 (Antrag zu 1.), des im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunfts- und Schadenersatzanspruchs (Antrag zu 2.) sowie gegen die von dem Beklagten widerklagend geltend gemachten Bonus- und Prämienansprüche (Anträge zu 3. und 4.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 03.09.2018 ist wirksam. Die Stufenklage ist insgesamt unbegründet. Die streitgegenständliche Widerklage auf Zahlung eines Bonus für das Geschäftsjahr 2017/2018 in Höhe von 15.977,19 EUR sowie einer Prämie in Höhe von 5.770,91 EUR sind begründet.

1. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 03.09.2018 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos beendet. Die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) stellt sich schon deshalb nicht, weil das Arbeitsverhältnis bereits vor dem (Teil-) Betriebsübergang zum 01.10.2018 beendet war.

a. Der Beklagte kann sich auf einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 626 Abs.1 BGB berufen. Danach kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

b. Dem Beklagten war es unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu1) bis zum 31.12.2018 fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt lief die Kündigungsfrist der vom Beklagten am 31.07.2018 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ab. Die Unzumutbarkeit ergibt sich aus den vom Beklagten in seinem Kündigungsschreiben gennannten Umständen:

"Wir stellen fest, dass Sie durch den Entzug der Prokura, die Anordnung einer täglichen Anwesenheitspflicht in den Kanzleiräumen in Aachen, das Entfernungsverbot des dienstlich genutzten Notebooks aus den Kanzleiräumen in Aachen sowie die Deaktivierung des VPN-Zugangs zu dem Server in erheblichem Umfang gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen haben. Die Aufforderung unseres Mandanten, die vorgebnannten Maßnahmen bis zum 31. August rückgängig zu machen, haben Sie schlichtweg ignoriert. Stattdessen bezichtigen Sie nunmehr mit Schreiben ihrer Anwälte vom 01.September 2018 unseren Mandanten eines Geheimnisverrates.

Damit kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die zur Fortsetzung eines gedeihlichen Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage nicht mehr vorhanden ist."

Die Klägerin zu 1) hat mit dem Entzug des Home-Office und des VPN-Zugangs sowie der Anordnung einer arbeitstäglichen Präsenzpflicht von 09:00 bis 17:00 Uhr in den Kanzleiräumen in Aachen sowie der Anordnung, das dienstliche Notebook nur noch in den Diensträumen zu benutzen, die bisherige einvernehmliche Vertragspraxis einseitig, mithin vertragswidrig und zudem in unbilliger Weise zu Lasten des Beklagten abgeändert. Unstreitig arbeitete Beklagte zuletzt drei Tage wöchentlich in seinem Home-Office in St. Augustin. Dazu hatten die Parteien im Rahmen der Regelung eines Home-Office-Arbeitsplatzes die Vermietung des Arbeitszimmers im Wohnhaus des Beklagten an die Klägerin zu 1) vereinbart. Der Beklagte nutzte dabei ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Notebook und verfügte über einen VPN-Zugang zum Server der Klägerin zu 1). Gegen diese Vereinbarungen hat die Klägerin zu 1) verstoßen und daran auch trotz Aufforderung des Beklagten mit Schreiben vom 24.08.2018, die getroffenen Maßnahmen rückgängig zu machen, daran festgehalten. Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 1) auf den Urlaubsantrag des Beklagten (26.10. bis 26.11.2018) trotz wiederholter Nachfrage nicht reagiert hat.

Dieses vertragswidrige Verhalten der Klägerin zu 1) wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Beklagte am 31.07.2018 gekündigt hat. Denn diese Kündigung erfolgte vertragsgerecht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.12.2018. Soweit die Kläger sich darauf berufen, es handele sich dabei um erforderliche Abwehr- und Schutzmaßnahmen, mag dies zwar den Entzug der Prokura, nicht aber den weiteren vertragswidrigen Eingriff der Klägerin zu 1) rechtfertigen.

Als weiterer gewichtiger Umstand, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für den Beklagten unzumutbar gemacht hat, ist das anwaltliche Schreiben der Klägerin zu 1) vom 01.09.2018 zu sehen. Darin wird dem Beklagten Verrat und unbefugte Verwertung von Geschäftsgeheimnissen, insbesondere die Weitergabe von vertraulichen Informationen über Mandanten an die F vorgeworfen; der Beklagte habe durch sein Verhalten die möglich gewinnbringende Veräußerung der Klägerin zu 1) verhindert. Abschließend droht die Klägerin in diesem Schreiben mit Schadensersatzansprüchen von mindestens 1,1 Mio €.

Weder für den Vorwurf des Geheimnisverrats, noch einer Schadenersatzforderung in Höhe von mindestens 1,1 Mio € haben die Kläger auch nur annähernd hinreichende Tatsachen vorgetragen. Als Begründung berufen sie sich dazu insbesondere auf die E-Mail des Beklagten vom 04.06.2018 gegenüber Herrn Höke, dem Vertreter eines damaligen Kaufinteressenten, der E . Unstreitig erfolgte dieses Schreiben jedoch vor folgendem Hintergrund: Nachdem eine Patentanwaltsanwärterin ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu 1) aufkündigte und bereits vorher zwei der vier Patentanwälte der Klägerin zu 1) ausgeschieden waren, drängten der Beklagte und der weitere noch im Betrieb tätige Patentanwalt den Vorstand, Herrn H über den Weggang der Kollegen zu unterrichten und so die Verhandlungen zu beschleunigen, um weitere Abwanderung von Mitarbeitern zu verhindern. Am 01.06.20118 fand ein Gespräch zwischen dem Vorstand der Klägerin zu 1), dem Beklagten und dem weiteren Kollegen statt, in dem der Stand der Verkaufsverhandlungen thematisiert wurde, da der angekündigte Vertragsentwurf noch immer nicht vorlag. In diesem Gespräch äußerte der Beklagte den Vorschlag, man möge bei dem potentiellen Erwerber nach dem Sachstand zu fragen und ihn auf die Probleme der Abwanderung wichtiger Mitarbeiter hinweisen. Unmittelbar im Anschluss daran erhielt der Vorstand die Mail zur Kenntnisnahme. Ob der Kläger zu 2) der Mail vorab im Gespräch vom 01.06.2018 zugestimmt hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls reagierte er auf die Mail u.a. wie folgt:

"Ich hoffe, dass dies ein einmaliger Vorgang bleibt und appelliere an Euch, den Verkauf unserer Kanzlei nicht durch vorschnelle und unüberlegte Maßnahmen zu beeinträchtigen oder sogar zu riskieren. Es ist im Interesse aller Beteiligten, dass wir besonnen reagierten und etwaige Unstimmigkeiten, wie in der Vergangenheit, untereinander besprechen und klären."

Nach der E-Mail vom 04.06.2018 tauschten die Klägerin zu 1) und die Kaufinteressenten weitere Schreiben aus. Mit Schreiben vom 11.06.2018 zog dann zunächst der zweite Bewerber (Patentanwaltskanzlei O ) und sodann Ende Juni 2018 die E ihr Kaufinteresse zurück.

Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände entbehren die Vorwürfe der Kläger, insbesondere der Vorwurf des Geheimnisverrats und die angedrohte Schadenersatzforderung jeder Grundlage und sind daher geeignet, die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu zerstören. Dies gilt umso mehr als der Beklagte - mit den vormals drei weiteren angestellten Patentanwälten in der langen Zeit der Erkrankung des Klägers zu 2) seit 2016 mit Unterbrechungen bis zum April 2018 die Geschäftsleitung innehatten und in dieser Zeit den Fortbestand des Unternehmens gesichert haben.

2. Der im Rahmen einer Stufenklage geltend gemachte Auskunfts- und Schadenersatzanspruch ist insgesamt unbegründet.

a. Die Klägerin zu 1) begehrt von dem Beklagten Auskunft unter Angabe der hieraus erzielten Vergütung darüber zu erteilen, welche Verträge und Geschäfte er in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen mit der F seit dem 31.07.2018 für eigene und/oder fremde Rechnungen geschlossen hat.

aa. Die Verpflichtung des Beklagten zur Auskunftserteilung ergibt sich aus dem allg. Grundsatz nach § 60 HGB, wonach es verboten ist, Wettbewerb während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu betreiben. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot haben die Parteien nicht vereinbart. Daraus folgt, dass der Beklagte verpflichtet ist, über den Zeitraum vom 31.07.2018 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch seine fristlose Kündigung vom 03.09.2018 Auskunft entsprechend dem Klageantrag zu erteilen. Die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) stellt sich auch hier schon deshalb nicht, weil das Arbeitsverhältnis vor dem (Teil-) Betriebsübergang zum 01.10.2018 bereits beendet war.

bb. Der Auskunftsanspruch ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB). Der Beklagte hat die streitgegenständliche Auskunft erteilt. Denn er hat erklärt, er habe vom 31.07.2018 bis 03.09.2018 keine Verträge und Geschäfte in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen mit der F für eigene oder fremde Rechnung geschlossen.

b. Dieser Auskunft des Beklagten ist die Klägerin zu 1) nicht mit Sachvortrag entgegengetreten, aus dem sich Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft ergeben könnten. Der erstinstanzliche Sachvortrag reicht dazu nicht aus. Danach habe der Beklagte und ein weiterer angestellter Patentanwalt den Kläger zu 2) am 06.08.2018 darüber informiert, dass sie zu F wechseln würden und F habe ab August 2018 ein Werbeschreiben an die Mandanten der Klägerin zu 1) geschickt und dabei auf einen Kanzleiwechsel u. a. des Beklagten hingewiesen. Aus diesen Umständen lässt sich jedoch nicht herleiten, dass der Beklagte nach Ausspruch seiner ordentlichen Kündigung am 31.07.2018 über zulässige Vorbereitungshandlungen hinaus bis zum 03.09.2018 mit der F Verträge und Geschäfte in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen für eigene oder fremde Rechnung geschlossen hat. Es ist daher auch nicht erforderlich, dass der Beklagte die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt versichert.

c. Der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist unbegründet. Denn nach Erteilung der Auskunft steht fest, dass der Beklagte vom 31.07. bis 03.09.2018 keine Verträge und Geschäfte in Bezug auf patentanwaltliche Dienstleistungen mit der F für eigene oder fremde Rechnung geschlossen hat. Demnach kann der Klägerin zu 1) auch kein Schaden aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens des Beklagten entstanden sein.

3. Die noch streitgegenständlichen Widerklageanträge auf Zahlung eines Bonus in Höhe von 15.977,19 EUR (Antrag zu 3.) sowie einer Prämie in Höhe von 5.770,91 EUR (Antrag zu 4.) jeweils für das Geschäftsjahr 2017/2018 sind begründet.

Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass dem Beklagten für das Geschäftsjahr 2017/2018 aufgrund der Vereinbarungen vom 20.06.2017 sowie 20.11.2017 und 01.03.2018 dem Grunde nach jeweils ein Bonus- und ein Prämienanspruch zustehen.

Diese Ansprüche stehen dem Beklagten gegen die Klägerin zu 1) auch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Beklagte berechnet den Bonus- und den Prämienanspruch schlüssig auf der Grundlage der von der Klägerin zu 1) erstellten BWA vom 09.11.2018, die ein Ergebnis vor Steuern (EBIT) für das Geschäftsjahr 2017/ 2018 in Höhe von 164.883,33 € ausweist.

Der Einwand der Kläger gegen diese Berechnung greift nicht durch. Sie tragen dazu vor, für das Geschäftsjahr 2017/2018 könne kein EBIT von 164.883,33 € zugrunde gelegt werden. In diesem Geschäftsjahr sei ein Betrag von 130.835,84 € gewinnbringend gebucht worden, der wirtschaftlich dem Geschäftsjahr 2014/2015 zuzuordnen sei. Da eine Mandantenrechnung vom 06.05.2015 über 552.742,01 € im Geschäftsjahr 2017/2018 vollständig zu Lasten des Ergebnisses habe storniert werden müssen, sei es im Geschäftsjahr 2015/2015 zu einer Wertberichtigung in Höhe von 130.835,84 € gekommen. Da diese Wertberichtigung sich im Geschäftsjahr 2014/2015 gewinnmindernd ausgewirkt hätte, habe dies im Geschäftsjahr 2017/2018 wieder rückgängig gemacht, d.h. gewinnerhöhend ausgebucht werden müssen Eine Berichtigung im Verursacherjahr habe nicht mehr erfolgen können. Die Betriebsprüfung habe die vorgeschriebenen Buchungsgänge geprüft und nicht beanstandet (Zeugnis Steuerberaterin Frau H ). Daraus würden sich für den Beklagten ein Bonus von nur 3.299,20 € und eine Prämie von nur 1.191,66 € ergeben.

Dieser Vortrag ist jedoch unsubstantiiert und daher unerheblich. Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des angebotenen Zeugenbeweises bedurfte es daher nicht. Im Hinblick auf die von der Klägerin zu 1) erstellte BWA vom 09.11.2018 hätten die Kläger vortragen müssen, dass diese BWA entsprechend ihrem Vortrag berichtigt worden ist und diese berichtigte BWA auch vorlegen müssen. Diese Substantiierung war auch deshalb erforderlich, weil der Sachvortrag der Kläger aus sich heraus nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere fragt sich - was der Beklagte zu Recht rügt -, warum ein Betrag von 130.835,84 €, dem eine Rechnung aus dem Geschäftsjahr 2014/2015 zugrunde gelegen haben soll, erst im Geschäftsjahr 2017/2018 gewinnerhöhend gebucht worden sein soll und nicht bereits in den Vorjahren 2015/2016, 2016/2017.

II. Die Kläger haben die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs. 1 ZPO).

III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

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