VG Augsburg, Beschluss vom 26.04.2018 - Au 4 S 18.281
Fundstelle
openJur 2020, 56620
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Naturschutzvereinigung, begehrt einstweiligen Rechtschutz im Hinblick auf eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Hallen- und Freibades nebst weiterer Einrichtungen.

Die Antragsgegnerin beschloss am 13. Dezember 2017 den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 110 "Therme und Freizeitbad, Eissporthalle" in der Planfassung vom 17. August 2017 als Satzung. Anlass der Planung war nach diesem Bebauungsplan, dass die Stadtwerke der Antragsgegnerin im Jahr 2011 einen Investoren-Wettbewerb für das "Bäderkonzept ..." ausgelobt hätten. Im Zuge dessen solle am Standort des (bestehenden) See- und Freibades "...bad" zusätzlich eine Therme gebaut werden.

Der vorhabenbezogene Bebauungsplan verfolge folgende Planungsziele: Realisierung eines zeitgemäßen Bäderangebotes; Neubau einer modernen Therme und eines Familienbades; Aufwertung des See- und Freibades "...bad" durch die Neuanlage von Außenbecken, von Funktionsgebäuden wie Kasse, Umkleiden und Sanitärbereichen sowie durch die Neugestaltung der Gastronomie; Schaffung einer Pufferzone als Ausgleichsfläche zwischen der intensiven Liegewiesennutzung des See- und Freibades und dem angrenzenden Naturschutzgebiet "..."; Nutzungsextensivierung des Eichenhains, Verlegung der Kfz-Stellplätze.

In der Begründung des Bebauungsplans wird weiter unter anderem ausgeführt: Das Plangebiet befinde sich östlich der ... zwischen Bahnlinie ... – ... und dem ...ufer. Die Fläche sei Teil eines Grünzugs, der sich von der Staatsgrenze im Osten bis zur Seebrücke im Westen ziehe und unterschiedlich intensiv genutzte Bereiche umfasse. Neben dem "...bad" und der Eislaufhalle befänden sich hier eine öffentlich zugängliche Freifläche, Naturschutzgebiete (Schilfzonen), einige Wohngebäude und Kleingärten. Der Bereich des eigentlichen ...bades werde als See- und Freibad mit Liegewiesen, verschiedenen Schwimmbecken, Umkleidebereich, Kiosk bzw. Freibadgastronomie, Volleyballfeld und Spiel Platz genutzt. Auch eine Surfschule sei auf dem Gelände des See- und Freibades (im Südosten) untergebracht. Südlich der ...straße in direkter Nachbarschaft zum See- und Freibad liege die Kunsteishalle. Im Eichenhain und angrenzenden Flächen bestünden ca. 300 Stellplätze. Diese würden hauptsächlich von den Nutzern der Eissporthalle und des See- und Freibades genutzt. Nördlich der ...straße gebe es einige wenige Wohnhäuser. Zwischen der ...straße und der Bahnlinie überwiege die Kleingartennutzung. Weiter Richtung Bahnlinie befänden sich Brachflächen, die ehemals durch die Bahn benutzt worden seien. Heute seien dort Lagerflächen und ca. 30 weitere Stellplätze für das See- und Freibad vorhanden; diese Parkplatzfläche sei angemietet. Unmittelbar entlang der Bahnlinie sei ein Sukzessionswald entstanden, der bereits wertvolle Biotopstrukturen aufweise.

Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gebe es ca. 413 Bäume, davon würden 21 Bäume gerodet. Darunter seien neun Eichen, die sehr stark beschädigt seien. Aus Ausgleich für die zu fällenden Bäume würden insgesamt 28 gebietsheimische Einzelbäume innerhalb des Plangebiets nachgepflanzt.

Die Beigeladene beantragte am 13. Juni 2017 (Eingangsstempel der Antragsgegnerin) die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben (Sonderbau) "Neubau eines Hallen- und Freibades mit Rutschenanlage, Außensauna, Freibadgebäude und Parkplatz" auf den Grundstücken Fl.Nr., ... und ... der Gemarkung ....

Mit Datum 23. Februar 2018 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen, insbesondere zum Immissionsschutz. Die Wirksamkeit der Baugenehmigung wurde mittels Bedingung an das In-Kraft-Treten des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 110 "Thermal- und Freizeitbad, Eissporthalle" geknüpft. Die Baugenehmigung wurde einer von der Beigeladenen bevollmächtigten Person am Samstag, 24. Februar 2018 um 6:45 Uhr übergeben. Im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2018 erfolgte ferner die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses hinsichtlich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 110.

Mit an das Polizeipräsidium ... adressiertem Telefax vom 24. Februar 2018 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten (gegen 8:30 Uhr) den vorliegenden Antrag an das Verwaltungsgericht Augsburg nach § 80 Abs. 5 VwGO – einschließlich eines Antrags auf Erlass eines Schiebebeschlusses – übermitteln, ferner eine Klage gegen die Baugenehmigung vom 23. Februar 2018 (Au 4 K 18.280). In dem Telefax wurde ausgeführt, dass bereits um 7:00 Uhr mit der Fällung von Bäumen begonnen worden sei. Etwa um 9:00 Uhr sicherte ein Vertreter der Antragsgegnerin der Kammervorsitzenden telefonisch zu, dass die Fällaktion für heute beendet werde; zu diesem Zeitpunkt waren allerdings sämtliche im Baufeld gelegenen Bäume bereits gefällt worden. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2018 sicherte die Antragsgegnerin über ihren zwischenzeitlich Bevollmächtigten auch schriftlich zu, bis zur Entscheidung im Eilverfahren keine weiteren Fällarbeiten mehr vorzunehmen.

Zur Begründung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO trug der Antragsteller im Schriftsatz vom 24. Februar 2018 vor: Die vorgesehene Planung liege im Landschaftsschutzgebiet "Bayerisches ...". Darüber hinaus grenze das Vorhaben unmittelbar an die europarechtlich geschützten Areale FFH-Gebiet "..." und das SPA-Gebiet (Europäisches Vogelschutzgebiet) "Bayerischer ..." an. Das Plangebiet befinde sich zwischen den beiden FFH-Gebieten 8423-301-02 "..." und 8423-301-03 "..." des Natura 2000-Netzes. Desweiteren befinde sich westlich angrenzend das Naturschutzgebiet "... Bucht". Eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sei weder für das FFH- noch für das Vogelschutzgebiet durchgeführt worden. Im näheren Umfeld (zwischen 300 und 400 Metern Entfernung) befänden sich auch mehrere geschützte Biotope. Das Projekt werde direkt entlang des ... ausgeführt. Der ... sei ein internationales Gewässer, für das die Anrainerstaaten ein Leitbild erarbeitet hätten. Die internationale ...konferenz sei nicht eingeschaltet worden. Das Plangebiet befinde sich im Naturraum "...becken" innerhalb der Naturraum-Haupteinheit "Voralpines Moor- und Hügelland".

Der Antragsteller sei als nach § 3 UmwRG anerkannte naturschutzrechtliche Vereinigung nach der Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG gegen die Baugenehmigung als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 VwVfG gem. § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt. Insbesondere mache der Antragsteller eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend. Bereits im Rahmen einer summarischen Prüfung ergebe sich, dass die angefochtene Genehmigung sowohl rechtswidrig sei, als auch subjektiv öffentliche Nachbarrechte des Antragstellers verletze, da das streitgegenständliche Vorhaben aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans Nr. 110 bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig sei.

Im Weiteren wurde ausführlich zur Rechtswidrigkeit dieses Bebauungsplans vorgetragen. Der Planung fehle die Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB; sie verstoße gegen die Ziele der Raumordnung und enthalte Abwägungsfehler. Insoweit sei einschlägiges Naturschutzrecht durch die fehlende FFH-Verträglichkeitsprüfung sowie Verstoßes gegen Artenschutzrecht verletzt worden. Weitere Abwägungsfehler lägen vor in Bezug auf Umweltauswirkungen, Verkehr (fehlerhafte Prognose des künftigen Verkehrsaufkommens; mangelhafte verkehrliche Erschließung [Parkplatzsituation; ÖPNV-Linienführung]), Lärm, Eingriffe in die Landschaft, Verunstaltung des Ort- und Landschaftsbilds, freier Seezugang, Flächenverbrauch sowie Wasser- und Hochwasserschutz. Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Es widerspreche dem einschlägigen Bauplanungsrecht, da es sich nicht in die nähere Umgebung einfüge und gegen einschlägiges Naturschutzrecht verstoße.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. Februar 2018, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Schriftsatz vom 22. März 2018 unter anderem ausgeführt: Das Vorhaben befinde sich auf einem Grundstück, das bereits seit Jahrzehnten intensiv durch das dort bestehende Freizeitbad und die Eislaufhalle genutzt werde. Der Antragsgegnerin sei die sensible Lage des Baugrundstücks unmittelbar am Seeufer bekannt und bewusst gewesen. Daher sei die Umsetzung des Vorhabens in naturschutzfachlicher und –rechtlicher Hinsicht stets und umfassend mit der unteren und oberen Naturschutzbehörde abgestimmt worden. Dies habe insbesondere auch die artenschutzrechtlichen Prüfungen betroffen.

Der Antrag sei bereits unzulässig. Es bleibe unklar, auf welchen Einwendungstatbestand des Umweltrechtsbehelfsgesetzes die Antragstellerin sich stütze. Die Geltendmachung von ausdrücklichen Verstößen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG finde sich im gesamten Antragsschriftsatz nicht. Die Argumentation beziehe sich fast ausschließlich auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans. Eine konkrete Darlegung, inwieweit die Baugenehmigung gegen Umweltrechtsvorschriften verstoße und inwieweit die Baugenehmigung Gegenstand einer zulässigen Klage eines anerkannten Naturschutzverbands sein könne, fehle. Ebenso fehle eine Darlegung, inwieweit durch die konkret geltend gemachte Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften der Aufgabenbereich des Antragstellers berührt sei.

Ein Antrag nach § 80, § 80a VwGO biete keinen Raum für eine Normenkontrollklage. Nach ständiger Rechtsprechung überwiegend aller Obergerichte sei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine einem Dritten erteilte Baugenehmigung grundsätzlich von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Bebauungsplans auszugehen. Allenfalls – hier nicht vorliegende – offensichtliche Rechtsverstöße des Bebauungsplans könnten im Eilverfahren geprüft werden.

Die Einwände des Antragstellers gegen den Bebauungsplan im Hinblick auf städtebauliche Erforderlichkeit, Einhaltung der Grundsätze der Raumordnung sowie Abwägungsfehler (FFH-Verträglichkeitsprüfung; Beachtung artenschutzrechtlicher Vorgaben; Verkehr; Lärmsituation; Landschaftsbild; freier Seezugang; Flächenverbrauch, Wasser- und Hochwasserschutz) seien unzutreffend.

Bei der Abwägungsentscheidung des Gerichts sei zu berücksichtigen, dass mit weiteren Umsetzungsmaßnahmen zur Baugenehmigung – abgesehen von denkmalschutzrechtlichen Sondierungs- und Grabungsarbeiten – mit einer Auskofferung des Bodens erst Ende August / Anfang September, abhängig vom Hochwasserstand des, zu rechnen sei. Eine Außervollzugsetzung der Baugenehmigung werde zu einer zeitlichen Verzögerung von einem Jahr führen. Dies habe eine erhebliche Kostensteigerung von mindestens 1,5 Mio. Euro zur Folge. Zudem würde sich die Fertigstellung des Vorhabens als eine für die Antragsgegnerin wichtige Freizeit- und Tourismuseinrichtung um ein weiteres Jahr verzögern.

Die Beigeladene äußerte sich bisher im Klage- und Eilverfahren nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Er ist bereits wegen fehlender Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig.

Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine (Anfechtungs-) Klage – und damit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO – nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine derartige Verletzung eigener Rechte macht der Antragsteller von vornherein nicht geltend. Vielmehr beruft er sich als gem. § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung auf eine Antragsbefugnis aus § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Diese Vorschriften "bestimmen" jedoch vorliegend im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO "nicht anderes", weil eine für den Antragsteller nach dem UmwRG rechtbehelfsfähige Entscheidung hier nicht vorliegt.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat jüngst zur Anwendung des UmwRG – auch nach der Neufassung 2017 – hinsichtlich auf § 30 BauGB beruhender Baugenehmigungen ausgeführt (BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – Rn. 6 ff. zu VG Augsburg, B.v. 4.1.2018 – Au 4 S 17.1798):

"Der Antragsteller ist nicht gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG antragsbefugt. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) dient ausweislich seiner amtlichen Bezeichnung (Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG) der Umsetzung der zwingenden Vorgaben der genannten Richtlinie. Diese dient unter anderem der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 und Abs. 4 der Aarhus-Konvention (AK). Dem Umweltrechtsbehelfsgesetz liegt das Prinzip eines enumerativ abschließenden Katalogs von rechtsbehelfsfähigen Entscheidungen zu Grunde (vgl. zur alten Fassung BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 7 C 21.12BVerwGE 147, 312). Fällt die streitgegenständliche Entscheidung nicht unter den normierten Katalog, so ist das Umweltrechtsbehelfsgesetz in aller Regel auch nicht analog anwendbar.

a) Die Voraussetzungen der hier einzig in Betracht kommenden rechtsbehelfsfähigen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG liegen nicht vor.

Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG setzt einen Verwaltungsakt oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, durch den ein anderes als in Nr. 1 bis 2b genanntes Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zugelassen wird, voraus. Insoweit bedient sich der Gesetzgeber hier des aus dem Planungsrecht entnommenen Vorhabensbegriffs. Im Hinblick auf eine Baugenehmigung oder Teilbaugenehmigung lässt sich der Vorhabensbegriff nicht grundsätzlich verneinen. Maßgeblich für die Abgrenzung ist jeweils allein, ob für die Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts anzuwenden sind (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/9526, S. 36). Der Begriff der "umweltbezogenen Vorschrift" in der Terminologie des Art. 9 Abs. 3 AK wird im neuen § 1 Abs. 4 UmwRG konkretisiert. Danach handelt es sich bei umweltbezogenen Rechtsvorschriften um Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinn von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG) oder Faktoren im Sinn von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwRG) beziehen. Diese Konkretisierung erfolgte nach Maßgabe der zwingend zu beachtenden Vorgabe von Art. 2 Abs. 2 AK und der nationalen Ausprägung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UIG (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/9526, S. 38). Für weitergehende Prüfungen kann die Spruchpraxis des Compliance Committees der Aarhus-Konvention herangezogen werden (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/9526, S. 36). Umweltbezogene innerstaatliche Rechtsvorschriften beschränken sich nach der Spruchpraxis des Compliance Committees nicht auf Rechtsvorschriften, in denen der Begriff "Umwelt" im Titel oder der Überschrift vorkommt. Entscheidender Faktor ist allein, ob sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/9526, S. 32). Zweifelsohne können auch Vorschriften des Baugesetzbuchs zu den umweltbezogenen Rechtsvorschriften in diesem Sinn zählen. Dies kann jedoch nur für diejenigen Vorschriften des Baugesetzbuchs gelten, die tatsächlich sich in irgendeiner Weise auf die Umwelt beziehen. So sind sicherlich Vorschriften des Baugesetzbuchs zum Erschließungsbeitrag, zu Sanierungssatzungen oder zur Städtebauförderung nicht auf die Umwelt bezogen. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine umweltbezogene Rechtsvorschrift im Sinn des § 1 Abs. 4 UmwRG vorliegt.

Bei einer Baugenehmigung oder einer Teilbaugenehmigung nach § 30 BauGB kommen bei der Zulassungsentscheidung gerade keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften im obigen Sinn zur Anwendung. § 30 BauGB selbst stellt in seinen Voraussetzungen allein auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und die gesicherte Erschließung ab (§ 30 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB). Im Gegensatz dazu verweist § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB ausdrücklich auf die Belange des Naturschutzes als öffentlichen Belang. Dafür, dass im Rahmen des § 30 BauGB keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften unmittelbar zur Anwendung kommen, spricht auch die Regelung des § 34 Abs. 8 BNatSchG, der ausdrücklich feststellt, dass § 34 Abs. 1 bis Abs. 7 BauGB nicht für Vorhaben im Sinn des § 29 BauGB in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB gilt. Vielmehr ist § 34 BNatSchG bereits im Rahmen des Bauleitplanverfahrens zu prüfen. Unzweifelhaft sind im Aufstellungsverfahren eines Bauleitplans umweltbezogene Rechtsvorschriften zu prüfen. Dies ergibt sich aus den Regelungen der §§ 1a, 2 Abs. 4 und § 2a BauGB. Die Prüfung der umweltbezogenen Rechtsvorschriften findet jedoch auf der Ebene der Bauleitplanung und nicht auf der Ebene der Zulassungsentscheidung eines einzelnen Vorhabens statt. Ein Bebauungsplan hat als Satzung nach § 10 Abs. 4 BauGB zwar Rechtsnormcharakter. Im Ergebnis stellt sich dieser jedoch als kommunale Rechtsvorschrift dar und nicht als Rechtsvorschrift des Bundes- oder Landesrechts. Entsprechend ist ein Bebauungsplan keine umweltbezogene Rechtsvorschrift im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5; Abs. 4 UmwRG, sondern setzt solche vielmehr um. Zudem kann der Antragsteller gegen den Bebauungsplan selbst vorgehen. Insoweit ist seine Antragsbefugnis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG unbestritten. § 34 Abs. 8 BNatSchG zeigt gerade, dass eine Doppelprüfung einerseits im Bebauungsplan und andererseits in der konkreten, auf dem Bebauungsplan fußenden Baugenehmigung vermieden werden sollte.

b) Auch eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung besteht insoweit nicht. Denn eine solche setzt eine hinreichend bestimmte, klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 7 C 21.12 – BVerwGE 147, 213; OVG SH, B.v. 21.6.2016 – 12 LA 74/15 – ZUR 2017, 39). Art. 9 Abs. 3 AK stellt jedoch keine solche unionsrechtliche Vorschrift dar. Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 AK ist Absatz 3 bislang nicht auf unionsrechtlicher Ebene umgesetzt worden (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 7 C 21.12 – BVerwGE 147, 213 zum alten Recht, wonach der Gesetzgeber ausweislich der Denkschrift zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen Recht gesehen hat, BT-Drs. 16/2497, S. 42/46; Epiney/Diezig/Pirkner/Reitemeyer, Aarhus-Konvention, 1. Aufl. 2018, Art. 9 Rn. 39). Daran hat sich auch durch die Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes im Jahr 2017 nichts geändert. Der Gesetzgeber versteht das Umweltrechtsbehelfsgesetz weiterhin als abschließende Regelung, die lediglich im Hinblick auf die Völkerrechtswidrigkeit in zwei Punkten zu ergänzen war (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/9526, S. 1).

c) Weiterhin ergibt sich auch keine Antragsbefugnis aus einer analogen Anwendung von § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Eine Analogie erfordert eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke. Planwidrig ist eine Regelungslücke nur dann, wenn die in Rede stehende Interessenlage vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde oder wegen späterer Veränderung der Umstände nicht gesehen werden konnte. Sofern der Gesetzgeber jedoch einen Sachverhalt grundsätzlich erkannt hat, aber in Bezug darauf keinen Regelungsbedarf gesehen hat, sind die geregelten Sachverhalte als abschließend zu betrachten und die Regelungslücke nicht als planwidrig einzuordnen. Bezüglich der alten Fassung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes war nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 5.9.2013 – 7 C 21.12 – BVerwGE 147, 213; U.v. 19.12.2013 – 4 CN 14.12 – BVerwGE 149, 17) eine analoge Anwendung des umweltrechtlichen Verbandsklagerechts ausgeschlossen, da der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung als abschließend verstanden, sich an diesem Verständnis auch nach der Novellierung nichts geändert und es daher an einer planwidrigen Regelungslücke gefehlt hat. Auch nach der Novellierung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes im Jahr 2017 fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke für Sachverhalte außerhalb des in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG normierten Katalogs von rechtsbehelfsfähigen Entscheidungen. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung sowie aus deren Hintergrund und den begleitenden Umständen der letzten Gesetzesänderung (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/9526, S. 1)."

Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Sie ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 23. Februar 2018 ebenfalls auf § 30 BauGB sowie einem (vorhabenbezogenen) Bebauungsplan beruht. Im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG wurden hier keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften, sondern wegen § 30 BauGB der Bebauungsplan angewendet. Die gem. § 2 Abs. 1 UmwRG erforderliche "Geltendmachung" einer fehlerhaften Anwendung von Rechtsvorschriften liegt seitens des Antragstellers – wie im vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall – lediglich in Bezug auf den Bebauungsplan vor. Dass insoweit Rechtsbehelfsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 UmwRG nicht eröffnet sind, zeigt sich auch daran, dass – wäre der Bebauungsplan eine umweltbezogene Rechtsvorschrift i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG – der Antragsteller gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG dessen Verletzung, d.h. die Nichteinhaltung des Bebauungsplans geltend machen müsste. Hier hat der Antragsteller jedoch nicht die Nichteinhaltung, sondern die Unwirksamkeit des Bebauungsplans, vorgetragen. Die Einstufung des Bebauungsplans als umweltbezogene Rechtsvorschrift würde auch Sinn und Zweck der Verbandsklage nach § 2 UmwRG widersprechen. Denn damit könnte die Unwirksamkeit, also die Nichtbeachtlichkeit einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift geltend gemacht werden; die Verbandsklage soll letztlich jedoch der Verbesserung des Umweltschutzes und der Einhaltung des Umweltrechts dienen (vgl. Fellenberg/Schiller, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UmwRG, Vorbemerkung, Rn. 3).

Ferner kann der Antragsteller die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften nur im Umfang seiner Anerkennung als Naturschutzvereinigung (vgl. § 63 Abs. 1 BNatSchG) rügen (Fellenberg/Schiller, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UmwRG, § 2 Rn. 33 f.; § 3 Rn. 45 m.w.N.). Die rein bauplanungsrechtliche Vorschrift des § 30 BauGB fällt entsprechend der genannten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht unter diese Rügebefugnis.

Eine Inzidentkontrolle und gegebenenfalls Verwerfung des Bebauungsplans durch das Verwaltungsgericht ist nach dieser Rechtsprechung – auch unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes – ebenso nicht geboten (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – Rn. 12 f.).

Der Antrag war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Da sich die Beigeladene mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog (Nr. 1.2, 1.5).