OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.11.2019 - 2 B 278/19
Fundstelle
openJur 2020, 81057
  • Rkr:

1. Das formelle Begründungserfordernis des § 80 Abs 3 S 1 VwGO verlangt nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung tatsächlich rechtfertigen.

2. Die Rüge, eine durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft, kann die Antragsbefugnis nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Antragstellers ausgewirkt haben könnte.

3. Im gerichtlichen Eilverfahren ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Schallprognose "auf der sicheren Seite" liegt, wenn sie entsprechend dem Regelwerk der TA-Lärm sowie der in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 erstellt wurde.

4. Die Infraschallbelastung wird in Entfernungen über 700 Metern regelmäßig kaum davon beeinflusst, ob eine Windenergieanlage in Betrieb ist oder nicht. Eine Änderung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands ist insoweit nicht belegt.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. August 2019 - 5 L 265/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen den vom Antragsgegner angeordneten Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, mit der der Beigeladenen die Errichtung und der Betrieb von drei Windenergieanlagen in den Gemarkungen Niedersaubach und R... genehmigt worden ist. Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in Lebach, A-Straße, Ortsteil und Gemarkung G..., Flur 15, Flurstück 75/65.

Mit Bescheid vom 28.12.2016 erteilte der Antragsgegner der Firma montanWIND PlanungsGmbH & Co. KG in 66280 Sulzbach im vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 4 i.V.m. § 19 BImSchG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen vom Typ Nordex N131/3000 mit einer Nennleistung von jeweils 3,0 MW (Nabenhöhe 134,0 m, Rotordurchmesser 131,0 m, Gesamthöhe 199,5 m) in der Stadt Lebach, Gemarkung N..., Flur 1, Flurstück 19/15 (WEA LN B 1 und 2), sowie in der Stadt Lebach, Gemarkung N..., Flur 1, Flurstücke 17/8 und 17/10, und in der Stadt A-Stadt, Gemarkung R..., Flur 1, Flurstücke 353/12 und 352/12. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung an. Die drei Windkraftanlagen sollen in einer Entfernung von etwa 1.730 m, 2.100 m bzw. 2.240 m vom Wohnhaus des Antragstellers errichtet werden.

Am 28.2.2019 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 17.1.2017 gegen die Genehmigung vom 28.12.2016. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es stehe zu befürchten, dass in Kürze mit den Bauarbeiten begonnen werde und dann vollendete Tatsachen geschaffen würden. Dadurch werde massiv in seine Rechte und insbesondere auch in umwelt- und naturschutzrechtliche Belange eingegriffen. Er sei Anwohner und Betroffener der Windkraftanlagen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung, weil die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht vorlägen. Der Antragsgegner habe es unterlassen, eine rechtsfehlerfreie Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die drei zugelassenen Windkraftanlagen seien nach § 3b UVPG sowie § 3c UVPG und Ziffer 1.6 der Anlage 1 bzw. nach § 7 Abs. 1 und 2 UVPG UVP-pflichtige Vorhaben. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei jedoch nicht durchgeführt worden. Dieser Verfahrensfehler führe nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG bzw. § 46 VwVfG zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung. Auf eine fehlerhafte UVP könne man sich nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG auch unabhängig von einer Betroffenheit stützen. Die Zulassungsentscheidung verstoße des Weiteren gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot. Er habe einen Anspruch darauf, dass die von den Windkraftanlagen hervorgerufenen Lärmimmissionen nicht die Grenze zur erheblichen Belästigung oder gar der Gesundheitsgefährdung überschritten. Dies folge aus § 5 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Ziffer 1 BImSchG. Auf seinem Anwesen sei bereits ohne Berücksichtigung der nunmehr zugelassenen Windkraftanlagen eine massive Belastung durch Schallimmissionen der bestehenden Windkraftanlagen festzustellen. Durch die geplanten drei Windkraftanlagen werde diese Belastung massiv erhöht. Die Vorbelastungen seien zu niedrig angesetzt worden. Es seien keine Messungen der vorhandenen Windkraftanlagen vorgenommen worden. Das gesamte Regelwerk beruhe auf Spekulationen und Annahmen. In der Zwischenzeit sei durch die Länderarbeitsgruppe Immissionsschutz (LAI) die bisher als Stand der Technik geltende Norm DIN ISO 9613-2 als für Windkraftanlagen nicht mehr anwendbar erklärt worden. Die Anlagengenehmigung verstoße zu seinem Nachteil gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB seine Grundlage finde. Die Rechtsprechung zur bedrängenden Wirkung insbesondere des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts stütze sich auf eine nicht schlüssige "Faustformel". Diese Formel stamme aus einer Zeit, als die Anlagen eine Höhe von ca. max. 90 m und einen Rotordurchmesser von ca. 40-60 m aufgewiesen hätten. Anlagen des heute gängigen Typs besäßen Gesamthöhen von jeweils ca. 200 m und Rotordurchmesser von ca. 131 m. Hinsichtlich dieser monströsen Anlagen seien neue Anforderungen zu stellen, um die betroffene Bevölkerung zu schützen. Drei weitere überdimensional hohe Windkraftanlagen mit weitreichender dominierender Wirkung seien in diesem Bereich aus Gründen des Nachbarschutzes nicht vertretbar. Bislang sei von Windkraftbetreibern und Verwaltungsbehörden die Infraschallbelastung betroffener Bürger und Anwohner stets in Abrede gestellt worden. Auch der Antragsgegner befasse sich im Genehmigungsbescheid nur oberflächlich mit diesem Themenkomplex. Eine ausreichende Auseinandersetzung finde nicht statt. Zugegeben werde allenfalls eine Infraschallbelastung in einem Abstand von 200 bis 300 m. Die bisher auch von den Gerichten vertretenen Ansichten zum Thema Infraschall, Körperschall und niederfrequenten Schall seien nach den neuesten Unterlagen nicht länger haltbar. Ein etwaiges öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung scheide hier aus. Lediglich der Hinweis auf die Notwendigkeit alternativer Energien genüge zur Bewirkung eines Sofortvollzugs nicht. Allein das gesetzgeberische Ziel der Erhöhung des Anteils regenerativer Energiequellen an der Stromerzeugung vermöge kein öffentliches Interesse zu bewirken.

Der Antragsteller hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 28.12.2016 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 6.8.2019 - 5 L 265/19 - hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, der Antragsgegner habe das aus seiner Sicht bestehende besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise ausreichend dargelegt, indem er darauf abgestellt habe, dass ein öffentliches Interesse an der umweltverträglichen Energieversorgung und der Reduzierung des CO2-Ausstoßes in die Erdatmosphäre sowie der gesetzlichen Förderung erneuerbarer Energien bestehe, deren Nutzung zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beitrage. Damit erfülle die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs die (allein) formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die im Streit befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei zur Überzeugung der Kammer im Verhältnis zum Antragsteller offensichtlich rechtmäßig, so dass die Interessenabwägung zu seinen Lasten ausfalle. Im Falle der Drittanfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sei diese allein daraufhin zu untersuchen, ob sie mit wehrfähigen Rechten gerade des Antragstellers dieses Verfahrens zu vereinbaren sei. Für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten durch die staatliche Zulassung eines Vorhabens sei nur der Regelungsinhalt der Genehmigungsentscheidung und nicht die davon ggf. abweichende Ausführung maßgeblich, weil der Regelungsinhalt einer Genehmigung immer von einer (technisch) einwandfreien Ausführung des genehmigten Vorhabens ausgehe. Die angefochtene Genehmigung verstoße aller Voraussicht nach nicht gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die zumindest auch den Schutz des Antragstellers bezweckten. Zur weiteren Begründung werde vollumfänglich auf die in jeder Hinsicht überzeugenden und zutreffenden Ausführungen der Beigeladenen im Schriftsatz vom 29.05.2019 Bezug genommen, denen der Antragsteller nicht mehr entgegengetreten sei.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts, der dem Antragsteller am 19.8.2019 zugestellt wurde, richtet sich die am 25.8.2019 eingegangene und am 18.9.2019 begründete Beschwerde.

II.

Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 28.12.2016 für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen in den Gemarkungen N... und R... (Windpark Bruchwald) begehrt, ist zulässig, aber unbegründet.

Die in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 18.9.2019 dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides durch den Antragsgegner ist in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht werdenden Weise begründet worden. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll die Behörde mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Begründung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner genügt diesen Anforderungen. Der Antragsgegner hat zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im Einzelnen ausgeführt, dass die Errichtung und der Betrieb der WEA der Sicherung und der Wirtschaftlichkeit der bundesdeutschen Energieversorgung dienten. Insbesondere die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und vor allem durch Windenergie liege im öffentlichen Interesse. Dies ergebe sich zum einen aus dem Regelungsgehalt der §§ 1 und 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Danach solle der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung zunächst auf 40-45 % bis 2025, auf 55-60 % bis 2035 und bis zum Jahr 2050 auf 80 % ansteigen. Auch § 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) fordere eine möglichst sichere, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas. Planung, Errichtung und Inbetriebnahme von WEA erforderten einen enormen Zeitaufwand. Das Erreichen der gesetzlichen Ziele sei gefährdet, wenn sich die zu Grunde liegenden Genehmigungsverfahren durch den Suspensiveffekt eines eingelegten Widerspruchs zusätzlich streckten. Daneben sei das private Interesse der Anlagenbetreiber von einem Suspensiveffekt negativ tangiert. Diese hätten bereits jetzt finanzielle Aufwendungen in beträchtlicher Höhe geleistet. Verzögerungen bei der Inbetriebnahme führten zu verspäteten Einnahmen. Zudem drohe finanzieller Schaden durch die Degression der Einspeisevergütung, da das Datum der Inbetriebnahme der WEA entscheidend für die Mindestvergütung sei, die die Anlagenbetreiberin vom Netzbetreiber erhalte. Soweit der Antragsteller gegen diese Begründung des Sofortvollzugs einwendet, der durch die streitgegenständlichen Windeenergieanlagen erzielte Stromanteil sei gemessen am Gesamtstrombedarf der Bundesrepublik Deutschland verschwindend gering, ist dies nicht geeignet, das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Energieversorgung in Frage zu stellen, wozu auch die in Rede stehenden Windenergieanlagen beitragen sollen.. Im Übrigen verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung tatsächlich rechtfertigen. Dies ist keine Frage des formellen Begründungserfordernisses. Für dieses kommt es nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der behördlichen Begründung an, d.h. es ist insoweit nicht erforderlich, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.1

Auf die Rüge des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe sich dadurch, dass es lediglich auf das Vorbringen des Beigeladenen in seinem Schriftsatz vom 29.5.2019 verwiesen hat, nicht ordnungsgemäß mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt und keine eigene Interessenabwägung vorgenommen, muss hier nicht näher eingegangen werden. Unabhängig davon kann der Antrag bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der Antragsbefugnis des Antragstellers fehlt. Nach dem im Eilverfahren entsprechend anwendbaren § 42 Abs. 2 VwGO muss auf der Grundlage des Antragsvorbringens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise keine subjektiven Rechte des Antragstellers verletzt sein können. Da der Antragsteller nicht Adressat des im Hauptsacheverfahren angefochtenen immissionsrechtlichen Genehmigungsbescheides ist, kommt es darauf an, ob er sich für sein Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die ihn als Dritten schützt.

Die Möglichkeit einer eigenen Rechtsverletzung des Antragstellers ergibt sich vorliegend weder aus den von ihm geltend gemachten Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung noch auf Grundlage von Nachbarbelangen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts2, der sich der Senat anschließt, ist der Antragsteller nicht allein aufgrund des § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG antragsbefugt. Form- und Verfahrensvorschriften können subjektive Rechte, die Grundlage einer Klagebefugnis sind, grundsätzlich nicht selbstständig, sondern nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position des jeweiligen Klägers ausgewirkt haben könnte. § 4 Abs. 3 UmwRG, wonach § 4 Abs. 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe sonstiger Beteiligter i. S. d. § 61 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO Anwendung findet, betrifft nur die Sachprüfung im Rahmen eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens, hat aber für die Beurteilung der Klagebefugnis keine Bedeutung.3 Entsprechendes gilt für die Prüfung der Antragsbefugnis im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Die Rüge, eine durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung sei gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 1a UmwRG fehlerhaft, kann die Antragsbefugnis daher nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Antragstellers ausgewirkt haben könnte. Dies ist hier, wie noch ausgeführt wird, nicht der Fall. Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seiner Antragsbefugnis allein aufgrund des § 4 Abs. 3 UmwRG auf ein Urteil des OVG Münster vom 25.2.2015 - 8 A 959/10 - beruft, hat der 8. Senat des OVG Münster die dort vertretene Rechtsauffassung inzwischen (aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung) aufgegeben. Dies ist dem Antragsteller bekannt. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, näher darauf einzugehen, zumal auch das BVerwG sich ausdrücklich mit dem erwähnten Urteil des OVG Münster befasst und unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des EuGH4 keine Veranlassung zu einer Änderung seiner eigenen Rechtsprechung gesehen hat.5

Der Antragsteller hat auch nicht die Möglichkeit aufgezeigt, dass er durch Lärmimmissionen, die von dem genehmigten Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlagen ausgehen, unzumutbar beeinträchtigt werden könnte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Sein Grundstück, das von den drei genehmigten Windkraftanlagen 1.730 m, 2.100 m bzw. 2.240 m entfernt ist, befindet sich nicht innerhalb des räumlichen Bereichs, in dem die von einer Anlage tatsächlich oder voraussichtlich ausgehenden Geräuscheinwirkungen für sich betrachtet oder im Zusammenhang mit bereits existierenden Geräuscheinwirkungen schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) hervorrufen können. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird anhand der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) bestimmt.6 Die Einwände des Antragstellers dagegen im Beschwerdeverfahren überzeugen nicht. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, dass die Anwendung der TA Lärm in Verbindung mit dem Verfahren der DIN ISO 9613-2 die Lärmbelastung von Windkraftanlagen ausgehend vom maximalen Schallleistungspegel der Lärmquelle an den jeweiligen Immissionsorten ordnungsgemäß erfasst und abbildet.7 Die Bindungswirkung der TA Lärm einschließlich der über Ziffer A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm anzuwendenden DIN ISO 9613-2 entfällt nur dann, wenn die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.8 Dies kann derzeit auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden. Daher ist jedenfalls im gerichtlichen Eilverfahren davon auszugehen, dass eine Schallprognose dann "auf der sicheren Seite" liegt, wenn sie - wie hier - entsprechend dem Regelwerk der TA Lärm sowie der in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 erstellt worden ist.9

Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung, dies grundlegend in Frage zu stellen. Vielmehr scheidet eine subjektive Rechtsbetroffenheit des Antragstellers durch Lärmeinwirkungen vorliegend offensichtlich aus. Die Richtwerte für Lärmimmissionen am Grundstück des Antragstellers werden so deutlich unterschritten, dass die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch Geräuschimmissionen der Anlagen unter allen denkbaren Gesichtspunkten auszuschließen ist. Die Lärmimmissionsrichtwerte für das in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet liegende Grundstück des Antragstellers betragen 55 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts (vgl. Nr. 6.1 Buchstabe e TA Lärm). Nach den Berechnungen der ergänzenden schalltechnischen Untersuchung vom 29.5.2019 liegt die Zusatzbelastung durch die hier streitigen Windenergieanlagen am eigens untersuchten Immissionsort A-Straße in der Nachtzeit bei 28,7 dB(A). Damit liegt das Wohngrundstück des Antragstellers außerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlagen gemäß der Nr. 2.2 a) der TA-Lärm. Danach sind unter dem Einwirkungsbereich einer Anlage die Flächen zu verstehen, in denen die von der Anlage ausgehenden Geräusche einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt. Da dieser Wert hier überschritten wird, ist eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Antragstellers durch Lärmimmissionen unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Seine Behauptung, es lägen keine ordnungsgemäßen Schallgutachten vor, die auf der sicheren Seite liegen, hat der Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht weiter substantiiert.

Der Antragsteller kann sich zur Begründung seiner Antragsbefugnis ferner nicht auf die von ihm behaupteten Einwirkungen durch Infraschall stützen. Was die Entstehung von Infraschall anbetrifft, geht das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass messtechnisch zwar nachgewiesen werden kann, dass Windenergieanlagen Infraschall verursachen, dass die dabei feststellbaren Infraschallpegel nach einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen aber weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegen und zu keinen erheblichen Belästigungen führen.10 Hiervon abzuweichen sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine Veranlassung. Nach der Stellungnahme des Bundesumweltamt vom November 2016 ("Mögliche gesundheitliche Effekte von Windenergieanlagen")11 wird die Infraschallbelastung in Entfernungen über 700 m kaum davon beeinflusst wird, ob eine WEA in Betrieb ist oder nicht. WEA sind nur eine unter einer Vielzahl von natürlichen und anthropogenen Infraschallquellen. Im natürlichen Umfeld können zum Beispiel starke Winde oder die Meeresbrandung tieffrequente Geräusche - einschließlich Infraschall - verursachen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche anthropogene Geräuschquellen mit ähnlichem Charakter etwa in Wohnungen oder in direkter Umgebung von Wohngebäuden. Hierzu gehören beispielsweise Heizungs- und Klimaanlagen, Pumpen sowie Stanzen in Industriebetrieben oder auch Emissionen aus dem Verkehr. Der Wohnort des Klägers liegt hier 1.730 m, d.h. mehr als das zweifache des erwähnten Werts von 700 m von der nächstgelegenen Windenergieanlage entfernt. Dies spricht mit Nachdruck dafür, dass eine rechtlich erhebliche Belastung des Antragstellers durch von den WEA ausgehenden Infraschall ausgeschlossen ist. Die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Berichte zum Thema Infraschall sind in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet, konkrete Belastungen durch die hier streitgegenständlichen Anlagen darzulegen.12 Sie belegen allenfalls eine lebhafte Diskussion zu diesem Thema, nicht aber eine Änderung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands. Soweit der Antragsteller meint, ein neueres Urteil des OLG Schleswig13 habe eine Wende im Bereich der Behandlung des Infraschalls im Zusammenhang mit Windenergieanlagen eingeleitet, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Abgesehen davon, dass es dort um einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch und um Fragen der Darlegungs- und Beweislast ging, stellt die Feststellung, dass sich der Richter bei der Beurteilung neueren technischen und wirtschaftlichen Erkenntnissen nicht verschließen dürfe, eine Selbstverständlichkeit dar. Auch die weiteren Ausführungen in dem Urteil des OLG Schleswig, wonach der Umstand, dass die TA-Lärm den tieffrequenten Schall nicht bewerte (weil nicht hörbar), für die zivilrechtliche Beurteilung zunächst unerheblich sei, Infraschall unstreitig messbar sei und es noch einer abschließenden medizinischen Klärung bedürfe, ob dadurch schädliche Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Betroffenen ausgelöst werden, helfen im vorliegenden Verfahren nicht weiter. Insbesondere wird auch dadurch keine konkrete Belastung des Antragstellers durch die hier streitgegenständlichen Anlagen dargelegt.

III.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Hälfte des Hauptsacheverfahrenswertes in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugrunde zu legen ist.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Fussnoten

1 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.7. 2015 - 10 S 14.15 -, und OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.7.2017 - 11 MC 186/17 -,  jeweils bei juris.

2 Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.12. 2011 - 9 A 30.10 -, vom 2.10.2013 - 9 A 23.12 - und vom 17. 12.2013 - 4 A 1.13 -, sowie die Beschlüsse vom 27.6.2013 - 4 B 37.12 - und vom 22.12. 2016 - 4 B 13.16 -, jeweils bei juris.

3 Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12. 2011 - 9 A 30.10 -, juris.

4 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.10.2015 - C137/14.

5 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12. 2016 - 4 B 13.16 -, juris.

6 TA Lärm - vom 26. August 1998, GMBl. Seite 503, zuletzt geändert durch Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 1. Juni 2017, BAnz AT vom 8. Juni 2017 B5.

7 Vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 3.11.2017 - 2 B 584/17 -, vom 21.9.2014 - 2 A 471/13 - und vom 1.9.2012 - 3 B 103/12 -.

8 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.3.1996 - 7 B 164/95 -, juris.

9 Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3.11.2017 - 2 B 584/17 -, juris.

10 Vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 3.11.2017 - 2 B 584/17 - und vom 23.1.2013 - 3 A 287/11 -.

11 Veröffentlicht unter www.bundesumweltamt.de/publikationen.

12 Vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 6.11.2018 - 9 B 765/18 -, juris.

13 Vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 13.6.2019 - 7 U 140/18 -, juris.