VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2019 - 11 S 2996/19
Fundstelle
openJur 2020, 34593
  • Rkr:

Widerspruch und Klage gegen ein an eine Abschiebung anknüpfendes, befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs 1 und 2 AufenthG (in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1294>) entfalten nach § 80 Abs 2 S 1 Nr 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs 1 S 1 Nr 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2019 - 5 K 6617/19 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts - auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem es den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hat.

Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals im Jahr 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte hier einen Asylantrag. Die Ablehnung dieses Antrags wurde im Jahr 2005 bestandskräftig. Noch im selben Jahr wurde der Antragsteller wegen der Begehung von Straftaten ausgewiesen. Im Jahr 2008 erfolgte seine erste Abschiebung nach Algerien. Der Antragsteller kehrte im Jahr 2009 in das Bundesgebiet zurück, um hier einen Asylfolgeantrag zu stellen. Auch dieser Antrag blieb erfolglos. Mitte des Jahres 2012 wurde der Antragsteller erneut in sein Herkunftsland abgeschoben. Nur wenige Monate später reiste er ein weiteres Mal ohne Visum in das Bundesgebiet ein und stellte hier einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dieser Antrag wurde im Jahr 2015 abgelehnt.

Der Antragsteller hat sich während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet wiederholt strafbar gemacht. Das Bundeszentralregister weist in Bezug auf den Antragsteller für den Zeitraum 2005 bis 2018 insgesamt 15 Einträge auf (unter anderem Diebstahl, Hehlerei, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Beleidigung, Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen). Zuletzt wurde der Antragsteller im März 2018 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die er in einer baden-württembergischen Justizvollzugsanstalt verbüßte.

Mit Bescheid vom 29. August 2019 hat das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antragsteller die Abschiebung aus der Haft heraus nach Algerien angedroht (Ziffer 1). Für den Fall der Entlassung des Antragstellers aus der Haft vor der beabsichtigten Abschiebung hat es den Antragsteller aufgefordert, das Bundesgebiet binnen sieben Tagen nach der Haftentlassung zu verlassen (Ziffer 2), und ihm für den Fall der Nichtbeachtung die Abschiebung nach Algerien angedroht (Ziffer 3). Weiter hat das Regierungspräsidium verfügt, dass der Antragsteller für die Dauer von zwei Jahren weder in das Bundesgebiet einreisen noch sich im Bundesgebiet aufhalten darf; die Frist beginne mit der Abschiebung (Ziffer 4).

Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid am 1. Oktober 2019 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben sowie vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung hat er vornehmlich auf seine familiäre Situation abgestellt, die zumindest Anlass gebe, ihn im Bundesgebiet zu dulden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 11. November 2019 (5 K 6617/19) abgelehnt.

Hiergegen hat der Antragsteller am 13. November 2019 Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde mit Rücksicht auf die für heute angekündigte und bereits eingeleitete Abschiebung des Antragstellers vor Ablauf der gesetzlichen Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes beschränkt der Senat seine Prüfung abweichend von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht auf die vom Antragsteller mit seinem Beschwerdeschriftsatz dargelegten Gründe. Vielmehr bezieht er auch den ihm vorliegenden erstinstanzlichen Vortrag der Beteiligten in die Prüfung mit ein. Zur Vorbereitung der Entscheidung hat sich der Senat den Inhalt der Gerichtsakte zum Verfahren im ersten Rechtszug per Telefax übermitteln lassen, ferner eine den Antragsteller betreffende Auskunft aus dem Bundeszentralregister und die streitgegenständliche Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Eilrechtsschutzbegehren des Antragstellers lediglich als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29. August 2019 auszulegen sei. Aus Sicht des Senats umfasst das Begehren des Antragstellers darüber hinaus einen Antrag nach § 123 VwGO, gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der dem Antragsgegner vorläufig untersagt wird, den Antragsteller abzuschieben.

Einer Entscheidung nach § 123 VwGO steht im vorliegenden Fall nicht die Bindung des Gerichts an das Begehren des Antragstellers (§ 88 VwGO) entgegen.

Sowohl im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch im Beschwerdeverfahren hat der rechtsanwaltlich vertretene Antragsteller zwar ausdrücklich die Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 29. August 2019 beantragt. Darüber hinaus hat er im Beschwerdeverfahren die Bitte geäußert, das Gericht möge die Antragsgegnerin ersuchen, vor der Entscheidung über die Beschwerde keine Abschiebung durchzuführen. Aus Sicht des Senats ist das Vorbringen des Antragstellers im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren aber zwanglos und sachdienlich dergestalt nach § 88 VwGO auslegen, dass das Rechtsschutzbegehren nicht lediglich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. August 2019 umfasst, sondern zugleich auch einen auf Duldungsgründe gestützten Antrag nach § 123 VwGO, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den Antragsteller abzuschieben.

Dabei berücksichtigt der Senat, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gerade in aufenthaltsrechtlich geprägten Verfahren der vorliegenden Art eine großzügige Handhabung von § 88 VwGO gebietet. Dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsschutz Suchende anwaltlich vertreten ist oder nicht. Denn die Gerichte sind bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den vorläufigen Rechtsschutz gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen und die im Einzelfall gebotene Prüfungsintensität auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz zu gewährleisten (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 15 f.).

Aus der Begründung des Eilrechtsschutzantrags und der Beschwerde lässt sich deutlich ablesen, dass es dem Antragsteller in erster Linie darum geht, der ihm drohenden und nach Mitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe unmittelbar bevorstehenden Abschiebung Duldungsgründe entgegenzuhalten. Diese lassen sich aber - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsandrohung einwenden (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Vielmehr sind sie im Verfahren nach § 123 VwGO geltend zu machen. Bei dieser Sachlage drängt es sich auf, sich vom Wortlaut der Antrags- und Beschwerdeschrift des Antragstellers zu lösen und das Begehren des Antragstellers nicht nur als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern auch als solchen nach § 123 VwGO auszulegen.

1. Dem in diesem Sinne ausgelegten Rechtsschutzbegehren ist jedoch nicht zu entsprechen. Der Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, ihn abzuschieben, ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat nicht im Sinne des § 123 Abs. 3, § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 294 Abs. 1 und § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anordnungsanspruch zusteht. Im Gegenteil ist es nach Aktenlage überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller weder nach § 60a Abs. 2 AufenthG noch nach einer anderen Rechtsvorschrift ein Duldungsanspruch zusteht. Dabei dürften im vorliegenden Fall als denkbare Anspruchsgrundlagen von vornherein nur § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG in Betracht kommen.

a) Eine Anwendung von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass die Abschiebung des Antragstellers tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Umstände, die auf eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung hindeuten, sind weder vom Antragsteller vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Der Antragsteller hat sich in der Begründung seines Rechtsschutzbegehrens darauf konzentriert, Umstände vorzutragen, aus denen sich eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung ergeben soll. Als Ansatzpunkte werden dabei die schutzwürdige Beziehung des Antragstellers zu seinen minderjährigen Kindern sowie - ausdrücklich oder der Sache nach - die Schutzwirkungen aus Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 20 AEUV benannt. Diese Ausführungen greifen jedoch bei Würdigung der konkreten Sachlage absehbar nicht durch. Angesichts des im vorliegenden Fall gegebenen gewichtigen Interesses der Allgemeinheit an einer Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet wäre nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände in der Art und Ausgestaltung der Beziehung des Antragstellers zu seinen Kindern anzunehmen, dass sich aus Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK oder Art. 20 AEUV die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers ergeben könnte. Solche Umstände hat der Antragsteller weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Beschwerdeverfahren dargelegt. Auch im Übrigen deutet nach Aktenlage nichts darauf hin, dass das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Fortführung des persönlichen Kontakts mit seinen Kindern das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen könnte. Der Senat legt dieser Einschätzung die folgenden Maßstäbe und Überlegungen zum Vorbringen des Antragstellers zugrunde:

aa) Art. 6 GG gewährt Ausländern keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt im Bundesgebiet (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 15.12 -, juris Rn. 15, und Beschluss vom 04.07.2019 - 1 B 26.19 u.a. -, juris Rn. 5). Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, dazu, bestehende eheliche und familiäre Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Für das Recht der Achtung des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK gilt im Ergebnis nichts Anderes. Auch die Menschenrechtskonvention garantiert nicht das Recht eines einzelnen Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten. Die Vertragsstaaten haben vielmehr die Befugnis, über Einreise und Aufenthalt fremder Staatsangehöriger unter Beachtung der in der Konvention geschützten Rechte zu entscheiden. Art. 8 Abs. 1 EMRK verpflichtet sie allerdings, einen angemessenen Ausgleich der berührten Rechte und der öffentlichen Interessen herzustellen (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.07.2018 - 11 S 1224/18 -, juris Rn. 24 f., m.w.N.).

Die Ausländerbehörden sind danach im Grundsatz weder aus verfassungs- noch aus konventionsrechtlichen Gründen gehindert, auf der Grundlage der geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet auch zwangsweise zu beenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung vorliegen. Es ist allerdings möglich, dass Art. 6 GG sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK im konkreten Einzelfall einer Abschiebung entgegenstehen und damit ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG besteht. Denn aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben sich aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. hierzu und zum Folgenden nur BVerfG, Beschlüsse vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 17 ff., und vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 5), die im konkreten Einzelfall geeignet sein können, das Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn aufgrund der Abschiebung eine unzumutbare Trennung einer familiären Lebensgemeinschaft eintreten oder sich verfestigen würde. Schutzwirkungen entfalten Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK allerdings nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 87). Für den Umgang von Eltern mit ihren Kindern ist insoweit höchstrichterlich entschieden, dass auch der persönliche Kontakt mit dem Kind - unabhängig vom Sorgerecht (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 7) - Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts sowie der damit verbundenen Elternverantwortung ist. Er steht damit unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 7, vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 18 ff., und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 20; Bayer. VGH, Urteil vom 11.03.2014 - 10 B 11.978 -, juris Rn. 40).

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen. Es ist im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Kindes und des Elternteils umfassend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschlüsse vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris Rn. 31, und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 25; Bayer. VGH, Urteil vom 26.09.2016 - 10 B 13.1318 -, juris Rn. 32). Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte (BVerfG, Beschlüsse vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 14, und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 26). Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (BVerfG, Beschlüsse 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 7, vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 -, juris Rn. 15, und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 21). Die familiäre (Lebens-)Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes.

Weiter ist zu beachten, dass die tatsächliche Ausgestaltung des elterlichen Verhältnisses eines Ausländers zu seinem Kind grundsätzlich in der Sphäre des Ausländers liegt. Stützt sich ein Ausländer im behördlichen und gerichtlichen Verfahren zu Fragen des Aufenthaltsrechts auf den Schutz aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK, so obliegt es ihm, die konkrete Ausgestaltung des bestehenden Eltern-Kind-Verhältnisses darzulegen und erforderliche Nachweise zu erbringen (§ 82 Abs. 1 AufenthG). Dies betrifft insbesondere die Intensität der gelebten Beziehung und die Art und Weise ihrer alltäglichen Ausgestaltung.

Gemessen daran dürfte der vom Antragsteller geübte und auch weiterhin gewünschte persönliche Kontakt im Bundesgebiet zu seinen minderjährigen Kindern nicht dazu führen, dass der Antragsteller aus verfassungs- oder konventionsrechtlichen Gründen vor einer Abschiebung zu verschonen wäre.

Der Antragsteller hat im Eilrechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht sowie im Beschwerdeverfahren dargelegt, dass er der Vater zweier, in den Jahren 2013 und 2014 geborener, minderjähriger Kinder sei. Die Kinder seien aus einer inzwischen geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen hervorgegangen. Sie lebten in Deutschland bei der früheren Ehefrau des Antragstellers. Zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern bestehe eine enge Bindung. Die Kinder vermissten ihren Vater und litten unter der drohenden Beendigung seines Aufenthalts in Deutschland. Auch während der Verbüßung der ihm auferlegten Freiheitsstrafe sei der Kontakt des Antragstellers zu seinen Kindern nicht abgerissen. Es bestehe Brief- und Besuchskontakt. Ferner nehme der Antragsteller am Vater-Kind-Programm der Justizvollzugsanstalt teil. Außerdem habe er sich mit seiner früheren Ehefrau darauf verständigt, einen Versöhnungsversuch zu unternehmen; daher sei geplant, dass er nach seiner Haftentlassung wieder in die Wohnung der Familie einziehe.

Diese Ausführungen bilden nach Auffassung des Senats keine tragfähige Grundlage für die Einschätzung, dass die schützenswerten Belange des Antragstellers und seiner Kinder aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK im vorliegenden Fall von solchem Gewicht sind, dass sie das Interesse der Allgemeinheit überwiegen könnten, den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet im Wege der Abschiebung zu beenden.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in Deutschland noch nie eine Aufenthaltserlaubnis besessen hat, hier aber mehrfach straffällig geworden ist. Er wurde bestandskräftig ausgewiesen und bereits wiederholt in sein Herkunftsland abgeschoben. Ebenso wiederholt hat sich der Antragsteller über die aufenthaltsrechtlichen Vorgaben für die Einreise nach und den Aufenthalt in Deutschland hinweggesetzt. Dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet sowie daran, ihn für eine gewisse Dauer durch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot vom Bundesgebiet fern zu halten, kommt damit erhebliches Gewicht zu.

Im Vergleich dazu dürfte den durch Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Interessen des Antragstellers an der Pflege der persönlichen Beziehung zu seinen minderjährigen Kindern im Bundesgebiet geringeres Gewicht zuzumessen sein. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsteller geschieden ist und seine Kinder in erster Linie von seiner früheren Ehefrau betreut und versorgt werden. Der Antragsteller hat sich in keiner Weise dazu geäußert, in welcher Art und welchem Umfang er sich um seine Kinder seit deren Geburt gekümmert hat. Insbesondere fehlen im Vortrag des Antragstellers nähere Ausführungen zu den Fragen, wie er nach der Trennung der Eheleute Kontakt zu seinen Kindern gehalten hat, in welchem Umfang er von Umgangsrechten Gebrauch gemacht hat und ob hieraus ein persönlicher Umgang entstanden ist, dessen Fortsetzung für die Kinder unentbehrlich geworden ist. Spätestens seit Antritt seiner jüngsten Freiheitsstrafe hatte der Antragsteller nur noch vereinzelte persönliche Kontakte mit seinen Kindern. Er hat dargelegt, dass er während der gesamten Dauer seiner neunmonatigen Freiheitsstrafe insgesamt nur zweimal von seiner früheren Ehefrau und den Kindern besucht worden sei (6. April und 11. September 2019). Darüber hinaus hat der Antragsteller lediglich von bestehenden Briefkontakten berichtet, sowie darüber, dass er in der Justizvollzugsanstalt am Vater-Kind-Programm teilnehme. Über die Häufigkeit dieser Briefkontakte sowie darüber, ob und in welcher Weise ihn das Vater-Kind-Programm tatsächlich in Kontakt zu seinen Kindern gebracht hat, finden sich weder in der Antragsschrift vom 1. Oktober 2019 noch in der Beschwerdeschrift Ausführungen.

Bei dieser Sache vermag der Senat keine besonderen Umstände in der konkreten Ausgestaltung der Beziehung des Antragstellers zu seinen Kindern sowie in den Kontakt-, Austausch- und Nähebedürfnissen des Antragstellers und seiner Kinder zu erkennen, die es nahelegen, dass im vorliegenden Fall schutzwürdige Interessen des Antragstellers und seiner Kinder aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK das berechtigte Aufenthaltsbeendigungsinteresse der Allgemeinheit überwiegen. Die dem Gericht bekannten Umstände deuten klar in eine andere Richtung. Dies betrifft zum einen die geringe Zahl von Besuchen, die der Antragsteller von seinen Kindern in der Justizvollzugsanstalt erhalten hat. Zu den Gründen, weshalb er von seinen Kindern nicht öfter in der Justizvollzugsanstalt besucht worden ist, hat sich der Antragsteller nicht geäußert. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass die geringe Besuchsfrequenz auf den Unwillen der früheren Ehefrau des Antragstellers zurückzuführen wäre, ihren Kindern den Kontakt mit dem Antragsteller zu ermöglichen. Nach Angaben des Antragstellers ist ein Versöhnungsversuch und seine Rückkehr in die Wohnung der Familie geplant; dies deutet nicht darauf hin, dass sich seine frühere Ehefrau als Mutter der Kinder in grundsätzlicher Weise gegen häufigere Besuchskontakte gesperrt hätte. Von noch größerem Gewicht dürfte zum anderen der Umstand sein, dass den Antragsteller die Geburt seiner beiden Kinder nicht davon abgehalten hat, auch in den Jahren 2013, 2015, 2016 und 2018 Straftaten von so erheblichem Gewicht zu begehen, dass in drei Fällen Freiheitsstrafen verhängt worden sind. Der Antragsteller hat sich in diesem Zeitraum wegen der Begehung von Straftaten wiederholt über mehrere Monate in Haft befunden. In diesen Phasen war ihm die Pflege der Beziehung zu seinen Kindern naturgemäß nur eingeschränkt möglich. Darüber hinaus deutet das hartnäckig kriminelle Verhalten des Antragstellers darauf hin, dass er es bewusst riskiert hat, den persönlichen Kontakt zu seinen Kindern einschränken zu müssen.

bb) Die Abschiebung des Antragstellers in sein Herkunftsland ist auch mit Art. 20 AEUV zu vereinbaren.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts kann einem Drittstaatsangehörigen (wie dem Antragsteller) ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis zustehen, das aus Art. 20 AEUV abgeleitet wird. Ein solches Aufenthaltsrecht schließt eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen aus rechtlichen Gründen aus. Die Entstehung eines Aufenthaltsrechts aus Art. 20 AEUV setzt voraus, dass ein vom Drittstaatsangehörigen abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde (EuGH, Urteil vom 08.05.2013 - C-82/16 -, juris Rn. 63 ff.; Urteil vom 10.05.2017 - C-133/15 -, juris Rn. 70 ff.; Urteil vom 13.09.2016 - C-165/14 -, juris Rn. 51; Urteil vom 19.10.2004 - C 200/02 -, juris Rn. 25 ff.; BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 34; Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 Rn. 33 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2019 - 11 S 2118/18 -, juris Rn. 28 ff.; Bayer. VGH, Beschluss vom 03.09.2019 - 10 C 19.1700 -, juris Rn. 7; OVG Bln.-Bdbg., Beschluss vom 31.10.2019 - 11 S 63.19 -, juris Rn. 7 f.).

Die Gewährung eines solchen Aufenthaltsrechts kann jedoch nur ausnahmsweise oder bei Vorliegen ganz besonderer Sachverhalte erfolgen (EuGH, Urteile vom 08.05.2018 - C-82/16 -, juris Rn. 51, vom 08.11.2012 - C-40/11 -, juris Rn. 71, vom 15.11.2011 - C-256/11 -, juris Rn. 67; BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris rn. 35; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2019 - 11 S 2118/18 -, juris Rn. 29). Verhindert werden soll nämlich nur eine Situation, in der der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht, als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen oder sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen (BVerwG, Urteile vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 35; vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147 261 Rn. 34).

Gegen eine rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit spricht etwa die Tatsache, dass ein minderjähriger Unionsbürger - wie hier - mit einem sorgeberechtigten Elternteil zusammenlebt, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und berechtigt ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2019 - 11 S 2118/18 -, juris Rn. 30).

Allerdings ist es möglich, dass dessen ungeachtet eine so große affektive Abhängigkeit des Kindes von dem nicht aufenthaltsberechtigten Elternteil besteht, dass sich das Kind zum Verlassen des Unionsgebiets gezwungen sähe, wenn dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht verweigert, entzogen oder ihm die Rückkehr ins Bundesgebiet verboten würde. Einer solchen Feststellung muss die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zugrunde liegen. Hierzu zählen insbesondere das Alter des Kindes, seine körperliche und emotionale Entwicklung, der Grad seiner affektiven Bindung zu seinen Eltern und das Risiko, das mit der Trennung vom drittstaatsangehörigen Ausländer für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre (EuGH, Urteil vom 10.05.2017 - C-133/15 -, juris Rn. 71; BVerwG, Urteile vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 35, und vom 30.07.2013 - 1 C 15.12 -, BVerwGE 147, 278 Rn. 32 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2019 - 11 S 2118/18 -, juris Rn. 31). Auch in diesem Zusammenhang obliegt es dem Drittstaatsangehörigen, die Informationen beizubringen, anhand deren sich beurteilen lässt, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 20 AEUV erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 10.05.2017 - C-133/15, juris Rn. 75 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2019 - 11 S 2118/18 -, juris Rn. 31).

Mit Blick auf diesen Maßstab ist nicht davon auszugehen sein, dass Art. 20 AEUV einer Abschiebung des Antragstellers entgegensteht.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Kinder des Antragstellers von diesem rechtlich oder wirtschaftlich abhängig wären. Sie leben vielmehr bei ihrer sorgeberechtigten Mutter, die als deutsche Staatsangehörige über einen gesicherten Aufenthalt im Bundesgebiet und über die Befugnis verfügt, hier einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Aus dem Vortrag des Antragstellers im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren lässt sich auch nicht ableiten, dass zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern eine affektive Bindung besteht, die so intensiv ist, dass im Falle der Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet die Kinder faktisch gezwungen wären, ihrem Vater in dessen Herkunftsland nachzufolgen. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen zu Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK Bezug genommen werden. Der Antragsteller hat keine Umstände aufgezeigt, die darauf hindeuten, dass zwischen ihm und seinen Kindern eine über das typische Maß hinausreichende, besonders intensive Beziehung besteht. Er hat auch keine Umstände geschildert oder fachkundige Stellungnahmen beigebracht, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass die Kinder im Falle einer Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet einem greifbaren Risiko ausgesetzt wären, nachhaltig ihr inneres Gleichgewicht zu verlieren.

b) Der Senat geht auch nicht davon aus, dass sich aus Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK oder Art. 20 AEUV eine rechtliche Verpflichtung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ableiten lässt, das ihm als zuständiger Ausländerbehörde nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG eröffnete Ermessen zugunsten des Antragstellers auszuüben. Zudem weist nichts darauf hin, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe im aktuellen Stand der Prüfungen einen Weg eingeschlagen hat, der absehbar auf eine fehlerhafte Ausübung des Duldungsermessens zuläuft (zur Anwendung dieses Maßstabs im Verfahren nach § 123 VwGO VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.06.2019 - 11 S 1645/19 -).

Danach ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, dem Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu untersagen, kein Raum.

2. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auch kein Anlass besteht, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29. August 2019 anzuordnen.

a) Soweit sich der Eilrechtsschutzantrag auf die Ziffern 1 bis 3 des Bescheides bezieht, verweist der Senat zur Begründung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss und sieht im Übrigen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer weiteren Begründung ab.

b) Dagegen teilt der Senat nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig sei, soweit er sich auf die Ziffer 4 des Bescheids bezieht. Mit dieser Ziffer hat das Regierungspräsidium dem Antragsteller aufgegeben, für die Dauer von zwei Jahren weder in das Bundesgebiet einzureisen noch sich darin aufzuhalten; außerdem hat die Behörde klargestellt, dass die genannte Frist mit der Abschiebung des Antragstellers beginnt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich hierbei nicht lediglich um die behördliche Befristung eines sich bereits aus dem Gesetz ergebenden Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG a.F.). Vielmehr hat das Regierungspräsidium mit Ziffer 4 seines Bescheids § 11 AufenthG in der Fassung angewendet, die diese Vorschrift mit Wirkung ab dem 21. August 2019 durch Artikel 1 Nummer 4 des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294 <1295 f.>) erhalten hat. Es hat also gegen den Antragsteller gemäß § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein an dessen bevorstehende Abschiebung anknüpfendes, behördliches Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt und dieses gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG auf eine Dauer von zwei Jahren ab erfolgter Abschiebung befristet. Bei diesem befristeten Verbot handelt es sich um einen einheitlichen belastenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Abs. 1 LVwVfG, der Gegenstand eines statthaften Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sein kann.

Der Statthaftigkeit eines solchen Antrags stehen § 80 Abs. 1 VwGO und die vom Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. August 2019 rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage nicht entgegen. Der Senat ist der Auffassung, dass die aufschiebende Wirkung dieser Klage in Bezug auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG entfallen ist.

Dies ergibt sich allerdings nicht bereits eindeutig aus dem Wortlaut von § 84 Abs. 1 AufenthG. Denn im Katalog derjenigen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, bei denen nach § 84 Abs. 1 AufenthG die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet, finden zwar die - im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten - Anordnungen von Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 Abs. 6 AufenthG (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AufenthG) und § 11 Abs. 7 AufenthG (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) Erwähnung, nicht aber Anordnungen eines solchen Verbots nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG bezieht sich zwar umfassend auf alle Einreise- und Aufenthaltsverbote des § 11 AufenthG, befasst sich seinem Wortlaut nach aber nur mit deren Befristung. Der Gesetzgeber hat also auch nach dem im August 2019 erfolgten Systemwechsel in § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG vom gesetzlichen zum behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot am Wortlaut des § 84 Abs. 1 AufenthG festgehalten, soweit diese Vorschrift Anordnungen von Einreise- und Aufenthaltsverboten sowie deren Befristung betrifft.

Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisefrist lässt sich aber hinreichend deutlich ableiten, dass der Gesetzgeber mit dem oben angesprochenen Systemwechsel nicht zugleich das Ziel verfolgt hat, den Rechtsschutz gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote künftig dergestalt zu erweitern, dass Widerspruch und Klage gegen ein solches Verbot unmittelbar kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 1 VwGO) aufschiebende Wirkung haben. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BT-Drs. 19/10047, S. 26 und 31 ff.) wurde mit der Neufassung von § 11 AufenthG ausschließlich das Anliegen verfolgt, das deutsche Aufenthaltsrecht in Bezug auf Einreise- und Aufenthaltsverbote, die an behördliche Rückkehrentscheidungen anknüpfen, mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Der hiermit verbundene Systemwechsel von einem kraft Gesetzes entstehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot zum Erfordernis eines im jeweiligen Einzelfall behördlich verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots ist bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. August 2019 durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des bisher geltenden Rechts bewältigt worden. Dabei ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass in einer behördlichen Befristungsentscheidung regelmäßig zugleich der konstitutive Erlass eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots gesehen werden kann (BVerwG, Urteile vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 25, und vom 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 42; Beschlüsse vom 13.07.2017 - 1 BR 3.17 und 1 A 10.17 -; zu den prozessualen Konsequenzen dieses Ansatzes vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.11.2018 - 11 S 2018/18 -, juris Rn. 30; VG Sigmaringen, Beschluss vom 28.03.2018 - A 1 K 7863/17 -, juris Rn. 31; Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 5 Rn. 810; bereits zum neuen Recht vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2019 - A 19 K 1718/17 -, juris Rn. 36 f.; VG Berlin, Beschluss vom 09.09.2019 - 19 K 447.17 -, juris Rn. 53; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020 <im Erscheinen>, § 11 AufenthG Rn. 133). Der Bundesgesetzgeber hat sich die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Vorgaben des Unionsrechts nun zu eigen gemacht und im Wege der Neufassung von § 11 AufenthG nachvollzogen. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz vom 15. August 2019 wird dieses Anliegen wie folgt erläutert (BT-Drs. 19/10047, S. 31):

§ 11 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes sieht bislang vor, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot kraft Gesetzes infolge einer Ausweisung, Zurückweisung oder Abschiebung entsteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschlüssen vom 13. Juli 2017 - 1 BR 3.17 und 1 A 10.17 -, sowie Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - die Auffassung vertreten, dass ein allein auf einer Anordnung des Gesetzgebers beruhendes Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht im Einklang mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG stehe. Artikel 3 Nummer 6 der Richtlinie definiere das Einreiseverbot als "behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht."

Durch die Neufassung wird der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen. Anstelle des bisherigen Automatismus sieht Absatz 1 Satz 1 vor, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen ist. Es tritt daher nicht mehr kraft Gesetzes ein, sondern stellt einen Verwaltungsakt dar.

In den parlamentarischen Beratungen ist dieser Ansatz nicht in Frage gestellt worden (vgl. hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des federführenden Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestags vom 5. Juni 2016 <BT-Drs. 19/10706, S. 6 ff.> sowie die Protokolle zu den Beratungen im Plenum BT-PlProt 19/101 S. 12184A ff., 19/105 S. 12873B ff., 19/105 S. 12891B).

Hier hätte es freilich nahegelegen, den Text von § 84 Abs. 1 AufenthG an den neugefassten § 11 AufenthG anzupassen. Der Bundesrat hatte dies in seiner Stellungnahme vom 17. Mai 2019 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ausdrücklich vorgeschlagen (vgl. BT-Drs. 19/10506, S. 8). Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates ohne Begründung abgelehnt (vgl. BT-Drs. 19/10506, S. 11). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist das Thema - soweit ersichtlich - weder im Deutschen Bundestag noch im Bundesrat erörtert worden.

Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom 15. August 2019 und der Systematik der hier interessierenden Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes folgt aber hinreichend deutlich, dass Widerspruch und Klage gegen ein an eine Abschiebung anknüpfendes, befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (in der Fassung des Gesetzes vom 15. August 2019) nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Bei der Ausgestaltung des Zusammenspiels von § 11 und § 84 Abs. 1 AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I S. 1386) war der Gesetzgeber noch der Annahme, dass es ausdrücklicher Regelungen betreffend den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage in Bezug auf Einreise- und Aufenthaltsverbote nur hinsichtlich derjenigen Fälle bedarf, in denen das Verbot bei Vorliegen seiner Voraussetzungen nicht automatisch kraft Gesetzes entsteht, sondern es erst mit dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes Wirksamkeit erlangt (§ 11 Abs. 6 und 7 AufenthG a.F.). Im Übrigen hat der Gesetzgeber einen Anknüpfungspunkt für die Anwendung von § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auch noch in der behördlichen Entscheidung über die Befristung gesetzlicher oder behördlicher Einreise- und Aufenthaltsverbote gesehen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG). Mit dem so in § 84 Abs. 1 AufenthG geschaffenen Regelungssystem sollte ersichtlich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage in Bezug auf sämtliche Behördenentscheidungen ausgeschlossen werden, die den Erlass und die inhaltliche Ausgestaltung von Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 AufenthG zum Gegenstand haben.

Auf der Grundlage der oben angesprochenen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts ist man sodann davon ausgegangen, dass § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG nicht nur auf den Widerspruch und die Klage Anwendung findet, soweit diese sich im engeren Sinne gegen behördliche Befristungsentscheidungen richten. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG wurde in der Rechtsanwendung nun auch unmittelbar auf das konkludent zugleich mit der behördlichen Befristungsentscheidung erlassene Einreise- und Aufenthaltsverbot bezogen (vgl. zum Ganzen Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: September 2019, § 84 Rn. 56 ff., und Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 5 Rn. 810).

Diese Entwicklung lässt den Schluss zu, dass die pauschale Ablehnung des oben angesprochenen Vorschlags des Bundesrats durch die Bundesregierung und - dem Ansatz der Bundesregierung folgend - das Festhalten an der bisherigen Regelung im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags auf die Annahme zurückzuführen ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erfasse auch weiterhin sowohl behördliche Befristungsentscheidungen als auch befristete behördliche Entscheidungen über die Anordnung von Einreise- und Aufenthaltsverboten. Gesetzestechnisch wird man diesen Ansatz zwar nicht für gelungen bezeichnen können. Er hält sich jedoch noch im Rahmen des möglichen Wortsinns der Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG. Denn bei der Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG handelt es sich weder um eine typische Nebenbestimmung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG/LVwVfG noch um einen neben dem Einreise- und Aufenthaltsverbot stehenden Verwaltungsakt. Vielmehr sieht das Gesetz in § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG eine einheitliche Anordnung vor, nämlich ein Verbot, das ohne die Bestimmung über die Dauer nicht ergehen darf.

Diese Auslegung liegt angesichts der Gesetzgebungsmaterialien wesentlich näher als eine Interpretation, wonach Widerspruch und Klage gegen behördliche Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG nicht erfasst sind und folglich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfalten. Sie führt zu einem in sich stimmigen System des Rechtsschutzes gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote unabhängig von deren Rechtsgrundlage (§ 11 Abs. 1, 2, 6, 7, § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8, § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Andernfalls bliebe völlig unklar, weshalb § 80 Abs. 1 VwGO auf Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG, nicht aber auf solche nach § 11 Abs. 6 und 7 AufenthG Anwendung finden soll. Wäre eine solche Differenzierung beabsichtigt gewesen, hätte es sich aufgedrängt, im Gesetzgebungsverfahren die Sachgründe zu erörtern, die hierfür maßgebend sein könnten.

c) Die Beschwerde ist aber (auch) unbegründet, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das ihn betreffende Einreise- und Aufenthaltsverbot begehrt. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung des Vollzugsinteresses der Allgemeinheit mit dem Aussetzungsinteresse des Rechtsschutz Suchenden führt im vorliegenden Fall bei der gebotenen Orientierung an den Erfolgsaussichten des Rechtsschutzanliegens im Hauptsacheverfahren zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses der Allgemeinheit. Denn die angefochtene Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnet nach Aktenlage keinen rechtlichen Bedenken.

Das mit Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids in Anwendung von § 11 Abs. 1 und Absatz 2 Satz 2 AufenthG angeordnete zweijährige Verbot, in das Bundesgebiet einzureisen, dürfte rechtmäßig sein. Das Regierungspräsidium Karlsruhe handelte als zuständige Ausländerbehörde (§ 71 Abs. 1 und § 11 Abs. 5c AufenthG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 sowie § 9 Abs. 1 AAZuVO). Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung. Das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot dürfte zudem materiell rechtmäßig sein; dies gilt auch für die Bemessung seiner Dauer. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG für den Erlass des streitgegenständlichen Verbots liegen zweifellos vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verbot in seiner konkreten Ausgestaltung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt oder aus sonstigen Gründen an nach § 114 VwGO relevanten Ermessensfehlern leidet. Ansatzpunkte für eine nähere Prüfung zu diesen Themen ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nur insofern, als dieser geltend macht, Vater zweier minderjähriger deutscher Staatsangehöriger zu sein, und sich der Sache nach auf den Schutz aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 20 AEUV beruft. Diese Argumentation greift aber auch im vorliegenden Zusammenhang nicht durch. Zur weiteren Begründung wird auf die obigen Ausführungen zum Antrag nach § 123 VwGO Bezug genommen. Sollte es sich während des Auslandsaufenthalts des Antragstellers und des Laufs der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot herausstellen, dass mit Blick auf das Wohl seiner Kinder eine frühere Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland geboten erscheint, steht ihm der Weg offen, nach § 11 Abs. 4 AufenthG die nachträgliche Verkürzung der Dauer des Verbots oder sogar dessen vollständige Aufhebung zu erwirken.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 152 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 39 Abs. 1, § 47, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 63 Abs. 2 GKG. Dabei hat der Senat sowohl den Wert des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. August 2019 als auch denjenigen des Antrags nach § 123 VwGO mit jeweils 2.500 EUR veranschlagt. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird daher entsprechend geändert (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).