Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 11.02.2020 - 11 B 12/20
Fundstelle
openJur 2020, 2586
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sowie gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen.

Der Antragsteller, ein serbischer Staatsangehöriger (geb. am 06.11.2001), reiste 2011 mit seinen Eltern und Geschwistern ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Der Antrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Zuletzt reisten sie im Dezember 2013 ins Bundesgebiet ein, ein weiterer Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24.01.2014 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Eine anschließendes Klageverfahren (3 A 178/14) blieb erfolglos.

Ab Ende 2016 erteilte und verlängerte der Antragsgegner dem Antragsteller Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, da er von einer Reiseunfähigkeit der Mutter des Antragstellers ausging. Zuletzt wurde die Erlaubnis bis zum 06.11.2019 verlängert. Im August 2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass seine Aufenthaltserlaubnis mit Ablauf des 06.11.2019 ungültig werde. Er wurde zwecks möglicher Verlängerung gebeten, einen Nachweis über den weiteren Aufenthaltszweck sowie Einkommensnachweise zu erbringen. Am 23.09.2019 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Als Zweck wurde angegeben: "Ausbildung/Schule/Arbeit". Er erklärte bei Antragstellung, er habe die Schule im Sommer beendet, leider jedoch ohne Abschluss. Aktuell suche er einen Ausbildungsplatz.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2019 wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller seit Mitte Oktober eine Einstiegsqualifizierung bei einer Bäckerei absolviere. Es sei geplant, im Sommer 2020 eine Ausbildung dort zu beginnen. Zudem habe er seine feste Freundin nach Roma-Ritus geheiratet. Nach Abschluss ihrer Ausbildung wollten sie auch standesamtlich heiraten. Es wurde beantragt, die Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25a, 25 Abs. 4 oder Abs. 5 oder nach einer anderen in Betracht kommenden Norm zu erteilen.

Am 06.11.2019 wurde beim Antragsgegner mitgeteilt, dass der Vertrag zwischen der Bäckerei und dem Antragsteller gekündigt worden sei.

Mit Bescheid vom 04.12.2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Serbien aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 04.01.2020 zu verlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Eintritt der Volljährigkeit sei das Ausreisehindernis entfallen. Die Voraussetzungen des § 25a AufenthG lägen nicht vor, da der Antragsteller nicht geduldet im Sinne der Vorschrift sei. Im Übrigen sei nicht gewährleistet, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die der Bundesrepublik Deutschland einfügen könne. Auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AufenthG seien nicht erfüllt. Sollte eine Eheschließung beabsichtigt werden, könne der Antragsteller legal mit dem entsprechenden Visum einreisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch und begründete diesen damit, dass er bei einer Rückkehr nach Serbien hilflos sei, zumal er die serbische Sprache nicht beherrsche. Er könne seinen Lebensunterhalt dort nicht sichern. Er wäre auf sich allein gestellt und wäre quasi obdachlos. Bei der Einstiegsqualifizierung in der Bäckerei habe man ihm keine Chance gegeben, sich zu beweisen. Nunmehr habe er einen neuen Platz zur Einstiegsqualifizierung in der Senioren Residenz xxx gefunden. Ein Ausbildungsplatz im Sommer 2020 stehe in Aussicht.

Der Antragsteller hat nunmehr um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Er macht geltend, er habe am 17.01.2020 ein Praktikum in der Senioren-Residenz begonnen. Dieses dauere bis zum 31.07.2020 an. Anschließend solle es in eine Ausbildung übergehen.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06.01.2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04.12.2019 anzuordnen,

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf seinen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Er ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes entfällt. Im vorliegenden Fall ist auch hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis einstweiliger Rechtsschutz vorrangig nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, 123 Abs. 5 VwGO i.?V.?m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu gewähren. Denn die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat für den Antragsteller eine belastende Rechtsfolge ausgelöst, die im Sinne von § 80 Abs. 5 VwGO durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage suspendierbar ist. Wegen § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG führt für die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu der belastenden Rechtsfolge des Wegfalls der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese Abwägung ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzubeziehen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs regelmäßig abzulehnen - eine Abwägungsentscheidung ist insoweit regelmäßig durch den Gesetzgeber bereits getroffen worden. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Folgenabwägung durchzuführen.

Gemessen daran ist der Antrag unbegründet. Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweist sich die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis als offensichtlich rechtmäßig.

Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 25 ff. AufenthG.

Er hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG. Danach soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, es gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt.

Hier fehlt es bereits an dem erfolgreichen Schulbesuch bzw. dem Erwerb eines Abschlusses. Ausweislich des Wortlauts ist entweder ein aktueller Schulbesuch oder der Erwerb eines Abschlusses erforderlich. Dementsprechend ist für Schulabgänger, die - wie der Antragsteller - die Schule ohne anerkannten Schulabschluss verlassen haben, allein aufgrund ihres vergangenen Schulbesuchs der Tatbestand des § 25a AufenthG in der Regel nicht mehr erfüllt (Zühlcke, HTK-AuslR / § 25a AufenthG / zu Abs. 1, Stand: 23.01.2020; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. Mai 2017 - 2 M 34/17 -, juris, Rn. 10).

Mangels rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Das Ausreisehindernis nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Reiseunfähigkeit der Mutter ist mit Eintritt der Volljährigkeit entfallen. Im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung kann dahinstehen, ob dies ausreichend glaubhaft gemacht worden ist. Denn der Antragsteller ist insoweit auf den geregelten Familiennachzug nach den §§ 27 ff. AufenthG zu verweisen. Rechtliche Vorwirkungen einer noch nicht unmittelbar bevorstehenden Eheschließung begründen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK nicht. Aus diesem Grund ist auch eine Erteilung nach § 25 Abs. 4 AufenthG ausgeschlossen.

Soweit der Antragsteller im Übrigen zielstaatsbezogene Umstände geltend macht, ist der Antragsgegner gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hinsichtlich § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gebunden.

Hinsichtlich des Praktikums bei der Seniorenresidenz hat der Antragsteller ebenfalls keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Das Praktikum bzw. eine Einstiegsqualifizierung fällt nicht unter einen sonstigen Ausbildungszweck gemäß § 17 AufenthG, da gemäß § 54a Abs. 1 Satz 2 SGB III damit erst die Herstellung der erforderlichen Ausbildungsreife bezweckt wird (BeckOK AuslR/Fleuß, 24. Ed. 1.11.2019, AufenthG § 17 Rn. 5).

Für einen Anspruch nach § 18 AufenthG fehlt es jedenfalls an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Die Sicherung des Lebensunterhalts des Antragstellers ist nicht gewährleistet.

Auch die Möglichkeit der Ausbildung ab 01.08.2020 begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Diesbezüglich liegt kein Ausbildungsvertrag vor, es wurde lediglich in Aussicht gestellt, dass eine Ausbildung erfolgen könne. Für etwaige Vorwirkungen einer beabsichtigten Ausbildung fehlt es an der rechtlichen Grundlage.

Soweit der Antragsteller damit eine Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG begehrt, fehlt es dafür ebenfalls am erforderlichen Vertrag. Zudem wäre dies - nach vorheriger Antragstellung bei der Behörde - in einem Verfahren nach § 123 VwGO geltend zu machen.

Die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung, die in der Regel die nach der Richtlinie 2008/115/EG - Rückführungsrichtlinie erforderliche Rückkehrentscheidung darstellt, richtet sich nach §§ 58, 59 Abs. 1 AufenthG. Der Antragsteller ist nach Ablehnung des Verlängerungsantrags vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die gesetzte Ausreisefrist, die sich im gesetzlichen Rahmen nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bewegt (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie), ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

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