VG Hamburg, Beschluss vom 03.12.2019 - 5 E 5549/19
Fundstelle
openJur 2020, 2511
  • Rkr:

Einstweiliger Rechtsschutz in Bezug auf das Verfahren der Wahl zum Studierendenparlament einer Hochschule.

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig zur Wahl des Studierendenparlaments mit 47 Kandidaten gemäß der Bekanntmachung über die Feststellung der vorläufigen Kandidatenliste für die Wahl des Studierendenparlaments 2019/2020 vom 15. November 2019 zuzulassen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antrag ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin ist als Liste für die Wahlen zum Studierendenparlament antragsbefugt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2004, 3 Bs 531/04). Als Listenverantwortlicher der Antragstellerin ist Herr x zur Vertretung der Antragstellerin befugt.

Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dafür müssen gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO tatsächliche Umstände glaubhaft gemacht werden, aus denen ein in der Hauptsache zu schützendes Recht (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) folgen.

Ein Anordnungsgrund ergibt sich hier daraus, dass die Wahlbriefe für die Wahlen zum Studierendenparlament bis zum 8. Dezember an alle Studierenden verschickt werden müssen (§ 10 Abs. 1 S. 1 der Ordnung der Wahlen zum Studierendenparlament der Universität Hamburg i.d.F. vom 15.10.2015, im Folgenden Wahlordnung).

Darüber hinaus besteht auch ein Anordnungsanspruch. Zwar sind Fehler im Verfahren der Zulassung einzelner Listen zumindest ab Beginn der Durchführung einer Wahl lediglich im Anschluss an die Wahl im Wege der Wahlanfechtung geltend zu machen (VG Hamburg, jeweils Beschl. v. 29.11.2018, 15 E 5993/18, 19 E 6018/18, 20 E 6072/18; Beschl. v. 3.1.2014, 2 E 28/14; Beschl. v. 20.12.2017, 11 E 9779/17, alle n.v.). Einstweiliger Rechtsschutz kann deshalb allenfalls in der Vorbereitungsphase gewährt werden. Dieser Grundsatz folgt aus dem Umstand, dass der reibungslose Ablauf einer Wahl nur gewährleistet werden kann, wenn die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2014, 2 E 28/14, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 24.8.2009, 2 BvQ 50/09, juris Rn. 5; BVerfG, Beschl. v. 15.5.1963, 2 BvR 194/63, juris Rn. 4). Auch wenn die Wahlversammlung am 28. November 2019 stattgefunden hat, schließt die Möglichkeit eines Wahlprüfungsverfahrens den vorliegenden Antrag hier ausnahmsweise nicht aus. Denn Art. 19 Abs. 4 GG könnte in seinem Kern verletzt sein, wenn eine Wahl durchgeführt werden dürfte, obwohl ein eingelegter Rechtsbehelf erkennen lässt, dass eine spätere Wahlanfechtung Erfolg haben muss (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2004, 3 Bs 531/04). Nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Gerichts dürfte eine dem Anordnungsantrag entsprechende Klage mit der für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit Erfolg haben.

Die Antragstellerin dürfte wie von ihr beantragt in der Weise für die Wahl des Studierendenparlaments 2019/2020 zuzulassen sein wie es dem Beschluss des Antragsgegners über die Bekanntmachung der vorläufigen Kandidatenliste vom 15. November 2019 entspricht. Auf den gegen diesen Beschluss erhobenen Einspruch des Studierenden Y. hat der Antragsgegner am 22. November 2019 zwar beschlossen, die Antragstellerin nicht zur Wahl zuzulassen. Diesen Beschluss hat die Rechtsaufsicht der Universität Hamburg jedoch beanstandet und mit Bescheid vom 25. November 2019 dessen Aufhebung verlangt. Dem ist der Antragsgegner mit Beschluss vom 26. November 2019 nachgekommen. Allerdings hat er sich am 27. November 2019 nochmals mit dem Einspruch befasst und erneut entschieden, dass die Gesamtliste der Antragstellerin nicht zur Wahl zugelassen wird.

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass diesem Beschluss eine veränderte Sachlage zugrunde liegt gegenüber der, die die Grundlage des Bescheids der Universität vom 25. November 2019 bildete. Die vom Antragsgegner geltend gemachte Manipulation der Formblätter hat die Rechtsaufsicht in ihrem Bescheid berücksichtigt und nicht bestätigt gefunden. Das Gericht hat keinen Anhalt dafür, dass diese Einschätzung fehlerhaft gewesen sein könnte. Die erneute Behandlung des durch L. Z. erhobenen Einspruchs stellt sich danach für das Gericht im Zusammenhang mit dem zeitlichen Ablauf der Wahlvorbereitungen als Versuch dar, Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragstellerin im Rahmen der Wahlvorbereitungen zu unterbinden. Denn nach dem Bescheid der Rechtsaufsicht vom 25. November 2019 hob der Antragsgegner am 26. November 2019 seinen Beschluss vom 22. November 2019 zunächst auf und (so wörtlich) „nahm die Feststellung der endgültigen Kandidatenliste vom 22. November 2019 zurück“. Dadurch erweckte er den Anschein, dass er dem Bescheid der Rechtsaufsicht Folge leistete. Darauf lassen auch in den Sachakten befindliche E-Mails schließen, wonach der Beschluss an die Präsidiumsmitglieder und den Listenverantwortlichen der Antragstellerin übermittelt wurde. Erst am 28. November 2019 übermittelte der Präsident der Antragsgegnerin den weiteren Präsidiumsmitgliedern den Wunsch, am 28. November 2019 um 16 Uhr zu einer Präsidiumssitzung zusammenzukommen und schlug für die Tagesordnung u.a. vor, über den Einspruch von Y. zu entscheiden. Ohne dass sich insoweit eine veränderte Sachlage ergeben hatte, erweckt dies den Anschein, dass damit allein erreicht werden sollte, unter formaler Befolgung des von der Rechtsaufsicht beanstandeten Beschlusses die Antragstellerin von der Wahl ausschließen zu können, ohne dass ihr möglich wäre, noch vor der Durchführung der Wahl Rechtsschutz zu suchen. Ein solches Verhalten stellt sich als missbräuchlich dar.

Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im gegenwärtigen Zeitpunkt steht ausnahmsweise nicht entgegen, dass die Wahlversammlung bereits unmittelbar nach der Präsidiumssitzung am 28. November 2019 stattgefunden hat. Auch wenn einstweiliger Rechtsschutz allenfalls in der Vorbereitungsphase einer Wahl gewährt werden kann und die Wahlversammlung als Beginn der Durchführung der Wahl angesehen wird, schließt dies aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht aus, der Antragstellerin gegenwärtig Rechtsschutz zu gewähren. Der Grund für die Verweisung auf die Möglichkeit einer Wahlanfechtung liegt darin, dass der reibungslose Ablauf der Wahl nur gewährleistet werden kann, wenn die Rechtskontrolle während des Wahlverfahrens begrenzt wird. Anders als in anderen von der Rechtsprechung bereits entschiedenen Verfahren, zeichnet sich hier eine Verzögerung der Wahl durch noch zu klärende Rechtsfragen allerdings nicht ab. Eine Rechtskontrolle durch die Rechtsaufsicht der Universität hat in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Frage bereits stattgefunden. Deren rechtlicher Einschätzung ist der Antragsgegner soweit ersichtlich nicht entgegengetreten. Sollten sich, wie der Antragsgegner vorgebracht hat, Wahlunterlagen bereits im Druck befinden, dürfte dies einem jetzt zu gewährenden Rechtsschutz gleichfalls nicht entgegenstehen. Denn es dürfte möglich und zumutbar sein, entweder die Druckaufträge anzuhalten oder zu widerrufen und zeitgerecht bis zum 8. Dezember 2019 die Wahlbriefe zu verschicken, wie es § 10 Abs. 1 Wahlordnung vorsieht. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen lässt, dass über einen entsprechenden Druckauftrag überhaupt bereits im Präsidium entschieden worden ist. Vielmehr geht aus einer E-Mail vom 1. Dezember 2019 hervor, dass ein Mitglied des Präsidiums der mit E-Mail vom 30. November 2019 durch den Präsidenten des Präsidiums erbetenen Zustimmung zur Druckfreigabe ausdrücklich widersprochen hat. Im Übrigen war dem Antragsgegner spätestens aufgrund des „Hängebeschlusses“ vom 2. Dezember 2019 bekannt, dass er mit einem Druckauftrag ein finanzielles Risiko einging. Selbst wenn dem Antragsgegner somit finanzielle Einbußen aufgrund vergeblicher Aufwendungen entstehen sollten, wären ihm diese zumutbar.

Letztlich steht auch der Umstand, dass die bei der Wahlversammlung anwesenden Wahlberechtigten aufgrund des Beschlusses der Antragsgegnerin, die Liste der Antragstellerin nicht zur Wahl zuzulassen, keinen persönlichen Eindruck von den Kandidaten gewinnen konnten, der jetzigen Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entgegen (vgl. zu diesem Aspekt: VG Hamburg, Beschl. v. 29.11.2018, 15 E 5993/18). § 8 Abs. 2 der Wahlordnung eröffnet die Möglichkeit zur Befragung der kandidierenden Personen, setzt für die Wahl aber nicht zwingend voraus, dass sich die Kandidaten in der Wahlversammlung präsentieren. Dementsprechend geht aus dem als Anlage 10 von der Antragstellerin übersandten Verlaufsprotokoll hervor, dass für zahlreiche Listen niemand anwesend war.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Dabei war der für ein Hauptsacheverfahren anzunehmende Regelstreitwert in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu reduzieren, da hiermit eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt wird.