Hamburgisches OVG, Beschluss vom 13.01.2020 - 1 Bf 193/19.AZ
Fundstelle
openJur 2020, 2500
  • Rkr:

1. Hat ein Rechtsanwalt aufgrund entsprechender Erfahrungen und Hinweise Anlass, an einer störungsfreien Datenübertragung und damit an der Eignung einer Telefax-Übermittlung für die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes zu zweifeln, darf er sich, wenn er sich gleichwohl für eine Übermittlung per Telefax entscheidet, nicht ohne jede Rückversicherung darauf verlassen, die Datenübertragung werde störungsfrei funktionieren. Dies gilt auch dann, wenn der Sendebericht keine Fehlermeldung enthält.

2. Das Gericht ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht nicht dazu verpflichtet, umgehend zu prüfen, ob ein am letzten Tag einer Frist eingegangener Schriftsatz formelle Mängel aufweist, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf deren Behebung hinzuwirken.

Tenor

1. Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 zuzulassen, wird verworfen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

2. Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren zweiter Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Herrn Rechtsanwalt ... zur Vertretung beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung weiter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots.

Der nach seinen Angaben 27 Jahre alte Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und stammt aus Kabul. Er reiste nach eigenen Angaben im November 2015 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und die Zuerkennung subsidiären Schutzes ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen, und erließ eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 12. März 2019 zugestellt worden.

Am 12. April 2019 (Freitag) ist per Telefax der anwaltliche Schriftsatz vom 12. April 2019 bei dem Verwaltungsgericht (Gemeinsame Annahmestelle) eingegangen, mit dem die Zulassung der Berufung beantragt wird. Die Seite 8 des elfseitigen Schriftsatzes ist zweimal vorhanden, zunächst im Schriftbild leicht „gestaucht“, sodann unbeeinträchtigt. Auch die Seite 9 des Schriftsatzes ist zweimal vorhanden, einmal unvollständig – die untere Hälfte der Seite enthält einen breiten schwarzen Balken – und einmal vollständig. Die Seite 10 und die Seite 11 des Schriftsatzes, die die Unterschrift des Bevollmächtigten des Klägers enthalten hat, ist in dem Telefax-Ausdruck nicht vorhanden.

Am 16. April 2019 ist der unterschriebene Schriftsatz vom 12. April 2019 im Original und vollständig bei dem Verwaltungsgericht eingegangen.

Mit der Eingangsverfügung vom 17. April 2019, per Telefax vorab am gleichen Tag übermittelt, hat das Gericht dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass das Telefax lediglich bis Seite 9 und ohne Unterschrift eingegangen sei. Es liege daher wohl kein zulässiger Berufungszulassungsantrag vor.

Am 18. April 2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt: Laut Faxprotokoll, das dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt gewesen ist, sei der gesamte Zulassungsantrag ordnungsgemäß per Telefax übertragen worden. Dem Protokoll ist die Angabe zu entnehmen, am 12. April 2019 seien an die Faxnummer des Verwaltungsgerichts elf Seiten übermittelt worden. Das Protokoll enthält als Ergebnis den Vermerk „O.K.“.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 ist zu verwerfen. Der Kläger hat innerhalb der gesetzlichen Frist einen formgerechten Zulassungsantrag nicht gestellt (hierzu 1.). Dem Kläger ist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (hierzu 2.).

1. Der Kläger hat innerhalb der gesetzlichen Frist einen formgerechten Zulassungsantrag nicht gestellt.

Gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist der Antrag auf Zulassung der Berufung im asylgerichtlichen Klageverfahren innerhalb eines Monats nach Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu stellen. Das vorliegend angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 ist dem Kläger am 12. März 2019 zugestellt worden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hätte dementsprechend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB spätestens am 12. April 2019 bei dem Verwaltungsgericht (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG) gestellt werden müssen. Dies war vorliegend nicht der Fall:

a) Das (unterschriebene) Original des Schriftsatzes vom 12. April 2019, mit dem der Zulassungsantrag gestellt und begründet worden ist, ist bei dem Verwaltungsgericht erst am 16. April 2019 und somit außerhalb der maßgeblichen Frist (s.o.) eingegangen.

b) Es steht nicht fest, dass der Schriftsatz vom 12. April 2019 innerhalb der gesetzlichen Frist formgerecht per Telefax an das Verwaltungsgericht übermittelt worden ist.

Der Zulassungsantrag muss gemäß §§ 125 Abs.1 Satz 1, 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich gestellt werden (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, Stand: Juli 2019, § 124a Rn. 74; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124a Rn. 46), d.h. der Schriftsatz muss unterschrieben sein (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 6.11.2019, 3 A 866/19, juris Rn. 3; Rudisile, a.a.O., Rn. 18). Der Zulassungsantrag kann auch mittels Telefax gestellt werden. Dann muss die Telekopie die Unterschrift wiedergeben, d. h. die Telefaxvorlage muss unterschrieben und die Unterschrift muss auf dem bei Gericht eingehenden Telefaxausdruck wiedergegeben sein (vgl. Rudisile, a.a.O., Rn. 25). Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Ausdruck des am 12. April 2019 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Telefaxes (Bl. 112 ff. d.A.) enthält nicht die Seiten 10 und 11 des Schriftsatzes vom 12. April 2019 und damit insbesondere nicht die letzte Seite, auf der der Bevollmächtigte des Klägers das Original des übermittelten Schriftsatzes unterschrieben hatte.

Allerdings kommt es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes nicht auf den Ausdruck, sondern allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2016, VI ZB 7/15, NJW-RR 2016, 816, juris Rn. 7; OVG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2018, 4 Bf 59/16.Z, NVwZ-RR 2019, 14 [Ls], juris Rn. 12). Auch dies lässt sich vorliegend indes nicht feststellen. Ob die gesendeten Signale bei dem vom Gericht genutzten Fax-Server vollständig eingegangen und dann nicht ordnungsgemäß (weiter-) verarbeitet worden sind bzw. werden konnten, ob die Daten vom Sendegerät schon nicht korrekt verschickt worden sind, oder ob der Fehler auf einer gestörten Kommunikation zwischen dem zum Versenden genutzten Faxgerät und dem von dem Gericht genutzten Empfangsserver beruht, ist – worauf der beschließende Senat bereits in anderen Verfahren hingewiesen hat (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.3.2019, 1 Bf 479/18.AZ, BA S. 4) – unklar. Viel spricht dafür, dass es sich bei der aufgetretenen Störung um ein Kompatibilitätsproblem einzelner Faxgeräte verschiedener Hersteller nach der Umstellung der Übertragungstechnik auf eine internetbasierte Datenübertragung, die auch das Verwaltungsgericht Hamburg und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht nutzen, handelt (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 18.11.2019, 4 U 2188/19, juris Rn. 6). Eine dahingehende Vermutung hatte auch die Hanseatische Rechtsanwaltskammer in der Vergangenheit geäußert und ihre Mitglieder entsprechend informiert (vgl. Kammerreport Nr. 1/19 vom 29. Januar 2019, S. 14). Träfe sie zu, wären die versendeten Daten wohl nicht vollständig auf dem von dem Gericht genutzten Fax-Server eingegangen.

Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil – worauf der Kläger wiederholt hingewiesen hat – das Faxjournal des von seinem Bevollmächtigten genutzten Telefaxgeräts die (vermeintlich) ordnungsgemäße Übertragung mit einem „O.K.-Vermerk“ bestätigt hat. Der mit einem „O.K.-Vermerk“ versehene Fax-Sendebericht begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins für den tatsächlichen Zugang der gesamten Sendung beim Empfänger. Er belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2017, 2 B 57.16 u.a., juris Rn. 2; BGH, Beschl. v. 12.4.2016, VI ZB 7/15, NJW-RR 2016, 816, juris Rn. 7; OVG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2018, 4 Bf 59/16.Z, NVwZ-RR 2019, 14 [Ls], juris Rn. 13).

Im Ergebnis nichts anderes folgt daraus, dass in dem automatisch generierten Empfangsbericht der Gemeinsamen Annahmestelle ein „Empfangsfehler (Phase B)“ ausgewiesen wird. Hieraus kann nicht abgeleitet werden, die von dem Telefaxgerät des Bevollmächtigten des Klägers übermittelten Signale seien auf dem vom Gericht genutzten Fax-Server vollständig eingegangen. Vielmehr ergibt sich aus der Fehlermeldung lediglich, dass ein technischer Fehler identifiziert worden ist, ohne die Art oder die Ursache dieses Fehlers zu konkretisieren. Insbesondere lässt die Fehlermeldung keine Rückschlüsse darauf zu, welche Daten auf dem von dem Gericht genutzten Fax-Server eingegangen sind. Nur hierauf – nicht aber auf die von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 10. Januar 2020 auch behandelte Frage, ob und ggf. welches der genutzten (Sende- und Empfangs-) Geräte defekt gewesen ist – kommt es aber für die Rechtzeitigkeit und Ordnungsgemäßheit der Übertragung an (s.o.; zu Fragen des Verschuldens unten zu 2.).

Steht nach alledem nicht fest, dass die von dem Telefaxgerät des Bevollmächtigten des Klägers übermittelten Signale auf dem vom Gericht genutzten Fax-Server am 12. April 2019 vollständig eingegangen sind, so ist im Zweifel zu Lasten des Klägers davon auszugehen, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Denn für den rechtzeitigen Eingang des (vollständigen) Schriftsatzes trägt der Kläger nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Beweislast (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2013, VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179, juris Rn. 10; BSG, Beschl. v. 6.12.2016, B 6 KA 59/16 B, juris Rn. 5; vgl. ferner OVG Hamburg, Beschl. v. 12.3.2019, 1 Bf 479/18.AZ, BA S. 4). Der beschließende Senat sieht keine Veranlassung, von diesem Grundsatz deshalb abzuweichen, weil „der Kläger (...) keine Möglichkeit (hat), potentielle, in der Sphäre des Gerichts liegende, Fehlerquellen auszuschließen“ (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.9.2016, 5 U 129/15, ZInsO 2017, 96, juris Rn. 30) oder weil „ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die abgesandten Signale – rechtzeitig – eingegangen sind, das Empfangsgerät aber keinen vollständigen Ausdruck gefertigt hat“ (vgl. OLG München, Beschl. v. 11.2.2014, 31 Wx 468/13, NJW-RR 2014, 1405, juris Rn. 9 ff.). Dies würde im Ergebnis auf eine Umkehrung der Beweislast hinauslaufen. Hierfür besteht kein Bedürfnis. Denn die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 VwGO; hierzu sogleich unter 2.), gibt ausreichend Handhabe, den mit der Nutzung eines Telefaxgeräts verbundenen Risiken dann angemessen Rechnung zu tragen, wenn der Nutzer keinen Anlass hatte, an einer ordnungsgemäßen Datenübertragung zu zweifeln.

2. Dem Kläger ist nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.10.2002, 5 C 47.01, 5 B 33.01, FEVS 54, 390, juris Rn. 2; OVG Hamburg, Beschl. v. 20.5.2019, 4 Bs 190/18,NJW 2019, 3601, juris Rn. 9). Dabei ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Allerdings verbietet es der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BGH, Beschl. v. 12.4.2016, VI ZB 7/15, NJW-RR 2016, 816, juris Rn. 8, m.w.N.). Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren (vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2015, IX ZR 206/14, NJW 2015, 3519, juris Rn. 10, m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben ist dem Kläger vorliegend keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sein Bevollmächtigter die Fristversäumnis verschuldet hat und der Kläger sich dieses Verschulden gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Allerdings darf die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung bei der Übermittlung eines Schriftsatzes mittels Telefax – und das Gleiche gilt grundsätzlich auch in Fällen einer unvollständigen bzw. fehlerhaften Datenübertragung – der Partei dann nicht als Verschulden zugerechnet werden, wenn sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24.00 Uhr des letzten Tages der Frist gerechnet werden konnte. Denn wird die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax durch ein Gericht eröffnet, dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf die Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Das gilt im Besonderen für – hier nicht auszuschließende (s.o. zu 1.) – Störungen des von dem Gericht genutzten Empfangsgeräts bzw. -servers. Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2014, VI ZB 1/13, NJW 2014, 2047, juris Rn. 8, m.w.N.).

Diese Grundsätze können aber dann nicht uneingeschränkt Geltung beanspruchen, wenn ein besonderer Grund dafür besteht zu kontrollieren bzw. sicherzustellen, ob bzw. dass ein am letzten Tag der Frist per Telefax übermittelter Schriftsatz das Gericht (vollständig) erreicht hat. Eine Pflicht, derartige Nachforschungen – etwa durch eine Nachfrage bei Gericht – anzustellen, besteht für einen Rechtsanwalt im Einzelfall dann, wenn er Anhaltspunkte dafür hat, dass eine fehlerfreie Datenübertragung nicht stets gewährleistet ist. Hat der Bevollmächtigte Anlass, an einer störungsfreien Datenübertragung und damit an der Eignung einer Telefax-Übermittlung für die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes zu zweifeln, darf er sich, wenn er sich gleichwohl für eine Übermittlung per Telefax entscheidet, ungeachtet der Frage, worauf die Störung beruht, nicht ohne jede Rückversicherung darauf verlassen, die Datenübertragung werde störungsfrei funktionieren (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.10.2018, 2 LA 1176/17, juris Rn. 3; allgemein zur Überprüfungspflicht eines Rechtsanwalts bei gegebenem Anlass: BGH, Beschl. v. 29.6.2017, I ZB 111/16, juris Rn. 10 ff.; Beschl. v. 16.11.2016, VII ZB 35/14, NJW-RR 2017, 253, juris Rn. 13; Urt. v. 24.9.2015, IX ZR 206/14, NJW 2015, 3519, juris Rn. 10 f.).

Vorliegend hatte der Bevollmächtigte des Klägers Anlass, an einer störungsfreien Datenübertragung und damit an der Eignung einer Telefax-Übermittlung für die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes zu zweifeln. Als er den Schriftsatz vom 12. April 2019 an das Verwaltungsgericht per Telefax übermittelt hatte, hatte er allein in Verfahren, die in die Zuständigkeit des beschließenden Senats fallen, schon in mehreren Fällen die Erfahrung gemacht, dass die von ihm an das Verwaltungsgericht versandten Telefaxe nicht ordnungsgemäß übertragen werden. So war in der Sache 1 Bf 442/18.AZ ein Telefax am 2. November 2018 unvollständig eingegangen; in der Sache 1 Bf 455/18.AZ war ein Telefax am 23. November 2018 unvollständig eingegangen; in der Sache 1 Bf 479/18.AZ war ein Telefax am 6. Dezember 2018 unvollständig eingegangen. In all diesen Fällen war er über das Problem unterrichtet worden und hatte in der Folge einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. In den Sachen 1 Bf 455/18.AZ und 1 Bf 479/18.AZ war er überdies über die rechtlichen Maßstäbe, die der beschließende Senat insoweit anlegt – insbesondere darüber, dass bei unvollständigem Telefax kein ordnungsgemäßer Antrag vorliege und dass den jeweiligen Kläger die Beweislast für den vollständigen und rechtzeitigen Eingang treffe – informiert worden, bevor das gleiche Problem – in der vorliegenden Sache – erneut aufgetreten ist. Bei dieser Sachlage ist es als sorgfaltspflichtwidrig anzusehen, dass der Bevollmächtigte des Klägers trotz seiner Erfahrungen, die er mit der Unzuverlässigkeit von Telefaxübertragungen an das Verwaltungsgericht gemacht hatte, und obwohl er wusste, dass es an ihm ist, den vollständigen fristgerechten Eingang seines Schriftsatzes vom 12. April 2019 bei Gericht im Zweifel zu belegen, erneut ein Telefax mit knapper Frist verschickt hat, ohne sich abzusichern, dass ein in der Vergangenheit wiederholt vorgekommenes Problem nicht erneut aufgetreten ist. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass ein Rechtsanwalt, der – wie der Bevollmächtigte des Klägers – eine Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.11.2016, VII ZB 35/14, NJW-RR 2017, 253, juris Rn. 12; Beschl. v. 9.5.2006, XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637, juris Rn. 8, m.w.N.).

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, sein Bevollmächtigter habe deshalb keinen Anlass für weitere Nachforschungen gehabt, weil er bei der vorgenommenen Telefaxübertragung keine Fehlermeldung erhalten habe, er sich im Gegenteil auf den O.K.-Vermerk im Sendebericht habe verlassen dürfen. Zutreffend ist, dass ein Rechtsanwalt Anlass hat zu überprüfen, ob ein Telefax ordnungsgemäß übertragen worden ist bzw. den Empfänger ordnungsgemäß erreicht hat, wenn das genutzte (Sende-) Gerät eine Fehlermeldung abgibt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.5.2001, II ZB 16/00, juris Rn. 13, m.w.N.). Hieraus folgt aber nicht umgekehrt, dass eine Nachforschungs- und Überprüfungspflicht immer dann nicht besteht, wenn das genutzte (Sende-) Gerät keine Fehlermeldung abgibt (sondern der Sendebericht einen O.K.-Vermerk ausweist). Kann erfahrungsgemäß nicht sicher davon ausgegangen werden, dass ein Telefax ordnungsgemäß übertragen worden ist, obgleich der Sendebericht keine Fehlermeldung enthält, so ist der Rechtsanwalt vielmehr ebenfalls zur weitergehenden Überprüfung und Kontrolle verpflichtet. So liegt es auch hier: In den im vorstehenden Absatz genannten Fällen, in denen von dem Bevollmächtigten des Klägers per Telefax an das Verwaltungsgericht übermittelte Schriftsätze nicht ordnungsgemäß übertragen worden waren, hatte der Sendebericht jeweils einen O.K.-Vermerk ausgewiesen. Der Bevollmächtigte des Klägers durfte deshalb nicht schon aufgrund eines O.K.-Vermerks sicher sein, dass die betreffende Faxübertragung tatsächlich störungsfrei und ordnungsgemäß funktioniert hat.

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht den Bevollmächtigten des Klägers nicht umgehend darauf hingewiesen hat, das am 12. April 2019 dorthin übermittelte Telefax sei nicht ordnungsgemäß übertragen worden.Im Rahmen der dem verfassungsrechtlichen Anspruch der Prozessparteien auf ein faires Verfahren korrespondierenden Fürsorgepflicht des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.6.1995, 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 114, juris Rn. 44 ff.) ist dieses grundsätzlich nicht dazu verpflichtet zu prüfen, ob ein am letzten Tag einer Frist – hier zudem nicht direkt bei dem Verwaltungsgericht, sondern bei der Gemeinsamen Annahmestelle – eingegangener Schriftsatz formelle Mängel aufweist, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf deren Behebung hinzuwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2017, X ZB 7/15, NJW-RR 2017, 689, juris Rn. 13; Beschl. v. 16.3.2015, NotSt (Brfg) 7/14, WM 2015, 900, juris Rn. 14). Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, das Verwaltungsgericht habe einen entsprechenden Hinweis an seinen Bevollmächtigten in einem vergleichbaren Fall in der Vergangenheit gerichtet. Hieraus konnte der Bevollmächtigte des Klägers kein Vertrauen darauf ableiten, das Verwaltungsgericht werde derartige Hinweise stets im Fall gestörter Telefaxübertragungen erteilen, zumal es sich bei dem gerichtlichen Hinweis, auf den sich der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10. Januar 2020 bezieht, verglichen mit den übrigen Fällen um einen „Ausnahmefall“ gehandelt hat.

Schließlich beruft sich der Kläger ohne Erfolg darauf, das von seinem Bevollmächtigten genutzte Telefaxgerät sei nicht defekt (gewesen), dieser habe sich also eines funktionsfähigen Sendegeräts bedient. Dies steht zum einen schon nicht fest (s. hierzu zu 1.), und der Kläger legt hierfür auch keine Belege vor. Zum anderen kommt es für die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung des Bevollmächtigten des Klägers auch nicht darauf an, worauf die gestörte Datenübertragung zurückzuführen ist. Die Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt vielmehr darin, dass der Bevollmächtigte des Klägers, dem andere Übertragungswege zur Verfügung gestanden hätten, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax übermittelt und den rechtzeitigen und vollständigen Zugang dieses Schriftsatzes bei Gericht nicht kontrolliert hat, obwohl er damit rechnen musste, dass mit dem gewählten Übertragungsweg ein rechtzeitiger Zugang bei Gericht nicht stets sicher gewährleistet ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls abzulehnen. Wie sich aus den Ausführungen unter II. ergibt, hat der Antrag auf Zulassung der Berufung keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).