VG Hamburg, Beschluss vom 29.11.2018 - 15 E 5993/18
Fundstelle
openJur 2020, 2466
  • Rkr:

Einstweiliger Rechtsschutz in Bezug auf das Verfahren der Wahl zum Studierenden Parlament einer Hochschule.

Tenor

Der Antrag vom 25. November 2018 auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin nach einem Streitwert von 5.000,- €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine an den kommenden Wahlen zum Studierendenparlament unter dem Namen „CampusGrün“ teilnehmende Liste, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die Antragsgegner eine konkurrierende Liste, die bisher unter dem Namen „Grüne Freunde“ geführt wird, nicht unter diesem oder einem ähnlichen Namen zur Wahl zulassen.

Nach der Ordnung der Wahlen zum Studierendenparlament der Universität Hamburg vom 15. Oktober 2015 (WahlO) finden jährlich Wahlen der Mitglieder dieses Parlaments statt, deren Amtszeit vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres reicht. Diese Wahlen sollen frühestens im zweiten Vorlesungsmonat eines jeden Wintersemesters (November) beginnen. Das Präsidium des Studierendenparlaments nimmt innerhalb der 46. Kalenderwoche in einer dafür bestimmten Ausschlussfrist die Kandidaturen an. Die vorläufige Kandidierendenliste wird nach Ablauf der Frist zwei Tage lang in den Geschäftsräumen des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Hamburg (AStA) ausgehängt. Während dieser Zeit kann Einspruch gegen die vorläufige Kandidierendenliste beim Präsidium des Studierendenparlaments eingereicht werden.

Die Antragstellerin gibt es seit dem Frühjahr 2007, seit dem Sommersemester 2008 ist sie im Studierendenparlament vertreten. Sie ist formal parteiunabhängig, steht aber der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nahe und wird von dieser finanziell unterstützt.

Die Gruppierung „Grüne Freunde“ war im letzten Jahr unter dem Namen „Die Grünen“ zur Wahl angetreten. Ein Einspruch der Antragstellerin hiergegen blieb erfolglos. Gerichtlicher Rechtsschutz wurde vom Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 (11 E 9779/17) nicht gewährt, weil die Zulassung bzw. Nichtzulassung einzelner Listen zu einer Wahl zumindest nach ihrem Beginn nicht mehr im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, sondern nur noch nachträglich als Fehler im Verfahren der Wahlanfechtung gerügt werden könne. Fehler im Verfahren der Zulassung von Wahlbewerbern könnten allenfalls unmittelbar im Anschluss an die negative Zulassungsentscheidung im Wege des Eilrechtsschutzes geltend gemacht werden. Eine Wahlanfechtung fand hiernach nicht statt.

Am Freitag, dem 16. November 2018 wurde die vorläufige Kandidierendenliste für die Wahl des Studierendenparlaments 2019/20 vom Präsidium geschlossen. Anschließend wurde die Reihenfolge der Gesamtlisten per Los bestimmt. Hiernach wurden 24 Gesamtlisten in der ausgelosten Listenreihenfolge veröffentlicht. Die Antragstellerin erhielt die Listennummer 21, die Liste „Grüne Freunde“ die Listennummer 11. Hiernach wurde die Kandidierendenliste ausgehängt. Mit Einladung vom 24. November 2018 wurde die Studierendenschaft zur öffentlichen Listenvorstellung am Mittwoch, dem 28. November 2018 um 16:30 Uhr eingeladen. Für den Folgetag wurde eine Sitzung des Studierendenparlaments einberufen. Noch für diese Woche soll nach Angaben der Antragstellerin die Drucklegung für die Wahlunterlagen angesetzt sein. Nach § 10 Abs. 1 WahlO müssen die Wahlbriefe für die Briefwahl bis zum 8. Dezember eines Jahres an alle Studierenden verschickt werden. Die Briefwahlstimmen sind bei dieser Wahl bis zum 2. Januar 2019 abzugeben.

Nach eigenen Angaben legte die Antragstellerin gegen die Zulassung des Listennamens „Grüne Freunde“ beim Antragsgegner zu 1), dem Präsidium des Studierendenparlaments, fristgemäß Widerspruch ein: Der Name dürfe nicht zugelassen werden, da er darüber täusche, dass eine Verbindung zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestehe. Eine solche gebe es aber nicht. Der Name sei ein Versuch, sich mit dem Begriff „Grün“, der eine politische Haltung bezeichne, Stimmen zu erschleichen. Bereits im letzten Jahr sei die Liste „Grüne Freunde“ unter dem Namen „Die Grünen“ zur Wahl angetreten, habe aber keine entsprechenden Aktivitäten gezeigt.

Mit E-Mail von Freitag, dem 23. November 2018 bat die Antragstellerin die Antragsgegnerin zu 2), die Universität, um Ausübung der Rechtsaufsicht dahingehend, im Falle der Zurückweisung des Widerspruchs dessen aufschiebende Wirkung anzuordnen, um den Betroffenen drei Werktage Zeit zu geben, sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht zu wenden.

Am Sonntag, dem 25. November 2018 hat die Antragstellerin per Fax einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht beantragt: Die Zulassung des Gesamtlistennamens „Grüne Freunde“ sei unzulässig und verletze sie in ihrem Recht, mit ihrem Gesamtlistennamen „CampusGrün“ in unverwechselbarer Weise zu kandidieren. Die Verwechslungsgefahr der beiden Namen verletze die Wahlgrundsätze der freien, gleichen und unmittelbaren Wahl. Ein Anordnungsgrund bestehe, da am 8. Dezember 2018 die umfangreichen Briefwahlunterlagen verschickt würden. Diese müssten zuvor hergestellt werden.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wird den Antragsgegnern vorläufig untersagt, den Namen der Liste „Grüne Freunde“ oder einen ähnlichen Namen als Namen der Liste 11 bei den nächsten Wahlen (voraussichtlich im Januar 2019) zum Studierendenparlament der Universität Hamburg zuzulassen, und die Liste 11 nur unter einem anderen nicht ähnlichen Namen, der sich eindeutig von dem Namen der Antragstellerin unterscheidet, oder unter dem Namen Liste 11 zuzulassen.

2. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wird es den Antragsgegnern vorläufig untersagt, die Wahlunterlagen unter Verwendung des Namens „Grüne Freunde“ für die Liste Nr. 11 an die Wahlberechtigten zu versenden.

3. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, bis zum Abschluss des Eilverfahrens die Förderung der Wahl zu unterlassen und keine Briefwahlunterlagen zu versenden.

Die Antragsgegner haben noch keine Stellung genommen. Von einer Beiladung der Liste „Grüne Freunde“ wurde abgesehen, da dieser bis zu einer Entscheidung des Gerichts kein rechtliches Gehör mehr hätte gewährt werden können und die gerichtliche Entscheidung nicht in ihre Rechte eingreift.

II.

Der Antrag hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehen hier Zweifel, die bis zur Entscheidung des Gerichts nicht ausgeräumt wurden. Dessen bedarf es aber auch nicht, da das Begehren in der Sache keinen Erfolg hat.

Keine Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich der Antragsbefugnis der Antragstellerin (ausführlich dazu VG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2017, 11 E 9779/17 n.v.). Auch erscheint nicht als zweifelhaft, dass Herr G.T. als Listenverantwortlicher der Antragstellerin zur Vertretung befugt ist.

Nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) und auch nicht auf andere Weise ersichtlich ist aber, dass die Antragstellerin tatsächlich während der Zweitagesfrist des § 6 Abs. 7 Satz 1 WahlO gegen die vorläufige Kandidierendenliste beim Präsidium des Studierendenparlaments Einspruch eingereicht hat. Als Anlage „Ast 4“ hat die Antragstellerin zwar einen „Widerspruch“ gegen den Namen der auf Listenplatz 11 kandidierenden Liste „Grüne Freunde“ zur Akte gereicht. Dieses Aktenexemplar ist offenbar ein für das gerichtliche Verfahren gefertigter Computerausdruck. Es enthält keine Datierung, keinen Hinweis auf eine Unterschrift (durch wen?) und keinen Vermerk über den Weg der Versendung an das Präsidium des Studierendenparlaments. Auch ergibt sich der Umstand, dass es diesem zugegangen ist, nicht daraus, dass ein Beschluss des Präsidiums des Studierendenparlaments über die Befassung mit diesem „Widerspruch“ zur Akte gereicht wurde. Ein solcher wäre aber vor Veröffentlichung der endgültigen Kandidierendenliste und Durchführung der Wahlversammlung zu erwarten gewesen. Es erscheint deshalb als nicht ausgeschlossen, dass dieser eingehend begründete „Widerspruch“ das Studierendenparlament gar nicht fristgemäß erreicht hat. Insoweit dürfte zwar kein Formzwang bestehen, sodass auch der Weg über eine E-Mail gewählt werden kann. Gleichwohl bleibt die Antragstellerin für den Zugang darlegungs- und beweispflichtig. Folge des etwaigen Nichtzugangs des Einspruchsschreibens dürfte die Präklusion weiterer rechtlicher Maßnahmen sein, sodass für diesen Fall gerichtlicher Eilrechtsschutz wie auch Rechtsschutz in der Hauptsache ausgeschlossen wäre.

2. Die Antragstellerin kann nicht mehr verlangen, dass der Liste „Grüne Freunde“ die Verwendung dieses Namens in der kommenden Wahl untersagt wird. Es fehlt damit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung am Anordnungsanspruch. Ob die Verwendung des Listennamens „Grüne Freunde“ voraussichtlich rechtswidrig ist und in Rechte der Antragstellerin eingreift, kann in diesem Eilverfahren deshalb nicht mehr geklärt werden. Insoweit bleibt ein Wahlanfechtungsverfahren, allerdings wohl auch dies nur unter der Prämisse, dass fristgemäß Einspruch nach § 6 Abs. 7 Satz 2 WahlO eingelegt wurde.

Zumindest ab Beginn der Durchführung einer Wahl sind Fehler im Verfahren der Zulassung einzelner Listen lediglich im Anschluss an die Wahl im Wege der Wahlanfechtung geltend zu machen (VG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2014, 2 E 28/14; VG Hamburg Beschl. v. 20.12.2017, 11 E 9779/17, jeweils n.v.). Einstweiliger Rechtsschutz kann deshalb allenfalls in der Vorbereitungsphase gewährt werden. Dies betrifft nicht nur Fragen der Zulassung einzelner Listen, sondern auch der Zulassung eines Listennamens. Dieser Grundsatz folgt aus dem Umstand, dass der reibungslose Ablauf einer Wahl nur gewährleistet werden kann, wenn die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2014, 2 E 28/14, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 24.8.2009, 2 BvQ 50/09, juris Rn. 5; BVerfG, Beschl. v. 15.5.1963, 2 BvR 194/63, juris Rn. 4). Während der Durchführung der Wahl besteht aufgrund der Einheitlichkeit des Wahlganges, in dem allen Wahlberechtigten eine Auswahl zwischen denselben Wahlbewerbern – jeweils gleichbleibenden Namens – möglich sein muss, kein im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzbarer Anspruch auf Korrektur der endgültigen Kandidierendenliste.

Die Wahl zum nächsten Studierendenparlament befindet sich zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung nicht mehr im Stadium der Vorbereitung, sondern bereits in der Phase der Durchführung. Nicht erst mit Absendung der Wahlunterlagen am 8. Dezember 2018, sondern bereits mit Abhaltung der an die Studierendenschaft gerichteten Wahlversammlung/Listenvorstellung am 28. November 2018 ist die Wahl in die Phase der Durchführung getreten. Die Wahlversammlung soll den Wahlberechtigten die Möglichkeit zur Befragung der kandidierenden Personen geben (§ 8 Abs. 2 WahlO). Die (endgültige) Kandidierendenliste soll dabei für die an der Versammlung teilnehmenden Personen sichtbar sein (§ 8 Abs. 4 WahlO). Für die bei der Versammlung anwesenden Wahlberechtigten entsteht damit ein schützenswerter Zusammenhang zwischen den vorgetragenen Inhalten, dem persönlichen Eindruck von den Kandidaten und den dazugehörigen Listennamen. Eine nach diesem Zeitpunkt vorgenommene Änderung eines Listennamens würde die Einheitlichkeit des Wahlganges beeinträchtigen. Es bestünde die Gefahr, dass wahlberechtigte Versammlungsteilnehmer, die später in ihren Wahlunterlagen andere Listennamen als auf der von ihnen besuchten Wahlveranstaltung vorfinden würden, bei der Umsetzung ihrer Wahlentscheidung irritiert würden.

Fehler im Verfahren der Zulassung von Kandidierenden können deshalb im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes allenfalls unmittelbar im Anschluss an die Zulassungsentscheidung (Fertigung und Aushang der Kandidierendenliste mit Listennummern) und rechtzeitig vor Durchführung der Wahlversammlung geltend gemacht werden (vgl. entsprechend die Möglichkeit für Parteien oder Vereinigungen, vor einer Bundestagswahl gegen Feststellungen des Bundeswahlausschusses im Verfahren über die Anerkennung als Partei unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4a Satz 1 BWahlG binnen vier Tagen Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben zu können). Insoweit verbleibt nur ein sehr kurzes Zeitfenster zwischen dem Beginn der Einspruchsfrist nach § 6 Abs. 7 Satz 2 WahlO und der Durchführung der Wahlversammlung nach § 8 WahlO. Hierbei wird zu bedenken sein, dass gerichtlicher Rechtsschutz seinerseits schon deshalb gewisse Zeit in Anspruch nimmt, weil den Antragsgegnern und beizuladenden Mitbewerbern rechtliches Gehör zu gewähren ist, was wiederum ihre Erreichbarkeit voraussetzt. Aufgrund der jährlich durchzuführenden Studierendenparlamentswahlen ist der Wahlablauf sehr kurz getaktet. Eine aufschiebende Wirkung von Einsprüchen sieht die Wahlordnung deshalb nicht vor. Um zu vermeiden, dass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sich vor einer Sachentscheidung durch Zeitablauf erledigt, wird deshalb eine Antragstellung bereits parallel zur Einspruchsfrist des § 6 Abs. 7 Satz 6 WahlO in Betracht zu ziehen sein, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar ist, ob der Einspruch Erfolg haben wird oder nicht. Andernfalls ist praktisch bereits auszuschließen, dass das Gericht zumindest die weitere Durchführung der Wahl anhalten kann, um anschließend im Eilverfahren noch eine Sachentscheidung über die Zulassung kandidierender Wettbewerber treffen zu können.

In diesem Verfahren ist der Eilantrag zwar vor Abhaltung der Wahlversammlung bei Gericht gestellt worden. Es war indes aber nicht einmal möglich, in der hierfür verbleibenden Zeit einen für einen sog. Hängebeschluss hinreichenden Überblick über die Sach- und Rechtslage zu gewinnen, zumal eine solche Entscheidung angesichts der engen zeitlichen Taktung der Wahl nicht ohne Folgen für den Wahlverlauf und damit u.U. sogar für die weitere Ordnungsgemäßheit der Wahl bleiben kann. Die Antragstellerin ist jedoch auch nach Durchführung der Wahl nicht schutzlos gestellt, da ihr grundsätzlich die Möglichkeit offensteht, die von ihr als fehlerhaft gerügte Wahl nachträglich im Verfahren der Wahlanfechtung überprüfen zu lassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Dabei war der für das Hauptsacheverfahren anzunehmende Regelstreitwert für dieses Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu reduzieren, da die Antragstellerin hier im Wege der einstweiligen Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.