OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2018 - 12 W 6/18
Fundstelle
openJur 2020, 2436
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 21.09.2018, Az. 311 O 190/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.800 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragt, im Wege einer einstweiligen Verfügung den Antragsgegner zur Auskunft über den Stand der Aktiva und Passiva der Insolvenzmasse über einen Fonds zu erteilen.

Der Antragsteller ist mit einer Einlage von nominal 100.000 € an der inzwischen insolventen Publikumsgesellschaft ... GmbH & Co. Containerschiff KG als Kommanditist beteiligt. Der Antragsgegner ist Insolvenzverwalter der Gesellschaft. Der Antragsgegner erstritt vor dem Landgericht Göttingen zum Az. 5 O 36/17 einen Titel auf Rückzahlung von an den Antragsteller geleisteten nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Ausschüttungen in Höhe von 34.000,00 € zzgl. Zinsen und Kosten (Anlage E2). Die eingelegte Berufung wurde nach entsprechendem Hinweis (Anlage E8) mit Beschluss des OLG Braunschweig vom 13.06.2018 zurückgewiesen (Anlage E3). Mit Schreiben vom 21.06.2018 hat der Antragsgegner den Antragsteller zur Zahlung bis zum 02.07.2018 aufgefordert (Anlage E4). Der Antragsteller hat keine Zahlungen geleistet.

Mit Schriftsatz vom 20.09.2018 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung beantragt, mit der er Auskunft über den Stand der Insolvenzmasse begehrt.

Der Antragsteller trägt dazu vor, der Antragsgegner habe vor dem OLG Braunschweig noch vorgetragen, dass sich auf den Insolvenzanderkonten noch 3.561.484,34 € und 226.066,73 USD befänden und der Kaufpreis der beiden Schiffe bei 6 Mio. USD und 6,57 Mio. USD liege. Dem stünden festgestellte Forderungen von 91.996,40 € und für den Ausfall festgestellte Insolvenzforderungen von 16.998.819,69 € gegenüber.

Der Antragsteller trägt weiter vor, dass der Antragsgegner in einem anderen Verfahren vor dem LG Stade am 15.08.2018 vorgetragen habe, die Insolvenzmasse betrage bereits 4.203.436,32 € und 226.066,73 USD. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nach einem Zwischenbericht des Antragsgegners vom 03.05.2017 Zahlungseingänge von Kommanditisten in Höhe von 5.770,544,75 € zu verzeichnen gewesen seien. Offenbar berücksichtige der Antragsgegner bei den Forderungsbeständen unzulässigerweise Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten. Unter Berücksichtigung der Zahlungseingänge von Kommanditisten liege nur noch eine minimale Masseunterdeckung oder gar ein Übererlös vor. Um dies zu ermitteln und eine Vollstreckungsabwehrklage vorzubereiten, benötige der Antragsteller jedoch die beantragten Auskünfte. Die Zahlen aus dem zu vollstreckenden Urteil seien überholt, weshalb der Antragsteller am 16.08.2018 nochmals um Auskunft zu dem aktuellen Massestand gebeten habe.

Der Antragsteller ist der Meinung, ihm stehe ein umfassender Auskunftsanspruch nach § 166 Abs. 1 HGB zu. Dazu müsse der Antragsgegner den Massebestand ohne Verfahrenskosten und Masseschulden (§§ 54, 55 InsO) mitteilen, da der Insolvenzverwalter für Verfahrenskosten und Masseschulden nicht einzugsberechtigt sei. Die Dringlichkeit ergebe sich daraus, dass die Geltendmachung der Abwendung der Zwangsvollstreckung diene und eine Interessenabwägung im Einzelfall notwendig sei. Dem Antragsgegner drohe durch die Auskunft kein Schaden.

Der Antragsteller hat beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung anzuordnen:

I.

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller unverzüglich Auskunft durch Übersendung vollständiger Aufstellungen und Unterlagen zu erteilen, über den Stand der Aktiva und Passiva der Insolvenzmasse in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des .............................. GmbH & Co. Containerschiff KG (Amtsgericht Hamburg 67b IN 18/13) zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller unverzüglich Auskunft durch Übersendung vollständiger Aufstellungen und Unterlagen zu erteilen darüber, in welcher Höhe an den Antragsgegner bereits Rückzahlungen von den Mitgesellschaftern des Antragstellers bis Anhängigkeit des einstweiligen Verfügungsverfahrens geleistet wurden.

3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller unverzüglich Auskunft durch Übersendung vollständiger Aufstellungen und Unterlagen zu erteilen, ob und in welcher Form Verrechnungen mit Forderungen nach §§ 53 ff InsO vorgenommen wurden.

II.

1. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung zu Ziff. I.1. - I.3. gem. § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

2. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung zu Ziff. I.1. - I.3., im Fall der Qualifikation der Handlung gem. Ziff. I.1. - I.3. als nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO, gem. § 888 Abs. 1 ZPO ein Zwangsgeld bis zur Höhe von 25.000,00 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, eine Zwangshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Dem Antragsgegner wird hilfsweise für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung zu Ziff. I.1. - I.3., im Fall der Qualifikation der Handlung gem. Ziff. II.1. als vertretbare Handlung im Sinne des § 887 ZPO, gem. § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 21.09.2018 zurückgewiesen, weil der Antragsteller die besonderen Voraussetzungen für eine Leistungsverfügung nicht dargelegt habe, da er zu möglichen Nachteilen für ihn nichts vorgetragen habe, insbesondere nicht, dass ihm ein nicht wiedergutzumachender Schaden oder endgültiger Rechtsverlust drohe.

Gegen den dem Antragsteller am 21.09.2018 per Fax zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 05.10.2018, eingegangen per Fax am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller ist der Meinung, der Erlass einer einstweiligen Verfügung sei notwendig, weil ohne die angestrebten Informationen eine Vollstreckungsabwehrklage nicht erfolgversprechend sei. Die durch die Zwangsvollstreckung drohende Zahlungspflicht des Antragstellers stelle einen drohenden endgültigen Rechtsverlust dar. Hier sei eine Abwägung mit den Interessen des Antragsgegners erforderlich, dem durch die Auskunftserteilung keinerlei Schaden drohe. Vielmehr führe der Beschluss des Landgerichts zu einer Versagung effektiven Rechtsschutzes.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts ist zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO), aber unbegründet.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller einen Verfügungsgrund nicht dargelegt hat. Bei einer im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemachten Auskunft handelt es sich um eine Leistungsverfügung. Ein solcher Verfügungsantrag ist nach dem Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht zuzulassen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8 „Auskunft“; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 940 Rn. 17). Ausnahmen hiervon können nur dann gemacht werden, wenn der Gläubiger auf die Erfüllung dringend angewiesen ist. An die Dringlichkeit sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Sie kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Realisierung des Hauptanspruchs (hier die Abwehr des Zahlungstitels durch Vollstreckungsabwehrklage) für den Gläubiger von existenzieller Bedeutung ist und von der umgehenden Erteilung der Auskunft abhängt (KG GRUR 1988, 403, 404; OLGR Rostock 2004, 267; OLG Hamburg, Urteil v. 14.06.2006, 5 U 21/06, Rn. 18, zit. nach juris; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8 „Auskunft“; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 940 Rn. 17; Fischer, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 940 Rn. 11). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass der eintretende Rechtsverlust für ihn existentielle Bedeutung hätte. Vom Antragsteller wird hier lediglich ein drohender Rechtsverlust durch Zahlung der titulierten Forderung auf Rückzahlung der geleisteten Einlagen geltend gemacht. Eine existentielle Bedeutung, mit der etwa die Gefährdung des Lebensunterhalts, der Bestand der Gesundheit oder der beruflichen Existenz gemeint sind (vgl. Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 15) liegt darin nicht. Es liegen vorliegend auch keine Gründe vor, die eine Herabsetzung dieser Schwelle rechtfertigen würden. Der titulierte Anspruch begründet ein vorrangiges Befriedigungsinteresse des Antragsgegners und eine von der Rechtsordnung gewollte Vermögensverschiebung. Wird die gegen den Antragsteller titulierte Forderung für die Befriedigung der Gläubiger nicht mehr benötigt, darf der Antragsgegner sie zwar nicht mehr einziehen. In dem Fall können allerdings Rückzahlungsansprüche des Antragstellers und ggf. weitergehende Schadensersatzansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter bestehen, welche zu einem im Umfang der insolvenzrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Ausgleich führen. Dem Antragsteller ist zumutbar, sein Auskunftsbegehren in einem regulären Verfahren zu verfolgen, in dem auch etwaige Zweifelsfragen über den Umfang des Auskunftsanspruchs entschieden werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.