LG Hamburg, Urteil vom 11.01.2019 - 332 O 285/17
Fundstelle
openJur 2020, 2338
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.994,68 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird bis zum 15.01.2018 auf 19.940,04 Euro, vom 16.01.2018 bis 13.03.2018 auf 20.751,10 Euro und ab dem 14.03.2018 auf 24.583,45 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten in der Hauptsache die Rückzahlung gezahlter Prämien, weiterer gezahlter Beiträge und den Ersatz tatsächlich gezogener Nutzungen nach seinem Widerspruch gegen den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags.

Der Kläger schloss mit der Beklagten im sog. Policenmodell im Jahr 1999 die streitgegenständliche kapitalbildende Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unter der Versicherungsnummer ... (Versicherungsschein vom 21.01.1999, Anlage K 2). Als Versicherungsbeginn war der 01.12.1999, als Ablauf der Versicherung der 01.12.2017 vereinbart.

Mit Übersendung des Policenbegleitschreibens erhielt der Kläger den Versicherungsschein vom 21.12.1999, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (Versicherungsschein und Versicherungsbedingungen, Anlage K 2).

Das einseitige Policenbegleitschreiben (Anlage K 3) enthielt folgende Widerspruchsbelehrung:

„Der Vertrag gilt auf Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprechen (vgl. § 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Die Frist von 14 Tagen beginnt mit Erhalt dieses Schreibens nebst Anlagen.“

Hierbei handelt es sich um den einzigen in Fettdruck gehaltenen Fließtextblock auf der Seite.

In § 3 („Wann kommt Ihr Versicherungsvertrag zustande? Wann können Sie widersprechen?“) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen heißt es:

„(1) Haben wir Ihnen bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprechen.

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und Sie bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich über das Widerspruchsrecht belehrt worden sind. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Absatz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags.“

Zu Beginn des Jahres 1999 hatte der Kläger bei der Beklagten bereits eine Unfallversicherung abgeschlossen.

Am 07.02.2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschluss einer Risiko- Zusatzversicherung (Anlage BLD 2). Die Erweiterung wurde wie beantragt abgeschlossen (Versicherungsschein vom 21.02.2000, Anlage BLD 3).

Im März 2001 beantragte der Kläger eine Änderung der Bezugsberechtigung und die Reduzierung der monatlichen Prämien (Anlage BLD 4 und 5). Diese Änderungen traten zum 01.04.2001 in Kraft (Anlage BLD 6).

Im November 2007 teilte der Kläger der Beklagten eine geänderte Kontoverbindung mit (Anlage BLD 7).

Im Dezember 2009, Dezember 2014 und Februar 2015 bat der Kläger um Änderung von monatlicher auf jährliche Zahlweise bzw. umgekehrt (Anlagen BLD 9,12,15).

Ebenfalls im Dezember 2014 (Anlage BLD 12) erklärte der Kläger die Teilkündigung seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Januar 2015 übersandte die Beklagte dem Kläger die Bestätigung der begehrten Vertragsänderung (Anlage BLD 13).

Im März 2015 bat der Kläger die Beklagte zunächst um eine Kostenaufstellung. Nachdem diese ausgeblieben war, stellte er telefonisch die Einschaltung eines Rechtsanwalts und der Öffentlichkeit in Aussicht und teilte zudem mit, dass er selbst Versicherungsmakler sei.

Im Mai 2015 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstellung eines Ersatzversicherungsscheins auf (Anlage BLD 21).

Im Juli 2015 begehrte der Kläger nach anwaltlicher Beratung mit anwaltlichem Schreiben (Anlage BLD 22) von der Beklagten die einvernehmliche Auflösung des Vertrages und forderte die Herausgabe der eingezahlten Prämien zuzüglich einer Mindestverzinsung in Höhe von 4 %, mithin zur Zahlung von 16.000 Euro unter Fristsetzung auf. Die Beklagte lehnte dies ab (Anlage BLD 23).

Mit Schreiben vom 22.10.2015 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Bestätigung der Rückabwicklung und zur Übersendung einer Auflistung der pro Jahr gezahlten Beiträge und des aktuellen Rückkaufswertes auf (Anlage K 4).

Mit Schreiben der Beklagte vom 09.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Anlage K 5).

Der Kläger beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2016 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von 31.450,00 Euro nebst Rechtsanwaltskosten auf (Anlage K 6).

Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung mit Schreiben vom 18.02.2016 ab (Anlage K 7).

Der Kläger hat bis zur Widerspruchserklärung insgesamt 11.614,22 Euro an Beiträgen und danach noch weitere 1.193,93 Euro, mithin insgesamt 12.808,15 Euro an die Beklagte gezahlt.

Der Kläger wurde jährlich über den aktuellen Wert der Versicherung informiert.

Der Kläger behauptet, ihm stünden aus der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages noch die folgenden Positionen in Höhe von zuletzt insgesamt 24.583,45 Euro zu:

Eingezahlte Beiträge11.614,22 Euroabzl. Risikokosten - 1.311,04 Euroabzl. Auszahlung- 14.636,58 Eurozzgl. Nutzungen im Deckungsstock + 2.714,02 Eurozzgl. Nutzungen im Eigenkapital+ 26.202,83 Euro         24.583,45 EuroDie Beklagte habe die kalkulierten Abschluss- und Risikokosten zu niedrig angesetzt, es seien insoweit nur die tatsächlichen Abschluss- und Risikokosten zu berücksichtigen. Der nach Abzug der tatsächlichen Abschluss- und Risikokosten verbleibende Betrag habe zur Nutzungsziehung zur Verfügung gestanden. Die kalkulierten Verwaltungskosten hätten der Beklagten zur Verfügung gestanden. Entweder habe sie diese tatsächlich zum Bestreiten von Verwaltungskosten aufgewandt oder den Einsatz sonstiger Finanzmittel, die sie zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte, erspart.

Die Beklagte habe auf die monatlichen Beiträge tatsächlich gezogene Nutzungen zu zahlen. Er könne neben den Nutzungen aus dem Deckungsstock auch Nutzungen aus dem Eigenkapital verlangen.

Der klägerischen Nutzungsberechnung sei hinsichtlich der Nutzungen aus dem Deckungsstock die Nettoverzinsung der Beklagten zugrunde gelegt worden. Hinsichtlich der Nutzungen im Eigenkapital seien die Beitragsanteile die der Beklagten zur Verfügung gestanden hätten mit der bereinigten Eigenkapitalrendite, welche sich aus dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten abzüglich 30 Prozent Steuern ergebe, zu verzinsen gewesen.

Die Beklagte habe Nutzungen im Deckungsstock in Höhe von 2.714,02 Euro gezogen.

Die Beklagte habe Nutzungen auf das Eigenkapital ziehen können, welches der Beklagten zur freien Verfügung gestanden habe. Diesen Kapitalbetrag errechnet der Kläger aus der Differenz, welcher sich zwischen den kalkulierten höheren und den tatsächlich nur angefallenen Abschluss- und Risikokosten ergebe.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm habe 2017 und damit über 16 Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrages nach wie vor noch ein Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 VVG a. F. zugestanden. Die Widerrufsbelehrung in dem Versicherungsschein sei inhaltlich unrichtig gewesen. Die Belehrung habe insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass die Widerspruchsfrist durch rechtzeitige Absendung des Widerrufs gewahrt werde. Zudem habe er keine vollständigen Verbraucherinformationen erhalten.

Die kalkulatorischen Risikokosten seien mit 2.120,24 Euro anzusetzen. Die kalkulatorischen Abschlusskosten hätten 1.905,66 Euro, die kalkulatorischen Verwaltungskosten 952,77 Euro und der Sparanteil 6.422,17 Euro betragen.

Die tatsächlichen Risikokosten seien mit 1.483,76 Euro anzusetzen. Die tatsächlichen Abschlusskosten hätten 1.685,18 Euro betragen.

Die als Differenz zwischen den kalkulierten und tatsächlichen Kosten sei als Teil der eingezahlten Beiträge, bei der Beklagten als Eigenkapital verblieben und insoweit mit der Eigenkapitalrendite zu verzinsen.

Die Beklagte habe insgesamt Nutzungen in Höhe von 28.916,85 Euro erzielt.

Nach Zahlung der Kostenrechnung des Rechtsanwalts durch die Rechtsschutzversicherung des Klägers habe diese ihren Anspruch an den Kläger abgetreten.

Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hat, in der Hauptsache beantragen zu wollen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 38.461,22 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hat er mit Schriftsatz vom 15.01.2018 seine Klage erweitert und angekündigt nunmehr die Zahlung von 39.047,31 Euro nebst Zinsen beantragen zu wollen. Mit Schriftsatz vom 12.03.2018 hat der Kläger angekündigt nunmehr einen erheblich reduzierten Betrag nebst Rechtsanwaltskosten fordern zu wollen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.583,45 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2016 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 749,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.02.2016 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß und der Kläger habe die erforderlichen Verbraucherinformationen erhalten. Dem Kläger stehe der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch nicht zu. Jedenfalls seien die Ansprüche verwirkt. Der Kläger könne nicht die unschlüssig vorgetragenen tatsächlichen Abschluss- und Risikokosten berücksichtigen. Es sei auf die kalkulierten Kosten abzustellen. Nutzungen aus der Eigenkapitalrendite könne der Kläger nicht verlangen.

Zudem seien die geltend gemachten Ansprüche der Höhe nicht nachvollziehbar. Es sei nicht einmal erkennbar, welche Zahlen den Berechnungen der Klägerseite zugrunde lägen.

Die Beklagte befinde sich darüber hinaus nicht in Verzug.

Die Risikokosten seien mit 354,72 Euro anzusetzen. Die Abschlusskosten hätten 1.267,12 Euro, die Verwaltungskosten 1.189,44 Euro, der Sparanteil 9.682,24 Euro und dementsprechend die Nutzungen 5.492,46 Euro betragen.

Dies führe vorliegend zu folgender Rechnung:

Eingezahlte Beiträge12.808,15 EuroAbzgl. Risikokosten- 354,72 EuroAbzgl. Ablaufleistung - 14.636,58 EuroZzgl. Nutzungen+ 5.492,46 Euro         2.994,68 EuroWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund eines wirksamen Widerspruchs gegen den Versicherungsvertrag nach § 5a VVG a. F. einen bereicherungsrechtlichen Anspruch in Höhe von 2.994,68 Euro nach §§ 812, 818 BGB. Hinsichtlich der darüber hinaus in der Hauptsache geltend gemachten Klageforderung war die Klage hingegen abzuweisen.

1. Für den im Jahr 1999 im sog. Policenmodell geschlossenen Versicherungsvertrag bestand ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. Der Kläger hat dieses Widerspruchsrecht mit Schreiben vom 22.10.2017 fristgerecht ausgeübt, da er durch die Beklagte nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. aufgeklärt worden war. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist insbesondere, dass der Kläger in hervorgehobener Weise auch darauf hingewiesen wird, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2015, Az.: IV ZR 284/12; BGH, Urteil vom 28.01.2004, Az.: IV ZR 58/03). Hierauf wird in dem Policenbegleitschreiben überhaupt nicht hingewiesen. Auf die Widerspruchsbelehrung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten kommt es schon deshalb nicht an, weil die dortige Belehrung in keiner Weise im Sinne des § 5a Abs. 2 VVG a.F. optisch hervorgehoben ist.

Da die Belehrung schon aus diesem Grund inhaltlich unzureichend war und die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen hat, kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, ob der Kläger auch alle Verbraucherinformationen erhalten hat.

Das Widerspruchsrecht des Klägers war bei Ausübung noch nicht verfristet. Auf die Einhaltung der Jahresfrist nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. kommt es nicht an, da diese nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung europarechtswidrig ist, womit dem Kläger grundsätzlich ein unbefristetes Widerspruchsrecht zustand.

2. Der bereicherungsrechtliche Anspruch besteht in tenorierter Höhe.

a) Dem Kläger steht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung seiner gezahlten Prämien in Höhe von 11.614,22 Euro abzüglich der Risikokosten zu, da von den eingezahlten Prämien im Rahmen der vorzunehmenden Saldierung als Vermögensvorteil der erlangte Versicherungsschutz des Klägers, dessen Wert der Kläger nach § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen hat (BGH, Urt. v. 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11). Dementsprechend muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Wert des Versicherungsschutzes anrechnen lassen, den er bis zur Beendigung des Vertrags genossen hat (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 29.07.2015, Az. IV ZR 123/14). Die Beklagte hat hier den Risikoanteil – insofern zugunsten des Klägers, der sogar kalkulierte Risikokosten in Höhe von 2.120,24 Euro und tatsächliche Risikokosten in Höhe von 1.483,76 Euro angibt – mit nur 354,72 Euro beziffert. Hieraus ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 11.614,22 Euro, den die Beklagte bereits aufgrund ihres Abrechnungsschreiben zur Auszahlung gebracht und daher im Sinne des § 362 BGB erfüllt hat.

b) Dem Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten weiteren Beiträge in Höhe von 1.311,04 Euro zu. Auch diesen Betrag hat die Beklagte bereits an den Kläger ausgezahlt.

c) Bei dem vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte Zahlungsbetrag in Höhe 24.583,45 Euro handelt es sich um die Geltendmachung von gezogenen Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch umfasst nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen (vgl. u.a. BGHZ 102, 41). Die Darlegungs- und Beweislast liegt dabei beim Versicherungsnehmer. Es bedarf dabei eines entsprechenden Tatsachenvortrags, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe etwa in Höhe des Verzugszinssatzes gestützt werden kann (BGH, Urt. v. 29.07.2015, Az. IV ZR 384/14).

Die tatsächlich gezogenen Nutzungen berechnen sich aus dem Sparanteil und nicht den gezahlten Prämien in voller Höhe. So stehen dem Versicherungsnehmer keine Nutzungen aus dem Risikoanteil, welcher dem Versicherer als Wertersatz für den von dem Versicherungsnehmer genossenen Versicherungsschutz verbleibt, zu. Auch ist bezüglich des auf Abschlusskosten entfallenden Prämienanteils eine Verpflichtung des Versicherers zur Herausgabe von Nutzungen nicht gegeben. Insbesondere ist hier auf die kalkulierten und nicht auf die tatsächlichen Abschluss- und Risikokosten abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2015, Az. IV ZR 513/14 – zitiert nach juris).

Zu Gunsten des Klägers waren hier die für den Kläger günstigeren von der Beklagten konkret bezifferten Abschluss-, Verwaltungs- und Risikokosten von den eingezahlten Beiträgen in Abzug zu bringen. Auch der von der Beklagten benannte Sparbeitrag und die Nutzungen aus dem Sparanteil sind zu Gunsten des Klägers zugrunde gelegt worden.

Hieraus ergibt sich sodann folgende Berechnung:

Eingezahlte Beiträge12.808,15 Euroabzgl. Risikokosten- 354,72 Euroabzgl. Ablaufleistung- 14.636,58 Eurozzgl. Nutzungen+ 5.492,46 Euro         2.994,68 Eurod) Im Übrigen steht dem Kläger kein darüber hinausgehender Nutzungsersatzanspruch zu. Der Kläger hat einen darüber hinausgehenden Anspruch auf tatsächlich gezogene Nutzungen nicht schlüssig dargelegt.

Hinsichtlich des Risikoanteils sowie der Abschlusskosten hat der BGH bereits (Urt. v. 11.11.2015, Az. IV ZR 513/14 – zitiert nach juris) klargestellt, dass ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf tatsächlich gezogene Nutzungen des Versicherers grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Beklagte diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte.

Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann ebenfalls nicht vermutet werden, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Allein hinsichtlich dieses Verwaltungskostenanteils kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsersatz gegen den Versicherer in Betracht, selbst wenn die Beklagte diesen Prämienanteil zur Bestreiten von Verwaltungskosten aufgewandt und auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (BGH, aaO.). Bezüglich dieses Verwaltungskostenanteils kann allerdings nicht vermutet werden, dass die Beklagte Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Insbesondere kann nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat (vgl. auch BGH, Urt. v. 01.06.2016, Az. IV ZR 343/15 – zitiert nach juris). Auch eine Bezugnahme des Klägers auf die ausweislich der Geschäftsberichte der Beklagten erzielte Nettorendite (bzw. richtiger wohl die Nettoverzinsung) auf Kapitalerträge genügt den Anforderungen, die an die dem Kläger obliegende Darlegungslast zu stellen sind, nicht (BGH, Urt. v. 24.02.2016, Az. IV ZR 512/14 OLG Stuttgart, Urt. v. 28.07.2016, Az. 7 U 80/16 – jeweils zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger nicht hinreichend konkret zur Höhe der von der Beklagten ggf. aus den Verwaltungskosten gezogenen Nutzungen vorgetragen. Zudem trägt der Kläger insoweit unzulässig ins Blaue hinein vor, der Sparanteil habe lediglich 6.422,17 Euro betragen, da die Beklagte im Rahmen ihrer Berechnungen die kalkulierten Abschluss- und Risikokosten zu niedrig angegeben habe und insoweit nur die tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen seien. Nur der Versicherer ist zu genauen Auskünften in der Lage, da nur er seine interne Kalkulation und die tatsächlich daraus benötigten Aufwände im Detail kennt. Der Kläger arbeiten somit letztlich mit bloßen Annahmen, Durchschnitts- und Erfahrungssätzen ohne Bezug zur konkreten Lage bei der Beklagten, so dass der Kläger insoweit letztlich unzulässig ins Blaue hinein vorträgt. Aus dem gleichen Grund war auch entsprechenden Beweisangeboten des Klägers nicht nachzukommen, wonach die Beklagte mit bestimmten Provisions- und Risikokosten kalkuliert habe und abweichend hiervon lediglich geringere bestimmte Provisions- und Risikokosten tatsächlich entstanden seien. Das zum Beweis dieser Behauptungen beantragte Sachverständigengutachten sowie die Vernehmung des Aktuars der Beklagten war nicht einzuholen bzw. die Beweisaufnahme nicht durchzuführen, da der Kläger auch insoweit mit reinen Annahmen ohne konkreten Bezug zur konkreten Ertragslage der Beklagten vorgetragen hat, so dass die Durchführung der Beweisaufnahme auf einen reinen Ausforschungsbeweis hinauslaufen würde. Das systemimmanente Informationsdefizit des Klägers führt nicht dazu, dass der Kläger berechtigt ist, abweichend von den Angaben der Beklagten insbesondere zu den Abschluss-, Verwaltungs- und Risikokosten eigene andere Vermutungen aufzustellen und diese – ins Blaue hinein – unter Beweis der Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens oder der Vernehmung des Aktuars der Beklagten zu stellen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger Einblick in ihre konkreten Kalkulationsgrundlagen sowie ihrem übrigen Zahlenwerk zu geben. Vielmehr sind diese Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten im Rahmen des hier streitgegenständlichen Anspruchs des Klägers auf Herausgabe der nur tatsächlich durch die Beklagte gezogenen Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB systembedingt angelegt.

Auch hinsichtlich von ihm behaupteten kalkulierten und auch hinsichtlich der hiervon gegebenenfalls abweichenden tatsächlich nur angefallenen Abschluss- und Verwaltungskosten trägt der Kläger unzulässig ins Blaue hinein vor.

Dem Kläger stünde auch unabhängig davon kein Anspruch auf Nutzungen aus der Eigenkapitalrendite der Beklagten zu. Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich nur auf tatsächlich aus den Prämienanteilen gezogene Nutzungen. Die Behauptung, die Verwaltungskosten bzw. die Ersparnis hätten zur Gewinnerzielung zur Verfügung gestanden, verfängt nicht. Die Nettoverzinsung bildet die Erträge aus Kapitalanlagen. Die Eigenkapitalrendite ist das Verhältnis von Gewinn des ganzen Versicherungsunternehmens zu dem eingesetzten Kapital. Gegenstand der ungerechtfertigten Bereicherung ist hier Geld und nicht das Unternehmen selbst (vgl. LG Dresden, Urteil vom 25.05.2018, Az.: 8 O 1553/17). Dies hat auch der BGH mit seinem Urteil vom 26.09.2018 (Az.: IV ZR 304/15) nicht anders entschieden. Der BGH hat hier lediglich erneut klargestellt, dass für die Höhe der Nutzungen nicht die durchschnittliche Nettoverzinsung der Kapitalanlagen der deutschen Lebensversicherer zugrunde gelegt werden kann.

3. Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist auch nicht nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich oder verwirkt. Gravierende Umstände liegen in dem vorliegenden Fall nicht vor. Der Kläger hat den Vertrag zwar über 16 Jahre durch die Prämienzahlungen erfüllt, und laufend Informationen zu den Versicherungen erhalten. Darüber hinaus hat er jedoch lediglich einmal das Bezugsrecht geändert, die Zahlweise angepasst bzw. eine geänderte Kontoverbindung mitgeteilt, um einvernehmliche Auflösung des Vertrags gebeten, eine Teilkündigung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erklärt und den Versicherungsschutz um eine Risikozusatzversicherung erweitert. Selbst letzteres genügt nach Auffassung des Gerichts in diesem Einzelfall nicht, um das erforderliche Umstandsmoment zu bejahen. Die Erweiterung um eine Risikozusatzversicherung begehrte der Kläger lediglich zwei Monate nach Beginn der Versicherung und somit so zeitnah zum Vertragsschluss, dass eine Bestätigung des abgeschlossenen Vertrages hierin nicht gesehen werden kann.

4. Bei den zuerkannten Zinsen handelt es sich um zugesprochene Prozesszinsen nach §§ 288, 291 BGB.

Hinsichtlich der darüber hinaus geltend gemachten Zinsforderung war die Klage abzuweisen. Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Zinszahlungen auf die begründete Klageforderung bereits ab dem 15.02.2016. Die Beklagte ist durch das Zahlungsaufforderungsschreiben der Klägervertreter vom 04.02.2016 (Anlage K 6) unter Fristsetzung bis zum 14.02.2016 nicht in Verzug geraten, da die in diesem Schreiben geltend gemachte Forderung weit übersetzt war (vgl. BGH, Urt. v. 29.07.2015, Az. IV ZR 384/14). Der Klägervertreter hat in den Schreiben die Rückerstattung aller geleisteten Beitragszahlungen zuzüglich weit übersetzter Zinsen als Nutzungsersatz begehrt, so dass er im Prozess die Klageforderung insbesondere auch nach Berücksichtigung bereits erfolgter Auszahlungen auch erheblich reduzieren musste.

5. Der Kläger kann hier keine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Der rechtsschutzversicherte Kläger hat trotz Bestreitens der Beklagten keinen Beweis für seine Aktivlegitimation angeboten. Der Kläger ist für den Nachweis der Aktivlegitimation darlegungs- und beweisbelastet. Nach dem Vortrag des Klägers ist die Kostenrechnung des Rechtsanwalts durch die Rechtsschutzversicherung des Klägers bereits bezahlt worden. Der Kläger hat auch behauptet, diese habe ihren Anspruch an den Kläger abgetreten. Nach dem Bestreiten der Beklagten ist für diese Behauptung dennoch kein Beweis angetreten worden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

IV.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 3, 4 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer sowie des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 20.10.2015, Az.: 9 W 60/15) sind die verlangten Nutzungen gemäß § 4 ZPO nur insoweit streitwertbestimmend, als sie nicht als Nebenforderung geltend gemacht werden.

Hinsichtlich der ursprünglich geltend gemachten Klage verbleiben von der Hauptforderung, d.h. den nach dem Vortrag der Klägerin eingezahlten Prämien in Höhe von 12.808,15 Euro nach Verrechnung der von der Klägerseite vorgetragenen Risikokosten noch 11.922,79 Euro, die mit der Klage geltend gemacht werden. Der Rückkaufswert beträgt 30,21 % der eingezahlten Beiträge, so dass dementsprechend von den insgesamt verlangten Nutzungen in Höhe von 26.538,43 Euro lediglich 30,21 %, streitwertbestimmend sind. Daraus errechnet sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 19.940,04 Euro.

Nach der Neuberechnung der Klägerseite mit Schriftsatz vom 15.01.2018 verbleiben von der Hauptforderung, d.h. den nach dem Vortrag der Klägerin eingezahlten Prämien in Höhe von 12.808,15 Euro nach Verrechnung der Risikokosten noch 11.922,79 Euro, die mit der Klage geltend gemacht werden. Der Rückkaufswert beträgt 30,53 % der eingezahlten Beiträge, so dass dementsprechend von den insgesamt verlangten Nutzungen in Höhe von 28.916,85 Euro 30,53 %, streitwertbestimmend sind. Daraus errechnet sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 20.751,10 Euro.

Nach der Neuberechnung der Klägerseite mit Schriftsatz vom 12.03.2018 verbleiben von der Hauptforderung, d.h. den nach dem Vortrag der Klägerin eingezahlten Prämien in Höhe von 12.808,15 Euro nach Verrechnung des ausgezahlten Rückkaufswertes in Höhe von 14.636,58 Euro und der Risikokosten noch 24.583,45 Euro, die mit der Klage geltend gemacht werden . Der Rückkaufswert beträgt 100 % der eingezahlten Beiträge, so dass dementsprechend von den insgesamt verlangten Nutzungen in Höhe von 28.916,85 Euro lediglich 100 %, streitwertbestimmend sind. Daraus errechnet sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 24.583,45 Euro.