OLG Hamburg, Urteil vom 21.02.2019 - 3 U 35/15
Fundstelle
openJur 2020, 2248
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 2. März 2015, Az. 327 O 250/13, aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin hat die Beklagte aus Patentrecht auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Vernichtung in Anspruch genommen.

Die Klägerin ist eingetragene alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents EP 1234, das eine Biege-und-Härt-Station für Glasscheiben betrifft (Anlage K 1). Der deutsche Teil des Klagepatents wird unter dem Aktenzeichen DE 5678 geführt (Anlage K 2). Das Schutzrecht der Klägerin stand bei Einleitung des vorliegenden Rechtstreits in Kraft, ist aber nach Erlass des hier mit der Berufung angegriffenen Urteils des Landgerichts vom 2. März 2015 am 26. April 2015 abgelaufen.

Die Beklagte, die in China ansässige Fa. B. Ltd., stellt Glasbearbeitungsanlagen her, die in Deutschland von der Fa. N vertrieben werden. Letztere bestätigte unter dem 28. Oktober 2008 einen Auftrag der Fa. F. zur Lieferung einer Biege-und-Härt-Station für Glasscheiben (Anlage K 4). Hierbei handelt es sich um den Walzenofen Typ XY der Beklagten (siehe Seite 1, Absatz 3 der Anlage K 4). Als Anlage K 5 hat die Klägerin 11 Fotos des bei der F. GmbH befindlichen Walzenofens (im Folgenden die „angegriffene Ausführungsform“) zur Akte gereicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent wortsinngemäß verletze. Die Beklagte tritt dem entgegen.

Mit Klagschrift vom 10. Juli 2012 hat die Klägerin zunächst sowohl den in Deutschland ansässigen Vertreiber, die Fa. N (vormalige Beklagte zu 1)) als auch die hiesige Beklagte (vormalige Beklagte zu 2)), die in China ansässige Herstellerin Fa. B. Ltd., in Anspruch genommen (Az. 327 O 250/13). Der vormaligen Beklagten zu 1) wurde die Klage am 11. August 2012 zugestellt. Unter dem 5. Oktober 2012 legitimierten sich für sie Rechtsanwälte K zur Akte.

Der jetzigen Beklagten (vormaligen Beklagten zu 2)) wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 6. August 2012 aufgegeben, innerhalb eines Monats einen Zustellbevollmächtigten gemäß § 184 ZPO zu benennen. Mit Verfügung vom 7. August 2012 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Zudem ergingen die Aufforderungen, Anordnungen und Hinweise gemäß §§ 276, 277 Abs. 2, 296 Abs. 1 und 3 ZPO sowie die Belehrung zum Anwaltszwang.

In dem Zustellersuchen des Landgerichts Hamburg vom 27. August 2012 wurde die Adresse der Beklagten – wie von der Klägerin mitgeteilt – in lateinischen Buchstaben mit „B. Ltd. Science and Technology Park, 201614 Shanghai, Volksrepublik China“ angegeben. Das dazu verwendete Formular wurde auf Veranlassung des Landgerichts vor der Übersendung an das für die Zustellungsersuchen nach dem Haager Zustellungsübereinkommen zuständige chinesische Justizministerium (Ministry of Justice of the People‘s Republic of China, Department of Judicial Assistance and Foreign Affaires, Division of Judicial Assistance) u. a. hinsichtlich der in dem Formular in lateinischen Buchstaben eingetragenen Adressangabe in die chinesische Sprache übersetzt (Anlage K 9). Dem Zustellersuchen lag die vom Landgericht veranlasste Übersetzung der Klagschrift in die chinesische Sprache bei. Eine Übersetzung der beiliegenden Anlagen der Klagschrift (Anlagen K 1 bis K 7) in die chinesische Sprache war jedoch nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 wurde das Zustellersuchen von den chinesischen Behörden zurückgewiesen. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Übersetzung der angefügten Dokumente in die chinesische Sprache nicht vollständig erfolgt sei („The Chinese Translation of the judicial documents attached ist not complete“). Zugleich wurde eine Kontaktperson benannt (Mr. T) sowie deren Erreichbarkeit per Telefon, Telefax und Email angegeben (Anlage K 8).

Nachfolgend wurde auf Veranlassung des Landgerichts eine Übersetzung sämtlicher Anlagen der Klageschrift vorgenommen und unter dem 8. April 2013 ein erneutes Zustellersuchen des Landgerichts Hamburg an das chinesische Justizministerium gerichtet.

Im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Verzögerungen bei der Zustellung der Klage an die in der Volksrepublik China ansässige Beklagte wurde das Verfahren gegen die deutsche Vertreiberfirma, d. h. die vormalige Beklagte zu 1), gemäß § 145 ZPO mit Beschluss des Landgerichts vom 3. Mai 2013 abgetrennt und unter dem Az. 327 O 373/12 selbständig fortgesetzt. Mit Urteil vom 26. Januar 2017 ist die deutsche Vertreiberfirma nach Einholung zweier Sachverständigengutachten und Anhörung der Sachverständigen ganz überwiegend antragsgemäß verurteilt worden. Das Landgericht ist von einer Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform ausgegangen. Über die beim Hanseatischen Oberlandesgericht anhängige Berufung der dortigen Beklagten, Az. 3 U 39/17, ist noch nicht entschieden worden.

Die vormalige Beklagte zu 2) blieb die – nunmehr – einzige Beklagte des vorliegenden Patentverletzungsverfahrens.

Unter dem 12. September 2013 erhob die Beklagte, vertreten durch Rechtsanwälte K., vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagpatent, und zwar unter derselben Adresse (in lateinischen Buchstaben), die auch im vorliegenden Patentverletzungsverfahren angegeben worden war (Anlage B 14).

Auf Anfrage des Landgerichts vom 5. November 2013 teilte das chinesische Justizministerium unter dem 22. November 2013 mit, dass die Zustellung der vorliegenden Patentverletzungsklage an die Beklagte abgelehnt werde, weil es eine solche Gesellschaft unter der angegebenen Adresse nicht gebe („No such company at the address provided“/Anlage K 9).

Nachfolgend beantragte die Klägerin unter dem 25. Februar 2014, die Klage gemäß § 185 Nr. 3 ZPO öffentlich zuzustellen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beklagte – entgegen den Angaben des chinesischen Justizministeriums – unter der angegeben Adresse ansässig sei und reichte entsprechende Fotos zur Akte (Anlage K 10). Die angegebene Anschrift stimme zudem mit den chinesischen Handelsregisterangaben der für die Registrierung zuständigen chinesischen Behörde, der Administration of Industry and Commerce, und den entsprechen Angaben auf der offiziellen Webseite der Beklagten überein (Anlage K 11). Zudem sei die Beklagte börsennotiert und auch die insoweit verfügbaren Adressangaben stimmten mit den vorliegenden überein.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2014 ordnete das Landgericht die öffentliche Zustellung der vorliegenden Klage vom 7. August 2012 sowie des Beschlusses zum schriftlichen Vorverfahren vom 6. August 2012 an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Zustellung im Ausland nicht möglich sei und weitere Zustellversuche keinen Erfolg versprächen. Die Klagschrift vom 7. August 2012, der Beschluss zur Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens vom 6. August 2012 und der Anordnungsbeschluss vom 26. Februar 2014 wurden in der Zeit vom 7. März 2014 bis zum 8. April 2014 an der Gerichtstafel des Landgerichts Hamburg ausgehängt.

Im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens führten die Prozessvertreter der hiesigen Klägerin mit Schriftsatz vom 17. März 2014 aus, dass die chinesischen Behörden das Ersuchen des Landgerichts vom 27. August 2012 auf Zustellung der Patentverletzungsklage vom 10. Juli 2012 an die hiesige Beklagte im November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hätten, dass ein Unternehmen mit der Firmierung der Beklagten (und Nichtigkeitsklägerin) unter dieser Adresse nicht zu ermitteln sei. Diese Begründung sei aber offensichtlich unrichtig (Anlage B 15). Angaben zu der zwischenzeitlich auf Antrag der Klägerin vom 25. Februar 2014 eingeleiteten und bereits laufenden öffentlichen Bekanntmachung der Patentverletzungsklage enthielt der Schriftsatz nicht (Anlage B 15).

Nachfolgend erging am 22. Mai 2014 gemäß § 331 Abs. 3 ZPO das mit Gründen versehene Versäumnisurteil, mit dem die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Vernichtung verurteilt wurde. Die Einspruchsfrist wurde auf vier Wochen festgesetzt. Auch mit Beschluss des Landgerichts vom 22. Mai 2014 wurde die Einspruchsfrist auf vier Wochen festgesetzt. Zudem wurde die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils angeordnet, weil eine Zustellung im Ausland nicht möglich sei und keinen Erfolg verspreche. Nachfolgend wurden das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 und der Beschluss vom 22. Mai 2014 in der Zeit vom 26. Mai 2014 bis zum 30. Juni 2014 an der Gerichtstafel des Landgerichts Hamburg ausgehängt.

Im Rahmen des von der Beklagten vor dem Bundespatentgericht geführten Nichtigkeitsverfahren führten ihre dortigen Prozessvertreter, Rechtsanwälte K., mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 aus, dass sie für das hiesige Patentverletzungsverfahren nicht mandatiert seien. Weiter wiesen sie darauf hin, dass der in die chinesische Sprache übersetzte Zustellungsantrag vom 10. Juli 2012 nach ihrer Prüfung mit einer fehlerhaften Adresse versehen sei (Anlage B 16). Am 9. Dezember 2014 fand vor dem Bundespatentgericht die mündliche Verhandlung über die Nichtigkeitsklage der hiesigen Beklagten statt. Im Verlauf dieser Verhandlung hat die Beklagte erstmals von der bereits im Wege der öffentlichen Bekanntmachung an sie erfolgten Zustellung der Patentverletzungsklage und des Versäumnisurteils erfahren. Seit dem 17. Dezember 2014 hat die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betrieben (Anlage K 1).

Daraufhin haben sich Rechtsanwälte K. mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 – unter Vorlage der Vollmacht vom 10. Dezember 2014 – für die Beklagte auch zum hiesigen Patentverletzungsverfahren legitimiert und Akteneinsicht genommen. Nachfolgend haben sie am 23. Dezember 2014 Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 eingelegt und Wiedereinsetzung in die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung der Klage vom 10. Juli 2012 und des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 nach § 185 Nr. 3 ZPO nicht vorgelegen hätten. Da die Klage nicht wirksam zugestellt worden sei, hätten schon die die Voraussetzungen zum Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO nicht vorgelegen.

Da zudem auch das Versäumnisurteil nicht wirksam zugestellt worden sei, sei die gemäß § 339 Abs. 2 ZPO mit vier Wochen festgesetzte Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Zudem sei die Beklagte ohne eigenes Verschulden gehindert gewesen, eine etwaige Einspruchsfrist einzuhalten.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 185 Abs. 3 ZPO, wonach eine öffentliche Zustellung erfolgen könne, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich sei oder keinen Erfolg verspreche, hätten nicht vorgelegen. Die Beklagte sei – unstreitig – durchgehend unter der im vorliegenden Patentverletzungsverfahren angegeben Firmenadresse, 328 Guanghua Road, Songjiang Science and Technology Park, 201614 Shanghai, Volksrepublik China, erreichbar gewesen.

Das erste Zustellungsersuchen vom 27. August 2012 sei schon deshalb unzureichend gewesen, weil die der Klageschrift beigefügten Anlagen nicht in die chinesische Sprache übersetzt worden seien. Die Zurückweisung dieses gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) HZÜ erfolgten Zustellersuchens durch die chinesischen Behörden vom 5. Februar 2013 sei daher gemäß Art. 5 Abs. 3 HZÜ zu Recht erfolgt. Dies gehe zu Lasten der Klägerin. Ein Beleg dafür, dass eine Zustellung in der Volksrepublik China nicht möglich sei oder keinen Erfolg verspreche, ergebe sich daraus jedoch nicht.

Auch der zweite Zustellversuch vom 8. April 2013, welchem nunmehr auch die Anlagen zur Klageschrift in Übersetzung beigelegen hätten, sei unzureichend gewesen. Das chinesische Recht sei sehr streng in Bezug auf Adressangaben, die im Rahmen einer Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken gemacht würden. Bereits kleinste Abweichungen reichten aus, damit eine Adressangabe nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen für eine wirksame Zustellung genügten.

Die in die chinesische Sprache übersetzte Adressangabe der Beklagten, welche in dem an das chinesische Justizministerium übersandten Zustellersuchen des Landgerichts Hamburg verwendet worden sei, habe sich maßgeblich von der zutreffenden Adressangabe der Beklagten in chinesischer Sprache unterschieden. Während in der maßgeblichen Gewerbeerlaubnis der Beklagten, ebenso wie im chinesischen Handelsregister, die zutreffende Adressangabe

laute (Anlagen B 1 und B 2), sei in der chinesischen Übersetzung der Adressangabe im Zustellungsersuchens des Landgerichts vom 27. August 2012 – unstreitig – die Adressangabe

verwendet worden (Anlage K 9).

Diese Adressangaben unterschieden sich in maßgeblicher Weise. Insoweit hat die Beklagte nachfolgende Gegenüberstellung der verwendeten Adressangaben vorgelegt:

und dazu ausgeführt, dass im Zustellungsersuchen das chinesische Schriftzeichen an 3. Stelle, welche die Bedeutung „Verwaltungsbezirk/Stadtteile“ trage, fehle, während an 5. Stelle der Adressangabe zwei Zeichen hinzugefügt worden seien, die die Bedeutung „Industrie“ hätten.

Diese Unterschiede hätten Auswirkungen auf die Identifizierbarkeit der Adresse. Das Weglassen des Zeichens an 3. Stelle für „Verwaltungsbezirk/Stadtteil“ führe dazu, dass die 2 Zeichen an 2. Stelle nicht mehr zugeordnet werden könnten. Die drei Zeichen an der 2. und 3. Stelle der tatsächlichen Adresse der Beklagten ergäben zusammen die Angabe „Songjing Verwaltungsbezirk/Stadtteil“. Ohne die Angabe „Verwaltungsbezirk/Stadtteil“ könne die Angabe „Songjing“ auch eine Straßenangabe sein. Das Hinzufügen von zwei Zeichen an 5. Stelle verändere die Bedeutung der weiteren Zeichen an 4. und 6. Stelle. Diese Zeichen lauteten in deutscher Übersetzung „Wissenschafts- und Technologiepark“. Durch die an 5. Stelle erfolgte Hinzufügung von 2 weiteren Zeichen ergebe sich die Bedeutung „Wissenschafts-, Technologie- und Industriepark“. Diese Abweichungen führten dazu, dass die Zustellung von Gerichtsdokumenten in China unmöglich sei bzw. von den zuständigen Stellen zurückgewiesen werde.

Für ihren diesbezüglichen Vortrag hat sich die Beklagte auf die eidesstattliche Versicherung der in der Kanzlei der Beklagtenvertreter in München tätigen Patentanwältin Dr. X. P. vom 23. Dezember 2014 (Anlage B 2) sowie die eidesstattliche Versicherung des chinesischen Rechtsanwalts H. A. vom 11. Februar 2015 (Anlage B 17) bezogen.

Es sei zu vermuten, dass diese Abweichungen auf einer unsorgfältigen Übersetzung der Beklagtenadresse von der englischen in die chinesische Sprache beruhten. Dies sei jedoch nicht von der Beklagten, sondern von der Klägerin zu verantworten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, an der Ermöglichung der Klagzustellung aktiv mitzuwirken, insbesondere vorauseilend einen entsprechenden Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Sie habe den Empfang der Patentverletzungsklage weder verweigert noch sich anderweitig der Zustellung entzogen.

Vielmehr habe die Klägerin den Erlass des Versäumnisurteils und dessen öffentliche Zustellung in rechtmissbräuchlicher Weise erschlichen. Obwohl ihr die Adresse der Beklagten ausweislich der als Anlage K 10 vorgelegten Fotos bekannt gewesen sei, habe die Klägerin davon abgesehen, sich unmittelbar bei der Beklagten zu erkundigen bzw. diese über das laufende Patentverletzungsverfahren zu informieren. Die Klägerin habe zudem, obwohl sie mit den Rechtsanwälten B. sowohl im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens vor dem Bundespatentgericht als auch während des gegen die deutsche Vertreiberfirma gerichteten Patentverletzungsverfahrens gerichtliche und außergerichtliche Verhandlungen geführt habe, nicht zu erkennen gegeben, dass es bereits zwei erfolglose Zustellversuche gegeben hatte und dass zudem zwischenzeitlich die öffentliche Zustellung der Patentverletzungsklage, der Erlass eines entsprechenden Versäumnisurteils gegen die Beklagte und dessen öffentliche Zustellung bewirkt worden waren. Die Kenntnis davon habe die Beklagte daher erst am 9. Dezember 2014 im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht erlangt, und auch dies nur auf ausdrückliche Nachfrage des Senats.

Die Verurteilung sei auch deshalb zu Unrecht erfolgt, weil der Klagvortrag schon unschlüssig gewesen sei. Insoweit hat die Beklagte unter Beweisantritt, insbesondere Sachverständigenbeweis, umfassenden Sachvortrag dazu gehalten, dass sie nicht passivlegitimiert sei, dass das Klagepatent nicht schutzfähig sei und dass keine Patentverletzung vorliege.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 wirksam erfolgt sei. Die Voraussetzungen von § 185 Abs. 3 ZPO hätten vorgelegen. Dass eine Zustellung an die Beklagte in China objektiv unmöglich gewesen sei, hätten die zuvor vergeblich erfolgten zwei Zustellversuche gezeigt. Die Zustellung der Klage sei über einen Zeitraum von rund 1 ½ Jahre vergeblich versucht worden.

Die Klägerin hat bestritten, dass die abweichend erfolgte Übersetzung der Adressangaben der Beklagten in die chinesische Sprache kausal für die Zurückweisung der Zustellung gewesen sei. Diese Fehler seien marginal. Die vorliegenden Abweichungen zu den im Gewerbeschein registrierten Adressangaben der Beklagten, nämlich das fehlende chinesische Schriftzeichen für die Angabe „Verwaltungsbezirk/Stadtteil“ an 3. Stelle und die beiden zusätzlichen chinesischen Schriftzeichen für den Begriff „Industrie“ an 5. Stelle, hätten keine Auswirkungen auf die Zustellungsfähigkeit des Schriftstücks. Für ihren diesbezüglichen Vortrag hat sich die Klägerin auf die eidesstattliche Versicherung des in der Kanzlei der Klägervertreter in Shanghai tätigen Rechtsanwalts T. Y. vom 19. Januar 2015 bezogen (Anlage K 11).

Eine Zustellung nach §§ 171, 172 ZPO an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei ebenfalls nicht möglich gewesen, da sich diese für nicht zustellungsbevollmächtigt erklärt hätten.

Die erfolglosen Versuche vom Februar und November 2013, die Patentverletzungsklage vom 10. Juli 2012 im internationalen Rechtshilfeverkehr mit der Volksrepublik China zuzustellen, rechtfertigten die Entscheidung des Landgerichts, auch das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 ohne weiteren Zustellversuch in der Volksrepublik China öffentlich zuzustellen.

Ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor, da die Beklagte die Einspruchsfrist nicht ohne ihr Verschulden versäumt habe. Vielmehr hätten die Klägervertreter die (jetzigen) Prozessvertreter der Beklagten, Rechtsanwälte B., und die Beklagte selbst mehrfach über die vergeblichen Zustellversuche in Kenntnis gesetzt. Dass eine Klage gegen sie anhängig sei, sei der Beklagten spätestens im April 2013 bekannt gewesen.

Die Prozessvertreter der Beklagten hätten jedoch schriftlich und mündlich erklärt, dass weder sie noch die Beklagte an der Zustellung mitwirken und die Klage entgegen nehmen würden (Anlagen K 8a bis 8c). So hätten Rechtsanwälte K. den Klägervertretern mit Schreiben vom 26. April 2013 mitgeteilt, dass sie im Hinblick auf die Patentverletzungsklage nicht über eine Prozess- oder Empfangsvollmacht für die Beklagte verfügten und dass sie die Beklagte im Hinblick auf das Vorgehen der Klägerin gegen die Fa. N und die Fa. F. über die entsprechenden Vertretungsverhältnisse und Abläufe informiert hätten (Anlage K 8a). Auch in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2013 in der Parallelsache gegen die deutsche Vertreiberin der angegriffenen Ausführungsform (Fa. N.) hätten Rechtsanwälte B. die Mitwirkung an der Zustellung der Klage an die hiesige Beklagte verweigert.

Da die Vertreter der dortigen Beklagten (hiesigen Klägerin) im Nichtigkeitsverfahren mit dortigem Schriftsatz vom 17. März 2014 ausgeführt hätten, dass die chinesischen Behörden die Zustellung der Patentverletzungslage an die Beklagte im November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hätten, dass ein Unternehmen mit der Firmierung der Beklagten unter dieser Adresse nicht zu ermitteln sei (Anlage B 15 = Anlage K 9), habe die Beklagte spätestens ab diesem Zeitpunkt mit einer Zustellung im Wege der öffentlichen Bekanntmachung rechnen müssen.

Zudem sei die Verurteilung auch materiell zu Recht erfolgt. Die Klage sei hinsichtlich des erhobenen Patentverletzungsvorwurfs schlüssig gewesen. Insoweit hält die Klägerin umfassenden Sachvortrag und nimmt u.a. auf die vorliegenden schriftlichen Sachverständigengutachten aus dem parallelen Patentverletzungsstreit sowie weitere Unterlagen Bezug.

Nachdem das Landgericht Hamburg den Antrag der Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung bereits mit Beschluss vom 14. Januar 2015 zurückgewiesen hatte, wurden der Wiedereinsetzungsantrag und der Einspruch der Beklagten mit Urteil vom 2. März 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 3 ZPO zu Recht erfolgt sei. Die Angabe des Nichterledigungsgrundes: „No such company at the address provided.“ seitens der chinesischen Zustellungsbehörde, sei unzutreffend gewesen, denn die Klägerin habe mit den Anlagen K 10 und K 11 glaubhaft gemacht, dass die Zustellversuche unter der zutreffenden Anschrift der Beklagten, die unter dieser Anschrift auch ihren Geschäftssitz unterhalte, erfolgt seien. Eine anderweitige Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils an die Beklagte in der Volksrepublik China sei weder möglich noch erfolgversprechend gewesen.

Die fehlende Kenntnis der Beklagten von der mit Wirkung zum 27. Juni 2014 erfolgten öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 sei zudem nicht unverschuldet eingetreten. Die Klageschrift vom 10. Juli 2012, in der die jetzige Beklagte als Beklagte zu 2) aufführt worden sei, habe den Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits seit dem 5. Oktober 2012 vorgelegen. Die Klägervertreter hätten die Beklagtenvertreter wiederholt auf Versuche einer Zustellung der Klage an die Beklagte hingewiesen, bevor sie am 25. Februar 2014 die öffentliche Zustellung der Klage beantragt hätten. Zudem hätten die Beklagtenvertreter die Beklagte am 22. April 2013 in einem anderen Prozessrechtsverhältnis zunächst als ihre „Mandantin“ bezeichnet (Anlage K 08a) und erst auf das nachfolgende Schreiben der Klägervertreter vom 25. April 2013 (Anlage K 08c) mit Schreiben vom 26. April 2013 mitgeteilt, dass die Beklagte sie nicht im Hinblick auf die vorliegende Patentverletzungsklage mandatiert habe. Die Beklagte sei „von [ihnen] in diesem Zusammenhang bisher lediglich über die entsprechenden Vertretungsverhältnisse und Abläufe informiert“ worden (Anlage K 08b). Zudem sei der Beklagten aufgrund des im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens vorgelegten Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 17. März 2014 bekannt geworden, dass die Zustellung der Patentverletzungsklage an die Beklagte in der Volksrepublik China zurückgewiesen worden war (Anlage K 9 = Anlage B 15). In der Gesamtschau habe die Beklagte daher spätestens im März 2014 mit dem Erlass und der öffentlichen Zustellung eines entsprechenden Versäumnisurteils im vorliegenden Patentverletzungsverfahren rechnen müssen. Daher sei sie nach allem nicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die gesetzte Einspruchsfrist einzuhalten.

Gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs wandte sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 19. März 2015, Az. 3 W 21/15, die sie in der Berufungsverhandlung vom 29. November 2018 zurückgenommen hat.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 19. März 2015, Az. 3 U 35/15. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Weiter führt sie aus, dass sie mit ihrem Einspruch vom 23. Dezember 2014 die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 nicht versäumt habe, denn die Einspruchsfrist sei aufgrund der bestehenden Zustellungsmängel schon nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Denn sie habe – unstreitig – erstmals am 9. Dezember 2014 davon erfahren, dass gegen sie bereits ein Versäumnisurteil ergangen war. Vom Inhalt dieses Versäumnisurteils habe sie – unstreitig – erst mit erfolgter Akteneinsicht der Beklagtenvertreter am 17. Dezember 2014 erfahren. Zudem liege auch kein Verschulden der Beklagten hinsichtlich einer etwaigen Fristversäumung vor. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass die Klägerin ein Versäumnisurteil erwirken und dass dieses Urteil im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zugestellt werden würde.

Die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung gemäß § 185 Nr. 3 ZPO hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Der Beklagten sei der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG versagt worden. Das Landgericht habe die Beklagte jedenfalls formlos über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Klage informieren müssen.

Entgegen der unzutreffenden Einschätzung des Landgerichts seien weitere Versuche, die Zustellung in der Volksrepublik China im Wege der Rechtshilfe zu bewirken, erfolgversprechend gewesen. Der erste Zustellungsversuch sei bereits deshalb untauglich gewesen, weil die der Klagschrift beiliegenden Anlagen nicht in die chinesische Sprache übersetzt worden seien. Beide Zustellungsversuche seien aber auch deshalb untauglich gewesen, weil die im Zustellersuchen des Landgerichts vom 27. August 2012 in chinesischer Sprache angegebene Adresse der Beklagten nicht mit der insoweit maßgeblichen Adresse in der Gewerbeerlaubnis/Geschäftslizenz sowie der gleichlautenden beim dortigen Handelsregister in chinesischer Sprache registrierten Adresse des Firmensitzes der Beklagten übereingestimmt habe. Beide Zustellungsersuchen seien von den chinesischen Behörden daher zu Recht zurückgewiesen worden.

Weder das Landgericht noch die Klägerin seien der Frage nachgegangen, weshalb das zweite Zustellungsersuchen zurückgewiesen worden sei. Dazu habe jedoch Anlass bestanden, nachdem die Klägerin unter Vorlage von Fotos (Anlage K 10) und eines Ausdrucks der Firmenangaben auf der Webseite der Beklagten (Anlage K 11) zutreffend ausgeführt habe, dass die Beklagte tatsächlich unter der in der Klagschrift genannten Adresse ansässig sei. Die Klägerin habe die Zurückweisung der Zustellung vielmehr zum Anlass genommen, mittels öffentlicher Zustellung von Klage und Versäumnisurteil vollendete Tatsachen zu schaffen. Erst nach Ablauf der Rechtsmittelfristen habe sie sich dann an die Beklagte gewandt und diese im Rahmen der Zwangsvollstreckung unterrichtet.

Das Vorgehen der Klägerin sei zudem auch rechtsmissbräuchlich. Von dem ersten erfolglosen Zustellversuch in der Volksrepublik China habe die Beklagte nichts erfahren. Sie habe daher auch nicht damit rechnen müssen, dass die Klage im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zugestellt werden würde. Da sie im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens bereits mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 darauf hingewiesen habe, dass die für die Zustellung in der Volksrepublik China angegebene Adresse der Beklagten fehlerhaft sei, habe sie davon ausgehen können, dass – wenn überhaupt – ein weiterer Zustellversuch mit zutreffender Adresse erfolgen werde. Die Klägerin bzw. die Klägervertreter hätten gegenüber den Rechtsanwälten B. zudem weder in dem parallelen Patentverletzungsverfahren gegen die deutsche Vertreiberin noch in dem von der hiesigen Beklagten geführten Nichtigkeitsverfahren zu erkennen gegeben, dass zwischenzeitlich bereits die öffentliche Zustellung der Patentverletzungsklage vom 10. Juli 2012 und des nachfolgend ergangenen Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 erfolgt war.

Auch liege keine Zustellungsvereitelung seitens der Beklagten vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei, die Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, aktiv an der Zustellung der Klage mitzuwirken.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils hätten auch deshalb nicht vorgelegen, weil die Klage unschlüssig gewesen sei. Insoweit hält die Beklagte unter Beweisantritt, insbesondere Zeugen- und Sachverständigenbeweis, umfassenden Sachvortrag dazu, dass sie nicht passivlegitimiert sei, dass das Klagepatent nicht schutzfähig sei und dass keine Patentverletzung vorliege. Sie nimmt auf den im Parallelverfahren, Az. 327 O 373/12 und 3 U 39/17, gehaltenen Berufungsvortrag (Anlagen B 20a und B 20b) Bezug und regt zudem die Beiziehung der dort erstatteten beiden Sachverständigengutachten (Anlagen B 18a bis B 19b) an.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil vom 2. März 2015 abzuändern, das Versäumnisurteil des Landgerichts Hamburg vom 22. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nachfolgend haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungs-, Auskunfts- und Vernichtungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt und

wechselseitig Kostenanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt im Übrigen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Sache gemäß 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass sowohl die Klage als auch das Versäumnisurteil zu Recht öffentlich zugestellt worden seien. Die erfolglosen Versuche, die Klage im Rechtshilfeverkehr mit der Volksrepublik China zuzustellen, rechtfertigten die Entscheidung des Landgerichts, auch das Versäumnisurteil ohne weiteren Zustellversuch in der Volksrepublik China öffentlich zuzustellen. Der Versuch einer Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr hätte sich vor diesem Hintergrund als eine reine Förmelei dargestellt. Somit sei die Einspruchsfrist, die die Beklagte versäumt habe, wirksam in Gang gesetzt worden.

Die ungenau erfolgte Übersetzung der Adressangaben der Beklagten in die chinesische Sprache sei für die Zurückweisung der Zustellung nicht kausal gewesen, denn die Abweichungen seien marginal.

Ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor, da die Beklagte aufgrund der ihr bekannten Zustellungsprobleme mit der öffentlichen Zustellung der gegen sie gerichteten Patentverletzungsklage habe rechnen müssen.

Zudem sei die Verurteilung auch materiell zu Recht erfolgt. Die Klage sei hinsichtlich des erhobenen Patentverletzungsvorwurfs schlüssig gewesen. Insoweit hält die Klägerin umfassenden Sachvortrag und nimmt u.a. auf die zwischenzeitlich vorgelegten schriftlichen Sachverständigengutachten aus dem parallelen Patentverletzungsstreit sowie ihr Berufungsvorbringen im Parallelprozess, Az. 327 O 373/12 und 3 U 39/17, (Anlagen BE 10 und BE 11) Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. November 2015 Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Mit Urteil vom 2. März 2015 hat das Landgericht den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 zu Unrecht als unzulässig verworfen.

I.

Der Einspruch der Beklagten vom 23. Dezember 2014 war zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

1.

Denn das durch Aushang an der Gerichtstafel in Hamburg im Zeitraum vom 26. Mai 2014 bis 30. Juni 2014 öffentlich zugestellte Versäumnisurteil, gegen das die Beklagte (erst) mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 Einspruch eingelegt hat, war noch nicht rechtskräftig geworden. Durch die öffentliche Zustellung wurde die auf vier Wochen festgesetzte Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 2 ZPO) nicht in Gang gesetzt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen von § 185 Nr. 3 ZPO für eine öffentliche Zustellung erkennbar nicht vorgelegen haben.

a)

Nach § 185 Nr. 3 ZPO kann eine öffentliche Zustellung trotz bekannten Aufenthalts der Beklagten im Ausland angeordnet werden, wenn die Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Dies ist der Fall, wenn ein Rechtshilfeabkommen mit dem betreffenden Staat nicht besteht und auch vertraglos nicht stattfindet (OLG Köln, MDR 2008, 1061) oder wenn Rechtshilfe tatsächlich oder erfahrungsgemäß – etwa aus politischen Gründen – verweigert wird (Zöller-Schultzky, ZPO, 32. Auflage, 2018, § 185 Rn. 7; Musielak/Voit-Wittschier, ZPO, 15. Auflage, 2018, § 185 Rn. 5).

An die Feststellungen, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung vorliegen, sind dabei wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (BGH, BeckRS 2018, 3329, Rn. 16; BGH, NJW 2012, 3582, Rn. 17 BGH, NJW 2003, 1530; BGH, NJW-RR 2013, 307, Rn. 16 unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW 1988, 2361; MüKoZPO-Häublein, ZPO, 5. Auflage, 2016, § 185 Rn. 1). Sie darf nur dann durchgeführt werden, wenn feststeht, dass eine andere Form der Zustellung nicht oder nur schwer durchführbar ist (BVerfG, NJW 1988, 2361).

Dies war jedenfalls bei der öffentlichen Zustellung des hier vorliegenden Versäumnisurteils erkennbar nicht der Fall.

aa)

Im Verhältnis zur Volksrepublik China existiert ein Rechtshilfeabkommen. Zustellungen sind nach dem Haager Zustellübereinkommen vom 15. November 1965 durchzuführen (HZÜ, BGBl. 1992 II S. 146). Als zentrale Behörde für Zustellungen durch ausländische Stellen im Sinne des § 2 HZÜ ist in der Volksrepublik China das chinesische Justizministerium („Ministry of Justice of the People's Republic of China“) bestimmt worden. In Ausnahmefällen kann gemäß § 14 ZRHO auch die deutsche Botschaft Zustellungen vornehmen, diese jedoch nur formlos und nur dann, wenn der Zustellungsempfänger – wie hier nicht – deutscher Staatsangehöriger ist (vgl. ZRHO Länderteil – China).

Der Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 in der Volksrepublik China stand somit keine fehlende vertragliche Grundlage entgegen. Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Volksrepublik China die internationale Rechtshilfe im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland tatsächlich oder erfahrungsgemäß verweigern würde, bestanden nicht.

bb)

Eine ausdrückliche Verweigerung der Rechtshilfe durch das chinesische Justizministerium gab es vorliegend im Zeitpunkt der Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils ebenfalls nicht, denn eine Zustellung des Versäumnisurteils im internationalen Rechtshilfeverkehr ist schon nicht versucht worden.

(1)

Insoweit hat das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass die öffentliche Zustellung durch das Prozessgericht (§ 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO) jeweils nur für ein konkret bezeichnetes Schriftstück, nicht jedoch für den ganzen Rechtszug bewilligt wird. Die Voraussetzungen des § 185 Nr. 3 ZPO müssen deshalb sowohl im Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung der Klageschrift als auch der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils vorliegen und sind jeweils gesondert zu prüfen. Die pauschale Feststellung, dass die Zustellung im Ausland nicht möglich sei und eine Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspreche, genügt daher nicht (BGH, BeckRS 2018, 3329, Rn. 17 m. w. N. zu § 185 Nr. 2 ZPO).

Die Voraussetzungen des § 185 Nr. 3 ZPO müssen sowohl im Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung der Klageschrift als auch der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils vorliegen und sind jeweils gesondert zu prüfen. Der Zweck des § 185 Nr. 3 ZPO, Zustellungen im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zu ermöglichen, wenn andere Zustellungsformen aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar sind, rechtfertigt es nicht, vor der öffentlichen Zustellung eines Versäumnisurteils entgegen dem Gesetzeswortlaut von einem gesonderten Zustellversuch deshalb abzusehen, weil eine Zustellung über ein halbes Jahr zuvor im Rahmen der Zustellung der Klageschrift erfolglos geblieben ist (BGH, BeckRS, 2018, 3329, Rn. 17 zu § 185 Nr. 2 ZPO).

(2)

Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Landgerichts geben die zwei vorangegangenen erfolglosen Versuche, die Klagschrift vom 10. Juli 2012 im Rechtshilfeverkehr zuzustellen, keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die chinesischen Behörden ein ordnungsgemäßes Zustellungsersuchen zurückgewiesen hätten.

(2.1)

Denn das ersten Zustellungsersuchens des Landgerichts Hamburg vom 8. Oktober 2012 ist von den chinesischen Behörden im Februar 2013 zu Recht zurückgewiesen worden, da eine vollständige Übersetzung der zuzustellen Anlagen der Klagschrift vom 10. Juli 2012 fehlte (vgl. Art. 2 Abs. 3 HZÜ, § 26 ZRHO). Diese zu Recht erfolgte Zurückweisung erlaubt nicht den Schluss, dass etwaige ordnungsgemäße Zustellungsersuchen ohne Aussicht auf Erfolg seien bzw. dass die Rechtshilfe vorliegend verweigert wird.

(2.2)

Auch aus der Zurückweisung des zweiten Zustellungsersuchens des Landgerichts Hamburg vom 8. April 2013 ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass Zustellungen nach dem HZÜ an die Beklagte in der Volksrepublik China unmöglich bzw. nicht erfolgversprechend gewesen wären.

Dieses zweite Zustellungsersuchen des Landgerichts Hamburg, dem die vollständig übersetzten Unterlagen beilagen, wurde mit der Mitteilung des chinesischen Justizministeriums vom 12. November 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es „No such company at the address provided“. Eine nähere Erläuterung wurde nicht gegeben. Diese Zurückweisung seitens des chinesischen Justizministeriums gibt jedoch ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Zustellung gerichtlicher Dokumente, insbesondere des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014, an die Beklagte in der Volksrepublik China unmöglich gewesen wäre oder keinen Erfolg versprochen hätte.

Dabei ist nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag davon auszugehen, dass zwischen der maßgeblichen Adressangabe in der Gewerbeerlaubnis der Beklagten und der im Rahmen des Zustellersuchens verwendeten Adressangabe – jeweils in chinesischer Sprache – Unterschiede bestanden. So fehlt im Zustellungsersuchen das chinesische Schriftzeichen an 3. Stelle, welches die Bedeutung „Verwaltungsbezirk/Stadtteile“ hat, während an 5. Stelle der Adressangabe zwei Zeichen hinzugefügt worden sind, die die Bedeutung „Industrie“ haben. Den Umstand, dass es im Verlauf der vom Gericht veranlassten Übersetzungen zu einer Verfälschung der dann in chinesischen Schriftzeichen angegebenen Adresse der Beklagten zu 2) gekommen war, hat das Landgericht – ausweislich der vorliegenden Akteninhalts – nicht erkannt.

Die Parteien streiten umfassend darum, ob die vorgenannten Abweichungen bei der Beklagtenadresse in chinesischer Sprache dazu geführt hätten, dass das Zustellungsersuchen zurückgewiesen worden ist. Davon ist jedoch schon deshalb auszugehen, weil die Zurückweisung des Zustellersuchens ausdrücklich damit begründet worden ist, dass es eine solche Gesellschaft unter der angegebenen Adresse nicht gebe („No such company at the adress provided“). Zwar ist diese Angabe mehrdeutig. Sie kann zum einen in dem Sinne verstanden werden, dass es die genannte Gesellschaft dort schlicht nicht gibt. Sie kann aber auch dahin verstanden werden, dass es eine solche Gesellschaft zwar gibt, jedoch nicht unter der angegebene Adresse („at the adress provided“).

Angesichts der mangelnden Eindeutigkeit der Angabe, hätte für das Landgericht – jedenfalls zum Zeitpunkt der Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils am 22. Mai 2014 – hinreichender Anlass bestanden, bei den chinesischen Behörden entsprechende Nachfrage zu halten. Denn die Klägerin hatte zwischenzeitlich weitere Nachforschungen angestellt, aus denen sich ergab, dass die (in englischer Sprache) angegebene Adresse der Beklagten zu 2) zutreffend war (Anlagen K 10 und K 11). Zudem hatte das chinesische Justizministerium bereits bei der Zurückweisung des ersten Zustellversuchs einen Ansprechpartner benannt (Mr. T.) und dessen Erreichbarkeit per Telefon, Telefax und Email angegeben (Anlage K 8). Eine Kontaktaufnahme zur Abklärung des Grundes für die Zurückweisung des zweiten Zustellungsersuchens wäre daher ohne weiteres möglich und auch erfolgversprechend gewesen.

Aufgrund der ungeklärten Ursache der Rücksendung des zweiten Zustellersuchens und der grundsätzlich funktionierenden Rechtshilfe mit China hat die Anordnung des Landgerichts vom 22. Mai 2014, das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 öffentlich zuzustellen, gegen das Gebot, eine öffentliche Bekanntmachung erst dann vorzunehmen, wenn andere Zustellmöglichkeiten ausgeschlossen sind, verstoßen. Ein konkrete Nachfrage hinsichtlich der Zurückweisung des zweiten Zustellersuchens wäre nach den unstreitigen Feststellungen zur abweichenden Adressangabe in chinesischer Sprache weder aussichtslos oder eine reine „Förmelei“ gewesen.

Bereits dieser Verfahrensmangel führt zur Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 nach § 185 Nr. 3 ZPO.

b)

Darüber hinaus leidet die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch deshalb an einem Verfahrensmangel, weil eine informelle Information der Beklagten unterblieben ist.

aa)

Dieses Erfordernis folgt aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs, welches sich aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtscharta ergibt und dem nur dann ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die Beklagte von der öffentlichen Zustellung zumindest informell in Kenntnis gesetzt wird.

Angesichts der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf rechtliches Gehör wird daher überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Zustelladressaten – sei es durch einfachen Brief, durch Übermittlung per Kurier, per Telefax oder per Email – neben der öffentlichen Zustellung zwingend erforderlich ist, wenn – wie vorliegend – die Anschrift oder sonstige Kontaktmöglichkeiten bekannt sind (OLG Frankfurt, BeckRS 2018, 3326 Rn. 13; OLG Köln, BeckRS 2008, 1237 Rn. 6; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1683, 1684; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 76. Auflage, 2018, § 185 Rn. 12; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Auflage, 2018, § 183 Rnrn. 9, 10).

Demgegenüber wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Adressaten einer öffentlichen Zustellung zwar wünschenswert wäre, dies jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Zustellung sei, da § 185 ZPO dies nicht vorschreibe (MüKoZPO-Häublein, ZPO, 5. Auflage, 2016, § 185 Rn. 13 Stein/Jonas/ Roth, ZPO, 23. Auflage, 2017, § 185 Rn. 15). Ein solches Verständnis berücksichtigt jedoch nicht hinreichend die Anforderungen, welche sich aus der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs ergeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs soll die ordnungsgemäße Erfüllung der Zustellvorschriften gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung darauf einrichten kann (BVerfG, NJW 1988, 2361; BGH, NJW-RR 2012, 1012). Ob schon jeder Zustellungsmangel zur Verfehlung dieses verfassungsrechtlich gebotenen Zwecks führt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26. Oktober 1987 (NJW 1988, 2361) zwar offengelassen. Es hat jedoch die Zustellfiktion der öffentlichen Bekanntmachung im Fall der öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts (§ 185 Abs. 1 ZPO, damals § 203 Abs. 1 ZPO a. F.) nur dann für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, „wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist, sei es wegen des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsempfängers, sei es wegen der Vielzahl oder Unüberschaubarkeit des Kreises der Betroffenen“. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Zustellfiktion des § 185 ZPO danach nur dann, wenn eine Kenntnisnahme des Zustellempfängers auf anderen Wegen ersichtlich keinen oder nur geringen Erfolg verspricht.

Hieraus folgt für den Fall des bekannten Aufenthalts des Zustelladressaten im Ausland, der – wie hier – mit modernen Kommunikationsmitteln ohne weiteres erreicht werden kann (vgl. Anlage K 11), zwingend das Gebot, ihn im Fall einer öffentlichen Zustellung über diese Informationswege von dem Verfahren und insbesondere von dem Erlass eines vollstreckbaren Titels in Kenntnis zu setzen. Dies gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 185 ZPO. Denn nur so kann im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs der Zweck der Zustellvorschriften gewährleistet werden.

bb)

Von einer solchen informellen Unterrichtung durfte vorliegend nicht abgesehen werden. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagten bereits hinreichend bekannt war, dass die Klägerin einen Titel gegen sie erwirken würde bzw. schon erwirkt hatte. Die Klägerin mutmaßt lediglich, dass die Beklagte spätestens Ende 2012 über die gegen sie gerichtete Klage informiert gewesen sei.

Zwar war dies den jetzigen Prozessvertretern der Beklagten, Rechtsanwälte B., spätestens seit dem 5. Oktober 2012 bekannt, als sie sich für die deutsche Vertreiberin der angegriffenen Ausführungsform, die vormalige Beklagte zu 1), zur Akte legitimiert haben. Denn in der Klagschrift vom 10. Juli 2012 waren beide Beklagten, also auch die hiesige Beklagte (vormalige Beklagte zu 2)), aufgeführt. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die hiesige Beklagte die Rechtsanwälte B. jedoch noch nicht in dem vorliegenden Patentverletzungsverfahren mandatiert. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich die frühzeitige Mandatierung auch nicht aus den Schreiben der Rechtsanwälte B. vom 22. und 26. April 2012 (Anlagen K 08a und K 8b). Daher kann das Wissen der Rechtsanwälte B. der Beklagten nicht zugerechnet werden.

Auch aus dem Umstand, dass Rechtsanwälte B. die Beklagte – nach der bereits am 3. Mai 2013 erfolgten Abtrennung des vorliegenden Patentverletzungsverfahrens – dann in dem Patentnichtigkeitsverfahren vom 12. September 2013 vertreten haben, und dass sie sich schließlich am 10. Dezember 2014 auch für die hiesige Beklagte zur hiesigen Akte legitimiert haben, ergibt sich nicht der Schluss, dass die Beklagte die Rechtsanwälte B. bereits zuvor in der vorliegenden Patentverletzungssache mandatiert hätte. Vielmehr zeigt die zur Akte gereichte Vollmachtsurkunde, dass die Bevollmächtigung erst am 10. Dezember 2014 erfolgt ist, nämlich einen Tag nach der am 9. Dezember 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht, in deren Verlauf die Beklagte – unstreitig – erstmals von dem zwischenzeitlich gegen sie ergangenen Versäumnisurteil erfahren hat.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Beklagtenvertreter über die Zustellungsprobleme unterrichtet worden seien, ist schon nicht erkennbar, dass dies zu einem Zeitpunkt geschehen wäre, zu dem die Beklagtenvertreter bereits für den vorliegenden Rechtsstreit mandatiert gewesen wären.

Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagtenvertreter hinreichend, nämlich auch über die zwischenzeitlich erfolgte Zustellung der Klage im Wege der öffentlichen Bekanntmachung, den Erlass des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 und dessen nachfolgende öffentliche Zustellung informiert worden wären.

Vorgetragen hat die Klägerin dies nicht. Auch aus dem bei der Akte befindlichen Schriftsatz vom 17. März 2014, in dem die Prozessvertreter der Klägerin im Patentnichtigkeitsverfahren u. a. Vortrag zu einem vergeblichen Zustellversuch in der Volksrepublik China gehalten haben, ergibt sich dies nicht. Dort wird zwar über die Zurückweisung des Zustellungsersuchens des Landgerichts seitens der chinesischen Behörden im November 2013 berichtet. Angaben zu dem ersten unzureichenden Zustellersuchen finden sich dort jedoch nicht. Auch auf den maßgeblichen Umstand, dass zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Schriftsatzes zeitgleich die öffentliche Zustellung der Klage durch Bekanntmachung an der Gerichtstafel des Landgerichts Hamburg lief, blieb gänzlich unerwähnt (Anlage B 15).

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Beklagte von dem Verlauf des Patentverletzungsverfahrens, insbesondere von dem zwischenzeitlich erfolgten Erlass des Versäumnisurteils, hinreichend Kenntnis gehabt hätte.

c)

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Rechtsanwälten B. bereits zuvor Zustellungsvollmacht für den vorliegenden Patentverletzungsprozess zu erteilen. Soweit sich die Beklagte jetzt auf die Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Zustellung beruft, stellt sich dies – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Sie hat lediglich nicht aktiv an der Zustellung mitgewirkt. Das ist jedoch zivilprozessual nicht zu beanstanden.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte der Zustellung der Patentverletzungsklage entzogen hätte, bestehen nicht. Sie war vielmehr durchgehend aufzufinden und erreichbar (Anlage K 11).

d)

Die nach dem oben Gesagten bereits wegen der unterlassenen Zustellung des Versäumnisurteils im Rechtshilfeverkehr nach den Regelungen des HZÜ fehlerhaft angeordnete öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Zustellfiktion des § 188 ZPO aus und setzt keine Frist in Lauf (st. Rspr. seit BGH, NJW 2002, 827, 830; BGH NJW-RR 2013, 307, Rn. 21). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung auf einem Fehler des Gerichts beruht und bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen (BGH NJW 2012, 3582, Rn.19).

Dies war vorliegend der Fall. Denn jedenfalls der naheliegende Versuch, die möglichen Ursachen für die unzureichend erläuterte Zurückweisung der Zustellung der Klagschrift durch das chinesische Justizministerium abzuklären, ist unterblieben. Hinzu kommt, dass das Gericht die Beklagte nicht informell von den öffentlichen Zustellungen informiert hat, obwohl die Klägerin zwischenzeitlich weitere Recherchen angestellt und entsprechende Fotos und Kontaktdaten der Beklagten zu 2) zur Akte gereicht hatte (Anlagen K 10 und K 11). Eine Information der Beklagten, etwa über die auf ihrer Webseite angegebenen Emailadresse (Anlage K 11), wäre weder kosten- noch zeitaufwändig gewesen. Diese vorgenannten Unterlagen hätten auch Grundlage eines Nachfassens des Landgerichts beim chinesischen Justizministerium sein können.

2.

Die festgesetzte vierwöchige Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO ist somit frühestens mit Kenntniserlangung der Beklagten vom Inhalt des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 in Gang gesetzt worden. Kenntnis vom Erlass des Versäumnisurteils erlangte die Beklagte – nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag – erstmals am 9. Dezember 2014, nämlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht über die Nichtigkeitsklage (Anlage B 13). Kenntnis vom näheren Inhalt und vom Zustandekommen des Versäumnisurteils erlangte die Beklagte erstmals, als die zwischenzeitlich am 10. Dezember 2014 bevollmächtigten Beklagtenvertreter in der Zeit vom 17. bis zum 22. Dezember 2014 Einsicht in die vorliegende Verfahrensakte genommen hatten. Mithin war die mit dem Versäumnisurteil sowie dem gesonderten Beschluss des Landgerichts vom 22. Mai 2014 auf vier Wochen festgesetzte Einspruchsfrist bei Eingang des Einspruchs der Beklagten per Telefax am 23. Dezember 2014 und per Originalschriftsatz am 24. Dezember 2014 ersichtlich noch nicht abgelaufen.

Da die Einspruchsfrist somit gewahrt worden ist, bedurfte es keiner Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten. Durch den Einspruch wird vielmehr nach § 342 ZPO der Weg zu der auch vom Bundesverfassungsgericht geforderten Sachentscheidung eröffnet (vgl. BGH, NJW 2002, 827, 829; BGH, NJW 2007, 303).

Mit dem Urteil vom 2. März 2015 hat das Landgericht daher den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 22. Mai 2014 zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 2. März 2015 hat daher Erfolg.

II.

Das Urteil vom 2. März 2015 ist im Hinblick auf die unzureichende Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Mai 2014 aufzuheben und die Sache auf den entsprechenden Antrag der Klägerin nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Das Verfahren leidet aufgrund der zu Unrecht erfolgten öffentlichen Zustellung – wie vorstehend ausgeführt – an einem wesentlichen prozessualen Mangel, der u. a. dazu geführt hat, dass das Landgericht die geltend gemachten Ansprüche – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – allein auf der Grundlage des Klägervorbringens geprüft hat.

Aufgrund des umfangreichen materiellen Vorbringens beider Parteien im vorliegenden Rechtsstreit und des bisherigen Verlaufs des Parallelverfahrens gegen die deutsche Vertreiberin der angegriffenen Ausführungsform (Az. 327 O 373/12 = 3 U 39/17) ist davon auszugehen, dass auch vorliegend im Hinblick auf den noch im Streit stehenden Schadensersatzfeststellungsantrag eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme, insbesondere zum Vorliegen einer Patentverletzung, erfolgen muss.

III.

Die Kostenentscheidung ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten (OLG München, NZM 2002, 1032; OLG Köln, NJW-RR 1987, 1152 MüKoZPO-Schulz, 5. Auflage, 2016, § 97 Rn. 17 Zöller/Heßler, 32. Auflage, 2018, § 538 Rn. 58).

Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch wenn das Urteil selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinn hat, denn das angefochtene Urteil tritt gemäß § 717 Abs. 1 ZPO bereits mit der Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Denn gemäß §§ 775 Nr. 1 und 776 ZPO darf das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (OLG München, NZM 2002, 1032; Zöller/Heßler, 32. Auflage, 2018, § 538 Rn. 59; MüKoZPO-Rimmelspacher, 5. Auflage, 2016, § 538 Rn. 78).

IV.

Die Revision ist gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, denn die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.