LG Hamburg, Beschluss vom 13.07.2017 - 312 O 271/17
Fundstelle
openJur 2020, 2245
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von € 80.000,00 zu tragen.

Gründe

Der Antragstellerin stehen weder Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Ziff. 1, Abs. 5 MarkenG noch aus § 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 5 MarkenG aus ihrer Marke „Divina" für „Parfümprodukte mit Ausnahme von vitaminhaltigen Waren“ (Anl. Ast.1) gegen das Zeichen „M. J. DIVINE DECADENCE“ für Duftwässer zu.

1.

Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Ziff. 1, Abs. 5 MarkenG scheiden schon von vornherein aus, da die Zeichen offensichtlich nicht identisch benutzt werden.

2.

Ebenso wenig bestehen Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 5 MarkenG, da zwischen den Zeichen „Divina“ und „M. J. DIVINE DECADENCE“ keine Verwechslungsgefahr besteht.

a)

Allerdings verwendet die Antragsgegnerin auch den Zeichenbestandteil „DIVINE DECADENCE" nicht beschreibend, auch wenn es sich bei „göttlich dekadent“ für Parfüm sicherlich um ein sprechendes Zeichen handelt. Eine Benutzung eines Zeichens für Waren i.S.v. § 14 Abs.2 MarkenG liegt vor, wenn der Verkehr die Kennzeichenverwendung als Herkunftshinweis auffasst. Dies ist hier der Fall, denn der angesprochene Verkehr wird den Bestandteil „M. J.“ möglicherweise als Herstellerhinweis wahrnehmen, so dass als einziger markenrechtlicher Herkunftshinweis der Bestandteil „DIVINE DECADENCE“ verbleibt. Auch im Übrigen erfolgt die Benutzung durch hervorgehobene Darstellung auf der Frontseite der Umverpackung typisch markenmäßig.

b)

In der Sache besteht zwischen den Zeichen „Divina“ und „DIVINE DECADENCE“ keine Verwechslungsgefahr.

Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Neben der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren ist auch die Kennzeichnungskraft des Verfügungszeichens für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rn. 373). Zwischen den verschiedenen zu berücksichtigenden Faktoren besteht eine Wechselbeziehung (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rn. 431). Daher kann ein geringerer Grad an Waren-/ Dienstleistungsähnlichkeit durch einen höheren Grad der Zeichenähnlichkeit ausgeglichen werden und umgekehrt (BGH, GRUR 2009, 766, Tz. 26 - Stofffähnchen).

Für den Zeichenvergleich ist hinsichtlich der Verfügungsmarke nur die registerliche Form maßgeblich (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rn. 821). Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Bei dem Zeichen der Antragsgegnerin handelt es sich ein zusammengesetztes Zeichen, das aus den Bestandteilen „DIVINE“ und „DECADENCE“ besteht. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr bei zusammengesetzten Zeichen kommt es maßgeblich auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen als Ganzes an. Eine zergliedernde Betrachtungsweise ist unzulässig (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rz.1007 m.w.N).

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das Verletzungszeichen hier als ein „Ganzes“ wahrgenommen wird. Der Verkehr hat keinen Anlass, die Bestandteile „DIVINE“ und „DECADENCE“ zu zergliedern und als jeweils eigen- und selbständige Herkunftshinweise wahrzunehmen. Beide Bestandteile sind gleich stark hervorgehoben und werden in unmittelbarem Zusammenhang verwendet. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung „Thomson Life“. Dort heißt es, dass, sofern die in einem zusammengesetzten Zeichen verwendete ältere Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung innerhalb des Gesamtzeichens behält, der von dem Gesamtzeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042, 1043, Tz. 30 f. - Thomson Life). Dies ist, wie bereits ausgeführt, vorliegend nicht der Fall, da dem Zeichenbestandteil „DIVINE“ keine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt.

c)

Bei den sich gegenüberstehenden Zeichen „DIVINE DECADENT“ und „DIVINA“ besteht trotz Warenidentität keine Verwechslungsgefahr. In schriftbildlicher Hinsicht unterschieden sich die Zeichen schon aufgrund der Länge deutlich. In klanglicher Hinsicht gilt dies ebenfalls. Hinzu kommt, dass der erste Bestandteil des Zeichens der Antragsgegnerin mutmaßlich englisch und damit „diwein“ ausgesprochen wird, während das Zeichen der Antragstellerin dreisilbig („diwina“) ist. Bezüglich des Bedeutungsgehalts der Zeichenbestandteile wird der Verkehr den Bestandteil „DECADENCE“ aufgrund der Ähnlichkeit mit dem im Inland gebräuchlichen Wort Dekadenz richtig mit „dekadent“ assoziieren. Dieser Bestandteil fehlt im Klagzeichen vollständig. Schon dies wird den angesprochenen Verkehr davon abhalten, anzunehmen, die Parteien hätten etwas miteinander zu tun. Hinzu kommt, dass auch die Bestandteile „DIVINE“ und „Divina“ in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht Unterschiede aufweisen.

Der Antrag war nach allem zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Schutzschrift der Rechtsanwälte ... vom 8. Juni 2017 hat bei Beschlussfassung Vorgelegen.

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