VG Hamburg, Beschluss vom 23.05.2017 - 2 E 4284/17
Fundstelle
openJur 2020, 1961
  • Rkr:

Haushaltsangehöriger Datenangehöriger kann trotz fehlender Adressatenstellung Rechtsmittel gegen einen an seinen Ehepartner gerichteten Heranziehungsbescheid einlegen, wenn Auskünfte auch über seine Daten erteilt werden sollen. Die Aussetzungspflicht nach dem Mikrozensusgesetz 2017 unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Heranziehung der Antragstellerin zu 1. zur Erteilung von Auskünften im Rahmen des Mikrozensus 2017.

Die Antragsgegnerin führt die Mikrozensuserhebung jährlich als repräsentative Befragung von 1 % der Bevölkerung durch. Die Auswahl der befragten Haushalte erfolgt mittels eines mathematisch-statistischen Zufallsverfahrens. Die Haushalte werden in der Regel in vier aufeinander folgenden Jahren befragt. Bei der Befragung werden flächendeckend Erhebungsbeauftragte eingesetzt, die die mitgeteilten Angaben meistens sofort in einen Computer eingeben. Daneben gibt es für die Auskunftspflichtigen die Möglichkeiten einen Fragebogen auszufüllen, die Auskünfte dem Statistischen Landesamt telefonisch mitzuteilen oder sich durch ein Mitglied des Haushalts vertreten zu lassen (Proxy-Interview).

Im Februar 2017 wurde die Antragstellerin zu 1. von der Antragsgegnerin angeschrieben und darüber informiert, dass ihr Haushalt nach dem Mikrozensusgesetz ausgewählt worden sei und dass sie die angefragten Auskünfte zu erteilen hätte. Zuständig sei ein benannter Erhebungsbeauftragter, der einen Termin für die Erhebung vorgeschlagen habe. Sollte der Antragstellerin zu 1. der Termin nicht zusagen oder sie die Fragen auf anderem Wege (z.B. telefonisch) beantworten wollen, wurde sie gebeten, den Erhebungsbeauftragten schnellstmöglich zu kontaktieren. Hinweise zu den Rechtsgrundlagen, der Auskunftspflicht, zum Datenschutz und zu weiteren Informationen seien der beigefügten „Kurzinformation für die Befragten“ zu entnehmen; außerdem wurde auf die Homepage der Antragsgegnerin verwiesen. Für weitere Fragen stehe der benannte Erhebungsbeauftragte zur Verfügung. Anfang März 2017 erhielt die Antragstellerin zu 1. den Erhebungsbogen, der binnen 10 Tagen ausgefüllt zurückgesandt werden sollte. Auf die Auskunftspflicht des Adressaten wurde im Anschreiben in fett gedruckter Schrift erneut hingewiesen.

Nachdem keine Auskünfte erteilt wurden, erließ die Antragsgegnerin unter dem 21. März 2017 einen an die Antragstellerin zu 1. adressierten Heranziehungsbescheid. Sie forderte die Antragstellerin zu 1. auf, alle auf ihren Haushalt zutreffenden Angaben in dem Erhebungsbogen, der beigefügt sei, vollständig und wahrheitsgemäß zu erteilen und diesen bis zum 4. April 2017 an die Antragsgegnerin zurückzusenden. Alternativ könne die Antragstellerin zu 1. von der Möglichkeit Gebrauch machen, unter angegebenen Telefonnummern ihre Auskünfte zu erteilen. Falls die Antragstellerin zu 1. der vorstehenden Aufforderung zuwiderhandele, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,- Euro fällig. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass eine Befragung durch die Interviewer nicht zu Stande gekommen und dass der Fragebogen nicht abgegeben worden sei. Sie wies auf die Auskunftspflicht nach dem zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Mikrozensusgesetz vom 7. Dezember 2016 (MZG 2017) und dem Bundesstatistikgesetz in der Fassung vom 20. Oktober 2016 (BStatG) i.V.m. der EU-Verordnung 2016/8 hin, sofern auch Angaben über Selbständigkeit erhoben würden. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei nach dem Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HmbVwVG) zulässig.

Mit dem am 4. April 2017 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Widerspruch beider Antragsteller, über den noch nicht entschieden worden ist, haben diese geltend gemacht, die Vorgehensweise und die Höhe des Betrages seien unangemessen, zumal keine vorherige schriftliche Aufklärung stattgefunden habe.

Mit dem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Eilantrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs und rügen eine unzureichende Informationspolitik. Sie seien im ersten Anschreiben nicht genügend darauf hingewiesen worden, dass auch eine Alternative zum Interview bestehe. Es fehle der Hinweis, dass der Bogen auch selbstständig schriftlich eingereicht werden könne. Insbesondere habe der Hinweis gefehlt, dass bei Nichterfüllung ein entsprechendes Bußgeld festgesetzt werden könne. Auch mit der Übersendung des Erhebungsbogens habe es keinerlei Informationen darüber gegeben, welche Folgen eine Nichteinreichung bzw. Verspätung habe. Hinsichtlich der angefragten Daten vertreten die Antragsteller die Auffassung, dass eine Anonymisierung nicht gegeben sei. Schon die Abfrage des Wohnorts, des Geburtsmonats, des Geburtsjahres und des Geschlechts ließen eindeutige Rückschlüsse auf die Person zu, erst recht, wenn dazu noch die Meldedaten zugeordnet würden. Es gebe keinen Hinweis im Gesetz, was mit freiwillig mitgeteilten Telefonnummern geschehe. Darüber hinaus hätten die Antragsteller eine weitere Aufforderung über ein Stichprobenverfahren von der Universität Hamburg bekommen, über die „Mikrozensus“ sie nicht informiert habe. Es werde auch nicht erwähnt, dass ab 2020 höchstpersönliche private Daten über den Lebensstil erhoben werden sollten. Dies widerspreche zutiefst dem Schutz des Privatlebens gemäß dem Grundgesetz. „Mikrozensus“ könne ohne Einwilligung von den Antragstellern deren Daten an andere Stellen weitergeben, was unzulässig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist nur teilweise zulässig (1.) und - soweit zulässig - unbegründet (2.).

1. Der Antrag ist hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. in vollem Umfang und hinsichtlich des Antragstellers zu 2. nur teilweise zulässig.

a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist statthaft, weil dem rechtzeitig erhobenen Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Dies folgt hinsichtlich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung aus § 15 Abs. 7 BStatG und hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung aus § 29 Abs. 1 HmbVwVG. Dessen Anwendbarkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Satz 3 des Staatsvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung eines gemeinsamen statistischen Amtes als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (Zustimmungsgesetz v. 13.11.2003, HmbGVBl. S. 543), wonach vorbehaltlich abweichender Bestimmung im Staatsvertrag für die Errichtung und Betrieb der Anstalt hamburgisches Landesrecht gilt (ebenso VG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2014, 12 B 65/13, juris Rn. 24).

b. Die Antragsteller sind nicht beide in vollem Umfang antragsbefugt.

Die Antragstellerin zu 1. ist als Adressatin sowohl hinsichtlich begehrten Anordnung der der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung als auch hinsichtlich des festgesetzten Zwangsgeldes antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO.

Der Antragsteller zu 2. ist jedoch nur hinsichtlich des Auskunftsverlangens analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, weil nur insoweit eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte möglich erscheint. Diese mögliche Rechtsverletzung folgt trotz fehlender Adressatenstellung daraus, dass die Antragstellerin zu 1. verpflichtet worden ist, alle auf ihren Haushalt zutreffenden Angaben, die auch personenbezogene Daten im Sinne des § 4 Abs. 1 HmbDSG enthalten, in dem übersandten Erhebungsbogen zu erteilen, somit auch Angaben über ihn, den Antragsteller zu 2. als Haushaltsangehörigen. Damit greift der Bescheid in seine subjektiven Rechte als Dateninhaber und Betroffener im Sinne des § 6 HmbDSG ein. Die Rechte des haushaltsangehörigen Dateninhabers bzw. Betroffenen werden über die hier relevanten öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften z.B. in § 14 MZG 2017 und § 12 BStatG (zur Trennung und Löschung von Erhebungsdaten von Hilfsmerkmalen) oder über die in § 16 BStatG enthaltene Verpflichtung zur Geheimhaltung sowie über das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150) ebenso geschützt wie die des in Anspruch genommenen Auskunftsverpflichteten. Mit der Eröffnung der Möglichkeit, die Auskunftspflicht bezogen auf die Daten für alle Haushaltsangehörigen nur einem Auskunftspflichtigen aufzuerlegen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 8 MZG 2017), begründet das Mikrozensusgesetz 2017 somit zugleich eine Klagebefugnis für von einem Auskunftsverlangen drittbetroffene Dateninhaber. Es handelt sich nicht lediglich um eine reflexartige Auswirkung des Heranziehungsbescheides.

Allerdings ist nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsteller zu 2. hinsichtlich der gegenüber seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 1., festgesetzten Zwangsgeldes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes antragsbefugt ist. Die Auferlegung eines Zwangsgeldes gegenüber seiner Ehefrau berührt seine subjektiven Rechte nicht.

2. Der Antrag ist unbegründet.

Sofern Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund gesetzlicher Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung haben, unterscheidet sich die gerichtliche Interessenabwägung bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Aussetzung des Sofortvollzugs von der Abwägung, wie sie in den Fällen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stattfindet. So ist im Anwendungsbereich dieser Bestimmung bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) von besonderer Bedeutung, während in den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs zu berücksichtigen ist, dass - umgekehrt - der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Interesses am Vollzug des Bescheides ungeachtet eines noch schwebenden Widerspruchs- oder Klageverfahrens angeordnet hat. Allerdings gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG, die sofortige Vollziehung eines kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes auszusetzen, wenn dies im Einzelfall zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Eine vom grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresse abweichende gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO daher dann - aber auch nur dann - in Betracht, wenn besondere Umstände es rechtfertigen, von dem grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses abzuweichen. Diese liegen bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts vor; wobei insbesondere die von den Antragstellern vorgebrachten Aspekte zu würdigen sind (vgl. VG Mainz, Beschl. v. 19.4.2016, 1 L 144/16.MZ, juris Rn. 5). Das Gericht nimmt insoweit die gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung vor.

Nach diesen Grundsätzen erweisen sich weder die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Heranziehungsbescheides vom 21. März 2017 (a.) noch die der Zwangsgeldfestsetzung (b.) als ernstlich zweifelhaft.

a. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Antragstellerin zu 1. zur Auskunftserteilung im angegriffenen Bescheid ist § 13 Abs. 1 Satz 1 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG. Nach § 15 Abs. 1 BStatG besteht eine Auskunftspflicht für die befragten Adressaten, soweit die eine Bundesstatistik anordnende Rechtsnorm dies festlegt. Für die im Rahmen des Mikrozensus abgefragten Erhebungsdaten besteht gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 MZG 2017 eine Auskunftspflicht, soweit in Abs. 7 nichts anderes bestimmt ist. In § 13 Abs. 7 MZG 2017 werden einige Angaben als freiwillig gekennzeichnet, so dass sie nicht der Auskunftspflicht unterliegen. Gemäß § 15 Abs. 2 BStatG besteht die Auskunftspflicht gegenüber den Erhebungsbeauftragten und den mit der Durchführung der Bundesstatistiken betrauten Stellen.

aa. Formelle Bedenken gegen den Heranziehungsbescheid bestehen nicht.

Die Antragsgegnerin ist gemäß § 5 Abs. 1 HmbStatG i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den oben genannten Staatsvertrag und § 15 Abs. 1 MZG 2017 für die Erhebung der Daten und damit für den Erlass des Heranziehungsbescheides zuständig.

Eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ist bezüglich des Auskunftsverlangens im Februar 2017 erfolgt.

Auch liegt entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Verstoß gegen die der Antragsgegnerin nach § 17 BStatG obliegenden Unterrichtungspflicht vor. Danach sind die zu Befragenden schriftlich oder elektronisch u.a. über Zweck, Art und Umfang der Erhebung zu unterrichten (§ 17 Nr. 1 BStatG). Insbesondere war die Antragstellerin zu 1. darüber unterrichtet worden, dass die Erteilung von Auskünften nicht nur gegenüber den Erhebungsbeauftragten, sondern auch schriftlich erfolgen kann. Zum einen befindet sich auf dem Anhörungsschreiben der fettgedruckte Hinweis, dass die Fragen auch auf anderem Weg beantwortet werden können (z.B. telefonisch), zum anderen enthält die zugleich übersandte „Kurzinformation für die Befragten“ (hellgelbes Schreiben) den Hinweis, dass Auskünfte durch ein persönliches Interview, in schriftlicher Form oder telefonisch erteilt werden können.

bb. Der auf § 13 Abs. 1 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 BStatG gestützte Heranziehungsbescheid unterliegt auch hinsichtlich seiner materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit keinen ernstlichen Zweifeln.

(1) Die Heranziehung zur Haushaltebefragung im Mikrozensus 2017 ist mit Verfassungsrecht, insbesondere mit dem Recht der Antragsteller auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar.

Die vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber normierte Auskunftspflicht nach § 13 MZG 2017 entspricht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aufgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung zu den Anforderungen an den Schutz des Auskunftserteilenden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209 u.a./83; BVerfGE 65, 1 und in juris - Volkszählungsurteil) festgestellt, dass der Staat, um seinen Aufgaben nachkommen zu können, Informationen über die Bürger benötigt, die er im Wege einer Befragung erheben kann. Der einzelne hat kein Recht auf „seine“ Daten im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 150). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung in Übereinstimmung mit einer früheren, zum Mikrozensus ergangenen Entscheidung (BVerfG, Beschl. v. 16.7.1969, 1 BvL 19/63; BVerfGE 27, 1/7), festgestellt, dass bei solchen Befragungen eine Auskunftspflicht des Bürgers im Gesetz vorgesehen werden kann, um eine lückenlose Erfassung der Daten, die der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ferner ins Einzelne gehende Anforderungen aufgestellt, wie sicherzustellen sei, dass die Daten des Einzelnen anonymisiert werden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 163).

In der Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden, dass die bisherigen Mikrozensusgesetze insbesondere die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Gleichbehandlung nicht verletzt haben (u.a. VGH München, Beschl. v. 24.9.2010, 5 ZB 10.1870, juris Rn. 8; VG Hamburg, Urt. v. 21.11.2014, 9 K 4926/13 n.v.; VG Hannover, Urt. v. 25.10.2016, 10 A 4657/16, juris Rn. 26; VG München, Beschl. v. 24.7.2014, M 7 S 14.2320, juris Rn. 14 zum MZG 2005; OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.1997 Bs III 154/96, juris Rn. 3 f. zum MZG 1996; BVerwG, Beschl. v. 9.7.1996, 3 B 34/96, juris Rn. 3-5 zum MZG 1985 v. 17.12.1990).

Die von den Antragstellern gegen das Mikrozensusgesetz 2017 erhobenen Rügen verfangen ebenfalls nicht; auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat keine Bedenken gegen das Mikrozensusgesetz 2017 geäußert (vgl.:https://www.datenschutz-hamburg.de/news/detail/article/mikrozensus-2017.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D =157&cHash=042a7cf31e011b9f30540d743b318a43).

(a) So rügen die Antragsteller zu Unrecht eine nicht hinreichende Anonymisierung der erhobenen Daten. § 12 BStatG und § 14 Abs. 1 MZG 2017 tragen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen durch die dort vorgeschriebene Trennung und Löschung bestimmter Merkmale über persönliche und sachliche Verhältnisse der Befragten Rechnung. So sind Hilfsmerkmale nach § 11 Abs. 1 MZG 2017 wie Vor- und Familiennamen der Haushaltsmitglieder, Kontaktdaten der Haushaltsmitglieder (z.B. auch die Telefonnummer), Wohnanschrift etc. von den Erhebungsdaten zu trennen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern nach der Vorschrift des § 14 MZG 2017 der Anspruch auf Anonymisierung in geringerer Weise verwirklicht würde als gemäß dem in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstandeten § 8 MZG 2005.

Soweit die Antragsteller eine (Re-)Identifizierung befürchten, da ihren Daten die Meldedaten zugeordnet würden, begründet dies ebenfalls keinen Verstoß gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Denn die in § 15 Abs. 1 MZG 2017 vorgesehene Übermittlung der Meldedaten an die Antragsgegnerin dient der organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des Mikrozensus (zuvor in vergleichbarer Weise geregelt in § 10 MZG 2005). Soweit Hilfsmerkmale im Sinne des § 11 Abs. 1 MZG 2017 übermittelt worden sind (Namen und Anschriften der Haushaltsmitglieder), sind sie gemäß § 14 Abs. 1 MZG 2017 unverzüglich nach Abschluss der Erhebung und der Schlüssigkeitsprüfung von den z.T. in den Meldedaten enthaltenen Erhebungsmerkmalen nach § 6 Abs. 1 MZG 2017 (Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsstaat etc.) zu trennen. Es ist nicht ersichtlich, dass vor diesem Hintergrund die Verwendung von Meldedaten zur Vorbereitung des Mikrozensus die Anonymisierung gefährdet. Die Erhebungsmerkmale des Kernprogramms nach § 6 MZG sind im Vergleich zum Merkmalsumfang nach dem MZG 2005 im Übrigen deutlich reduziert (vgl. Gesetzesbegründung zum MZG 2017 vom 17.8.2016, BT-Drs. 18/9418, S. 31). Auch ist die Beurteilung des Mikrozensusgesetzes 2017 ebenso wie die der vorherigen Mikrozensusgesetze an der Lebenswirklichkeit zu orientieren, der rechtswidrige bzw. ggf. strafbare Handlungen nicht entsprechen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.1997, a.a.O.). Nach § 1 MZG 2017, §§ 21, 22 BStatG ist die Zusammenführung von Merkmalen, die aufgrund des Mikrozensusgesetzes erhoben wurden, mit Daten aus anderen statistischen Erhebungen zum Zweck der Herstellung eines Personenbezugs außerhalb der statistischen Aufgabenstellung des Bundesstatistikgesetzes verboten und ein Verstoß dagegen unter Strafe gestellt.

Zwar ist nicht auszuschließen, dass - wie die Antragsteller befürchten - allein aus den für die Statistik verwendeten Erhebungsmerkmalen nach § 6 Abs. 1 MZG 2017 (z.B. Wohnort, Geburtsmonat, Geburtsjahr und Geschlecht) der erforderliche Personenbezug herstellen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat im Kammerbeschluss vom 28. September 1987 (1 BvR 1063/87, juris Rn. 10) das nach faktischer Anonymisierung bestehende Reidentifizierungsrisiko für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (vgl. dazu auch VGH München, Beschl. v. 24.9.2010, a.a.O., juris Rn. 9; OVG Hamburg, 22.1.1997, a.a.O. m.w.N.):

„Die Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebotes eines möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Reanonymisierung, wird weiter nicht durch die selbst nach Entfernung von Identifikatoren verbleibenden Möglichkeiten in Frage gestellt, anhand der Erhebungsmerkmale eine Reidentifizierung vorzunehmen. Von Verfassungs wegen gefordert ist lediglich eine faktische Anonymität der Daten. Diese kann - in Anlehnung an § 16 Abs. 6 BStatG - allenfalls dann als gegeben angesehen werden, wenn Datenempfänger oder Dritte eine Angabe nur mit einem - im Verhältnis zum Wert der zu erlangenden Information nicht zu erwartenden - unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten, Arbeitskraft und sonstigen Ressourcen (etwa Risiko einer Bestrafung) einer Person zuordnen können. Die von dem Beschwerdeführer vorgetragenen Reidentifizierungsmöglichkeiten vernachlässigen dabei durchgängig die tatsächlichen Bedingungen und Möglichkeiten einer solchen Reidentifizierung, insbesondere die Maßnahmen zur Datensicherung und das Erfordernis, daß Zusatzwissen verfügbar zu sein hat. Für die statistischen Landesämter bleiben die Daten allerdings durchgängig personenbezogen, weil personenbeziehbar. Dies ist bei einer auf Individualdaten aufbauenden, kleinräumig zu gliedernden Statistik allein durch gesetzliche Ge- und Verbote nicht vermeidbar. Das hiernach verbleibende Reidentifizierungsrisiko hat der Einzelne grundsätzlich als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik hinzunehmen, wenn und soweit auch innerhalb der statistischen Ämter interne organisatorische Vorkehrungen neben den Trennungs- und Löschungsgeboten die Beachtung des Zweckbindungsgebotes und des Reidentifizierungsverbotes sicherstellen.“

(b) Die von den Antragstellern beanstandete, in § 8 MZG 2017 geregelte Verpflichtung der Befragten, ab dem Erhebungsjahr 2020 Angaben in Bezug auf ihr Einkommen und ihre Lebensbedingungen zu machen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Denn das Verwaltungsgericht überprüft Rechtsnormen nur inzident im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits, der eine Einzelfallmaßnahme oder ein individuellen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten betrifft. Da der vorliegend angegriffene Verwaltungsakt vom 21. März 2017 keine in § 8 MZG 2017 genannten Angaben betrifft, weil diese Daten nicht in dem Erhebungsbogen abgefragt wurden, auf den sich der Heranziehungsbescheid bezieht, ist die gerügte gesetzlich geregelte Auskunftspflicht ab 2020 vom Verwaltungsgericht nicht zu überprüfen.

(c) Soweit die Antragsteller sich gegen das Mikrozensusgesetz 2017 wenden, weil dieses eine Weitergabe der erhobenen Daten ohne Einwilligung der Betroffenen ermögliche, sind diese Bedenken nicht begründet. Das Gesetz hat die Zwecke der Verwendung der Daten geregelt, darüber hinaus ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin und einzelner Amtsträger und Amtsträgerinnen zur Geheimhaltung in § 16 BStatG geregelt.

(2) Der Heranziehungsbescheid ist bezogen auf die Verwaltungsaktsbefugnis der Antragsgegnerin (a), das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage (b) und die Rechtsfolge (c) nicht zu beanstanden. Weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sind nicht ersichtlich (d).

(a) Die Rechtsnormen der § 13 Abs. 1 und 2 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG stellen eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts dar, obwohl die Befugnis, einen Verwaltungsakt in Gestalt eines Heranziehungsbescheides zu erlassen, dort nicht ausdrücklich geregelt ist. Vielmehr regeln diese Normen nur die Auskunftspflicht. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, ist anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis) nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urt. v. 7.12.2011, 6 C 39/10, BVerwGE 141, 243, juris Rn. 14 zu Auskunftsbescheiden nach §§ 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG). Sofern eine Norm - wie hier die herangezogenen Vorschriften der §§ 13 Abs. 1 und 2 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG - eine Auskunftspflicht bestimmter Adressaten gegenüber der handelnden Behörde bzw. dem öffentlichen Rechtsträger begründet, kann auf eine entsprechende, in der Form des Verwaltungsakts wahrnehmbare behördliche Auskunftserhebungsbefugnis geschlossen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.12.2011, a.a.O. Rn. 17). Darüber hinaus geht der Gesetzgeber in § 15 Abs. 7 BStatG davon aus, dass ein Auskunftsverlangen mit Verwaltungsaktsqualität ausgesprochen werden kann, da er dem dagegen gerichteten Widerspruch und der Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung beimisst.

(b) Der Tatbestand der benannten Ermächtigungsgrundlage ist erfüllt. Die Antragstellerin zu 1. ist als volljährige Angehörige eines ausgewählten Haushalts (Erhebungseinheit) nach § 13 Abs. 2 für die nach §§ 6 Abs. 1 und 7 Abs. 1 und 5 MZG 2017 angefragten Erhebungsmerkmale sowie für die Hilfsmerkmale nach § 11 Abs. 1 MZG 2017 auskunftspflichtig; dies gilt auch für Erhebungsmerkmale, die nicht ihre Person, sondern andere Haushaltsangehörige betreffen, soweit sie über die Daten Kenntnisse hat (§ 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 8 MZG 2017).

Der Tenor des Bescheides ist auch bestimmt genug im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Zwar wurde sie aufgefordert, den „beigefügten“ Erhebungsbogen auszufüllen und zurückzusenden, der nicht beigefügt, sondern vorab bereits übersandt worden war. Nach dem objektiven Erklärungswert aus der Sicht der Antragstellerin zu 1. erscheint diese Formulierung jedoch unproblematisch, da die Antragstellerin zu 1. nach ihrem eigenen Vortrag keine Zweifel hatte, welchen Erhebungsbogen sie ausfüllen sollte.

(c) Auch die angeordnete Rechtsfolge, d.h. die Auswahl der Antragstellerin zu 1. unter mindestens zwei Auskunftsverpflichteten und die Geltendmachung des Auskunftsverlangens mit Hilfe des Erhebungsbogens unter Fristsetzung von (knapp) zwei Wochen, ist nicht zu beanstanden.

Nach der Auswahl des zu befragenden Haushalts standen der Antragsgegnerin als Adressaten für den Heranziehungsbescheid beide Antragsteller zur Verfügung, da auch der Antragsteller zu 2. ein volljähriges Haushaltsmitglied nach § 13 Abs. 2 MZG 2017 ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl ermessensfehlerhaft erfolgt ist, sind nicht ersichtlich.

Die gesetzte Frist von knapp zwei Wochen für die Übersendung des wahrheitsgemäß ausgefüllten Erhebungsbogens stellt keine unverhältnismäßige Belastung der Antragstellerin zu 1. dar. Denn diese war bereits im Februar 2017 auf ihre Auskunftspflicht hingewiesen worden und hatte auch die zuvor zur Einreichung des Fragebogens gesetzte Frist verstreichen lassen. Ohne eine zeitnahe Umsetzung der Datenerhebungen kann die Antragsgegnerin nicht ihrer Aufgabe nachkommen, zusammen mit dem Statistischen Bundesamt die für eine am Sozialstaatsprinzip orientierte staatliche Politik unentbehrlichen Handlungsgrundlagen zu erstellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 159). Die Bedeutung der zeitnahen Realisierung der Auskunftspflicht zeigt sich auch in dem vom Gesetzgeber angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gemäß § 15 Abs. 7 BStatG.

(d) Soweit die Antragsteller rügen, die Antragsgegnerin hätte sie über eine zeitgleiche Datenerhebung der Universität Hamburg informieren müssen, berührt dieser Einwand nicht den vorliegenden Streitgegenstand. Dieser betrifft allein das einstweilige Rechtsschutzbegehren im Hinblick auf den gegenüber der Antragstellerin zu 1. erlassenen Heranziehungsbescheid vom 21. März 2017.

b. Auch die bedingte Festsetzung eines Zwangsgeldes von 300,- Euro zur Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.10.2009, 5 So 157/09, n.v.; VG Hamburg, Urt. v. 21.11.2014, a.a.O.). Sie beruht auf § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG, der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des o.g. Staatsvertrages als hamburgisches Landesrecht anwendbar ist. Danach kann ein Zwangsgeld zugleich mit dem Verwaltungsakt festgesetzt werden, dessen Umsetzung es erzwingen soll. Wirksam wird die Zwangsgeldfestsetzung erst mit dem fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist.

Das Hamburgische Verwaltungsvollstreckungsgesetz fordert vor der aufschiebend bedingten Festsetzung des Zwangsgeldes nach § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG keine gesonderte Anhörung Mit dem festgesetzten Zwangsgeld wird auch kein Fehlverhalten geahndet. Es handelt sich vielmehr um ein gesetzlich vorgesehenes, wiederholt einsetzbares Beugemittel, dass dem Zweck dient, dem zu einer Handlung Verpflichteten zu der auferlegten Handlung zu veranlassen (vgl. VG München, Urt. v. 15.7.2015, M 7 K 15.1746, juris Rn. 17). Der Heranziehungsbescheid vom 21. März 2017 ist aufgrund der von Gesetzes wegen ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen, die auch nicht von Gerichts wegen angeordnet worden ist, ein vollstreckbarer Titel gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 HmbVwVG.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig halbierte Regelstreitwert war jeweils für beide Antragsteller anzusetzen.