LG Hamburg, Urteil vom 28.06.2017 - 318 S 56/16
Fundstelle
openJur 2020, 1868
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 19.02.2016, Az. 880 C 15/15, wird verworfen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.950,95 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Gültigkeit eines in der Eigentümerversammlung vom 22.06.2015 gefassten Beschlusses zu TOP 4, Gesamtjahres- und Einzelabrechnungen für das Jahr 2014, hinsichtlich der Position „Be- und Entwässerung“ (Protokoll: Anlage K 8, Bl. 53 – 57 d.A.).

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat mit seinem am 19.02.2016 verkündeten Urteil den Beschluss zu TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 22.06.2015 hinsichtlich der Genehmigung der Einzelhausgeldabrechnung der Kläger zur Position „Be- und Entwässerung“ in Höhe von 590,13 € für ungültig erklärt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, wobei es diese dahingehend ausgelegt hat, dass sich die Kläger gegen die gesamte Jahresabrechnung 2014 (Gesamtjahres- und Einzelabrechnungen) wenden. Soweit es die Klage abgewiesen hat, hat das Amtsgericht ausgeführt, die Kläger hätten nicht vorgetragen, dass auch die Gesamtabrechnung falsch sei. In der Gesamtabrechnung seien als Gesamtkosten für die „Be- und Entwässerung“ 16.025,64 € angegeben. Die Jahresabrechnung sei eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Es seien die Beträge aufzunehmen, die im Abrechnungsjahr vereinnahmt/gezahlt worden seien. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, dass andere Beträge als in der Gesamtabrechnung ausgewiesen tatsächlich vereinnahmt/gezahlt worden seien.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 24.04.2016 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2016 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07.2016 mit einem am 25.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Kläger tragen vor, dass das Amtsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe, soweit die Position „Be- und Entwässerung“ der Gesamtjahresabrechnung 2014 angefochten worden sei. Das Amtsgericht habe ihre Einzelabrechnung bzgl. der Position „Be- und Entwässerung“ in Höhe von 590,13 € für ungültig erklärt. Folgerichtig hätte auch die Gesamtabrechnung 2014 insoweit für ungültig erklärt werden müssen. Das Amtsgericht sei zudem fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sie mit der Anfechtungsklage sämtliche Positionen der Einzelabrechnungen und der Gesamtabrechnung 2014 ihre die eigene Einzelabrechnung und die Gesamtabrechnung angefochten worden. Dies ergebe sich eindeutig aus dem klagebegründenden Schriftsatz vom 24.08.2015. Das Gericht hätte den Klagantrag insoweit in ihrem Interesse auslegen müssen. Im Streit sei lediglich der Betrag gewesen, der sich aus den fälschlicherweise berechneten 36,63 m³ ergebe.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts wie folgt zu erkennen:

1. Der Beschluss zu Punkt 4 der Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 20.06.2015 wird hinsichtlich der Genehmigung ihrer Einzelhausgeldabrechnung zur Position „Be- und Entwässerung“ in Höhe des Betrages, der ihnen aufgrund einer Warmwassermenge von 36,63 m³ berechnet wurde, hilfsweise für den Fall, dass dies nicht möglich ist, i.H.v. 590,13 € für ungültig erklärt.

2. Der Beschluss zu Punkt 4 der Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 20.06.2015 wird hinsichtlich der Genehmigung der Gesamtabrechnung zur Position „Be- und Entwässerung“ in Höhe des Betrages, der ihnen aufgrund einer Warmwassermenge von 36,63 m³ berechnet wurde, hilfsweise für den Fall, dass dies nicht möglich ist, in Höhe von 590,13 €, hilfsweise für den Fall, dass dies nicht möglich ist, i.H.v. 16.025,64 € für ungültig erklärt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie tragen vor, dass die Entscheidung des Amtsgerichtes nicht zu beanstanden sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.

II.

1.

Die Berufung ist bereits unzulässig. Die Beschwer der Kläger übersteigt nicht den Betrag von 600,- €.

Der Wert der Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten und erhöht oder ermäßigt sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Streitwerts auch eine Reihe von anderen Kriterien Berücksichtigung findet; infolgedessen entspricht der gemäß § 49a GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer. Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers bestimmt sich bei einer einschränkungslosen Anfechtung des Beschlusses nach dem Anteil des Anfechtungsklägers an dem Gesamtergebnis der Abrechnung (BGH, Beschluss vom 09.02.2017, Az. V ZR 188/16, Rn. 3 u. 4, zitiert nach juris).

Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Beschlussanfechtungsklage hingegen gegen den Ansatz einer Kostenposition in der Jahresabrechnung, bestimmt sich seine Beschwer nach dem Nennwert, mit dem diese Position in seiner Einzelabrechnung angesetzt ist (BGH, Beschluss vom 09.07.2015, V ZB 198/14, Rn. 11, zitiert nach juris).

Ob die Kläger erstinstanzlich die Jahresabrechnung 2014 insgesamt - wie das Amtsgericht meint - oder nur hinsichtlich der Position „Be- und Entwässerung“ angefochten haben, kann hier dahinstehen. Beschwerdegegenstand ist nämlich der Betrag, um den der Berufungskläger durch das Urteil der 1. Instanz in seinem Recht verkürzt zu sein behauptet und in dessen Höhe er mit seinem Berufungsantrag die Abänderung des Urteils beantragt. Der Beschwerdegegenstand ergibt sich daher aus dem in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Berufungsantrag, mit denen die ganze oder teilweise Beseitigung der erlittenen Beschwer verlangt wird (BGH, Beschluss vom 09.11.2004, VII ZB 36/04, Rn. 10, zitiert nach juris; Heßler in Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 511 Rn. 13).

Vorliegend beschränken sich die Berufungsanträge ausdrücklich auf die Kostenposition „Be- und Entwässerung“ der Jahresabrechnung i.H.v. 16.025,64 €. Das wirtschaftliche Interesse der Kläger an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung bzgl. dieser Position entspricht daher maximal dem Nennwert, mit dem diese Position in ihrer Einzelabrechnung angesetzt ist, mithin 590,13 €. Die Beschwer liegt daher unter 600,- €.

2.

Die Berufung wäre zudem auch unbegründet, weil die Kläger wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags die Anfechtungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WEG versäumt haben. Nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG ist die Anfechtungsklage gegen den Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft binnen Monatsfrist zu erheben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung zu begründen. Mit den Ausschlussfristen nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG soll erreicht werden, dass die Wohnungseigentümer und der mit der Ausführung von Beschlüssen betraute Verwalter alsbald Klarheit darüber gewinnen, welcher Beschluss aus welchen Gründen angefochten wird (BGH, Urteil vom 20.05.2011, V ZR 99/10, Rn. 14, zitiert nach juris). Da es sich bei der Anfechtungsfrist um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, ist eine verspätete Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen (BGH, Urteil vom 16.01.2009, V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, Rn. 7, zitiert nach juris; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 46 Rn. 48/49). Die Anfechtungsfrist ist vorliegend gemäß §§ 46 WEG, 222 ZPO, 187 ff. BGB am 22.07.2015 verstrichen.

Das mit „Klage“ bezeichnete Schreiben der Kläger vom 17.07.2015 stellt keine wirksame Klageerhebung dar. Es entspricht inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Klageschrift gemäß § 253 Abs. 2 ZPO. Danach muss die Klageschrift insbesondere einen bestimmten konkreten Antrag enthalten, wobei es zur Wahrung der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WEG nicht auf die technisch zutreffende Formulierung des Antrags, sondern darauf ankommt, dass mit dem Antrag das Rechtsschutzziel zum Ausdruck gebracht wird, eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Beschlusses herbeizuführen (Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., Rn. 63 m.w.N.). Erfüllen kann die Klageerhebungsfrist ihren Zweck nur dann, wenn aus der Klage hinreichend bestimmt hervorgeht, welche Beschlüsse inwieweit angefochten werden sollen (Roth in Bärmann, WEG, 13. Auflage, § 46 Rn. 84). Der in dem Schreiben vom 17.07.2015 gestellte Antrag „neue Einzel- und Gesamtabrechnungen für die Eigentümergemeinschaft zu erstellen“ ist inhaltlich unbestimmt und auch nicht der Auslegung fähig. Zwar lässt sich dem Schreiben entnehmen, dass ein oder mehrere Beschlüsse über Einzel- und Gesamtabrechnungen in einer Eigentümerversammlung gefasst wurden. Um Einzel- und Gesamtabrechnungen hinsichtlich welcher Wirtschaftsjahre und um welche Beschlüsse in welcher Eigentümerversammlung es sich konkret handelt, ergibt sich aus dem Schreiben hingegen nicht. Diesem waren auch keine Anlagen, wie z.B. das Protokoll der Eigentümerversammlung oder das Einladungsschreiben, beigefügt. Das konkrete Rechtsschutzziel der Kläger ist daher unbestimmt. Auch die „Nachbesserung“ der Klage durch den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2015 ändert daran nichts. Die Behebung von Mängeln wirkt in den Fällen, in denen die Klage innerhalb einer gesetzlichen Ausschlussfrist erhoben werden muss und ein wegen Verstoßes gegen zwingende Vorschriften, insbesondere des § 253 Abs. 2 ZPO wesentlicher Mangel der Klageschrift vorliegt, erst vom Zeitpunkt der Behebung des Mangels an (BGH, Urteil vom 29.11.1956, III ZR 235/55, Rn. 16, zitiert nach juris).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gemäß § 49a Abs. 1 GKG erfolgt. Danach ist der Streitwert grundsätzlich auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen (Gesamtinteresse).

Das Gesamtinteresse hängt bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung zunächst davon ab, ob sich der klagende Eigentümer nur gegen den Ansatz einzelner Kostenpositionen wendet oder gegen die gesamte Abrechnung.

Das Interesse der Parteien bestimmt sich bei einer einschränkungslosen Anfechtung der Jahresabrechnung nach dem vollen Nennbetrag. (BGH, Beschluss vom 09.02.2017, Az. V ZR 188/16, Rn. 8 f. - zitiert nach juris). Die Kammer hält insoweit an ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung, dass die sog. Hamburger Formel zur Bestimmung des Gesamtinteresses im Rahmen des § 49a Abs. 1 GKG bei der Anfechtung von Beschlüssen über die Genehmigung von Jahresabrechnungen weiterhin anzuwenden ist (zuletzt Kammer, Beschluss vom 18.10.2016, 318 T 39/16, ZMR 2017, 184; Urteil vom 17.02.2016, 318 S 74/15, ZMR 2016, 391 m.w.N.), nicht länger fest. Danach berechnete sich das Gesamtinteresse der Parteien aus dem Eigeninteresse des Anfechtungsklägers zuzüglich eines Bruchteils von 25% des - abzüglich des Einzelinteresses des Klägers - verbleibenden Gesamtanteils.

Vorliegend wenden sich die Kläger in der Berufungsinstanz jedoch ausdrücklich ausschließlich gegen die Position „Be- und Entwässerung“ der Jahresabrechnung in Höhe von 16.025,64 €, so dass das Gesamtinteresse dem Nennbetrag dieser Position entspricht. 50% von 16.025,64 € sind 8.012,82 €.

Dieser Wert übersteigt jedoch das fünffache Einzelinteresse der Kläger i.H.v. 2.950,65 € (Eigenanteil an der Kostenposition „Be- und Entwässerung“ i.H.v. 590,13 € x 5; § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG). Der Streitwert ist im Ergebnis daher auf eben diesen Betrag festzusetzen. Dem Umstand, dass sich die Kläger innerhalb der Jahresabrechnung gegen die Position „Be- und Entwässerung“ sowohl in ihrer Einzelabrechnung, als auch in der Gesamtabrechnung wenden, kommt kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse zu.