OLG Hamburg, Urteil vom 18.05.2017 - 3 U 180/16
Fundstelle
openJur 2020, 1748
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 01.06.2016 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 19.05.2016 wird unter Zurückweisung des ihr zugrunde liegenden Antrages aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Antragstellerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung der unentgeltlichen Abgabe einer mehrfach verwendbaren Spritze (H. Pen) an Ärzte zur unentgeltlichen Weitergabe an Patienten in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Arzneimitteln, u.a. von follikelstimulierenden Hormonen.

Die Antragstellerin vertreibt insoweit das Mittel K. , die Antragsgegnerin das Mittel H. . Bei H. handelt es sich um ein Biosimular zu dem Mittel G. der Fa. D. GmbH.

Alle Arzneimittel werden subkutan gegeben. Dafür stellen die jeweiligen Hersteller eine mehrfach verwendbare Spritze zur Verfügung, die mit Patronen, die den Wirkstoff - ein follikelstimmulierendes Hormon - enthalten, bestückt werden kann. Bei den Spritzen (Pens) handelt es sich um Medizinprodukte. Die Patronen der Arzneimittel passen jeweils nur in die zugehörige Spritze des jeweiligen Herstellers. Nach dem Inhalt der Fachinformationen der Mittel der Parteien dürfen diese nur (K. ) bzw. müssen diese (H. ) bei der ersten Anwendung bzw. Einleitung der Behandlung unter medizinischer Aufsicht, d.h. der Aufsicht durch einen Arzt, gegeben werden.

Die Antragstellerin bietet ihren Pen über Apotheken an. Zu welchem Preis, ist ebenso wenig vorgetragen wie der Preis der Mittel selbst. Die Fa. D. GmbH bietet für G. einen „Mehrfachdosis-Fertigpen“ an (Anlage EV 4), der zusammen mit dem Arzneimittel ebenfalls über Apotheken abgegeben wird.

Der Pen der Antragsgegnerin ist nicht verkäuflich. Er wird nicht über Apotheken, sondern über spezialisierte Arztpraxen zur Therapie bei Kinderwunsch abgegeben. Zu diesem Zweck stellt die Antragsgegnerin den Ärzten den H. Pen unentgeltlich zur Verfügung. Dem geht eine Nachfrage der Antragsgegnerin danach voraus, ob die Ärzte das Arzneimittel H. künftig verschreiben und den H. Pen abgeben wollen. Ist dies der Fall, wird der H. Pen den Ärzten in einer von diesen zuvor angegebenen Anzahl unentgeltlich überlassen. In einem an den Arzt gerichteten Begleitschreiben heißt es, dass der H. Pen „nach ungefährem Aufkommen gebündelt, jedoch unabhängig von einer konkreten Bestellung oder Verordnung zur Verfügung gestellt“ werde, damit der Pen durch den Arzt „bei Bedarf unentgeltlich und im Namen der B. an die Patienten“ weitergegeben wird (Anlage EV 3). Der Anlage EV 3 kann ein weiteres, an die Patientinnen gerichtetes Schreiben entnommen werden, das nach seinem Inhalt an Patientinnen abzugeben ist, nachdem diese das Mittel H. und den H. Pen bereits erhalten haben. Beide Schreiben sind als solche nicht Gegenstand des von der Antragstellerin begehrten Verbots.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Antragsgegnerin verstoße mit der unentgeltlichen Abgabe des Pens gegen § 7 Abs. 1 HWG. Der Pen sei eine Werbegabe i.S. der Vorschrift, und zwar sowohl gegenüber dem Arzt als auch gegenüber der Patientin.

Der Arzt könne die unentgeltliche Weitergabe des Pens an die Patientin als sein Werbegeschenk präsentieren und sich so in einem guten Licht darstellen. Er könne schon die Verordnung des Pens damit anpreisen, dass er diesen gleich kostenlos mitgeben könne, so dass die Patientin den Pen nicht noch in der Apotheke abholen und bezahlen müsse. Das sehe ausweislich der Anlage eV 3 auch die Antragsgegnerin so („unentgeltlich und im Namen von B. an die Patientin“). Sollte der Arzt den Pen der Antragsgegnerin tatsächlich wie empfohlen anpreisen, würde er gegen § 27 Abs. 3 Satz 4 MBO-Ä verstoßen.

Der Arzt werde auch unsachlich beeinflusst, denn schon der Umstand, dass er den Pen in seiner Praxis vorrätig halte, dürfte ihn veranlassen, ihn an die Patientinnen - unter zusätzlicher Verordnung von H. - weiterzugeben, sei es nur, um den Pen loszuwerden. Es bestehe die Gefahr, dass der Verordnungsentscheidung ein wirtschaftliches Interesse des Arztes zugrunde liege.

Für die Patientinnen sei die unentgeltliche Weitergabe des Pens ein Geschenk. Dass sie das Arzneimittel selbst bezahlen müssten, ändere daran nichts.

Ein handelsübliches Zubehör im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG sei der Pen gleichfalls nicht. Das wäre er nur, wenn er zusammen mit dem Arzneimittel in der Apotheke abgegeben werden würde.

Die Antragstellerin hat beantragt,

es der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel

zu verbieten,

den H. Pen unentgeltlich an Ärzte zur unentgeltlichen Weitergabe an Patienten abzugeben.

Das Landgericht hat antragsgemäß eine einstweilige Verfügung vom 19.05.2016 erlassen.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch hat die Antragsgegnerin vorgetragen, sie habe sich, um sicher zu gehen, dass die Patienten hinsichtlich der Injektion ordnungsgemäß unter ärztlicher Aufsicht geschult würden, aus Gründen der Patientensicherheit entschieden, den H. Pen an die Patienten ausschließlich über in speziellen Kinderwunschzentren tätige Ärzte weiterzugeben. Bei dem Pen handele es sich nicht um eine unentgeltliche Werbegabe. Es liege ein Gesamtangebot vor. Der Pen sei ein handelsübliches integrales Zubehör. Er sei integraler Bestandteil des Behandlungskonzepts mit dem Arzneimittel H.. Der Preis für den H. Pen sei vollständig integriert in den Kaufpreis für das Arzneimittel H. . Daher biete die Antragsgegnerin den Pen auch nicht gesondert zum Kauf an. Weder der Arzt noch die Patientinnen könnten mit dem Pen etwas anderes anfangen. Da er mehrfach, nämlich während der gesamten Kinderwunschbehandlung, verwendet werden könne, liege er nicht jeder Packung des Arzneimittels H. bei.

Einen Werbezweck erfülle der Pen nicht. Nicht Absatzförderung, sondern die Gewähr einer sicheren Anwendung sei Zweck der Abgabe über Arztpraxen. Die Abgabe des Pens an Ärzte führe nicht dazu, dass diese das Mittel der Antragsgegnerin verschrieben, nur um den Pen loszuwerden. Der streitgegenständliche Pen werde nicht einfach an die Kinderwunschzentren versendet. Vielmehr gehe der Versendung ein Beratungsgespräch voran, in dessen Rahmen die Ärzte Angaben dazu machten, wie viele Behandlungen sie möglicherweise mit dem Mittel H. durchzuführen gedächten, und dann eine entsprechende Menge des Pens bestellten. Vorteile erlangten die Ärzte nicht. Sie könnten die Pens jederzeit kostenlos an die Antragsgegnerin zurückgeben.

Der Arzt werde durch die streitige Abgabe des Pens nicht unsachgemäß beeinflusst. Die Darlegungs-. und Beweislast hierfür trage die Antragstellerin.

Der Verbotstenor erfasse im Übrigen den von der Antragstellerin behaupteten Abgabedruck nicht. Auch fiele ein solcher Umstand nicht in den Schutzbereich des § 7 HWG.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 19.05.2016 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen,

deren Bestand sie verteidigt hat. Sie hat gemeint, dass es keine Besonderheit von H. sei, dass die erste Injektion unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen sei. Das gelte ebenso für G. (Anlage EV 7). Nach der Verordnung des Mittels müsse der Patient erst in die Apotheke, um das jeweilige Mittel zu kaufen. Dann müsse er mit dem Mittel in die Praxis, um die erste Injektion unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen. Wenn der Arzt - wie naheliegend - H. verordne und den H. Pen gleich mitgebe, komme das Sicherheitsargument der Antragsgegnerin nicht zum Tragen. Der Arzt könne aber auch ankündigen, dass die Patientin den Pen unentgeltlich von ihm erhalte. Das müsse er sogar, weil die Patientin in der Apotheke im Rahmen der dortigen Beratung auf den erforderlichen Pen angesprochen werde. Der Arzt mache dann Werbung für sich und die Antragsgegnerin. Für die Patientin handele es sich bei dem unentgeltlich abgegebenen Pen um ein Geschenk. Dafür seien Patientinnen besonders „empfangsbereit“, weil sie 50% oder gar 100% der Kosten für die Arznei- und Hilfsmittel selbst bezahlen müssten.

Die Abgabe von Hilfsmitteln über Depots beim Arzt sei nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGB V unzulässig.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil bestätigt. Auf das Urteil wird ergänzend verwiesen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, auf den sie im Übrigen verweist, und wiederholt ihre Ansicht, dass es sich bei dem H. Pen nicht um eine „Werbegabe“ i.S. des § 7 Abs. 1 HWG handele, auch wenn es richtig sei, dass der Begriff weit auszulegen sei. Das Landgericht habe als Anknüpfungspunkt für die „Unentgeltlichkeit“ des Pens auf die subjektive Sicht der Patientinnen abgestellt. Das stütze sich wiederum auf den Umstand, dass andere Hersteller ihre Preise anders gestalteten und die jeweilige Injektionshilfe gesondert berechneten. Auf das subjektive Empfinden des Verkehrs komme es allerdings nicht an. Es komme darauf an, ob tatsächlich - objektiv - eine unentgeltliche Werbegabe vorliege. Objektiv sei aber der Preis für den Pen durch den Kaufpreis für das Arzneimittel abgegolten. Der Pen werde daher mit dem Preis des Arzneimittels bezahlt und nicht unentgeltlich abgegeben. Deshalb mangele es schon an der „Unentgeltlichkeit“ des Pens, der - anders als eine Werbegabe, die ausschließlich der Verkaufsförderung diene, - keine weitergehende als eine medizinische Zweckbestimmung habe. Das Heilmittel selbst könne der Verkaufsförderung allenfalls dann dienen, wenn mit der Abgabe Aufwendungen erspart würden. Das sei vorliegend nicht der Fall. Der Pen sei als solcher nicht verkäuflich und habe auch keinen Kaufpreis. Deshalb könne es auch keine ersparten Aufwendungen geben.

Die Antragsgegnerin müsse in der Arzneimittelpreisgestaltung frei sein, also darin, den Preis für den Pen als integralen Bestandteil der Therapie über den Kaufpreis für das Arzneimittel zu erheben. Das sei ein unionsrechtlich verbrieftes Recht.

Das Produkt sei auch nicht „hübsch“ anzusehen oder „nett anzufassen“. Es habe keinen „Dekorationswert“.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg zum Aktenzeichen 315 O 172/16 vom 01.06.2016 die einstweilige Verfügung vom 19.05.2016 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, es komme gerade nicht ausschließlich auf objektive Gesichtspunkte, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf die Sicht des Empfängers an. Mit dem Argument der Antragsgegnerin wäre § 7 HWG obsolet, weil jedes pharmazeutische Unternehmen die Kosten seiner Werbemittel in die Kosten für das Arzneimittel einbeziehe. Dann würde aber die Unentgeltlichkeit immer ausscheiden. Die Antragsgegnerin habe gar nicht in Abrede gestellt, dass die Ärzte und Patientinnen die unentgeltliche Zurverfügungstellung des H. Pen als unentgeltliche Zuwendung ansähen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet. Die unentgeltliche Abgabe des H. Pen an Ärzte zum Zwecke der unentgeltlichen Abgabe des Pens an - zumeist (das Mittel ist unter bestimmten Bedingungen auch für die Anwendung bei erwachsenen Männern indiziert; vgl. Anlage EV 2) - Patientinnen verstößt nicht gegen § 7 Abs. 1 HWG und ist mithin auch nicht wettbewerbswidrig i.S. der §§ 3, 3a UWG.

1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn keine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift geregelten Ausnahmen vorliegt. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 a HWG gilt dieses grundsätzliche Verbot auch bei der Werbung für Medizinprodukte im Sinne von § 3 MPG (BGH, Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 13 - DeguSmiles & more; Urt. v. 06.11.2014, I ZR 26/13, GRUR 2015, 504, Rn. 12 - Kostenlose Zweitbrille; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 33 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

Bei dem von der Antragsgegnerin abgegebenen H. Pen handelt es sich um ein Medizinprodukt.

Der Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG auf Medizinprodukte stehen keine unionsrechtlichen Vorschriften entgegen. Die für Medizinprodukte geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen enthalten bis auf verschiedene Kennzeichnungsvorschriften keine besonderen Regelungen für die Werbung (BGH, Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 23 - DeguSmiles & more; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 35 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben stellt eine Marktverhaltensregelung dar (BGH, Urt. v. 06.07.2006, I ZR 145/03, GRUR 2006, 949, Rn. 25 - Kunden werben Kunden; Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 21 - DeguSmiles & more; Urt. v. 06.11.2014, I ZR 26/13, GRUR 2015, 504, Rn. 9 - Kostenlose Zweitbrille; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 34 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln). Die Regelung des § 7 Abs. 1 HWG soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher - soweit diese betroffen sind - bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (BGH, Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 16 - DeguSmiles & more; Urt. v. 25.04.2012 - I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279, Rn. 29 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; Urt. v. 06.11.2014, I ZR 26/13, GRUR 2015, 504, Rn. 9 - Kostenlose Zweitbrille; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 34 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln). Soweit durch die Vorschrift auch Zuwendungen an Fachkreise untersagt sind, sollen mit dem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame Verkaufsförderungspraktiken verhindert werden, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken; gefördert werden soll eine medizinische und pharmazeutische Praxis, die den Berufsregeln entspricht (BGH, Urt. v. 17.08.2011, I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163, Rn. 18 - Arzneimitteldatenbank I; Urt. v. 25.04.2012 - I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279, Rn. 29 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; Urt. v. 12.12.2013, I ZR 83/12, GRUR 2014, 689, Rn. 14 - Testen Sie ihr Fachwissen).

2. Bei der im Streit stehenden unentgeltliche Abgabe des H. Pen durch die Antragsgegnerin an Ärzte zum Zwecke der unentgeltlichen Weitergabe des Pens an Patienten handelt es nicht um eine § 7 Abs. 1 HWG unterfallende Absatzwerbung. Der so abgegebene H. Pen ist weder aus der - maßgeblichen - Sicht des Arztes noch aus der der Patienten eine Werbegabe i.S. der genannten Vorschrift.

a) Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) gilt allein für produktbezogene Werbung, also Produkt- und Absatzwerbung (BGH, Urt. v. 06.07.2006, I ZR 145/03, GRUR 2006, 949, Rn. 23 - Kunden werben Kunden; Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 15 - DeguSmiles & more m.w.Nw.; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 37 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist weit auszulegen und erfasst grundsätzlich jede unentgeltliche Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel gewährt wird (BGH, Urt. v. 21.06.1990, I ZR 240/88, GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungs-Kassetten; Urt. v. 17.08.2011, I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163, Rn. 15 - Arzneimitteldatenbank I).

Um von einer solchen Werbegabe ausgehen zu können, muss einerseits zwischen der Zuwendung und der Heilmittelwerbung ein Zusammenhang bestehen; für die Frage, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist auf die Sicht der Empfänger abzustellen (BGH, Urt. v. 17.08.2011, I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163, Rn. 15 - Arzneimitteldatenbank I). Eine produktbezogene Werbung liegt vor, wenn sie auf ein bestimmtes Mittel oder eine Mehr- oder Vielzahl bestimmter Mittel bezogen ist (BGH, Urt. v. 26.03.2009, I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082, Rn. 16 - DeguSmiles & more; Urt. v. 09.09.2010, I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136, Rn. 24 - Unser Dankeschön für Sie; Urt. v. 01.12.2016, I ZR 143/15, WRP 2017, 536, Rn. 37 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

Dass im Streitfall zwischen der Abgabe des H. Pen und dem Arzneimittel H. ein Zusammenhang besteht, ist zwar nicht zweifelhaft. Das gilt sowohl aus der Sicht der Ärzte als auch aus der Sicht der Patienten, denn der Pen ist zur Gabe des Mittels H. unabdingbar erforderlich.

Der Zusammenhang muss aber ein werblicher sein. Denn mit dem Verbot der Werbegaben soll der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung begegnet werden, die von Zuwendungen ausgeht. Eine solche auch nur abstrakte Gefahr besteht nicht, wenn diejenigen, die als Empfänger in Betracht kommen, in der fraglichen Zuwendung kein Werbegeschenk sehen (BGH, Urt. v. 17.08.2011, I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163, Rn. 15 - Arzneimitteldatenbank I, dort für Fachkreise).

b) Zwischen der streitigen unentgeltlichen Abgabe des H. Pen und dem Arzneimittel H. besteht kein werblicher Zusammenhang. Weder der Arzt noch seine Patienten sehen in der unentgeltlichen Abgabe des Pens ein Werbegeschenk, sondern lediglich ein der Verabreichung des Arzneimittels H. dienendes Medizinprodukt, das im Zusammenhang mit der notwendig unter ärztlicher Aufsicht durchzuführenden ersten subkutanen Gabe des Mittels zur Anwendung kommt, ohne dass damit ein werblicher Effekt einhergeht. Die unentgeltliche Abgabe des Pens ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, Arzt oder Patienten unsachlich zu beeinflussen.

aa) Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Fachverkehrs, hier der in sogenannten Kinderwunschzentren tätigen Fachärzte, vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der angesprochene Arzt den Sachverhalt anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (vgl. Senat, Urt. v. 23.06.2016, 3 U 13/16, GRUR-RR 2016, 466, Rn. 37, juris; Urt. v. 21.12.2006, 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204, Rn. 37, juris). Der Senat vermag aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung unter den zum streitigen Sachverhalt vorgetragenen Umständen auch das durch die unentgeltliche Abgabe des H. Pen bewirkte Verkehrsverständnis der Patienten festzustellen.

bb) Der Zweck des § 7 Abs. 1 HWG besteht - wie schon ausgeführt - vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen kann (BGH, Urt. v. 30.01.2003, I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 625 - Kleidersack; Urt. v. 25.04.2012, I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279, Rn. 29 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; Urt. v. 12.12.2013, I ZR 83/12, GRUR 2014, 689, Rn. 14 - Testen Sie ihr Fachwissen; Urt. v. 06.11.2014, I ZR 26/13, GRUR 2015, 504, Rn. 24 - Kostenlose Zweitbrille; Urt. v. 12.02.2015, I ZR 213/13, GRUR 2015, 813, Rn. 18 - Fahrdienst zur Augenklinik I). Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung ist im Sinne einer individuellen Beeinflussbarkeit der Zuwendungsempfänger zu bewerten.

Für die Bemessung des Werts einer Werbegabe bei § 7 HWG kommt es im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, eine unsachliche Beeinflussung der Empfänger zu verhindern, auf den Verkehrswert an, den die Werbegabe für den Durchschnittsadressaten hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.2012, I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279, Rn. 27 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; Urt. v. 12.02.2015, I ZR 213/13, GRUR 2015, 813, Rn. 19 - Fahrdienst zur Augenklinik I), also auf die Sicht des Empfängers. Darauf hat die Antragstellerin zutreffend hingewiesen. Auf den objektiven Wert kommt es nicht maßgeblich an.

cc) Der Senat vermag dennoch die Sichtweise des Landgerichts, die streitige unentgeltliche Abgabe des H. Pen sei geeignet, sowohl die Fachkreise als auch die Patienten unsachlich zu beeinflussen, nicht zu teilen. Ein werblicher Zusammenhang, der zu eine solche unsachlichen Beeinflussung bewirken könnte, ist nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat gemeint, die Gefahr der unsachlichen Beeinflussung von Ärzten liege darin, dass sie den Patientinnen einen handfesten Vermögensvorteil zuwenden und sich damit in einem guten Licht präsentieren könnten. Ärzte seien damit eher bereit, das Produkt der Antragsgegnerin zu verordnen oder zu empfehlen. Auch für die Patientinnen sei die unentgeltliche Weitergabe des Pens ein Geschenk. Das ist nicht überzeugend.

(1) Unstreitig handelt es sich bei dem fachkundigen Empfängerkreis um Ärzte, die in sogenannte Kinderwunschzentren tätig sind bzw. diese betreiben. Sie sind im Bereich der Behandlung von Patientinnen spezialisiert, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben und zur Entwicklung von Follikeln eine zusätzliche hormonelle Unterstützung durch das follikelstimulierende Hormon der Arzneimittel der Parteien benötigen. Dafür, dass diese Ärzte das Mittel H. der Antragsgegnerin eher verordnen könnten als andere Wettbewerbsprodukte, also unsachlich beeinflusst werden könnten, weil sie den H. Pen unentgeltlich zu unentgeltlichen Weitergabe an die Patientinnen direkt von der Antragsgegnerin erhalten, fehlt es an hinreichenden Anknüpfungspunkten.

Schon die Annahme des Landgerichts, die Ärzte wüssten darum, dass sie den Patientinnen einen handfesten Vermögensvorteil zuwendeten und sich deshalb in einem guten Licht präsentieren könnten, überzeugt nicht.

Die Möglichkeit, dass der Arzt die unentgeltliche Abgabe des Pens werblich für sich nutzen könnte, setzt voraus, dass die unentgeltliche Weitergabe des Pens gerade auch aus der Sicht der Patientinnen als eine Geschenk oder als eine wie auch immer geartete Wohltat erscheint. Denn ist dies nicht der Fall, dann kann der Arzt durch die Weitergabe des Pens für sich keinen werblichen Effekt erzielen. So liegt der Fall hier.

(2) Für die Annahme, die Patientinnen sähen in der unentgeltlichen Abgabe des Pens einen „handfesten Vermögensvorteil“, gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Ebenso wenig dazu, dass die Patientinnen den ihnen überreichten Pen als „hochwertige Werbegabe“ bzw. als „erhebliches geldwertes Geschenk“ ansehen könnten, was dann - soweit die Beeinflussung des Arztes in Rede steht - von diesem mit der Folge unsachlicher Beeinflussung werblich genutzt werden könnte.

Die Antragstellerin hat schon nicht vorgetragen, welchen konkreten Wert der streitige Pen aus der Sicht des Verkehrs haben könnte. Soweit dabei der Preis des von der Antragstellerin für ihr Mittel K. über Apotheken vertriebenen Pens einen Anhaltspunkt liefern könnte, ist auch dieser nicht dargetan.

Soweit die Antragstellerin in der Berufungsinstanz meint, die Antragsgegnerin habe gar nicht in Abrede gestellt, dass die Ärzte und Patientinnen die unentgeltliche Zurverfügungstellung des H. Pen als unentgeltliche Zuwendung ansähen, kann dem nicht gefolgt werden. Dass der Pen unentgeltlich abgegeben wird, ist unstreitig. Dass er allerdings eine „Zuwendung oder sonstige Werbegabe“ im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG ist, stand zwischen den Parteien von Beginn des Rechtsstreits an im Streit. Die Antragsgegnerin hat betont, dass es sich bei dem Pen nicht um eine unentgeltliche Werbegabe handele. Sie hat gemeint, bei dem Pen handele es sich um ein integrales Zubehör des Behandlungskonzepts von H. , in dessen Kaufpreis der Preis für den Pen vollständig integriert sei. Der Pen könne nur zur Verabreichung von H. verwendet werden. Weder der Arzt noch der Patient könnten mit dem Pen etwas anderes anfangen. Das ist hinreichend, um der Annahme der Antragstellerin entgegen zu treten, der Verkehr sehe in der Abgabe des Pens eine wie auch immer werthaltige Zuwendung oder sonstige Werbegabe.

(3) Dafür, dass die Patienten in der Situation, in der das eigentliche Arzneimittel H. verordnet und verschrieben wird, schon um die spätere unentgeltliche Abgabe des H. Pen wüssten und die Unentgeltlichkeit somit werblich genutzt werden könnte, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Die Antragstellerin stellt insoweit lediglich Mutmaßungen über ein mögliches Verhalten des Arztes an.

Ihre Annahme, es sei naheliegend, dass der Arzt H. verordne und den H. Pen gleich mitgebe, ist aber fernliegend.

Das Mittel muss bei der ersten Anwendung durch die Patientin unter ärztlicher Kontrolle gespritzt werden. Der Arzt weiß dies und wird den Pen schon deshalb nicht im Zusammenhang mit der Verschreibung des Arzneimittels H. abgeben, weil damit die Gefahr bestünde, dass die Patientin das Mittel ohne seine Aufsicht spritzt. Abgesehen davon, dass die fachliche Sorgfalt, von der angenommen werden muss, dass der Arzt sie beachtet, ein solches Verhalten verhindert, entginge dem Arzt dadurch auch ein weiteres Honorar gerade für die Aufsicht bei der ersten Anwendung.

Auch ist es eine bloße Mutmaßung der Antragstellerin, dass der Arzt ankündigen könnte, dass die Patientin den Pen - nachdem sie das Mittel H. aus der Apotheke besorgt hat - unentgeltlich von ihm erhalte. Zwingend ist dies entgegen der Annahme der Antragstellerin keinesfalls. Dafür, dass die Patientin in der Apotheke im Rahmen der dortigen Beratung auf den erforderlichen Pen angesprochen wird, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Der Apotheker weiß darum, dass er den zugehörigen Pen nicht abgeben kann, weil nicht er, sondern der verordnende Arzt den Pen hat. Anlass dafür darauf hinzuweisen, dass es einen anderen - käuflich zu erwerbenden - Pen für ein anderes - nicht verordnetes - Präparat gibt, nämlich das der Antragstellerin, deren Pen in der Apotheke verkauft wird, hat der Apotheker ebenso wenig wie der Arzt. Dass der Arzt also bei der Abgabe Werbung für sich und die Antragsgegnerin macht oder machen könnte, ist nicht feststellbar.

(4) Entgegen der Sicht des Landgerichts kann auch nicht angenommen werden, dass die Patienten um den Umstand wüssten, dass die Pens von Konkurrenzprodukten des H. Pen entgeltlich in der Apotheke abgegeben werden.

Nur wenn die Patienten über die marktübliche Abgabe von in der Apotheke käuflich zu erwerbenden Pens für die follikelstimulierende Hormongabe wüssten, könnten sie sich Gedanken darüber machen, dass sie mit der unentgeltlichen Abgabe des Pens einen wie auch immer gearteten Vermögensvorteil erlangten. Für eine solche Verkehrssicht auf den Markt der follikelstimulierenden Hormonpräparate ist aber nichts vorgetragen. Es ist nicht dargelegt, dass sich insoweit bereits eine gewisse Gewöhnung des Verkehrs mit entsprechenden Kenntnissen entwickelt hätte, wie dies auf dem Markt anderer Arzneimittel der Fall sein mag.

Im Gegenteil. Auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts ist als überwiegend wahrscheinlich davon auszugehen, dass nur die Antragstellerin ihren Pen gesondert über Apotheken verkauft. Das Mittel G. wird ausweislich der Anlage EV 4 entweder in Durchstechflaschen mit einer Fertigspritze und ggfls. weiteren 6 oder 15 Einwegspritzen, die nicht gesondert verkauft werden, sondern Bestandteil eines Gesamtpakets sind, verkauft oder als „Mehrfachdosis-Fertigpen“ mit 8, 12 oder 20 Injektionsnadeln. Auch der Fertigpen für G. wird also nicht gesondert zu einem bestimmten Preis verkauft, sondern ist Bestandteil des abgegebenen Arzneimittels. Dass dieses auch über Apotheken verkauft wird, ändert nichts daran, dass die Übung der Antragstellerin, das follikelstimulierende Arzneimittel und den zur Gabe des Mittels notwendigen Pen jeweils gesondert zu verkaufen, einzigartig ist. Das ist nicht hinreichend, um annehmen zu können, dass die Patienten in der Verordnungssituation beim Arzt darum wüssten, dass das ihnen verschriebene Mittel wegen der erwarteten unentgeltlichen Abgabe des Pens einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbsprodukten haben könnte.

(5) Auch könnte sich ein solch möglicher Vorteil nur dann maßgeblich auswirken, wenn er bei den Gesamtkosten, die für das Mittel und seine Gabe mittels einer Spritze aufzuwenden sind, überhaupt zu Buche schlagen würde. Denn von einer unsachlichen Beeinflussung des Patienten könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die unentgeltliche Abgabe des Pens zu einem wie auch immer gearteten Preisvorteil gegenüber den Wettbewerbsprodukten führen könnte. Insoweit wäre aber, weil die jeweiligen Pens bei allen Wettbewerbsprodukten nur für die Gabe des zugehörigen Arzneimittels Verwendung finden können, jedenfalls ein Vergleich der Gesamtkosten, die für die jeweiligen Arzneimittel und die zugehörigen Pens entstehen, erforderlich. Entsprechenden Vortrag hat aber keine der Parteien gehalten, so dass der vom Landgericht gezogene Schluss, den Patienten werde ein „handfester Vermögensvorteil“ zugewendet, ohne tatsächliche Grundlage ist.

(6) In der Folge fehlt es an genügenden Anhaltspunkten dafür, dass die unentgeltliche Abgabe des Pens durch den Arzt die Patienten selbst in Bezug auf die Wahl des Mittels und damit die Verordnungsentscheidung überhaupt unsachlich beeinflussen könnte. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist vielmehr davon auszugehen, dass die Patienten von der unentgeltlichen Abgabe des Pens erst erfahren, wenn die Verordnungsentscheidung des Arztes von diesem bereits getroffen worden ist. Dafür, dass die Patienten in die Entscheidung eingebunden würden, fehlt es an genügenden Anhaltspunkten. Es kann - wie ausgeführt - nicht zuverlässig davon ausgegangen werden, dass der Arzt zuvor mit der Patientin die Wahl des Mittels unter Hinweis darauf erörtert, dass sie den für dessen Anwendung erforderlichen Pen im Zusammenhang mit der ersten Anwendung von ihm unentgeltlich erhalten werde. Hat aber die Patientin das Mittel H. bereits verordnet erhalten und in der Apotheke erworben, dann fehlt es ebenfalls schon an der Möglichkeit der unsachlichen Beeinflussung in Bezug auf die Verordnungsentscheidung, wenn sie den Pen bei der ersten, vom Arzt beaufsichtigten Anwendung erhält und ihr mitgeteilt wird, dass der Pen auch für die weiteren Anwendungen verwendet werden kann und sie ihn deshalb behalten darf. Gleiches gilt für den Fall, dass die Patientin nach der Verordnung von H. aus Anlass des Erwerbs des Mittels in der Apotheke erfährt, dass sie den Pen dort nicht bekommen könne, sondern bei der ersten, vom Arzt beaufsichtigten Anwendung von diesem erhält. Für eine Beeinflussung der Entscheidung über die Mittelwahl ist es dann bereits zu spät.

(7) Kann aber schon nicht festgestellt werden, dass die Patienten um einen etwaigen Vermögensvorteil wüssten, dann kann auch nicht angenommen werden, dass sich der Arzt eines solche Sicht der Patienten bei der unentgeltlichen Abgabe des Pens werblich zunutze machen und damit unsachlich zu einer vermehrten Verschreibung von H. veranlasst werden könnte.

Zudem erscheint es fernliegend, dass sich die Ärzte durch den von der Antragsgegnerin gewählten Vertriebsweg dazu verleiten lassen könnten, das Mittel der Antragsgegnerin eher zu verschreiben als Wettbewerbspräparate. Selbst dann, wenn der Arzt - wie nicht - annehmen könnte, dass Patienten in der unentgeltlichen Abgabe des H. Pen durch ihn eine besondere Serviceleistung des Arztes erblicken, erscheint es ausgeschlossen, dass sich der Arzt bei seiner Verordnungsentscheidung davon und nicht von sonstigen Vorteilen des Mittels, wie etwa dem - mangels entgegenstehenden Vortrags zu unterstellenden - gegenüber Wettbewerbsprodukten insgesamt geringeren Preis, leiten lässt. Immerhin weiß auch der Arzt, dass die Patienten die Kosten für das Mittel zu einem großen Teil, wenn nicht sogar insgesamt selbst tragen müssen.

(8) Dass der Arzt, wie das Landgericht mit der Antragstellerin weiter gemeint hat, wegen der Menge der gelagerten Medizinprodukte, die er auch wieder loswerden wolle, unsachlich in seiner Verordnungsentscheidung beeinflusst werden könnte, erscheint schließlich ebenfalls fernliegend. Die Antragsgegnerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie den jeweiligen Arzt vor der Abgabe von Pens dazu befrage, wie viele Pens er voraussichtlich benötige, und sodann Pens in der angegebenen Anzahl an den Arzt abgebe. Das ist unstreitig geworden. Auch ist nicht ersichtlich, dass für die Lagerung der sodann benötigten Pens eine größere Lagerfläche erforderlich wäre. Im Übrigen ist glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auf Anforderung alle ausgelieferten Pens auch zurücknehmen würde. Dass deshalb ein Verordnungsdruck für H. bestehen könnte, erscheint nicht naheliegend oder gar überwiegend wahrscheinlich.

dd) Unter diesen Umständen kommt es, da schon keine „Werbegabe“ i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG vorliegt, nicht mehr darauf an, ob es sich bei dem Pen der Antragsgegnerin um ein erlaubterweise abzugebendes handelsübliches Zubehör im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG handelt. Dass andere Wettbewerber ihren Pen üblicherweise, also verkehrsüblich, gegen Entgelt über Apotheken abgeben, wie das Landgericht gemeint hat, kann allerdings nicht festgestellt werden. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist dies nur bei der Antragstellerin der Fall. Bei G. wird der Fertigpen üblicherweise ohne besondere Berechnung mit dem Arzneimittel zusammen abgegeben.

c) Der Hinweis der Antragstellerin auf die Vorschrift des § 128 Abs. 1 SGB V, nach der die Abgabe von Hilfsmitteln an gesetzlich Versicherte über Depots bei Vertragsärzten unzulässig ist, soweit es sich nicht um Hilfsmittel handelt, die zur Versorgung in Notfällen benötigt werden, verhilft der Antragstellerin ebenfalls nicht zum Erfolg.

Zum einen stützt sie sich für ihren Anspruch nicht auf die Verletzung jener Vorschrift, sondern auf den Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 7 Abs. 1 HWG, weshalb nicht entschieden werden muss, ob es sich bei § 128 Abs. 1 SGB V um eine marktverhaltensregelnde Norm i.S. des § 3a UWG handelt.

Zum anderen stellt der Verfügungsantrag nicht auf die unentgeltliche Abgabe des H. Pen an einen bestimmten Patientenkreis, nämlich gesetzlich krankenversicherte Patienten, und/oder die damit möglicherweise verbundene Vorratshaltung ab. Das beantragte Verbot würde daher auch die von § 128 Abs. 1 SGB V nicht betroffene Abgabe des Pens an privatversicherte Patienten betreffen und damit unzulässiger Weise erlaubte Handlungen erfassen.

d) Die Antragstellerin kann das begehrte Verbot letztlich auch deshalb nicht erlangen, weil weder die von der Antragstellerin beschriebenen Szenarien, die mit der unentgeltlichen Abgabe des Pens verbunden sein könnten, noch die aus der Anlage EV 3 ersichtlichen Begleitschreiben Gegenstand des gestellten Antrags sind. Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Art und Weise der Abgabe des Pens an den Arzt, wie sie etwa mit dem Anschreiben an den Arzt gemäß der Anlage EV 3 angeregt worden ist, nicht Gegenstand des beantragten und ausgesprochenen Verbots ist. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass der Arzt nach dem Inhalt jenes Anschreibens aufgefordert wird, den H. Pen „unentgeltlich und im Namen von B. “ an die Patienten weiterzugeben. Soweit darin eine gesonderte werbliche Handlung liegen könnte, die auch geeignet sein könnte, die Sicht jedenfalls des Patienten auf die Abgabe hin auf einen werblichen Zweck zu beeinflussen, ist dies nicht Antragsgegenstand.

Da das begehrte Verbot nicht auf ein bestimmtes ärztliches Verhalten abstellt, würde es in der Folge auch solche Situationen erfassen, die mit keinerlei weiteren Informationen durch Arzt oder Apotheker, die die Antragstellerin für möglich erachtet, einhergehen. Dann aber würde - ohne dass ein entsprechendes Verbot begründet sein könnte - auch erlaubtes Verhalten verboten werden, was dem Anspruch ebenfalls entgegensteht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

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