LG Hamburg, Urteil vom 27.04.2017 - 327 O 46/17
Fundstelle
openJur 2020, 1571
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 03.02.2017 wird bestätigt.

2. Der Antragsgegner hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Unterlassung wegen Angaben in der Zeitschrift „j.“ in Anspruch, die der Antragsteller für verunglimpfende Äußerungen, unwahre Tatsachenbehauptungen und irreführende geschäftliche Handlungen hält.

Der Antragsteller ist ein nicht-gewerkschaftlicher und der Antragsgegner ein gewerkschaftlicher Berufsverband für hauptberuflich tätige Journalisten. Beide Parteien geben Presseausweise an ihre Mitglieder heraus, sofern diese nachweisen, dass sie hauptberuflich journalistisch tätig sind.

Der Antragsgegner ist Herausgeber der Zeitschrift „j.“, deren Abonnementgebühren in dem Mitgliedsbeitrag des Antragsgegners enthalten sind. Auch Nicht-Mitglieder können die Zeitschrift käuflich erwerben.

In der Ausgabe 01/2017 des „j.“ war ein Artikel des Journalisten C. R. enthalten. Auf die Anlage AS 2 wird Bezug genommen. Ein in Teilen ähnlicher Artikel war bereits am 01.12.2016 in der taz erschienen (Anlage B 4).

Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner wegen einzelner Äußerungen in dem Artikel im „j.“ vergeblich ab (Anlage AS 3).

Mit Beschluss vom 03.02.2017 hat die Kammer dem Antragsgegner antragsgemäß verboten,geschäftlich handelnd in der Bundesrepublik Deutschland die nachfolgend wiedergegebenen Aussagen zu behaupten oder zu verbreiten:

„Für Chaos sorgte aber, dass inzwischen auch einige eher dubiose Organisationen Presseausweise ausstellten. Solche Verbände erzielen über ihre Ausweise gute Einnahmen. Geködert werden Interessenten mit dem Verweis auf ‚Presserabatte‘, die den Inhabern eines entsprechenden Ausweises etwa beim Autokauf oder beim Handyvertrag gewährt würden. Vor allem fünf Verbände sind dieser eher gewerblich motivierte Szene zugerechnet.

- [...]

- der ‚D. P. V.‘ (DPV) aus H. [...],

- [...]

- [...]

All diese Verbände verstehen sich weniger als Interessenverbände, sondern eher als Dienstleister. Sie haben jeweils einige Tausend ‚Mitglieder‘, die sie intern aber teilweise auch als ‚Kunden‘ bezeichnen. [...]

In der Außendarstellung werben sie gezielt um Gelegenheitsschreiber, Blogger und Vereinspressesprecher."

und/oder

„Doch wann ist ein Journalist überhaupt ‚hauptberuflich‘? Die alten Verbände stellen darauf ab, dass er seine Einkünfte „überwiegend“ (also zu mindestens 51 %) als Journalist verdient. Die neuen Verbände lassen es dagegen auch gelten, wenn jemand „regelmäßig und dauerhaft“ publizistisch tätig ist.“

Der Antragsgegner hat Widerspruch eingelegt.

Er ist der Ansicht, dass nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Hamburg nicht die Zivilkammer 27 als Wettbewerbskammer, sondern die Zivilkammer 24 als Pressekammer zuständig sei, da es sich um einen redaktionellen Beitrag handle. Streitigkeiten wegen eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch eine Presseveröffentlichung unterfielen der Zuständigkeit der Zivilkammer 24.

Im Übrigen bestehe kein Verfügungsanspruch. Das UWG sei auf den Antragsgegner als Gewerkschaft nicht anwendbar. Es bestehe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien und es liege keine geschäftliche Handlung vor. Der Antragsgegner sei nicht passivlegitimiert, da er für den Beitrag nicht verantwortlich sei. Denn die Redaktion handle gemäß der redaktionellen Richtlinien (Anlage B 9) unabhängig. Der Autor R. habe ausdrücklich nicht einen „Verbands-PR-Artikel“ schreiben wollen (Anlage B 10). Im Übrigen seien alle Äußerungen im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig.

Der Antragsgegner beantragt,

den Rechtsstreit an die Pressekammer, Zivilkammer 24 zu verweisenund im Übrigen die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Antragsteller meint, die getroffenen Aussagen seien alle wettbewerbsrechtlich unzulässig. Der streitgegenständliche Artikel diene der Werbung für (zukünftige) eigene Presseausweise des Antragsgegners. Der Antragsgegner habe auf den Inhalt des Artikels Einfluss genommen, denn gegenüber dem zuvor in der taz erschienen Artikel seien die Passagen, die den Antragsgegner kritisch bewerteten, gestrichen oder entschärft worden und die Anschuldigungen gegen den Antragsteller angefüttert und verschärft worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 verwiesen.

Gründe

A.

Der Widerspruch des Antragsgegners ist unbegründet, denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Für den vorliegenden Rechtsstreit ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Hamburg für das Jahr 2017 (im Folgenden: GVP) die Zivilkammer 27 zuständig. Es handelt sich um eine Streitigkeit nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, für den nicht die Zivilkammer 24 zuständig ist (Rz. 327 Ziff. 4.1 GVP). Die Zivilkammer 24 ist nicht zuständig, weil der Antragsteller keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder des Ehrenschutzes oder einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht (Rz. 324 Ziff. 1 GVP). Der Antragsteller stützt sich vielmehr ausdrücklich und ausschließlich auf Ansprüche nach dem UWG. Auf eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb könnte der Antragsteller sich im Übrigen auch gar nicht berufen, weil dieses Recht einen „Auffangtatbestand“ darstellt und lediglich subsidiäre, lückenfüllende Funktion hat. Soweit der Verletzte daher einen Anspruch aus den §§ 8, 9 UWG geltend machen kann, ist er darauf beschränkt (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, Einleitung Rn. 7.4).

II.

Dem Antragsteller stehen hinsichtlich beider antragsgegenständlicher Aussagekomplexe Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 bzw. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG zu.

1. Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Die Parteien sind Mitbewerber, weil sie bei der Ausgabe von Presseausweisen gegen Entgelt im Wettbewerb stehen. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Urteil vom 15.01.2014, Az. 5 U 20/13, S. 10 ff. (Anlagenkonvolut AS 4) sowie die Ausführungen der Kammer im Urteil vom 25.07.2013, Az. 327 O 94/13, S. 6 ff. (Anlagenkonvolut AS 4).

2. Der Antragsgegner ist passivlegitimiert. Der Antragsgegner haftet als Herausgeber der Zeitschrift „j.“. Sofern der Antragsgegner auf den Inhalt der durch ihn herausgegebenen Zeitschrift tatsächlich keinen Einfluss nimmt, würde dies die Zurechnung nicht unterbrechen. Denn Schuldner der in § 8 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung i.S.v. § 3 UWG selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht. Im Falle der Verbreitung wettbewerbswidriger Äußerungen in Medien haftet neben dem Urheber der Äußerung jeder an der Weitergabe und der Verbreitung Beteiligte, soweit sein Verhalten eine geschäftliche Handlung darstellt (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 29 - TIP der Woche). Zu diesem Personenkreis zählt insbesondere auch der Herausgeber (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 9 Rn. 2.13 m.w.N.).

3. Die Herausgabe des streitgegenständlichen Artikels stellte eine geschäftliche Handlung des Antragsgegners gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Es handelte sich um eine Handlung, die mit der Absatzförderung des Antragsgegners objektiv zusammenhing.

Bei einem redaktionellen Beitrag ist ein objektiver Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens zu verneinen, wenn er allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient (BGH GRUR 2012, 74 Rn. 15 - Coaching-News- letter). Von einer geschäftlichen Handlung ist dementsprechend auszugehen, wenn bereits der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Leser, Zuschauer oder Hörer des redaktionell gestalteten Beitrags erkennt, dass damit der Absatz eines Unternehmens gefördert werden soll (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 2 Rn. 67).

Dabei ist eine Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen, um beurteilen zu können, ob die normalerweise im Vordergrund stehenden Ziele der Information und Meinungsbildung auch im konkreten Fall vorherrschen oder ob andere, wettbewerbsspezifische Motivationen daneben eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielen. Dabei sind eine Interessenverflechtung zwischen dem Medienunternehmen und einem Mitbewerber des kritisieren Unternehmens sowie die Form und der Inhalt des Medienbeitrags zu berücksichtigen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2015, 298 - Community & Forum). Wenn sich ein Presseorgan zum Beispiel als „publizistisches Sprachrohr“ einer bestimmten Bankengruppe bezeichnet und Werbepartnern empfiehlt, einer anderen, als „Schmuddelkind“ der Bankenbranche bezeichneten Bank, die Zusammenarbeit mit dieser Bank zu beenden, liegt hierin eine geschäftliche Handlung (OLG Frankfurt GRUR-RR 2016, 14 - Schmuddelkind).

Im vorliegenden Fall ist der Artikel in der Mitgliedszeitschrift des Antragsgegners erschienen. Der Artikel setzt sich mit einem unmittelbaren Wettbewerber des Antragsgegners bzgl. der Ausstellung von Presseausweisen auseinander. Die Seriosität des Antragstellers und der anderen „neuen Verbände“ ist einer der Hauptgesichtspunkte des Artikels. Denn als Ausgangspunkt der Neuregelung des Presseausweiswesens wird der Umstand dargestellt, dass es derzeit „also ziemlich einfach“ sei, sich auch als Nicht-Journalist einen „Presseausweis“ zu besorgen. Das „nerve“ vor allem die Polizei, deren Arbeit es erschwere, wenn bei kontroversen Demonstrationen politische Gegner mit „Presseausweisen“ hinter die Absperrung gelangten. Anders als in den oben genannten Fällen, die vom Oberlandesgericht Frankfurt entschieden wurden, besteht hier zwischen dem Herausgeber des Beitrags und dem Wettbewerber nicht lediglich eine personelle und gesellschaftsrechtliche Verflechtung. Vielmehr ist der Antragsgegner als Herausgeber selbst unmittelbarer Wettbewerber des Antragstellers. Vor diesem Hintergrund ist hier im Ergebnis von einer geschäftliche Handlung des Antragsgegners auszugehen.

4. Die geschäftliche Handlung des Antragsgegners war gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie unlauter war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aussagen nicht dem allgemeinen Äußerungsrecht für Presseunternehmen, sondern den „deutlich strengeren wettbewerbsrechtlichen Regeln“ unterfallen, da sie im Rahmen einer geschäftliche Handlung getroffen wurden (BGH GRUR 2012, 74 Rn. 38 - Coaching-Newsletter).

a) Der erste Aussagekomplex enthält bereits deshalb eine gemäß § 4 Nr. 1 UWG unlautere Herabsetzung des Antragstellers, da dieser als „eher dubiose Organisation“ bezeichnet wird, im Gegensatz zu dem Antragsgegner, der zu den „seriösen Verbänden“ gezählt wird. Zu Verdachtsmomenten, die den Vorwurf einer dubiosen Geschäftemacherei im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen könnten (vgl. BGH GRUR 1995, 270, 274 - Dubioses Geschäftsgebaren), hat der Antragsgegner nichts vorgetragen.

b) Der zweite Aussagekomplex enthält eine irreführende, weil unwahre Angabe über das Unternehmen des Antragstellers (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG). Auch Äußerungen, die sich darauf beschränken, einen Mitbewerber und sein Angebot gegenüber der Marktgegenseite zu kritisieren, können Angaben i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG sein (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 5 Rn. 1.24). Die Aussage „Die neuen Verbände lassen es dagegen auch gelten, wenn jemand ‚regelmäßig und dauerhaft‘ publizistisch tätig ist“ trifft in Bezug auf den Antragsteller unstreitig nicht zu. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wird die Aussage durch den Zusatz „auch“ nicht dahingehend abgeschwächt, dass der Verkehr deshalb meinen würde, die Aussage beziehe sich nicht (zwingend) auf den Antragsteller, sondern nur auf die anderen genannten „neuen Verbände“. Das „auch“ ist ersichtlich so zu verstehen, dass alle genannten Verbände Presseausweise nicht nur an Personen ausgeben, die ihre Einkünfte zu mindestens 51 % als Journalisten verdienen, sondern eben „auch“ an Personen, die nur regelmäßig und dauerhaft publizistisch tätig sind. Die Aussage bezieht sich daher auch auf den Antragsteller.

III.

Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.