ArbG Hamburg, Urteil vom 29.03.2017 - 17 Ca 514/16
Fundstelle
openJur 2020, 1556
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.09.2016 über den Betrag von 1.409,98 € (der sich aus 448,78 € und 961,20 € zusammensetzt) hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 74,63 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 404,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 21,23 € seit dem 2.7.2015, auf 21,23 € seit dem 2.8.2015, auf 21,23 € seit dem 2.9.2015, auf 21,23 € seit dem 2.10.2015 auf 21,23 € seit dem 2.11.2015, auf 21,23 € seit dem 2.12.2015, auf 21,23 € seit dem 2.1.2016, auf 21,23 € seit dem 2.2.2016 auf 21,23 € seit dem 2.3.2016, auf 21,23 € seit dem 2.4.2016, auf 21,23 € seit dem 2.5.2016, auf 21,23 € seit dem 2.6.2016, auf 74,63 € seit dem 2.7.2016 und auf 74,63 € seit dem 2.8.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.538,48 € festgesetzt.

Die Berufung wird für die Beklagte gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 01. Juli 2015 sowie 01. Juli 2016.

Die Klägerin war bei einem Unternehmen des (ehemaligen) B.-Konzerns beschäftigt, wobei sie zuletzt in Hamburg beschäftigt war. Die Klägerin schied aufgrund eines Aufhebungsvertrages zum 31. Dezember 1997 aus dem Arbeitsverhältnis aus. In der Aufhebungsvereinbarung findet sich folgende Regelung zur betrieblichen Rente:

„8.

Die B. D. L. AG gewährt Frau W., unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der B. VVaG., mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – ggf. auch mit Abschlägen – möglich ist, eine monatliche Rente von 1.558,02 DM brutto. Diese Rente wird nach den betrieblichen Bestimmungen angepaßt.“

Ob die durch Betriebsvereinbarungen geregelten Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes in der Fassung vom 19. April 2002 einschließlich der Ausführungsbestimmungen einschließlich des dortigen Gesamtversorgungssystems auf die Versorgungsbezüge der Klägerin Anwendung finden, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte leistet an die Klägerin jedenfalls einen Gesamtbetrag, der sich aus zwei Teilzahlungen zusammensetzt: aus der betrieblichen Versorgungsleistung (auf den Abrechnungen des Klägers V2 Rente bezeichnet) sowie der sog. V1 Altersrente (im Weiteren: V1 Rente). Die V2 Rente betrug im Monat Juni 2015 948,40 € brutto, die V1 Rente 446,50 € brutto.

Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden BVW) unter der Überschrift „Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ Folgendes geregelt:

„1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.“

Neben dieser vertraglichen Anpassung prüft die Beklagte alle drei Jahre ebenfalls eine Anpassung gem. § 16 BetrAVG und wendet das jeweils für die Klägerin günstigere Ergebnis an.

Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,719 auf 107,0, also um 0,281%. Zum 01. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht.

Die Beklagte nahm im Jahr 2015 keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung nach BVW zum 01. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen, eine darüber hinausgehende Erhöhung sei nicht vertretbar. Dabei erfolgte die Erhöhung nur auf die V2 Rente, nicht aber auf die V1 Rente.

Dementsprechend wurden die Versorgungsbezüge der Klägerin zum 1. Juli 2015 nur in beschlossenem Umfange erhöht.

Auch im Jahr 2016 nahm die Beklagte keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats – und gegen deren ausdrücklichen Wunsch – durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat am 17. Mai 2016 den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem BVW zum 01. Juli 2016 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen; eine darüber hinausgehende Erhöhung sei nicht vertretbar.

Dementsprechend wurden die Versorgungsbezüge der Klägerin zum 1. Juli 2016 nur in beschlossenem Umfange erhöht.

Die Klägerin verlangt mit seiner Klage eine Anpassung um die darüber hinausgehende Summe pro Monat seit dem 1. Juli 2015. Dabei handelt es sich um den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag, der sich errechnet, wenn die Beklagte die Rentenanpassung ab dem 01. Juli 2015 im Umfang von 2,09171 % und ab dem 01. Juli 2016 im Umfang von weiteren 4,24512 % auf die Gesamtversorgungsbezüge vorgenommen hätte.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde die volle Anpassung der (Gesamt-) Versorgungsbezüge gemäß § 6 Abs. 1 BVW.

Durch den Aufhebungsvertrag seien keinesfalls die Regelungen zum betrieblichen Versorgungswerk einschließlich der Gesamtversorgungssystematik abgelöst worden. Selbst wenn dies dem Aufhebungsvertrag entnommen werden sollte, sei ein solcher Verzicht auf die Rechte aus der Betriebsvereinbarung unwirksam.

Sie könne sich nicht auf § 6 Abs. 3 BVW stützen. Die Regelung sei unwirksam, weil sowohl unklar als auch unverhältnismäßig. Sie verstoße auch gegen § 87 Abs. 1 Nrn. 8 und 10 BetrVG. Die Anpassungsentscheidung sei im Übrigen zumindest für 2015 zu spät erfolgt, nämlich erst nach dem Anpassungstermin. Jedenfalls seien die Entscheidungen des Vorstandes und Aufsichtsrates in beiden Jahren unbillig.

Mit der am 02. November 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage beantragt die Klägerin

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.09.2016 über den Betrag von 1.409,98 € (der sich aus 448,78 € und 961,20 € zusammensetzt) hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 74,63 € brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 404,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent-punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 21,23 € seit dem 1.7.2015, auf 21,23 € seit dem 1.8.2015, auf 21,23 € seit dem 1.9.2015, auf 21,23 € seit dem 1.10.2015 auf 21,23 € seit dem 1.11.2015, auf 21,23 € seit dem 1.12.2015, auf 21,23 € seit dem 1.1.2016, auf 21,23 € seit dem 1.2.2016 auf 21,23 € seit dem 1.3.2016, auf 21,23 € seit dem 1.4.2016, auf 21,23 € seit dem 1.5.2016, auf 21,23 € seit dem 1.6.2016, auf 74,63 € seit dem 01.07.2016 und auf 74,63 € seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin über die bereits erfolgte Erhöhung um jeweils 0,5 Prozent hinaus keinen Anspruch auf Erhöhung ihrer Versorgungsbezüge habe.

Die Klägerin gehe fälschlich von einem Gesamtversorgungssystem nach dem betrieblichen Versorgungswerk aus. Der im Aufhebungsvertrag festgeschriebene Betrag stelle die vereinbarte Leistung aus Direktzusage dar. Dieser ersetze die Rege-lungen des betrieblichen Versorgungswerks einschließlich des dortigen Gesamtversorgungssystems. Hierdurch stehe die Klägerin nicht schlechter.

Die Entscheidung der Beklagten zur Rentenanpassung im Jahr 2015 sei von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen gedeckt. Die Regelung sei wirksam, insbesondere nicht zu unbestimmt. Sie sei dahin auszulegen, dass der Vorstand jährlich entscheiden müsse, wie der sogenannte Teuerungsausgleich zu erfolgen habe. Halte er eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar, müsse er mit dem Aufsichtsrat über einen angemessenen Ausgleich entscheiden und diesen definieren, wobei Vorstand und Aufsichtsrat eine gemeinsame Entscheidung nach billigen Ermessen treffen müssten. Auslegungsbedürftig sei in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen der Begriff „vertretbar“. Dieser sei dahin auszulegen, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien. Dies bedeute, dass eine von § 6 Ziffer 1 negativ abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Ein solcher sachlicher Grund liege den Anpassungsentscheidungen der Beklagten zugrunde. Hierbei müsse es sich nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 BetrAVG handeln. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten im Sinne des § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG und die in diesem Zusammenhang vom BAG vorgegebenen Maßstäbe für das rechtmäßige Unterbleiben der gesetzlichen Anpassung seien nicht relevant. In § 6 der Ausführungsbestimmungen sei keine Anlehnung an die Vorschrift des § 16 BetrAVG, sondern vielmehr eine zusätzliche Anpassungsmöglichkeit geregelt. Der erforderliche sachliche Grund folge aus dem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens der Beklagten, dessen wesentlicher Baustein das Konzept „S.“ bilde. Mit diesem Programm sichere der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit trotz widriger Rahmenbedingungen für die Zukunft. Grundlage dieses Konzepts sei nicht die wirtschaftliche Lage der Beklagten, sondern deren zukunftsfähige Aufstellung am Markt. Ziel des Konzepts sei u.a. die Einsparung von Personalkosten mit der Folge, dass die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten müssten. Daher sei es angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Hinzu komme, dass das Interesse der Klägerin im Hinblick auf einen Teuerungsausgleich als eher gering anzusehen sei, da das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern im BVW - im Vergleich zu anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern - bereits überdurchschnittlich hoch sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und Hintergründe dieses Konzepts wird ergänzend auf die ausführlichen Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 28. Dezember 2016, Seite 17 ff. (Bl. 121 ff. d. A.), Bezug genommen.

Der gemeinsame Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat sei auch für das Jahr 2015 rechtzeitig erfolgt. Er habe nicht bis zum Anpassungsstichtag 01. Juli 2015, sondern lediglich mit Wirkung zu diesem Stichtag erfolgen müssen. Dies sei jedoch geschehen. Insbesondere hebe der gemeinsame Beschluss der Gremien nicht eine vorherige automatische Anpassung nach § 6 Ziffer 1 nachträglich wieder auf, sondern ersetze die nach § 6 Ziffer 1 vorzunehmende Anpassung. Eine automatische Erhöhung der Versorgungsbezüge in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente sei in den Ausführungsbestimmungen nicht vorgesehen. Vielmehr sei in jedem Fall eine Prüfung und Entscheidung des Vorstands zur Anpassung der Versorgungsbezüge erforderlich.

Die teilweise Aussetzung der Betriebsrentenanpassung unterliege keinem Mitbestimmungsrecht. Das aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG folgende Mitbestimmungsrecht habe der Betriebsrat durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung abschließend ausgeübt und verbraucht. Darüber hinaus seien keine Mitbestimmungsrechte gegeben, insbesondere werde ein solches nicht durch die teilweise Aussetzung der Anpassung von Betriebsrenten ausgelöst, da eine entsprechende Aussetzung der Anpassung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen bereits angelegt sei.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist bis auf den Zeitpunkt des Zinsbeginns begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 258 ZPO auch der auf künftige Zahlung gerichtete Klagantrag zu 1). Bei Betriebsrentenansprüchen handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen. Diese können grundsätzlich auch für künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Hierbei muss im Rahmen von § 258 ZPO im Gegensatz zu § 259 ZPO nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (BAG vom 19. Juli 2016, 3 AZR 141/15, Rn. 12, zit. nach juris). Es bestand auch keine Notwendigkeit, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig gewordenen Teilbeträge vom Antrag auf wiederkehrende Leistung auszunehmen und gesondert in einen Zahlungsantrag umzustellen (ebenso: BAG vom 21. Januar 2014, 3 AZR 548/11, Rn. 20, zit. nach juris).

2. Die Klage ist bis auf den um einen Tag späteren Zinsbeginn begründet.

Der Zahlungsanspruch der Klägerin auf die begehrten Erhöhungsbeträge folgt aus § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen des BVW. Danach werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. Die Klägerin kann daher eine Erhöhung seiner Gesamtversorgungsbezüge zum 1. Juli 2015 entsprechend der Erhöhung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,0972 Prozent und ab dem 1. Juli 2016 entsprechend der Erhöhung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 Prozent verlangen. Ebenfalls kann sie die künftige Zahlung des übersteigenden Betrages verlangen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stehen der Klägerin Gesamtversorgungsbezüge nach den Regelungen des betrieblichen Versorgungswerkes zu (dazu unter a)). Dem jeweiligen Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat kommt im Hinblick auf die vorzunehmende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge der Klägerin im Streitfall weder für das Jahr 2015 noch für das Jahr 2016 eine Bedeutung zu, da die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Regelung folgt aus ihrer fehlenden hinreichenden Bestimmtheit (dazu unter b)). Sie lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen dahin auslegen, dass sie einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt aufweist (dazu unter c)). Die Unwirksamkeit des § 6 Ziffer 3 führt zur Anwendung von § 6 Ziffer 1 (dazu unter d)). Der Zinsbeginn liegt jeweils einen Tag später (dazu unter e)).

a) Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gesamtversorgungsbezüge nach den Regelungen des betrieblichen Versorgungswerkes. Dies wurde durch die Regelung in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung der Parteien nicht abbedungen.

Dabei kann dahinstehen, ob dieses Ergebnis bereits aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB folgt. Der Beklagten ist zuzugeben, dass gem. Ziffer 8 eine monatliche Rente gem. Ziffer 8 „unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse“ gewährt werden soll. Bei einem Gesamtversorgungssystem ist die V2-Rente (Pensionsergänzung) gerade abhängig von der Höhe der gesetzlichen Rente und der Zahlung aus der Versorgungskasse. Soweit in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung die Anpassung „dieser Rente“ den „Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes“ unterworfen ist, ist festzustellen, dass dieses in § 6 der Ausführungsbestimmungen die Erhöhung von „Gesamtversorgungsbezügen“ regelt. So haben die Parteien und insbesondere die Beklagte die Regelung bislang wohl auch verstanden und gelebt. Dies zeigt insbesondere das Schreiben der Beklagten zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge der Klägerin aus den Jahren 2015 und 2016 (Anlagen K 4 und K 6, Bl. 35, 37 d.A.). Dort wird hinsichtlich der V2-Rente ausdrücklich auf das Gesamtversorgungssystem des betrieblichen Versorgungswerkes Bezug genommen.

Selbst wenn man aber in Ziffer 8 die Ablösung des Anspruches auf eine Gesamtversorgung nach dem betrieblichen Versorgungswerk sehen wollte, wäre der hierin liegende Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung mangels Zustimmung des Betriebsrates gem. § 77 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Dafür, dass sich die Klägerin durch die Ablösung des Gesamtversorgungssystems insgesamt besser stellen würde, kann das Gericht nicht erkennen. Auch wenn die Anrechnung der gesetzlichen Rente auf die betriebliche Versorgungsleistung wegfällt, konnte das Gericht nicht erkennen, warum die Klägerin hierdurch besser gestellt sein sollte. Die Beklagte spricht auch lediglich davon, dass die Klägerin „nicht schlechter“ stünde. Das reicht nicht.

b) Die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW ist nicht hinreichend bestimmt. Dies hat die Unwirksamkeit dieser Regelung zur Folge.

§ 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen sieht vor, dass eine von § 6 Ziffer 1 abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge auf Vorschlag des Vorstands möglich ist, wenn der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar hält. Unklar ist hier sowohl, wann eine fehlende Vertretbarkeit der nach Ziffer 1 erfolgenden Anpassung gegeben ist, als auch die Frage, ob es für die Eröffnung der in Ziffer 3 geregelten abweichenden Festsetzung der Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge tatsächlich – entsprechend dem Wortlaut der Regelung – auf die subjektive Einschätzung des Vorstands ankommen soll. Der Regelung ist danach nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen, wann der Anwendungsbereich von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen eröffnet ist und eine Abweichung von der in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Anpassungsautomatik, wonach die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden, erfolgen kann.

c) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen kann auch nicht im Wege der gebotenen gesetzeskonformen Auslegung dahin ausgelegt werden, dass die Regelung einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt aufweist.

Für die Auslegung von Betriebsvereinbarungen gelten folgende Grundsätze: Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. statt vieler BAG vom 8. Dezember 2015, 3 AZR 267/14, Rn. 22, zit. nach juris).

Die danach gebotene Auslegung von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW nach den dargelegten Grundsätzen ergibt keinen hinreichend bestimmten Inhalt der Regelung.

Zwar macht die Überschrift des § 6 der Ausführungsbestimmungen deutlich, dass die in § 6 geregelte Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zum Tragen kommen soll. Dies könnte damit für die Konkretisierung der Formulierung „nicht für vertretbar (...) hält“ in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen den Schluss zulassen, dass von einer fehlenden Vertretbarkeit im Sinne dieser Regelung nur ausgegangen werden kann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hätten. Jedoch führt auch diese scheinbare inhaltliche Eingrenzung gerade nicht zur hinreichenden Bestimmtheit der Regelung, sondern trägt vielmehr zur Unbestimmtheit maßgeblich bei. Es bleibt gerade unter Berücksichtigung der Überschrift von § 6 der Ausführungsbestimmungen unklar, wann diese danach erforderliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben ist. So ist weder bestimmbar, wessen wirtschaftliche Verhältnisse (des Unternehmens? des Konzerns? der allgemeinen Wirtschaftslage?) in diesem Zusammenhang maßgeblich sein sollen noch lässt sich § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen unter Rückgriff auf die Überschrift von § 6 entnehmen, in welcher Weise und in welchem Umfang sich die – nicht näher bestimmten - wirtschaftlichen Verhältnisse (in welchem Zeitraum?) geändert haben müssen, damit von einer fehlenden Vertretbarkeit im Sinne des § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ausgegangen werden kann. Dies gilt insbesondere, da die Überschrift und die darin enthaltene mögliche Voraussetzung „veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ natürlich nicht nur die Überschrift für Abs. 3, sondern auch für die in Abs. 1 geregelte Anpassungsautomatik nach dem Anstieg der gesetzlichen Rente ist.

Auch der Rückgriff auf § 315 Abs. 1 BGB und des danach anzusetzenden Prüfungsmaßstab des billigen Ermessens führt nicht zu einer weiteren inhaltlichen Eingrenzung der Frage, wann eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen im Sinne von § 6 Ziffer 3 nicht vertretbar ist. Zum einen scheidet ein Rückgriff auf § 315 BGB im vorliegenden Zusammenhang von vornherein aus. Denn bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand von der fehlenden Vertretbarkeit der nach § 6 Ziffer 1 regelmäßig vorzunehmenden Anpassung ausgehen kann, handelt es sich nicht um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für die Anwendung des in § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen geregelten Änderungsvorbehalts ist nicht eine einseitig vom Vorstand vorzunehmende Leistungsbestimmung, sondern vielmehr und ausschließlich die von ihm vorzunehmende Einschätzung, dass die in § 6 Ziffer 1 geregelte Regelanpassung nicht vertretbar ist. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht steht dem Vorstand der Beklagten nicht bereits auf der Tatbestandsseite der Regelung und damit bei der Frage, ob eine von § 6 Ziffer 1 abweichende Anpassung der Gesamtversorgung überhaupt möglich ist, sondern vielmehr erst und allenfalls auf der Rechtsfolgenseite, d.h. konkret bei der Frage zu, in welcher Weise die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge vorzunehmen ist, wenn die Regelanpassung nicht vertretbar ist bzw. von einer fehlenden Vertretbarkeit ausgegangen werden darf.

Die in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen enthaltene Formulierung „für unvertretbar hält“ ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dann als hinreichend bestimmt zu bewerten, wenn man die Formulierung – wie es die Beklagte tut - dahin auslegt, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien, was bedeute, dass eine von § 6 Ziffer 1 zu Lasten der Versorgungsempfänger abweichende Anpassung einen sachlichen Grund voraussetze. Auch diese Auslegung ermöglicht keine weitere Konkretisierung dessen, wann denn ein solcher sachlicher Grund anzunehmen ist, sondern führt letztlich lediglich dazu, dass die unbestimmte Formulierung „nicht für vertretbar (...) hält“ um einen weiteren unbestimmten Begriff, nämlich den des Sachgrundes, ergänzt wird, ohne dass hierdurch ein inhaltlicher Mehrwert erzeugt würde, zumal die Beklagte in diesem Zusammenhang zugleich darauf verweist, dass es sich bei dem danach erforderlichen Sachgrund jedenfalls nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG handele und die in diesem Zusammenhang vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Maßstäbe für das rechtmäßige Unterbleiben der gesetzlichen Anpassung nicht relevant seien. Die Unbestimmtheit, die gerade aus dem Zusammenspiel zwischen Überschrift und Wortlaut des Abs. 3 folgt (hierzu soeben b)), wird damit in keiner Weise beseitigt.

d) Die aufgezeigte Unwirksamkeit der Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung. Nach dem in § 139 BGB verankerten Rechtsgedanken sowie nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung nur dann zur Unwirksamkeit der übrigen Regelungen, wenn diese ohne die unwirksamen Teile der Betriebsvereinbarung keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen (vgl. nur BAG vom 21. Januar 2003, 1 ABR 9/02, zit. nach juris). Dies ist hier nicht der Fall. Die übrigen Regelungen in den Ausführungsbestimmungen des BVW stellen auch ohne § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar, zumal sich mit Hilfe von § 6 Ziffern 1 und 2 eindeutig entnehmen lässt, wie und in welcher Höhe die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge vorzunehmen ist. Es bleibt demnach im Streitfall bei dem in § 6 Ziffer 1 der Anpassungsbestimmungen geregelten Anspruch der Versorgungsempfänger und damit auch der klagenden Partei auf Anpassung ihrer Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung.

e) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Klage war jedoch abzuweisen, soweit die Klägerin Zinsen ab dem jeweils Monatsersten begehrt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien sind die Rentenzahlung jeweils zum Monatsersten für den jeweiligen Monat zu leisten, so dass Zinsen erst ab dem Tag nach Fälligkeit, also ab dem 02. eines Monats begehrt werden können.

II.

1. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG); die Klägerin unterliegt lediglich hinsichtlich eines kleinen Teils (1 Tag) bei den Zinsen, insoweit gelten §§ 4 Abs. 1, 495 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

2. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes (Urteilsstreitwert) richtet sich nicht nach den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes, sondern nach den für die Ermittlung des Beschwerdewertes maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (BAG vom 04. Juni 2008, 3 AZB 37/08, NJW 2009, 171, zu II 1 der Gründe). Der Streitwert beträgt für den Antrag zu 1) auf wiederkehrende Leistungen dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges (3,5 x 12 Monate x 74,63 € monatlich =) 3.134,46 € (§ 9 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG). Hinzu kommt für den Zahlungsantrag zu 2) der Wert der fälligen Teilbeträge. Insgesamt ergibt sich der tenorierte Betrag.

3. Die Berufung gegen die Stattgabe, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, hat die Kammer für die Beklagte gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG). Die streitentscheidende Frage der Wirksamkeit und Auslegung des § 6 Ziffer 3 BVW ist für eine Vielzahl von Parallelverfahren ebenfalls entscheidend. Für die Klägerin ist ein Zulassungsgrund gegen die Teilabweisung nicht ersichtlich.