ArbG Hamburg, Urteil vom 13.07.2017 - 15 Ca 157/17
Fundstelle
openJur 2020, 1555
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin beginnend mit dem 1. September 2016 über den Betrag von € 2.864,47 brutto (zusammengesetzt aus € 399,60 und € 2.464,87) hinaus jeweils zum Ersten eines Monats € 155,26 brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 869,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits – bezogen auf einen Gebührenstreitwert in Höhe von € 5.589,36 – trägt die Beklagte.

5. Der Urteilsstreitwert – maßgeblich für den Wert der Beschwer – wird festgesetzt auf € 7.390,40.

6. Die Berufung wird für die Beklagte unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Höhe der Anpassung klägerischer Betriebsrentenbezüge.

Der verstorbene Ehepartner der klagenden Partei war bei einem Unternehmen des B.-Konzerns, zuletzt in Hamburg, beschäftigt, dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die klagende Partei bezieht seit dem 01.04.2015 eine betriebliche Hinterbliebenenrente, die jeweils am Monatsersten im Voraus für den laufenden Monat gezahlt wird.

Die betriebliche Altersversorgung der klagenden Partei beruht auf Gesamtbetriebsvereinbarungen, den „Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes“ (BVW) nebst Ausführungsbestimmungen in der Fassung vom 19.04.2002 (Anlage K 1, Bl. 11 – 22 d. A.). Danach werden Gesamtversorgungsbezüge gewährt, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen einer Versorgungskasse (genannt: „V1-Rente“) - jeweils gesteigert um die nach dem Geschäftsplan der Kasse gutzuschreibenden Überschussanteile – und einer Pensionsergänzung (genannt: „V2-Rente“) zusammensetzen.

Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge trifft § 6 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW unter der Überschrift „Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ unter anderem folgende Regelungen:

„1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1 ...“

Bis einschließlich 2014 folgten die beklagtenseitig vorgenommenen Rentenanpassungen der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Deren zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 erfolgten Erhöhungen um 2,0972 und um 4,24512 % wurden jedoch nicht nachvollzogen. Die Beklagte beschloss vielmehr jeweils auf Vorschlag ihres Vorstandes – gegen das Votum diesbezüglich unterrichteter Betriebsräte – eine Rentenerhöhung um jeweils nur 0,5 %. Die Versorgungsbezüge der klagenden Partei gestalteten sich daraufhin wie folgt:

Juni 2015Juli 2015 – Juni 2016Seit Juli 2016Gesetzliche RenteGesetzliche RenteGesetzliche RenteV2-Rente:€ 2439,69€ 2452,61€ 2464,87V1-Rente€ 397,57€ 397,57€ 399,60Sie ist der Auffassung, dass eine Anpassung ihrer Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung hätte erfolgen müssen. Sie errechnet hieraus einen monatlichen Differenzbetrag in Höhe von € 46,58 brutto für den Zeitraum 01.07.2015 bis 30.06.2016 und in Höhe von € 155,26 brutto für die Zeit ab dem 01.07.2016. Hieraus ergibt sich für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.08.2016 nach ihrer Berechnung eine Differenz von € 869,48 brutto.

Die klagende Partei trägt vor:

Der von ihr geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen der BVW. Auf § 6 Abs. 3 könne sich die Beklagte aus mehreren Gründen nicht stützen: Diese Regelung sei unwirksam, weil völlig unklar und unangemessen bzw. unverhältnismäßig. Die Unwirksamkeit ergebe sich auch aus einem unzulässigen Verzicht des Gesamtbetriebsrats auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Denn nach § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW werde dem Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten die Möglichkeit gegeben, einseitig zu entscheiden, „was“ geschehen solle, also auch gegebenenfalls die Verteilungsgrundsätze zu ändern.

Außerdem sei zu bestreiten, dass die mitgeteilten Beschlüsse formell ordnungsgemäß gefasst worden seien und inhaltlich die durchgeführten Anpassungen zum Gegenstand gehabt hätten. Jedenfalls sei die mitgeteilte Anpassungsentscheidung für 2015 nach dem 01.07.2015 und damit verspätet getroffen worden. Damit habe die Beklagte unzulässig rückwirkend in bereits erworbene Rechte der Rentenbezieher eingegriffen.

Selbst ausgehend von der Wirksamkeit des § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW und der getroffenen Anpassungsentscheidungen bestehe ein Anspruch auf Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend der gesetzlichen Rente. Denn § 6 Abs. 3 sei allenfalls dahin zu verstehen, dass eine abweichende Anpassungsentscheidung als absoluter Ausnahmefall nur getroffen werden dürfe, wenn die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine andere Entscheidung nicht zulasse. Hierfür fehlten jedoch angesichts öffentlich mitgeteilter Gewinne der Beklagten jegliche Anhaltspunkte. Zudem sei eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Rentenbezieher unterblieben.

Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch aus betrieblicher Übung.

Die klagende Partei beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.09.2016 über den Betrag von € 2864,47 (der sich aus € 399,60 und € 2464,87 zusammensetzt) hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 155,26 brutto zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von € 869,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von € 46,58 seit dem 01.07.2015, auf € 46,58 seit dem 01.08.2015, auf € 46,58 seit dem 01.09.2015, auf € 46,58 seit dem 01.10.2015, auf € 46,58 seit dem 01.11.2015, auf € 46,58 seit dem 01.12.2015, auf € 46,58 seit dem 01.01.2016, auf € 46,58 seit dem 01.02.2016, auf € 46,58 seit dem 01.03.2016, auf € 46,58 seit dem 01.04.2016, auf € 46,58 seit dem 01.05.2016, auf € 46,58 seit dem 01.06.2016, auf € 155,26 seit dem 01.07.2016 und auf € 155,26 seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Weitergehende als die erfolgten Rentenanpassungen könne die klagende Partei nicht verlangen.

Sie, die Beklagte, habe die Anpassungsentscheidungen wirksam entsprechend § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen der BVW getroffen. Diese Regelung sei weder unklar noch unter betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten unwirksam. Sie sei, entsprechend dem verwendeten Begriff „vertretbar“ (= berechtigt“, „legitim“), dahingehend auszulegen, dass eine an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu messende Anpassungsentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen sei. Für diese allein aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Ruhegeldempfänger betreffende Entscheidung bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, zudem seien die maßgeblichen Anpassungsregelungen durch Betriebsvereinbarung und damit mitbestimmt getroffen worden, ebenso wie die Entscheidung für eine gleichmäßige Verteilung einer etwaigen Anpassung auf alle Betriebsrentner.

Die getroffenen Anpassungsentscheidungen entsprächen auch billigem Ermessen. So bestehe ein schwieriges ökonomisches Umfeld durch langanhaltende Niedrigzinsen, demografische Trends und kulturelle Umbrüche (z. B. Digitalisierung, Langlebigkeitsrisiko). Es sei ein sich abschwächendes Wachstum im Versicherungsmarkt zu verzeichnen. Sie, die Beklagte, unterliege steigenden Anforderungen im Bereich der Regulierung und im Bereich der Kundenanforderungen. Schließlich gebe es massive Umstrukturierungen im Branchenumfeld. Diese Rahmenbedingungen hätten den Konzern zu einer neuen Strategie (S.-Konzept) veranlasst, in deren Umsetzung u. a. Personalkosten durch Stellenstreichungen eingespart werden sollten. Aufgrund dessen müssten aktive Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten. Dementsprechend sei es angemessen, hieran auch die Rentner zu beteiligen. Im Übrigen erhielten Rentner anderer Versorgungssysteme eine deutlich niedrigere Anpassung. Das auf die BVW gestützte Versorgungsniveau sei bereits überdurchschnittlich hoch. Der Höhe nach hätten sich die Anpassungen am Verbraucherpreisindex und damit an der Anpassung für Betriebsrentner in anderen Versorgungswerken im Konzern orientiert. Auf ihre konkrete aktuelle wirtschaftliche Lage komme es nicht an.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

I

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auch liegen die Voraussetzungen zur Geltendmachung künftiger wiederkehrender Leistungen gemäß § 258 ZPO vor.

II

Die zulässige Klage ist auch begründet.

1. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt dem Grunde nach aus § 6 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW. Nach § 6 Abs. 1 werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst, und zwar gemäß § 6 Abs. 2 zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

Auf § 6 Abs. 3 kann sich die Beklagte für ihre abweichenden Anpassungsentscheidungen nicht berufen. Dies folgt zwar nicht bereits – wie klägerseitig angenommen – aus der Unwirksamkeit dieser Bestimmung (a), aus einer verspätet getroffenen Anpassungsentscheidung (b) oder betrieblicher Übung (c), allerdings daraus, dass die Beklagte keine billigem Ermessen entsprechende Anpassungsentscheidung getroffen hat (d, e).

a) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen ist nicht unwirksam.

aa) Die Regelung ist insbesondere nicht wegen Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit unwirksam. Sie ist dahingehend auszulegen, dass sie ein Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten konstituiert, das gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Vorgaben der Gesamtsystematik und insbesondere von § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen der BVW auszuüben ist.

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und den durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. BAG, 27.07.2010, 1 AZR 874/08).

Dies zugrunde gelegt ist vorliegend festzustellen, dass § 6 der Ausführungsbestimmungen nach seiner Überschrift eine Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse bezweckt, und dass die Anpassungsregelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 2 und § 6 Abs. 3 nach Wortlaut und Systematik in einem Regel-Ausnahmeverhältnis zueinander stehen. Daraus folgt zweierlei: Zum einen ergibt sich hieraus eine beabsichtigte Anpassungsautomatik für den Regelfall. Zum anderen ergibt sich die zugrunde gelegte Wertung, dass die maßgeblichen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse typischerweise durch die Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angemessen widergespiegelt werden.

Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass eine abweichende Entscheidung nach § 6 Abs. 3 nur im Ausnahmefall erfolgen darf, und sich die nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidungen, ob abgewichen wird und wie abgewichen wird, daran zu orientieren haben, in welchem Verhältnis die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, bzw. die Lohnentwicklung seiner aktiv Beschäftigten zur „Normalentwicklung“, gespiegelt durch die Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung, stehen. Nur wenn dies berücksichtigt ist, entsprechen vom Regelfall abweichende Entscheidungen billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB. So ausgelegt ist § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen hinreichend bestimmt und nicht unverhältnismäßig.

bb) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 Nr. 8, 10 BetrVG unwirksam.

Dies folgt schon daraus, dass der Betriebsrat nur die aktive Belegschaft vertritt und für Maßnahmen in Bezug auf Betriebsrenten nicht zuständig ist (vgl. BAG, 16.03.1956, GS 1/55; 18.05.1977, 3 ZR 371/76). Zudem ist nach Gesamtzusammenhang und Systematik der BVW und ihrer Ausführungsbestimmungen unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Auslegungsüberlegungen nicht ersichtlich, dass dem Arbeitgeber ein von den mitbestimmt festgelegten Verteilungsgrundsätzen abweichendes Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wäre, mag dieses auch missverständlich so formuliert worden sein.

b) Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich wegen des Zeitpunktes ihrer Beschlussfassung zur Rentenanpassung 2015 auf § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW zu berufen. Denn diese Regelung enthält keine Bestimmung bezüglich des Zeitpunktes, in dem eine von § 6 Abs. 1 abweichende Entscheidung getroffen sein muss. Aus § 6 Abs. 2 lässt sich kein entsprechendes Zeitregime ableiten, weil darin nur der Wirksamkeitszeitpunkt einer etwaigen Anpassung festgelegt ist. Insofern wird – solange eine Regelanpassung nicht bereits erfolgt ist – auch nicht rückwirkend in bereits erworbene Ansprüche oder diesbezüglich begründetes Vertrauen in zu beanstandender Weise eingegriffen.

c) Auch eine betriebliche Übung steht der Berufung auf § 6 Abs. 3 nicht entgegen. Insoweit weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass nicht allein mangels bisheriger Anwendung des Ausnahmetatbestandes davon ausgegangen werden kann, die Beklagte habe auf das ihr eingeräumte Abweichungsrecht verzichten wollen. Diesbezügliche sonstige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

d) Gleichwohl deckt § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW die hier getroffenen Anpassungsentscheidungen nicht. Denn selbst eine formal ordnungsgemäße Beschlussfassung unterstellt ist nicht ersichtlich, dass diese billigem Ermessen im oben (zu a) dargestellten Sinne entsprächen.

Denn die Beklagte hat – von ihrem Standpunkt aus konsequent – keine quantifizierbaren Umstände vorgetragen, aus denen sich ihre wirtschaftliche Lage/Leistungsfähigkeit, bzw. die Lohnentwicklung ihrer aktiven Beschäftigten im Verhältnis zur in der Rentenentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung gespiegelten „Normalsituation“ ableiten ließe.

Wie bereits durch Urteil der Kammer 24 des Arbeitsgerichts Hamburg vom 05.10.2016 (24 Ca 83/16) ausgeführt, kann mangels belastbaren Zahlenmaterials weder festgestellt werden, welcher Aussagewert den von der Beklagten herangezogenen Kriterien in wirtschaftlicher Hinsicht zukommt, noch ist deren Gewichtung zu ermitteln. Dass und warum die wirtschaftliche Lage ausgerechnet eine Anpassung um 0,5 %, nicht mehr und nicht weniger, gebietet und damit weniger als 25 % der planmäßigen Regelanpassung ausmacht, ist nicht nachvollziehbar durch veränderte wirtschaftliche Verhältnisse auf Arbeitgeberseite begründet und daher unbillig.

Erst recht ist nicht ersichtlich, dass und warum es der Billigkeit entsprechen soll, dass die Beklagte von der durch § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu den BVW vorgegebenen Anpassungsstruktur abweicht, indem sie eine Erhöhung nur der V2-Rente, nicht aber der Gesamtversorgung vornimmt.

Eine Orientierung am Inflationsausgleich zum Zweck einer angestrebten Harmonisierung der Versorgungsleistungen im Konzern ist in diesem Zusammenhang kein im Kontext des § 6 angelegtes und damit zu berücksichtigendes Argument. Das hohe Versorgungsniveau der den BVW unterfallenden Betriebsrentner ist dem Versorgungswerk immanent und daher gewollt.

e) Da die Anpassungsentscheidungen der Beklagten unbillig sind, ist die Höhe der von der klagenden Partei zu beanspruchenden Rentenanpassungen gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu bestimmen.

Mangels belastbaren Zahlenmaterials und sonstiger quantifizierbarer Anhaltspunkte für eine eigene gerichtliche Leistungsbestimmung kann insoweit keine Abweichung von der Regelanpassung nach § 6 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu dem BVW erfolgen. Daher ist die gerichtliche Bestimmung auf 100 % der Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vorzunehmen, und zwar jeweils bezogen auf die Gesamtversorgungsbezüge.

2. Die sich hieraus ergebenden Zahlungsbeträge hat die klagende Partei zutreffend berechnet.

Die diesbezüglich geltend gemachten Zinsansprüche unterlagen allerdings teilweise der Klagabweisung. Leistungen, die – wie hier – nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils fällig (BAG, 10.12.2013, 3 AZR 595/12). Der klagenden Partei stehen Verzugszinsen daher erst ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach hat, trotz teilweiser Klageabweisung, die Beklagte die Kosten des Rechtsstreites allein zu tragen, weil die Zuvielforderung der klagenden Partei insgesamt geringfügig ist und keine höheren Kosten veranlasst hat. Die Kosten sind bezogen auf den gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKG festgesetzten Gebührenstreitwert zu tragen, der sich auf das 36-fache der geltend gemachten monatlichen Rentendifferenz beläuft.

Der Rechtsmittelstreitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG unter Berücksichtigung von § 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe der 42-fachen monatlichen Klageforderung zuzüglich der für die Vergangenheit bezifferten Beträge im Urteil festgesetzt.

Eine gesonderte Zulassung der Berufung unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes hatte gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG für die Beklagte zu erfolgen, weil die Auslegung von § 6 der Ausführungsbestimmungen der BVW eine Vielzahl von Parallelverfahren betrifft und damit grundsätzliche Bedeutung hat. Für die klagende Partei war demgegenüber mangels vorliegender Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG eine gesonderte Zulassung der Berufung nicht veranlasst.