LG Hamburg, Urteil vom 07.03.2017 - 332 O 467/16
Fundstelle
openJur 2020, 1492
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.767,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus § 110 HGB geltend.

Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten, die ein Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft ist. Sie hält seit dem 2.9.1993 eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Ankauf und Errichtung wurden durch ein Darlehen der S. Bank AG finanziert. Nachdem nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.9.2003 ein unmittelbarer Nachfolgemieter nicht gefunden werden konnte, traten bei der Beklagten wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, so dass das Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden konnte. Es wurden daraufhin zwischen der Beklagten und der S. Bank AG im Jahr 2008 Gespräche über eine etwaige geregelte Liquidation geführt, wo es auch um den Verkauf der Immobilie ging. Ein Verkauf kam nicht zustande. Erneute Verhandlungen führten zu einem Angebot der S. Bank AG an die Kommanditisten, wonach diese erhaltene Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % an die Beklagte zurückzahlen sollten, die das Geld ihrerseits an die S. Bank AG weiterleiten sollte, wobei die S. Bank AG im Gegenzug auf weitergehende Ansprüche aus §§ 171, 172 HGB verzichten würde. Der Gesellschaftsvertrag sieht keine Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor. Der Kläger hat die angebotene Freistellungsvereinbarung mit der Beklagten nicht unterzeichnet. Daraufhin wurde der Kläger von der S. Bank AG gerichtlich auf Grundlage des § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der Ausschüttungen, die er von der Beklagten erhalten hatte, den in der Hauptsache geltend gemachten Klagebetrag, in Anspruch genommen. Das Verfahren wurde vor dem LG Rostock unter dem Az. 9 O 600/11 (1) geführt. Der Kläger leistete im November 2013 die Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages an die Beklagte, nachdem der BGH mit seiner Entscheidung vom 08.10.2013 die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der S. Bank AG bestätigt hatte. Hierauf haben die Parteien des dortigen Rechtsstreits denselben für übereinstimmend erledigt erklärt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe den Betrag zu erstatten; er stelle ein Sonderopfer i. S. d. § 110 HGB dar. Eine rechtliche Verpflichtung habe der Zahlung an die Beklagte nicht zugrunde gelegen, so dass der Betrag zurückzuerstatten sei. Eine geordnete Liquidation sei - unstreitig - nicht beschlossen worden (Beschluss vom 29.11.2009). Seit 2012 hätte es keine Gesellschafterversammlungen noch Informationen über den Vertrag mit der Norddeutschen Vermögen gegeben. Die Teilfälligstellung der Zinsen diene lediglich dem Zweck, nicht freiwillig zahlende Kommanditisten zu verklagen. Die Beklagte sei in der Lage, die fällig gestellten Zinsen selbst auszugleichen. Für Baumaßnahmen habe es eine Finanzierungszusage der S. Bank gegeben. Die finanzielle Situation der Beklagten sei geordnet. Das Objekt sei - unstr. - vollvermietet bei einer Nettomonatsmiete von ca. 120.000,00 € /Monat. Zins- und Tilgungsforderungen seien weitgehend gestundet. Die geplante Durchführung eines freihändigen Verkaufs sei rechtswidrig. Der Freistellungsvereinbarung sei die Geschäftsgrundlage entzogen, weil der Verkauf gescheitert sei, die Kommanditisten nicht mehr informiert würden, so dass entweder die S.-Bank bzw. die Beklagte die eingezogenen Gelder zurückzahlen müssten. Die S. Bank habe maßgeblichen Einfluss auf den Fonds. Die Fondsgeschäftsführung handele in ihrem Interesse und nicht im Interesse der Kommanditisten. Die Beklagte wolle im Interesse der S. Bank die Insolvenz so lange hinauszögern, wie sie noch Zahlungen von den vertragstreuen Gesellschaftern erhalten könne. Die S. Bank stelle gerade nur soviel fällig, wie die Liquiditätsreserven der Beklagten noch ausreichen, ohne dass diese bereit sei, die Forderung auszugleichen, um die Insolvenz so lange wie möglich hinauszuzögern und die Inanspruchnahme von Kommanditisten zu ermöglichen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an ihn 17.757,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet folgendes ein:

Der Gesellschaftsvertrag schließe nicht aus, gezahlte Ausschüttungen zurückzuzahlen. Der Kläger habe nur zu dem Zweck gehandelt, sich einer Verurteilung in dem Verfahren mit der S.-Bank vor dem LG Rostock zu entziehen; die Zahlung sei der nicht im Interessenkreis der Gesellschaft erfolgt. Hinter dem Eigeninteresse des Klägers trete das der Gesellschaft zurück. Der Kläger habe die Zahlung an die S. Bank in Verbindung mit dem Verlangen der sofortigen Erstattung nicht für erforderlich halten dürfen. Der Anspruch sei nicht fällig, die gesellschaftliche Treuepflicht gebiete ein Zuwarten. Durch die Inanspruchnahme durch die Kommanditisten werde die geordnete Abwicklung gefährdet. Dafür sei es erforderlich, dass die S. Bank nur einen Teil der Zinsen fällig stellt und dass die fälligen Forderungen der S. Bank mit den Mietüberschüssen ausgeglichen werden, so dass der Entzug dieser Mittel durch die Kommanditisten die geordnete Abwicklung verhindern würde. Das seit dem 15.11.2013 endfällige Darlehen sei bis auf Zinsen in Höhe von wiederkehrend 400.000,00 € gestundet mit der Maßgabe, dass die Pachteinnahmen nach Abzug der Objektkosten insgesamt zur Tilgung der Hauptforderung verwendet werden (Anlage B2). Der Kaufvertrag vom 20.12.2013 werde wegen Weigerung der Käuferin nicht durchgeführt, die Beklagte könne aus finanziellen Gründen keinen Rechtsstreit führen. Es solle im Wege des Bieterverfahrens ein neuer Kaufvertrag geschlossen werden. In der Gesellschafterversammlung vom 4.9.2015 sei mehrheitlich ein Auftrag erteilt worden, Verhandlungen mit Interessenten zu führen und zum Abschluss zu bringen. Der Kläger handele auch deshalb treuwidrig, weil er gegen den Verkauf gestimmt habe. Der Zahlung an den Kläger stehe auch entgegen, dass dadurch ein Haftungskarussel entstehe, weil seine Haftung wieder auflebe.

Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1.)

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 17.767,39 € zu.

a.)

Gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB hat der Kläger als Gesellschafter einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft, wenn er in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen getätigt hat, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.6.2005, II ZR 252/03 folgendes ausgeführt: „Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die Kommanditgesellschaft zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, daß sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden können.“

So liegt auch der vorliegende Fall. Der Kläger hat die empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt, ohne dazu im Innenverhältnis zur Beklagten verpflichtet gewesen zu sein; denn unstreitig enthält der Gesellschaftsvertrag (Anlage B1) keine Vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft vorsieht. Dies trifft auch für die insoweit direkt in die S. Bank geleisteten Zahlungen zu (vgl. HansOLG vom 4.4.2014, 11 U 257/13). Dass die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen ist, ist unerheblich.

Bei den geleisteten Zahlungen handelt es sich auch um Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten. Da es nicht maßgeblich darauf ankommt, dass der Kläger ggf. einen ihm gegenüber bestehenden Anspruch der S. Bank aus § 172 Abs. 4 HGB folgen wollte, kommt es auch nicht darauf an, ob er durch seine Zahlung einer Verurteilung zuvorkommen wollte. Jedenfalls ergeben sich daraus keine die Gesellschaftsinteressen zurückdrängenden Gesellschafterinteressen.

b.)

Die Forderung ist auch fällig, was sich aus § 271 BGB ergibt. Gründe, die der sofortigen Fälligkeit entgegen stehen würden, sind nicht dargetan.

Auch kann dem Kläger kein Verstoß gegen die gesellschaftlichen Treupflichten entgegen gehalten werden.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegen stehen könnte. Diese ist nicht beschlossen worden, so dass sie dem Kläger auch nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. HansOLG vom 13.8.2015, 11 U 25/15). Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 3.11.2016, 11 U 105/16). Die Gesellschaft fordert in Umgehung der Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter gemäß § 8 Abs. 4 c des Gesellschaftsvertrages für Maßnahmen, die auf einseitigen Maßnahmen der Geschäftsführung beruhen, eine Treuepflicht, die lediglich unter den Voraussetzungen eines Beschlusses gemäß § 8 Abs. 4 c anzunehmen wären (Hans OLG vom 13,8,2015, 11 U 25/15 –Anlage K5 in 311/16). Dem schließt sich die Kammer an, zumal die Geschicke der Gesellschaft einseitig durch die Geschäftsführung in Abstimmung mit der Bank gesteuert werden, ohne dass für die Gesellschafter Inhalt und Folgen der wirtschaftlichen Entscheidungen transparent gemacht werden.

Das Verlangen des Klägers widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.6.2005, II ZR 252/03, der ausgeführt hat:“ Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluß vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks, nicht erreicht werden konnte.“

Dies ist nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dort hatten sich die Gesellschafter auf der Grundlage eines Beschlusses, der der Insolvenzreife der Gesellschaft Rechnung getragen hat, zu einer freiwilligen Leistung entschieden, so dass sich unter diesen Umständen die sofortige Rückforderung auch als widersprüchliches Verhalten darstellen würde. Diese Konstellation besteht im vorliegenden Fall nicht, so dass dem nach der vorgenannten Entscheidung grundsätzlich gerade bestehenden Anspruch kein entsprechender Einwand der Treuwidrigkeit entgegen gehalten werden könnte.

c.)

Es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung des Klägers wieder aufleben würde. Dieses Risiko ist allein vom Kläger zu tragen, ohne dass es der Beklagte zur Zahlungsverweigerung dienen könnte. Dies gilt ebenso für die grundsätzliche Möglichkeit, insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies unmittelbar droht, ist nicht vorgetragen.

Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger dem Verkauf nicht zugestimmt hat. Seine Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihm eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht seinem Zahlungsverlangen.

2.)

Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich nach § 291 BGB. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.